Our Sins

Our Sins

Jamie Tyrone Davies


EUR 18,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 382
ISBN: 978-3-99038-939-3
Erscheinungsdatum: 17.03.2016
Eine Welt gerät auf Abwege. Ein System wird überholt. Ein todbringender Plan entsteht. In der Nacht des ersten Aprils fällt in der grell schimmernden Stadt Las Vegas ein einziger Schuss…
Kapitel III

Die Regeln meines Feindes


In Woronesch hielten Chenkow und Voykaw ihren früheren Kollegen Vulture in einem alten versteckten Verhörraum gefangen, welcher vor wenigen Jahren noch regelmäßig von KGB-Agenten genutzt wurde, mittlerweile aber ziemlich verfallen war.
Chenkow, die ebenfalls mehrere Verhörtechniken, manche menschlicher als die anderen, beherrschte, wandte diese gerade an Vulture an, um aus ihm alles herauszubekommen, was er vielleicht wusste, ob bewusst oder unterbewusst.
Während Voykaw grinsend am anderen Ende des Raumes stand, klingelte sein Handy.
„Wer da?“, fragte Voykaw, der sich entspannt gegen einen Türrahmen lehnte und einfach nur genoss, wie sehr seine Freundin in ihrer Arbeit aufging.
„Wie ich sehe, ist Valtav doch nicht der Spezialist, für den ich ihn hielt. Guten Tag, Agent Voykaw“, meldete sich Lambert, der zu Voykaw sprach, als wäre sein Anruf eine Selbstverständlichkeit.
„Lambert. Nette Idee, sich als toter Direktor des FBI auszugeben“, sagte Voykaw ruhig und gefasst.
„Sie scheinen sich mittlerweile im Griff zu haben, Voykaw. Das ist sehr vorteilhaft für unsere Beziehung. Wissen Sie eigentlich, dass Ihre Angebetete eine wirklich bemerkenswert schöne Frau ist? Ich sehe sie gerade direkt durch das Visier meines Gewehrs“, sagte Lambert herausfordernd.
„Sie wollen mich doch nur provozieren, Lambert. Wenn Sie Mannes genug sind, schie…“ Noch bevor Voykaw seinen Satz beenden konnte, fiel ein Schuss, der Voykaw schmerzlich an seinen Aufenthalt in Vegas erinnerte.
Die Kugel aus Lambert 95M durchzog Vultures Schädel problemlos und trat am anderen Ende mit etwas Hirnmasse an der Spitze wieder aus, während er geknebelt an einem Holzstuhl vor Chenkow saß.
„Das war für seine Inkompetenz und dafür, dass Sie schon wieder aufmüpfig wurden. Wenn Sie nicht nach meinen Regeln spielen, ist Agentin Chenkow die nächste, so leid mir das auch tun würde“, drohte der berechnende Lambert, wissend, dass er Voykaw damit in seiner Hand hatte.
Während Chenkow geduckt inmitten des Verhörraumes stand, fasste Voykaw letztendlich den Entschluss Lambert zu gehorchen, denn er würde unter keinen Umständen riskieren, dass seiner Geliebten etwas zustieß.
„Und was sind Ihre Regeln?“, fragte Voykaw gezwungenermaßen servil.
„Gut, langsam lernen Sie mit mir zu kooperieren. Ich habe zwei Nachrichten für Ihren Kontakt beim FBI, Agent Jonah Kingsley“, kündigte Lambert zielgerichtet an.

„Und die wären?“, fragte Voykaw, dessen Neugier Lambert mit seiner ungewöhnlichen Forderung geweckt hatte.
„Ich habe das Attentat auf seinen Direktor Denning durchgeführt. Ich gabelte vor dem Zentralgebäude einen betrunkenen Obdachlosen auf, schlug Denning bewusstlos, setzte den Landstreicher in das Auto und zerrte Denning davon. Dann zündete ich die Autobombe vom Eingang aus und deponierte den Zünder auf dem Dach eines anderen Gebäudes, um die Ermittler vom FBI auf eine falsche Spur zu locken. Jetzt gerade halte ich Ihren Direktor Denning irgendwo in den Vereinigten Staaten als Geisel, und ich finde, Agent Kingsley sollte das wissen“, erklärte Lambert reuelos.
Voykaw erstarrte kurz.
Wenn Kingsley wüsste, dass Lambert Denning in seiner Gewalt hatte, würde er eine Hetzjagd auf Lambert veranstalten, selbst wenn er der einzige Jäger wäre.
„Außerdem soll Agent Kingsleys Team den türkischen Straftäter Muhammed Alkedras aufspüren. Weshalb wird sich ihm schon offenbaren“, fügte Lambert hinzu.
„Ach, wirklich? Wollen Sie mit ihm auch eine Rechnung begleichen, so wie mit Valtav?“
„Nein. Wenn Kingsleys Team den Mann aufspürt, werden auch Sie wissen, weshalb ich Ihnen davon erzählte. Aber das hat Sie momentan ohnehin nicht weiter zu kümmern. Sie sind bis auf Weiteres nur ein Bote und unser Gespräch ist nun beendet. Ich behalte Sie im Auge, Voykaw. Umarmen Sie jetzt besser ihre Freundin, Sie sieht von hier oben etwas verängstigt aus“, waren Lamberts letzte Worte, bevor er auflegte.
Voykaw leitete die Informationen über Alkedras sofort an Kingsley weiter, verschwieg ihm allerdings, dass Denning wohl möglich noch lebte und von Lambert als Geisel gehalten wurde, da Voykaw dachte, es würde Kingsley und seinen Ermittlungen eher schaden, als dass es helfen würde.
Alkedras lebte in Bodrum, an der Grenze zu Griechenland und dem ägäischem Meer.
Er gehörte einer eher harmlosen Gruppe von Extremisten an, die immer noch auf Kriegsfuß mit den Griechen standen.
Deren Idee war es, die türkische Regierung auf sich aufmerksam zu machen, indem sie kleinere Teile Griechenlands destabilisieren. Ob nun aus mangelnden Möglichkeiten oder aus Angst, führten sie etwas derart Gewaltiges nie durch, weshalb man ihnen auch nie wirkliche Aufmerksamkeit schenkte.
„Weshalb sagt Lambert dir all das? Und weshalb sollen wir diesen Türken aufsuchen?“, wunderte sich Kingsley während seines Gesprächs mit Voykaw.
„Vielleicht will er euch in die Irre führen und dich verwirren. Der Typ erscheint mir wie ein richtig durchtriebener Mistkerl“, meinte Voykaw daraufhin.
Auch, wenn sich bei beiden der Staub der letzten Tage langsam legte, wuchs der Wunsch nach Antworten und Gerechtigkeit, was Lambert betraf, stetig an.

Kingsley konnte selbst mit den Beweisstücken aus Las Vegas im Fall Taggert nicht viel tun.
Es gab eine Suchmeldung nach ihm und seiner Waffe, die aber sicherlich noch einiges an Zeit kosten würde, sollte sie überhaupt erfolgreich sein.
Kurzerhand machte sich Kingsley zusammen mit der noch unerfahrenen Agent Wise und ohne die Erlaubnis von Direktor Crane auf in die Türkei, um sich nach den Extremisten umzuhören.
Bodrum war keine Metropole, es war vorwiegend ein Wohnort, der unauffällig genug war, um eine Gruppe von Randalierern oder sogar eine Terrorzelle zu beherbergen.
Kaum waren die beiden Agenten in der Küstenstadt angekommen, machten sie sich an ihre Aufgabe, die zumindest diesmal klar und deutlich vor ihnen lag.
Kingsley und Wise trennten sich vorerst, um in der Stadt nach Informationen zu Alkedras und seinen Extremisten zu suchen.
Kingsley fragte sich durch einige Bars und Restaurants und zeigte den Passanten ein Bild von Alkedras, jedoch ohne wirkliche Resultate.
Wise, die wegen ihres ersten Außeneinsatzes recht aufgekratzt war, fand durch viel Glück eine Frau auf der Straße, die scheinbar Alkedras Nachbarin war.
Da Wise eine Art multilinguales Genie war, hatte sie keine Probleme sich mit den Türken vor Ort zu unterhalten, so also auch mit der aufgefundenen Nachbarin.
Auf dem Weg zu Alkedras Wohnung kontaktierte Wise Kingsley und sagte ihm, wo sich das Wohngebäude befand und dass er sie dort schnellstmöglich treffen sollte.
Als Wise vor dem Gebäude am Strand ankam, gab die freundlich wirkende Nachbarin ihr den Zweitschlüssel zu Alkedras Räumlichkeiten und sie beschloss in ihrem Eifer, Alkedras Wohnung noch vor Kingsleys Ankunft auszukundschaften.
Alkedras in Person war nicht zugegen und die Wohnung sah auf den ersten Blick völlig normal aus, mit ein paar geflochtenen Körben und Wandteppichen.
Nachdem die frischgebackene Agentin sich vorsichtig in der Wohnung umgesehen hatte, fand sie keine Hinweise darauf, dass Alkedras in irgendeiner Weise extremistische oder gar terroristische Ziele verfolgte.
Wise wollte gerade wieder hinausgehen, als die angebliche Nachbarin ihr eine primitive Flinte an den Rücken hielt.
Die verunsicherte Agent Wise war vielleicht eine Spezialistin, was Fremdsprachen anging, allerdings war sie nie gut im Nahkampf, und den Schusswaffentest für den Dienst beim FBI hatte sie nur knapp bestehen können.
Zu ihrem Glück konnte sich Kingsley in genau diesem Moment an die bewaffnete Frau, die Wise bedrohte, anschleichen.
„Was wollen du von Muhammed?“, verhörte die Extremistin, die Wises Sprache kaum beherrschte, die ausländische Agentin nachdrücklich.
Noch bevor die verängstigte Wise antworten, konnte schlug Kingsley die Extremistin von hinten ohnmächtig.
„Danke, Sir!“, sagte Wise unverzüglich, nachdem sie sich aufrappeln konnte.
„Sie gehören zu meinem Team. Außerdem wäre ich gefeuert worden, wenn Sie bei einer inoffiziellen Mission draufgegangen wären“, erläuterte Kingsley mit einem gleichgültigen Unterton.
„Heißt das, Direktor Crane weiß nicht, dass wir hier sind?“, fragte Wise schockiert.
„Genau, unser Direktor hat keine Ahnung. Ich habe einen anonymen Tipp bekommen, was Alkedras betrifft. Dies hier ist gar kein richtiger Fall“, antwortete Kingsley prompt, dem dies aber ganz im Gegenteil zu seiner Kollegin nichts ausmachte.
Danach herrschte eine beklemmende Ruhe und die beiden Agenten konnten die Wohnung etwas genauer durchforsten.
In einem Geheimfach unter Alkedras Bett fand Kingsley detaillierte Karten von den dodekanischen Inseln und von Los Angeles.
Daneben lag eine interessant aussehende, aber unsinnig erscheinende Notiz, die Folgendes besagte:
„Imira: Besucht den Mediziner.“
„Ismat: Tot – hat den Giganten besucht.“
„Kabik und Ich: Besuchen die Engel.“
Nur für den Fall steckte Kingsley das Schriftstück ein, bevor er Alkedras Wohnung verließ.
Kingsley und Wise mieteten sich kurzfristig ein Hotelzimmer und ließen die gefährliche Extremistin an einen Schrank in Alkedras Heim gekettet zurück, da man von einer inoffiziellen Mission natürlich auch keine Verdächtigen mitbringen konnte.
Als sich ihnen der Abend annäherte, erreichte Kingsley und seine Kameradin ein Anruf von ihrem Direktor Harlan Crane persönlich.
„Kingsley. Erklären Sie mir mal, warum mir hier zwei Agenten fehlen und auf den neusten Spesenabrechnungen ein Flug in die Türkei verrechnet ist, über den keiner etwas wissen will. Ich erinnere mich nicht, Ihnen einen Ausflug bewilligt zu haben“, zeterte der wütende Crane.
„Es tut uns wirklich sehr Leid, Sir. Wir …“, sprach Kingsley, bevor er kurz zu Wise hinüberschaute und nachdachte, während Crane ungeduldig auf eine Antwort wartete.
„Wir gehen einer Spur zu Lambert in der Türkei nach, die sich ziemlich spontan ergeben hat“, log Kingsley seinem Vorgesetzten vor, woraufhin Wise ihn entsetzt anstarrte.
„Wir melden uns, wenn wir mehr wissen, Direktor“, versicherte Kingsley, bevor er traditionell abrupt auflegte.
„Sie haben gerade wirklich Ihren Vorgesetzten angelogen, oder?“, fragte Wise, die Kingsleys Verhalten eher als albern und undurchdacht ansah.
„Nun ja, das ist wohl Interpretationssache. Meinen Infos nach muss dieser Alkedras irgendetwas über Lambert wissen, es muss irgendeine Verbindung geben, also sind wir hier indirekt hinter Lambert her“, schwafelte Kingsley rechtfertigend.
Auch, wenn Wise recht neugierig und gleichermaßen kritisch gegenüber Kingsleys Vorgehensweisen war, fragte sie nicht weiter nach.
Stattdessen wurde es über Bodrum langsam Abend und die zwei versuchten nach diesem strapaziösen Tag an der Küste zu entspannen.
Irgendwann suchte Wise das Gespräch mit ihrem Teamleiter, der gerade die nächtliche Ägäis vom Balkon des Hotels aus bewunderte.
„Danke, dass Sie mein Leben gerettet haben“, sprach Wise in ehrlicher Dankbarkeit, als sie sich auch auf den Balkon setzte.
„Vergessen Sie, was ich vorhin sagte. Es war mir selbstverständlich auch persönlich wichtig, meinen neuen Schützling zu beschützen“, betonte Kingsley, dessen unruhiges Gemüt von der frischen Meeresbrise scheinbar weggespült wurde, aufrichtig.
„Ich bin froh, dass ich wenigstens Sie retten konnte, Wise“, fügte Kingsley hinzu, wobei er plötzlich etwas trauriger dreinblickte.
Wise erkannte unschwer, dass etwas an Kingsley nagte.
„Es geht um meinen Vorgänger, Agent Taggert, habe ich recht?“, sah Wise ihrem Partner korrekterweise an.
„Sein Verlust tut mir ehrlich leid. Ich weiß, dass Sie mich eigentlich gar nicht in Ihrem Team wollten“, fügte Wise resignierend an.
„So ist es nicht. Ich habe ja nichts gegen Sie persönlich. Für Agent Gregs und mich war es einfach schwer, erst diese verworrene Sache mit Denning und dann Taggerts Ermordung durchzustehen“, erklärte Kingsley sanftmütig.
„Nochmals danke, Sir. Ich werde mein Bestes geben, um meinem Vorgänger gerecht zu werden“, versprach Wise daraufhin.
Schließlich setzte sie sich wieder in das Hotelzimmer und versuchte aus der Notiz, die die beiden in Alkedras vermeintlicher Wohnung fanden, schlauer zu werden, während sich Kingsley auf dem Balkon einen Scotch nach dem anderen hineinzog und damit endlich einmal Zeit hatte, seine Gedanken zu ordnen.
Er dachte an all das, was im Zusammenhang mit Lambert passiert war.
Er dachte an all seine Einsätze als FBI-Agent.
Er dachte an Christine und daran, was er ihr womöglich alles angetan hatte.

Zwar hatte Wise erst einmal Schwierigkeiten, konnte dann aber etwas Wegweisendes aus Alkedras Notiz entnehmen.
Imira, Ismat und Kabik waren vermutlich Alkedras Komplizen und Mediziner, Gigant und Engel waren wohl möglich Hinweise auf die jeweiligen Orte, zu denen die Extremisten geschickt wurden.

Mithilfe der beiliegenden Karten konnte Wise feststellen, dass mit „Mediziner“ die griechische Insel Kos, Heimat des antiken Arztes Hippokrates, und mit „Gigant“ die Insel Rhodos, früherer Standort des Kolosses von Rhodos, gemeint seinen konnte.
Nur was „die Engel“ bedeutete, eröffnete sich der in der Analytik bewanderten Wise noch nicht gänzlich, obwohl sie auch diesbezüglich bereits einen stillen Verdacht hatte.
Am nächsten Morgen brachte Kingsley Voykaw, der nun in Untätigkeit versank, auf den neuesten Stand, was die Suche nach Alkedras betraf.
Voykaw beschloss kurzerhand selbst in die Türkei zu fliegen, um Kingsley nach Kräften zu unterstützen.
Auch wenn Kingsley ihn nicht davon abhalten konnte, fürchtete er sich vor den Auswirkungen, die diese Einmischung auf seine Mission haben könnte.
Für Lambert entwickelte sich auch mit Voykaws Anreise alles nach Plan.
Seine Fähigkeiten zur Manipulation, Planung und taktischer Expertise waren außergewöhnlich.
Verständlich, denn er hatte von einem der Besten gelernt, und das von klein auf.
Auch er befand sich bereits in der Türkei und wartete nur darauf, Voykaw abfangen zu können.
Voykaw befand sich nur knapp einen Tag später am Ausgangsterminal des Flughafens, als ein weiterer Anruf von Lambert einging.
„Sergeant Lambert. Wollen Sie wieder versuchen mich zu provozieren oder einfach nur wieder über irres Zeug plaudern?“, fragte Voykaw mit überheblicher Selbstsicherheit.
„Nicht heute, Agent Voykaw. Ich habe einen kleinen Vorschlag. Wir beide halten ein Rennen ab. Vom Flughafenterminal bis zu Agent Kingsleys Hotel, und wenn Sie gewinnen sollten, bekommen Sie Ihre ersehnten Antworten von mir. Gewinne ich jedoch, sterben Agent Kingsley und sein Team auf der Stelle“, schlug Lambert dreist vor.
„Lambert, das hier muss nicht genauso wie Vegas enden! Hören Sie auf mit den Psychospielen und sagen Sie uns, was sie wissen und was Sie überhaupt wollen!“, forderte Voykaw, der nun auch weiteren Toten aus dem Weg gehen wollte.
„Sie haben recht. Niemand muss sterben. Jedenfalls nicht, wenn Sie unseren kleinen Wettstreit gewinnen“, sagte Lambert, festgefahren, wie er auf seine herausfordernde Idee war.
Voykaw ärgerte sich, dass Lambert ihn wieder in eine solche Pattsituation bringen konnte, da er genau wusste, dass er keine Wahl hatte, als nach den Regeln seines Feindes zu spielen.
Somit legte Voykaw eilends auf und lief los, wobei er sich im Gegenteil zu Lambert durch die Menschenmassen am Terminal kämpfen musste, bis er außerhalb des Flughafens auf einer breiten Landstraße war und das Meer sehen konnte, während er der Stadt entgegenrannte.
Als er nach einer ungefähren Viertelstunde des Sprintens erschöpft am Hotel ankam, sah er Lambert bereits auf dem Nebengebäude mit seinem Gewehr Stellung beziehen.
So schnell er konnte, erklomm Voykaw das Dach des Gebäudes, und noch bevor Lambert ihn bemerkte, stieß Voykaw den knienden Scharfschützen um.
Beide bekämpften einander erbittert sich auf dem Boden, bevor Lambert den auf ihn einprügelnden Voykaw wegstoßen konnte, und somit standen die beiden nun Auge in Auge.
Beide zogen ihre Pistolen, als sie sich wieder auf die Beine stellten.
Und beide hielten modifizierte CZ 85-Varianten nach den alten KGB-Standards in ihren Händen.
„Es sieht aus, als hätte ich meinen Preis gewonnen“, sagte Voykaw selbstgefällig.
„Sieht so aus“, bestätigte Lambert, der sich genaustens auf Voykaw fokussierte.
„Sagen Sie mir, hatten Sie in Ihrem Leben je die Wahl, jemand anderes zu werden, als der Mann, der Sie heute sind?“, fragte Lambert den geladenen Voykaw unerwartet.
„Vielleicht nicht. Ist das wichtig? Für Sie endet das Leben heute Nacht ohnehin“, antwortete Voykaw, der willens war die Finte, die Lambert vor ihm inszenierte, im Bruchteil eines Augenblicks zu beenden.
„Ich hatte wohl nie diese Möglichkeit. Dass ich hier stehe, war wohl bereits sicher, als ich gerade einmal zehn Jahre alt war. Ich hatte nie eine Wahl“, legte Lambert dar, der immer noch mit der Pistole auf Voykaws Brust gerichtet vor ihm stand.
„Wollen Sie etwa Mitleid? Ich habe mit einem Mörder und hinterhältigem Manipulator kein Mitleid. Keiner der Tode, die sie verursachten, war notwendig. Sie selbst haben entschieden“, sprach Voykaw ungerührt und tadelnd.
„Sie haben keine Ahnung davon, wie manche Menschen ihre Entscheidungen treffen müssen. Ich will auch ganz sicher kein Mitleid von Ihnen, aber lassen Sie mich Sie noch etwas anderes fragen. Sind Sie nicht auch ein Mörder, Agent Voykaw?“, wollte Lambert wissen, womit er Voykaw einen kurzen Moment zu denken gab.
Spielte Lambert auf die verworrene Geschichte um seine Mutter an?
Oder wollte er Voykaw einfach nur ablenken, da er wusste, dass der altgediente Agent ihm in dieser Situation überlegen war?
Kurzerhand schoss Voykaw, der deutlich schneller mit der Pistole war, Lambert affektiv in seinen rechten Unterschenkel.
Lambert verlor sein Gleichgewicht und kippte vom Dach, als sein Bein wegen des Schusses einknickte, und fiel einige Meter tief auf den steinernen Boden der Straße zwischen dem Hotel und dem Gebäude, auf dem er sich Voykaw gestellt hatte.
Um sich zu vergewissern, dass Kingsley und sein Team wohlauf waren, eilte Voykaw das Dach hinunter und zum Hotel hinüber.
Er blieb vorher noch vor der Gasse kurz stehen und sah sich um.
Allerdings sah er weder Lamberts Waffe noch seinen Körper in der Gasse liegen, was heißen musste, dass er den Sturz überlebt hatte und bereits entkommen war.
Dies war für Voykaw allerdings zweitrangig, was zeigte, dass seine Versessenheit auf Lambert seinen besseren Eigenschaften nicht mehr so im Weg stand wie noch in Vegas.
Voykaw dachte viel über sein Fehlverhalten nach Taggerts Ermordung nach und lernte auch daraus.
Er stürzte auf Kingsleys Zimmer und fand die beiden FBI-Agenten glücklicherweise unverletzt und unbehelligt vor.
Sofort, als Voykaw aus Panik die Tür aufbrach, stellte sich Kingsley mit seiner Dienstwaffe auf und zielte auf seinen Kollegen.
Kingsley entspannte sich erleichtert, als er den Russen erkannte.
„Weißt du, es gibt wirklich subtilere Wege, zu mir zu kommen, selbst für Leute wie dich“, scherzte Kingsley in seiner Angespanntheit, woraufhin Voykaw kurz lachte.
Voykaw berichtete Kingsley von Lamberts plötzlichem Auftauchen und wieso er so hereingeplatzt war.
Danach setzten sich beide auf den Balkon des Hotelzimmers und taten etwas, was sie schon früher verband.
Sie saßen im atmosphärischen Mondschein, rauchten eine der mexikanischen Zigarren, von denen Voykaw immer einige bei sich hatte, und tranken einen Scotch aus Kingsleys Reisevorrat.
„Alkedras, Lambert und die Suche nach Denning. Keine Ruhe für die Guten, stimmt’s?“, sagte Voykaw, während er seinen Scotch genoss.
„Das war doch schon immer so. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass wir schon einmal zur Ruhe gekommen sind, du und ich“, wog Kingsley ab, während er selig lächelte.
„Ich muss wissen, was der KGB über Delilah Lambert wusste“, fügte Kingsley daraufhin sehr direkt an.
„Okay, ich verstehe schon“, brach Voykaw, der wusste, dass er seine Erinnerung nicht ewig geheim halten konnte, sein Schweigen.
„Damals hatten wir Grund zur Annahme, dass Delilah Lambert über uns Bescheid wusste, und eventuell der russischen Regierung Informationen liefern könnte. Wir mussten unsere Anonymität schützen. Ich, jung wie ich damals noch war, wurde nach Las Vegas geschickt und sollte sie zum Schweigen bringen, vorzugsweise dauerhaft.


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