Liebesgeschichten mit Kriminalfall

Liebesgeschichten mit Kriminalfall

Tierwärter in Nöten, Unschuldig im Gefängnis, Todesfall in Bümpliz.

Alfred Gujer


EUR 15,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 84
ISBN: 978-3-99146-075-6
Erscheinungsdatum: 05.04.2023
Drei Morde, drei Täter, drei Geschichten. Toni, Lukas und Fritz sehen sich plötzlich mit nervenaufreibenden Situationen konfrontiert. Die Erzählungen basieren auf realen Fällen.
Tierwärter in Nöten, 1973


»So eine verdammte Scheiße!! Die glauben wohl, sie können mit mir machen, was sie wollen, nur, weil ich nicht viel sage!!«
Wutentbrannt trat der damals fünfunddreißig-jährige Tierwärter Toni Brunner in die Stube seiner Wohnung und warf den Rucksack in die Ecke, dass es schepperte.
»Vati, das darf man nicht tun!«, schimpfte Gabi, seine jüngere Tochter, mit mahnend erhobenem Zeigefinger.
Im selben Moment trat die ältere Tochter Karin aus dem Kinderzimmer.
»Vati, du wirst gleich noch wütender werden, wenn du weißt, wo die Mutter ist«, begrüßte sie ihn.
»Ich kann es mir denken«, knurrte Toni und knirschte mit den Zähnen. Eine steile Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn.
Aus der Küche trat eine junge hübsche Frau mit dunklem, gewelltem Haar. Sie war schlank, trug einen grauen Minirock und einen blauen Pullover, darüber hatte sie eine weiße Schürze umgebunden. Überrascht hob Toni die Augenbrauen.
»Du hier?«, fragte er.
»Karin hat angerufen«, antwortete die junge Frau und küsste den Vater zärtlich auf den Mund.
»Wie gesagt, Karin hat angerufen und mich gebeten zu kommen. Ihr hättet fast nichts mehr zu essen im Kühlschrank und die Mutter sei nicht da. Also bin ich gekommen. Wir haben zusammen eingekauft und gekocht.«
Toni atmete tief durch und biss sich auf die Lippen. Die Frauen setzten sich in der Küche an den gedeckten Tisch. Er füllte die rotgeblümten Teller mit Spaghetti, reichte Tomatensauce und Reibkäse, dann setzte auch er sich.
»Was ist im Zoo passiert, dass du so wütend bist?«, fragte die junge Frau gespannt.
Nachdenklich drehte Toni seine Spaghetti auf der Gabel, schaute seine Töchter und die junge Frau an.
»Die Eisbärenanlage im Zoo ist für drei erwachsene Tiere einfach zu klein. Ursprünglich wurde sie als Freigehege für zwei Löwen gebaut. Aber das neue Raubtierhaus nebenan ist so groß, dass es dieses kleine Freigehege nicht mehr brauchte. Kurzerhand wurde es mit Eisbären besetzt, ohne dabei zu bedenken, dass Eisbären doppelt so groß werden wie Löwen.«
Toni schob sich die Gabel mit Spaghetti in den Mund und kaute genüsslich.
»Erzähl weiter«, bat Gabi.
»Die Eisbären streiten viel auf dem kleinen Raum. ›Gib ihnen etwas zum Spielen‹, hat mein Kollege vom Raubtierhaus gesagt. Auch die Besucher murrten: ›Wieso streiten diese Bären immer?‹ Erst getraute ich mich überhaupt nicht. Dann aber ging ich in den Wald und holte große starke Äste, die verkeilte ich während der Reinigung des Freigeheges zwischen den Felsen und spießte Fleisch, Fisch und Brot auf. So, dass sie sich beim Fressen anstrengen mussten. Und siehe da, sie wurden zusehend ruhiger.«
»Das hast du gut gemacht, Vati«, bestätigte Karin.
»Der Zoochauffeur kam dann zu mir. ›Wenn du willst, bringe ich dir eine Ladung voll Äste‹, obwohl mir nicht wohl war, habe ich zugesagt. Er brachte mir die Äste und ich baute den Bären eine Hütte. Am Nachmittag kam dann der Zooassistent, schnauzte mich gleich an. Ich hätte eigenmächtig gehandelt. Das gehe gar nicht. Es könnte sein, dass diese Eigenmächtigkeit Folgen für mich hätte. Ich bekam Angst, denn ich will meine Stelle nicht verlieren.«
»Ich denke, das ist nicht so schlimm«, antwortete die junge Frau. »Die wollen nur nicht zugeben, dass dir eine Lösung eingefallen ist.«
»Die Bären waren ruhig und die Besucher hielten sich länger als sonst vor dem Freigehege auf.«
»Siehst du.«
Die junge Frau räumte den Tisch ab und beschäftigte sich mit dem Abwasch. Es schepperte und klapperte.
»Kann ich dir helfen, Claudia?«
Sie drehte sich zu Toni. Schaute ihn durchdringend an, langsam fuhr sie ihm mit der feuchten Hand durchs Haar.
»Wenn du mir helfen willst, dann ordne dein Eheleben. Du weißt, wo Brigitte ist.« Wiederum biss sich Toni auf die Lippen. »Bei einem Architekten«, knurrte er. Claudia fuhr fort. »Lass dich von ihr nicht behandeln wie der letzte Dreck.«
Es klingelte. Erstaunt blickten sie sich an.
»Wer kann das sein? Brigitte hat einen Schlüssel?«
Claudia hob unwissend die Schultern und hantierte weiter mit dem Geschirr. Danach fuhr sie mit dem feuchten Lappen über das gelbgeblümte Plastiktischtuch. Die Küchenuhr tickte langsam. Sie hörten, dass die Töchter öffneten und mit jemandem sprachen. Plötzlich stand Karin ganz aufgeregt in der Küche.
»Vati? Kommst du mal. Die Polizei.«
»Die Polizei? Was wollen die denn?«
»Ich weiß es nicht. Sie wollen mit dir sprechen.«
Gespannt legte Toni das Geschirrtuch hin und trat in die Stube. Zwei Polizisten in dunkelblauen Uniformen, mit modernen Schirmmützen warteten. Mit ausdruckslosen Augen fragten sie: »Sind Sie Anton Brunner?« Toni bestätigte.
»Sie müssen mit uns kommen. Es geht um Ihre Frau.«
Toni erbleichte, ging in die Garderobe und zog seine Jacke an.
»Geh nur, ich bleibe bei den Mädchen«, sagte Claudia, die aus der Küche in die Stube trat. Ihre Arme um die beiden legte und beruhigend über ihre Haare strich.
»Seid brav«, mahnte er noch. Zusammen mit den Polizisten verließ er die Wohnung. Vor dem Haus stand ein schwarz-weißes Polizeiauto der Marke Volvo. Vom Stubenfenster aus beobachteten Claudia und ihre Nichten, wie Toni mit den beiden Polizisten einstieg und wegfuhren.
»Tanti, warum haben die Polizisten Vati geholt?«, fragte Gabi.
»Soviel ich gehört habe, geht es um eure Mutter.«
»Immer die Mutter, ich hasse sie!«, schnauzte Karin. Ihre blauen Augen blitzten.
»Pst, Karin. Nicht so«, mahnte Claudia.
»Im vergangenen halben Jahr hat sie nichts für uns getan. Ohne dich wären wir längst verhungert«, giftete Karin abermals.
Claudia seufzte und bat ihre Nichten: »Geht ins Zimmer, macht euch bettfertig.«
»Ich kann jetzt nicht schlafen«, protestierte Gabi.
»Wir möchten aufbleiben und warten, bis der Vati wieder kommt«, bettelten die beiden.
»Meinetwegen, aber zieht eure Pyjamas an.«
Die Mädchen gehorchten. Eine Viertelstunde später ließen sie sich mit der Tante auf dem Sofa nieder. Um sich abzulenken, schalteten sie den Fernseher ein. Doch das Abendprogramm war langweilig.
»Was ist wohl mit der Mutter? Was hat sie getan? Natürlich mit einem fremden Mann rumgebumst. Oder ihn betrogen.«
»Oder bestohlen«, meinte Gabi.
Die Mädchen fantasierten die verrücktesten Sachen zusammen. Stunde um Stunde verging. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Stubenuhr schlug gerade Mitternacht. Im Fernseher begann das Nachtprogramm, als sie die Wohnungstüre hörten.
»Vati kommt«, sagte Gabi gespannt.
»Mit oder ohne Mutter«, spöttelte Karin.
»Das werden wir gleichsehen«, antwortete Claudia und schaltete das Fernsehgerät aus. In der Garderobe zog Toni seine Jacke aus, hängte sie an den Hacken, trat in die Stube, ohne Mutter. Sein Gesicht war bleich wie Milch, seine Augen blickten verstört umher. Er setzte sich aufs Sofa. Karin und Gabi kuschelten sich an ihn. Er holte sein grün gepunktetes Taschentuch hervor und schnäuzte sich ausgiebig. Was er dann zu berichten hatte, überstieg alles, was sich die Mädchen vorgestellt hatten.
»Wo ist Brigitte?«, fragte Claudia.
Toni stierte vor sich hin, schüttelte den Kopf.
»Die … die kommt nicht mehr. Die … die ist im Gefängnis«, stotterte er. »Und dort bleibt sie auch.«
Beruhigend legte Claudia ihre Hand auf seinen Arm und fragte sanft. »Was ist geschehen?«
»Die Polizisten brachten mich auf die Hauptwache. Dort konnte ich mit Kriminalbeamten drei Stunden lang über unsere Eheschwierigkeiten reden. Vor allem wollten sie wissen, wann die Schwierigkeiten begannen und mit wem Brigitte es trieb. Ich kenne ihn nicht. Ich weiß nur, dass er, wie sie, Architekt ist. Danach sagten sie mir: ›Ihre Frau hat recht, Sie sind unschuldig. Sie haben mit der Sache nichts zu tun. Das spürt man intuitiv.‹ ›Darf ich wissen, mit welcher Sache‹, fragte ich. ›der aktuelle Stand ist folgender: Seit ein paar Wochen wurde die Frau des erwähnten Architekten vermisst. Er selbst hat eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Merkwürdig war nur, immer wenn die Schwester des Architekten mit ihrem Hund kam, bellte der die unterste Stufe der Kellertreppe, die gemauert war, an. Vorgestern besuchte diese Schwester mit einem Bekannten, der ebenfalls einen Hund besaß, wieder den Architekten. Sie wunderte sich, dass Frau Brunner da war, aber ihre Schwägerin nicht. Die sei verreist, bekam sie zur Antwort. Merkwürdigerweise knurrten und bellten beide Hunde die unterste Kellertreppenstufe an. ›Als wäre da etwas eingemauert, das die Hunde stört‹, sagte ihr Bekannter beiläufig. Da kam der Schwester ein fürchterlicher Verdacht und sie rief die Polizei. Wir schickten unsere Patrouille mit einem Bautrupp in die Villa, die brachen die Stufe auf und machten einen grausigen Fund. Die Frau des Architekten war eingemauert. Durch einen Gebissabgleich konnten wir sie identifizieren. Auch das Messer, mit dem sie erstochen wurde, war eingemauert. Frau Brunner und der Architekt wurden sofort verhaftet. Nach zehnstündigem Verhör haben sie den Mord gestanden. Weil die Gattin Frau Brunner in ihrem Architekturbüro nicht einstellen wollte, haben sie sie kurzerhand umgebracht und eingemauert.‹ Ich war sprachlos, vorsichtig fragte ich: ›Was denken sie, haben sie zu erwarten?‹ ›Lebenslänglich‹, antworteten die Beamten sachlich. Danach haben mich die Polizisten wieder nach Hause gefahren.«
Toni schwieg. Es war still in der Stube. Nur die Stubenuhr tickte gleichmäßig, als wäre nichts geschehen. Karin starrte fassungslos vor sich hin. Auch Claudia war schockiert. Gabi dagegen war in seinem linken Arm eingeschlafen. Toni hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte.
»Ich bin müde. Ich will ins Bett. Schließlich habe ich morgen Sonntagsdienst.«
»Willst du unter diesen Umständen nicht absagen?«
»Nein, gerade jetzt nicht. Was soll ich zu Hause herumhocken?«
Er hob Gabi auf die Arme, trug sie ins Kinderzimmer, legte sie ins untere des zweistöckigen Etagenbettes, das mit vielen Tierbildern beklebt war und deckte sie zu. Karin trat an ihren kleinen hellbraunen Schreibtisch, der ebenfalls mit Zootieren überklebt war, nahm aus der obersten Schublade die Bürste, kämmte vor dem großen Spiegel, der an der Türe des Kleiderschrankes befestigt war, ihre langen Haare und band sie mit einem schwarzen Gummiband zu einem Rossschwanz. Dann kletterte sie das Leiterchen hoch und legte sich ins Bett. Herzlich umarmte sie ihren Vater.
»Vati, das schaffen wir auch ohne Mutter. Im Notfall ist Tante Claudia da.«
Ein dunkles Rot glitt über Tonis schmales kantiges Gesicht. »Mit dir kann ich ja offen sprechen. Ich werde mich scheiden lassen.«
Karin strahlte. Umarmte ihren Vater abermals, legte sich hin, deckte sich zu.
»Schlaf gut«, murmelte er, löschte das Licht und verließ das Kinderzimmer.


2. Kapitel

Der Sonntag war hell und klar. Nachdem sich der Frühnebel gelichtet hatte, schien die Sonne in einem kräftigen Gelbton über die herbstlich bunten Wälder und grünen Wiesen vom Zürichberg. Es war still. Nur die Vögel trillerten. Ein Specht hämmerte irgendwo. Gegen Mittag betraten Gabi und Karin mit der Tante den Zoo. Alle drei waren im Schwesternlook gekleidet. Grüne Bluse, rot-weiß karierte Jacke, brauner Faltenminirock mit gerundetem Saum, weiße Kniestrümpfe und weiße Schuhe. Claudia trug weiße Stiefel.
Obwohl es Sonntag sowie Herbstferien war, mussten sie nicht lange an der Kasse anstehen. Als sie den Hauptweg zum Restaurant hochgingen, kam ihnen Toni in Begleitung des Betriebsassistenten entgegen. Sein Gesicht war angespannt. Vor dem Restaurant grüßten sie sich kurz. Der Betriebsassistent wandte sich an Toni.
»Also, Herr Brunner, wenn Ihnen nicht wohl ist, gehen Sie nach dem Mittagessen nach Hause.«
»Nein, ich arbeite weiter. Auch in den nächsten Tagen. Zuhause komme ich nur ins Grübeln, das kann ich nicht brauchen«, antwortete Toni scheu.
»Nun gut, dann werde ich Sie weiterhin im Dienstplan eintragen.«
Sie verabschiedeten sich, gingen zum Essen. Im gut besetzten Restaurant roch es nach Braten, Gemüse, Pommes frites und Speiseeis. Toni und Claudia ließen sich das Sonntagsmenü, Braten mit Sauce, dazu Nudeln mit Gemüse, schmecken. Gabi und Karin nahmen Schnitzel mit Pommes frites, dazu Salat. Beiden lief das Wasser im Munde zusammen, als sie sich setzten. Toni hatte einen Liter Coca-Cola für die Familie gekauft. Er war gerade am Einschenken, als Claudia fragte: »Wie ging’s?«
»Das Verbrechen stand bereits im Sonntags Blick. Der Betriebsassistent, der heute extra in den Zoo kam, wusste, dass es in meiner Ehe nicht mehr stimmte. Und den Kollegen fiel die Abkürzung B.B. auf. ›Hast du was mit Brigitte Bardot?‹, hänselten sie mich. Nein, meine Frau heißt Brigitte Brunner. ›Und das ist deine Frau?‹, fragten sie mich. ›Ja leider‹, bestätigte ich. Deshalb wünschte der Betriebsassistent, dass ich nach Hause gehe. Aber ich will nicht. Das habt ihr ja mitbekommen.«
»Ich meine nicht das. Ich meine die Sache mit den Bären?«
Toni nahm eine Gabel voll Nudeln in den Mund, kaute genüsslich, antwortete dann fast verlegen: »Das hat sich heute Morgen erledigt. Der Betriebsassistent hatte nichts dagegen. Das nächste Mal solle ich ihm oder dem Direktor meinen Wunsch oder meine Vorstellung direkt mitteilen. Dann könne man darüber reden. Die Drohung des Zooassistenten über mögliche Konsequenzen sei nicht böse gemeint. Er sei halt noch jung und forsch.«
»Bravo, Vati«, klatschte Karin. »Ich will die Hütte sehen, Vati?«
»Oje, die Bären haben die Hütte zerzaust und liegen mehr drauf als drunter. Aber morgen werden wir aus starken Weiden eine stabile Hütte erstellen. Zwischen den Sträuchern verstecken wir dann Brot und Fische, die die Bären mit ihrem ausgezeichneten Geruchsinn finden, dann sind sie beschäftigt.«
Nach dem Mittagessen spazierte die Familie Richtung Raubtierhaus. Obwohl Toni wusste, dass seit heute Morgen von seinen Arbeitskollegen über ihn und seine schreckliche Frau getuschelt wurde, hängte er seiner um zwölf Jahre jüngeren Schwägerin Claudia ungeniert ein. An seiner rechten Hand spazierte Gabi, an Claudias linker Seite schlenderte Karin. Vor dem Eisbärenfreigehege blieben sie stehen. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und schien bereits schräg auf die Anlage. Faul und behäbig lag ein Bär auf der oberen Rampe, halb unter der zerzausten Hütte. Die beiden anderen schwammen gemächlich ihre Runden im Wasserbecken, das vor der unteren Rampe lag und gegen die Besucher hin mit einer hohen Mauer abgesperrt war. Als sie Toni erblickten, stiegen sie aus dem Wasser, schüttelten sich, blickten die Besucher an und wiegten gespannt mit dem Körper hin und her. Ein tiefes, röhrendes Brummen kam aus ihren mächtigen Schnauzen. Danach warfen sie die Köpfe ruckartig in die Höhe, als würden sie Toni herwinken. Gabi und Karin lachten. Auch der dritte Bär wurde lebendig und begrüßte seinen Revierwärter mit scharenden Bewegungen der linken Vorderpfote. Toni verabschiedete sich von Claudia, Karin und Gabi und verschwand im Haus.
Claudia setzte mit den Mädchen ihren Zoobesuch fort. Bis sie nach 16 Uhr wieder beim Eisbärengehege anlangten. Die Eisbären erhielten ihr Hauptfressen im nicht öffentlichen Dienstgebäude.
»Was macht ihr noch?«, fragte Toni, der nach Fleisch, Fisch und Raubtier roch.
»Wir gehen ins Restaurant und essen eine Kleinigkeit, dann warten wir auf dich.«
»In Ordnung.«
Die Sonne versank langsam hinter den Waldungen von Gockhausen. Der Himmel verfärbte sich milchig, danach grau. Um 18.15 Uhr begann es zu dunkeln. Toni, der sich umgezogen sowie gekämmt hatte, machte sich mit seiner Familie auf den Heimweg. Aber seine Kleider rochen noch immer nach Raubtier. Zu Hause setzte er sich wie jeden Sonntag, wenn er Dienst hatte, in die Badewanne und seifte sich ab. Dabei sang er eine Arie nach der anderen.
Sechs Monate später fand der Prozess gegen seine Frau und den Architekten vor dem Zürcher Schwurgericht statt. Beide wurden wie erwartet zu lebenslanger Haft verurteilt. Toni ließ sich scheiden und brach den Kontakt zu Brigitte komplett ab. Wenig später heiratete er seine ehemalige Schwägerin und zog mit ihr und den Töchtern in eine größere Wohnung. Neun Monate später schenkte Claudia Brunner einem gesunden Jungen das Leben.

ENDE

Der Geschichte liegen zwei Fälle zugrunde. Erster Fall: Februar 1934 in der Nähe von Delsberg. Das spurlose Verschwinden von Hans Lauper. Hartnäckige Beamte der Berner Kantonspolizei klärten den Fall nach 19 Jahren auf. Zweiter Fall: Richter Hold (erfunden). Die Ermordung von Frau Doktor Franziska Ahlsfeld und der Haushälterin Erna Braun am 3. Dezember 2004 im Bärlach Wald, München.



Unschuldig im Gefängnis, 1975


Auf dem schmalen Waldweg, oberhalb der Wirtschaft Ziegelhütte in Zürich-Schwamendingen, schritt ein junges Pärchen munter Stettbach bei Dübendorf zu. Es war Freitagnachmittag Mitte September. Am Waldrand färbten sich die Blätter der Laubbäume, die vereinzelt zwischen den Tannen standen, langsam gelb. Die blonde Frau hob den Kopf, als sie über sich ein kräftiges Rauschen vernahmen. Und deutete mit dem Finger zum Himmel.
»Schau Lukas. Der Sommer ist endgültig vorbei. Die Schwalben machen sich auf den Weg in wärmere Gefilde.«
Lukas Graf hob ebenfalls den Kopf und nickte. Sie blieben kurz stehen. Gemeinsam beobachteten sie, wie der große Vogelschwarm Richtung Süden zog. Dann gingen sie weiter.
Lukas hatte an einer Autorenversammlung teilgenommen, obwohl sein Roman nicht fertig war. Diese hatte in der Wirtschaft Ziegelhütte stattgefunden. Jetzt begleitete er seine Braut Marianne bis zu einer gewissen Stelle im Wald, wo sie sich immer mit einem Kuss verabschiedeten und Marianne die letzten Meter zum Anwesen ihres Großvaters alleine weiterging. Nachdem sie heute Mittag ihre Frauenärztin aufgesucht hatte, und über mögliche Konsequenzen eines ersten Sexualkontaktes aufgeklärt wurde, hatten sie beschlossen, es nicht bei einem Kuss bewenden zu lassen. Sondern das erste Mal miteinander zu schlafen. Die Stelle war dazu bestens geeignet. Links und rechts des Weges wuchs zwischen den Bäumen dichtes Farnkraut, in dem man sich gut verstecken konnte. Dazu lag der Weg in einer leichten Biegung. Etwaige Spaziergänger konnte man schon von weitem sehen.
»Kein Mensch«, raunte Lukas, als sie die Stelle erreichten, und zog Marianne ins Gebüsch.
Sie setzten sich ins weiche Moos. Im Farnkraut war das Licht dämmrig. Vom Flughafen her hörten sie das entfernte dunkle Brummen der aufsteigenden Flugzeuge. Sonst war es still.
Sanft begann er Marianne zu streicheln und auszuziehen.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Liebesgeschichten mit Kriminalfall

F. L. Leansman

B8 - Bergkristall

Buchbewertung:
*Pflichtfelder