Kommissar Cervoni - Tessiner Fall

Kommissar Cervoni - Tessiner Fall

Marc Maurer


EUR 27,90
EUR 22,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 436
ISBN: 978-3-99130-143-1
Erscheinungsdatum: 25.08.2022
Der neue Fall des berühmten Schweizer Kommissars Cervoni führt ins Tessin: Es gilt, das Rätsel eines mysteriösen Todesfalls zu lösen. War es Suizid, Mord oder gar das Ende eines tragisch verlaufenen Sexabenteuers? Eine Weltuntergangssekte kommt ins Spiel.
Danksagung

Meiner Betreuerin, Frau Sansarah Hammer, und meiner Lektorin, Frau Dr. Annette Debold, bin ich für ihre Anregungen sehr verbunden. Ein Dank geht auch an das Grafik-Team und an alle übrigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des novum Verlages.


Bellinzona

Die Notiz beschränkte sich auf gerade mal zehn armselige Zeilen. Aber die Annonce brachte es, und das sollte sich schnell als unheilvoller Beschluss herausstellen, dennoch auf die Frontseite der Bellenzer Tageszeitung La Regione:

„Mysteriöser Todesfall im Castelgrande“

„Merda! Und ausgerechnet an einem Samstag!“, lamentierte der Sindaco der Kantonshauptstadt. Der Magistrat stand mit seiner Überlegung beileibe nicht allein da.
„Exakt zur Hochsaison!“, ärgerte sich auch der regionale Direktor für Tourismus, Aldo Bernasconi: „Als ob wir nicht schon genug Probleme mit den beharrlich sinkenden Fremdübernachtungen hätten!“

Wenn es das Wetter zuließ, und dies war heute, nach einer zweiwöchigen Regenpause, glücklicherweise wieder einmal der Fall, erschien es Aldo Bernasconi opportun, sich am letzten Tag der Woche in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es war nicht etwa so, dass er dies als Leistungssoll empfinden oder ihm solches gar schwerfallen würde. Nein, ihm dies zu unterstellen wäre schlichtweg gelogen! Wer Bernasconi kannte, wusste, dass er es im wahrsten Sinne des Wortes genoss, sich unter das Fußvolk zu mischen; sich da und dort selbst ein Bild über Erfolg oder Fehlschlag seiner vor Monaten gestarteten Werbekampagne zu machen. Ein zeitraubender, mit staatlichen Mitteln geförderter Feldzug, der dem dahinsiechenden Lokaltourismus, so hofften die Initianten, neues Leben einhauchen sollte.

Samstags, und immer um diese Uhrzeit, die Glocke im rechteckigen Turm der unweit gelegenen Chiesa San Biagio hatte soeben neun geschlagen, begegnete man Signor Bernasconi im Peverelli, einem in einem historischen Gebäude untergebrachten und allgemein gut frequentierten Straßencafé auf der Piazza Collegiata.
Aldo Bernasconi hatte die verhängnisvolle Notiz soeben druckfrisch dem Quotidiano entnommen. Im friedlichen und erwiesenermaßen sicheren Ort wie Bellinzona, wo tragische Begebnisse dieser Art Seltenheitswert hatten, war die kühne Mutmaßung des für den Artikel verantwortlichen Reporters, es könnte sich bei dem Vorfall sogar um einen gemeinen Mord handeln, eine geradezu traumatische Meldung; ein journalistischer Reißer, dazu angetan, die Einwohner der Stadt aufzuschrecken und selbstverständlich, wer könnte es ihnen verübeln, die gedruckte Ausgabe zu kaufen. Für den leidgeprüften Bernasconi, Verantwortlicher des Dikasterions für Tourismus, war es bereits der zweite Tiefschlag, den er an diesem Morgen verkraften musste. Den ersten Hieb hatte ihm seine streitsüchtige Ehefrau beim Frühstück geradezu viehisch versetzt; ihm damit, und das war beileibe nichts Außergewöhnliches, den Tag zu vergraulen versucht. „Was ist nur aus dem schüchternen Mädchen von damals geworden, der jungen Frau, die ich vor zweiundzwanzig Jahren mit einem wertvollen Verlobungsring gelockt und an mich gebunden habe?“, fragte sich Bernasconi gelegentlich. Trotz aller Anstrengungen war es ihm bis dato nicht gelungen, eine passende Antwort auf seine zugegebenermaßen nicht ganz haltlose Frage auszuloten.

Der allwöchentlich stattfindende Markt, begünstigt durch das ungewöhnlich vorsommerliche Klima, hatte, wie seit Wochen nicht mehr, unzählige Touristen angelockt. Der Großteil war mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus der deutschsprachigen Schweiz angereist. In wenigen Stunden würden sie wieder geordnet und in Grüppchen, einer Herde Schafe gleich, die wartenden Autobusse besteigen und durch den Straßentunnel des Gotthardpasses zurück in ihre Orte fahren. Aber nicht nur Gäste anderer Kantone, auch viele Einheimische konnte Bernasconi ausmachen. Es waren die üblichen Gesichter, die schon zu früher Stunde bei den Landwirten ihr Gemüse, frische Früchte, Holzofenbrot, grillierte Hähnchen und anderes mehr kauften; um sich dann vielleicht mit ihren gefüllten Einkaufstaschen zum Kaffee oder Aperitif in eines der beschaulichen Restaurants zu einem Schwatz zu setzen. Für ausreichend Gesprächsstoff hatte die heutige Ausgabe der La Regione jedenfalls gesorgt.

Bernasconi spürte das Oszillieren seines mobilen Telefons in der Gesäßtasche seiner Hose. Er hatte das Gerät bewusst auf stumm geschaltet. Das tat er immer so, wenn er unterwegs war. Er nahm sein Handy hervor. Aber bevor er auf die Antworttaste drückte, überprüfte er neugierig das Display mit der leuchtenden Nummer des eingehenden Telefonats. Die Zahlenreihe kam ihm bekannt vor. „Ciao Aldo!“ Es war Sergio Antonioni, ausgewiesener Kriminologe bei der hiesigen Kantonspolizei. Außerdem, und darauf war Bernasconi besonders stolz, durfte er Sergio als einen seiner besten Freunde wähnen. „Hast du heute Morgen die Zeitung schon gelesen?“ „Der Artikel war nicht zu übersehen“, bemerkte Aldo Bernasconi trocken. „Du sagst es, merda!“, fluchte Antonioni. „Ausgerechnet eben, wo ich mir eine Woche Urlaub nehmen wollte. Und jetzt dieses Malheur! Es ist immer dasselbe; wenn ich einige Ferientage programmiere, ereignet sich unweigerlich etwas, das mein Vorhaben zunichtemacht! Meine Gattin wird mich in Stücke reißen.“ „Ist die Identität des oder der Toten schon bekannt?“, erkundigte sich Bernasconi faustisch. Die Frage brannte wie ein angefachtes Zündholz auf seiner Zunge. „Wir haben in der Angelegenheit vorderhand einen Maulkorb verpasst bekommen“, tuschelte Sergio. „Am Telefon darf ich mich dazu im Moment ganz und gar nicht äußern. Aber, solltest du es für einen Sprung nach Bellinzona schaffen, kann ich dich, sagen wir mit zwei oder drei aufregenden Informationen versorgen. Dazu habe ich die Befugnis. Unser Staatsanwalt, Alessio Remonte, hat mich höchstpersönlich dazu bemächtigt. Spätestens, wenn die Angehörigen gefunden und benachrichtigt wurden, wird der Name des Opfers sowieso publik werden.“
Sie verabredeten sich im Croce Federale.

***

Das Croce Federale, ein geschichtsträchtiges Lokal, an Bellinzonas wichtigster Fußgängerzone, der Viale della Stazione, gelegen und mit Blick auf das Kulturerbe der UNESCO – die Bellenzer Schlösser –, war, wie meist um diese Uhrzeit, rappelvoll. Auf der Veranda des Cafés, dort, wo sich Aldo Bernasconi mit Antonioni verabredet hatte, war kein freier Platz auszumachen. Deshalb wartete er im klimatisierten Foyer auf Sergios Auftauchen. Er brauchte sich nicht lange zu gedulden: Minuten später gesellte sich Antonioni zu ihm.
„Denkst du nicht auch, dass es noch ein wenig früh für ein Bianchino ist?“, fragte er seinen Freund augenzwinkernd. „Dann machen wir eben heute eine Ausnahme von der Regel“, schlug Bernasconi verschwörerisch vor und bestellte beim vorbeieilenden Cameriere „Due Frizzanti, per favore“. „Sobald sich hier etwas bewegt, werde ich Ihnen einen Tisch freimachen“, versprach der Kellner, der ihnen, bis es so weit sein würde, ein erstes Getränk an der Bar servierte.
„Also“, schnitt Aldo das brisante Thema an. „Heraus mit der Sprache! Wer ist das Opfer?“ Antonioni gab sich bedeckt. Es bereitete ihm augenfällig Vergnügen, seinen Freund ein Weilchen schmoren zu lassen. Nach einer schmerzlichen Schweigeminute, und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass auch ja niemand ein Quäntchen ihres Gesprächs mitbekommen konnte, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand: „Es handelt sich um eine hiesige Persönlichkeit, männlichen Geschlechts. Den meisten Bewohnern Bellinzonas ist sein Name ein Begriff!“ Bernasconi rutschte ungeduldig auf seinem Barhocker. „Scheißkerl! Mach es nicht so spannend! Wer ist der große Unbekannte?“ Antonioni schmunzelte. „Anselmo!“ „Don Anselmo? Doch nicht etwa Anselmo Pizzantini?“ Aldo schaute seinen Freund verstört an, als hegte er Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit. „Du hast es auf den ersten Anhieb erraten!“, erlöste ihn Antonioni aus seiner Erstarrung. „Aber nicht nur die Identität des Opfers ist spektakulär. Auch der Ort, wo man seine Überreste aufgefunden hat, ist eher außergewöhnlich. Der Custode des Castelgrande, Nunzio Papardellis, hat Anselmos Leiche gestern am späteren Nachmittag während seines obligaten Rundgangs in der Torre Nera entdeckt. Aufgehängt wie ein geschlachtetes Schwein vor seiner Zerteilung!“ „Doch nicht etwa Selbstmord?“, unterbrach ihn Bernasconi. „Wenn es so einfach wäre! Ein Suizid würde mir ehrlich gesagt besser in den Kram passen“, beteuerte Antonioni. „Auch wenn ich mir noch keinen Reim darauf machen kann, weshalb er für seinen Abgang ausgerechnet die ‚Torre Nera‘ auserkoren hat, bestehen für mich etliche Zweifel, dass er aus eigenem Antrieb aus dem Leben geschieden ist. Dafür spricht der Zustand, in dem man seine Leiche lokalisiert hat. Und, nicht zu vergessen, der Ort des tragischen Geschehens. Alles Fakten, die meines Erachtens die Eventualität eines Suizids von vorneherein als Todesursache ausschließen. Nur, und damit war zu rechnen, ist Alessio Remonte, der Bellenzer Staatsanwalt, einmal mehr anderer Meinung.“
Bernasconi hatte sich wieder gefangen. Der anfängliche Schock verebbte und trat seinen Platz der Neugier ab. „Du sagst unter anderem, dass der Zustand der gefundenen Leiche Bedenken an einem Freitod zulässt. Die Natur hat mich mit einer gewissen Vorstellungskraft ausgestattet, aber ehrlich gesagt, ohne weitere Angaben kann ich deiner Argumentation nicht ganz folgen. Was genau willst du mit dem Wort Zustand sagen?“, drängte Bernasconi.
Antonioni ließ sich auch jetzt nicht in die Karten schauen: „Bevor ich zu den unappetitlichen Details komme, gilt es zu betonen, dass wir es bei meiner Überlegung vorerst mit einer eher lapidaren, aber ganz persönlichen Mutmaßung zu tun haben. Allein, es gilt zuerst das Resultat der Autopsie abzuwarten, bevor ich mich definitiv auf die eine oder andere Theorie festlege. Pizzantinis Leichnam befindet sich zurzeit in der Pathologie in Locarno. Genaueres wird uns der Gerichtsmediziner, so hoffe ich wenigstens, in ein bis zwei Tagen eröffnen. Nun zu den versprochenen Einzelheiten, die eigentlich schnell aufgezählt sind: Don Anselmo wurde erhängt. Aus unerklärlichen Gründen wurde ihm zuvor ein Plastiksack über den Kopf gestülpt. Zum augenblicklichen Zeitpunkt steht noch offen, ob der Tod durch Erhängen oder durch Ersticken eingetreten ist. Meines Erachtens eine nicht unwesentliche Frage. Ist Don Anselmo zuerst erstickt, können wir davon ausgehen, dass er schon tot war, als man ihn aufknüpfte. Bis zum endgültig vorliegenden Bericht der Pathologie ist jedoch nichts bewiesen. Damit nicht genug! Ein nicht unbedeutendes und eher ärgerliches Problem stellt das Verschwinden von Don Anselmos Gattin und ihrer Söhne dar. Wir hoffen, Ihnen ist nichts zugestoßen. Zurzeit sind die Spezialisten der forensischen Abteilung daran, den Turm, in dem man Pizzantinis leblosen Körper geortet hat, nach verwertbaren Indizien abzusuchen. Viel erwarte ich mir allerdings nicht davon. Ich habe selbst einen Augenschein vorgenommen und nichts Abnormes bemerkt.“


Lausanne

Kommissar Piero Cervoni hatte sich im Café Romand, am Place Saint François, mit Béatrice, seiner Assistentin, verabredet. Sie traf mit vertretbarer Verspätung im überfüllten Bistro ein. Seine Kollegin brauchte etwas Geduld, um ihn im düsteren Lokal auszumachen. „Ich wollte mich soeben davonstehlen“, scherzte Piero, als sie spürbar nervös vor ihm stand. Vermutlich, aber ungewollt war der Ton seiner Bemerkung etwas zu streng ausgefallen, denn Béatrice ereiferte sich das Motiv ihrer Nachzeitigkeit sofort klarzulegen: „Diesmal trifft mich ganz bestimmt keine Schuld! Zuerst hat mich die Vermieterin meiner Wohnung wegen einer banalen Sache, der Neuorganisation der Terminagenda für die sich im Gemeingebrauch befindliche Waschmaschine, aufgehalten, und dann ist mir auch noch die Metro direkt vor der Nase davongefahren.“ Ihre aufgesetzten Wimpern klimperten tonlos im Rhythmus ihrer Stimme. „Schon gut!“, versicherte Cervoni. „War ja nur als Scherz gedacht. Übrigens, du siehst reizend aus.“ Sein Kompliment war ehrlich gemeint. Wegen ihres leichten Sommerkleidchens und ihres zu einem Pferdeschwanz gezähmten Haares hätte man ihren Jahrgang leicht auf unter zwanzig geschätzt. Dabei war sie schon beinahe dreißig und, was eher ungewöhnlich für ihre attraktive Erscheinung war, noch zu haben. Ihre Eltern hätten ihre Tochter gerne in einem soliden Verhältnis gewusst. Und vor allen Dingen warteten sie sehnsüchtig auf Nachwuchs. Ein frommer Wunsch, der sich wohl nicht so schnell würde befriedigen lassen. Darauf angesprochen, war Béatrice nicht verlegen ausreichende und vor allen Dingen evidente Gründe aufzuzählen, die allesamt gegen den Bund fürs Leben sprachen. Ihr Beruf und ihre Unabhängigkeit waren ihr im Moment weitaus wichtiger als die vielgepriesene Sicherheit, die eine Trauung – wollte sie vehementen Befürwortern der ehelichen Verbindung Glauben schenken – mit sich bringen würde. Der Beweis, dass sich dieser Zustand eines Tages doch noch einstellen würde, war nirgends niedergeschrieben. Zudem, einen festen Partner und obendrein zwei, drei lebhafte Kinder konnte sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen. Die wären zum jetzigen Zeitpunkt nur lästig. Wenn sie an ihre familiengestressten Schulkameradinnen von damals dachte, konnte sie an ihrer eigenen Lage in der Tat wenig Nachteiliges ausmachen. Es war nicht etwa so, dass sie eine versteckte lesbische Veranlagung in sich herumtrug. Nein, daran lag es ganz bestimmt nicht! Aber nach zwei gescheiterten, nur wenige Monate dauernden Liebschaften konnte sie ihrer wiedererlangten Freiheit bloß Positives abgewinnen. Das Entscheidende an ihrem Singledasein war, dass sie sich voll und ganz ihrem Beruf widmen konnte. Und da gab es noch ein weiteres Motiv, das ebenso wichtig wie das Vorhergesagte war: Ein markanter Teil ihrer Freizeit gehörte den Pferden. Sie liebte diese Tiere, ihren Geruch, ihre Sensibilität und bedingungslose Verbundenheit. Pferde waren ihr sogar bedeutungsvoller als ihre eigene Familie. Eine Grundwahrheit, die sie gegenüber ihren Eltern und ihrem einzigen Bruder selbstverständlich nie eingestanden hätte. Jeden Abend, und besonders sonntags, wenn sie nicht Dienst leistete, verbrachte sie in den Ställen oder ritt auf ihrem Lieblingspferd Acacia über die breiten Felder und durch die tiefen Wälder oberhalb Lausannes.
„Nein ehrlich“, bekräftigte Piero, „du siehst total umwerfend aus. Ein Jammer nur, dass wir beruflich liiert sind, sonst hätte ich dich längst schon umworben!“ Béatrice konnte Cervoni gut leiden. Sie arbeitete nun schon etwas mehr als zwei Jahre mit ihm zusammen. In dieser Zeit hatte sie ihn durchschaut und vor allen Dingen gelernt, seine charmanten Komplimente nicht allzu ernst zu nehmen, obwohl sie sich eine etwas tiefergehende Beziehung gut hätte vorstellen können. Wohl wissend, dass es Piero mit der Treue nicht so genau nahm, wollte sie keine seiner sich stetig wechselnden Liebschaften werden. Schließlich hatte ihre Vorgängerin, eine Kollegin, nach einer kurzen Liaison mit Piero, das Handtuch geworfen und sich in eine andere Abteilung versetzen lassen. Die Bemitleidenswerte arbeitete seit jenem verhängnisvollen Moment bei der Police Municipale de Lausanne, in einem Gebäude, das genug weit vom Kommissariat entfernt war, um Cervoni nicht täglich über den Weg laufen zu müssen. Trotzdem, und das darf hier ruhig ausgesprochen werden, war Béatrice gegenüber Pieros Komplimenten nicht abgeneigt, denn mehr als nur eine Spur Ehrlichkeit steckte durchwegs in seinen Worten. Aber eben, Piero und sie waren nur Arbeitskollegen. Und das war allemal gut so!

Béatrice hatte sich soeben ein Gläschen Weißwein bestellt, als sich Cervonis Handy brummend bemerkbar machte. Piero wechselte betont leise zwei, drei Worte mit dem Anrufer und unterbrach dann das Gespräch abrupt. „Programmänderung: In spätestens einer halben Stunde muss ich mich im Kommissariat melden. Sieht verdammt nach einem verpatzten Wochenende aus.“ Cervoni zog seine Kollegin an sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was die anwesenden Gäste im Lokal nicht mitbekommen sollten.
„Kommt gar nicht infrage, dass ich allein hierbleibe, während du deine Freizeit opferst. Schließlich sind wir ein Team!“, protestierte Béatrice. „Ich werde dich begleiten, ob es dir passt oder nicht. Mit Ausreiten wird heute sowieso nichts. Acacia lahmt seit zwei Tagen.“ „Hoffentlich nichts Ernstes?“, erkundigte sich Piero ehrlich besorgt. Er wusste, wie viel ihr Acacia bedeutete. Wenn es der Stute schlecht ging, war Béatrice unausstehlich; ihre Laune nur schlecht zu ertragen. „Nein, nein, nur eine kleine Quetschung, die sich Acacia vermutlich im Stall zugezogen hat. Dr. Bennoit, ihr Veterinär, der sie gestern untersuchte, meint, dass sie in drei bis vier Tagen wieder auf dem Damm sein wird. Etwas Schonung wird ihr nur guttun. Außerdem würde es mir die alte Dame übel nehmen, wenn ich mit einer anderen Stute eine Runde drehen würde. Sie ist in diesen Dingen etwas eigen und überaus nachtragend.“ Piero konnte sich ein Grinsen nicht verwehren. Vor einigen Wochen erst hatte ihm Béatrice voller Stolz ihren Schimmel vorgeführt. Die Erinnerung an ihren gemeinsamen Besuch in den Stallungen, hoch über Lausanne, war noch präsent, so als wären seither erst Stunden vergangen.

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