El Alba

El Alba

Jeder hat eine dunkle Seite Roman Thriller Lovestory

Beatrice de Bragança


EUR 23,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 178
ISBN: 978-3-99130-241-4
Erscheinungsdatum: 13.11.2023
Undercoveragent Iñaki braucht endlich ein seriöses Eheleben. Die Wahl der Partnerin fällt ausgerechnet auf die waffenfeindliche Journalistin Zoe. Doch das ungleiche Paar verliebt sich. Die Welt der Spionage aber gibt der Beziehung keine Chance.
KAPITEL I
DIE DUNKLE SEITE


MADRID 2002

Iñaki Gandarin de Alba hatte eine der größten Kunstsammlungen der Welt. Nicht nur Miró, Dalí und Picasso schmückten seine Sammlung, sondern auch erlesene Skulpturen. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann im Immobiliensektor, spezialisiert auf Industrie-Immobilien, Shoppingcenter, große Wohnkomplexe. Nicht nur in Spanien hatte er sein Geld gemacht, sondern auch an internationalen Plätzen in ganz Europa. Seine zweite Leidenschaft waren ausgefallene Autos. Sie waren mehr als nur ein Hobby für ihn. Sein schwarzer Aston Martin war sein Lieblingsstück. Geschmückt wurden die Autos abwechselnd mit den schönsten Frauen, die nicht nur Spanien besaß. Sein Leben gefiel ihm so, wie es war. Leben, das wollte er, und nichts auslassen.
Iñaki traf sich regelmäßig einmal im Monat mit Jean Renaux, dem französischen Botschafter von Madrid, zum Essen, abwechselnd in den besten Restaurants der Stadt. Er hatte sich verspätet. Jean wartete schon fast eine halbe Stunde auf ihn, wieder einmal eine seiner üblichen Bettgeschichten. Diesmal war es eine exotische Schönheit gewesen. Nachdem sie während des Essens über Berufliches gesprochen hatten, lenkte Jean beim Kaffee das Gespräch auf seine Frauengeschichten. Jeans Frau hatte vor ein paar Wochen Iñaki fünf Bilder von attraktiven Frauen aus guten Familien Madrids vorgelegt. Er hatte sie alle getroffen, und nicht nur zum Essen! Aber keine hatte ihm so richtig gefallen. „Iñaki“, sagte Jean, „Es ist an der Zeit, dass du dir eine feste Partnerin suchst. Du bist nicht mehr der Jüngste mit deinen fast 52 Jahren.“ Er lebte schon seit vielen Jahren in einer Hotelsuite im besten Hotel von Madrid, wo seine Liebschaften ein und aus gingen. „Du solltest dir mal ein schönes Apartment suchen, damit du Wurzeln bekommst“, meinte er, „und eine seriöse Frau an deiner Seite.“ „Dann stell mir mal die richtigen Damen vor“, sagte Iñaki süffisant. „Vielleicht ist ja eine dabei, mit der ich es nicht nur ein paar Nächte aushalte, sondern ein paar Wochen.“ Jean schaute ihn fast mitleidig an. „Denk daran“, mahnte Jean, „du kannst den Job nicht lebenslang machen. Irgendwann musst du dich zur Ruhe setzen.“ Sie bezahlten, und Iñaki sagte beim Weggehen: „Jean, vergiss nicht, mir die richtige Frau vorzustellen, dann könnte ich es mir noch überlegen!“, und er ging lachend zu seinem Auto. Jean schaute ihm kopfschüttelnd hinterher.

Zoe Mehr war gerade in Madrid Barajas Airport gelandet. Sie hatte nur einen kleinen Koffer dabei. Die restlichen Sachen ließ sie in ein paar Wochen nachkommen. Elias, ihr älterer Sohn, hatte sich in einer privaten internationalen Universität als Gasthörer eingeschrieben und Gabriel, der jüngere, in einer öffentlichen spanischen Universität in Málaga. Beide auf eine private Universität zu schicken war ihr finanziell nicht möglich. Sie hatte einen Job bei einem staatlichen spanischen Fernsehsender angenommen und freute sich schon darauf. Ihre Söhne kamen nur ungern nach Spanien, weil sie ihre Freunde und die gewohnte Umgebung in Deutschland zurücklassen mussten. Sie hatte im Internet nach einer Wohnung gesucht. Die Vermieterin hatte drei Zimmer im hinteren Teil eines Altbauwohnblocks angeboten. Und das sogar zu einem recht günstigen Mietpreis. Zumindest im Vergleich zu den überteuerten Preisen in Madrid. Nachdem sie aus dem Taxi gestiegen waren, schaute Zoe auf das Gebäude, wo sich die Wohnung befinden sollte. Sie war enttäuscht. Es sah auf den Bildern weit besser aus. Altbau in Deutschland und Altbau in Spanien konnte man wohl nicht vergleichen. Als sie die Wohnung betraten, war sie fast den Tränen nahe. Die Möbel waren schmutzig und alt. Von der Küche und dem Bad gar nicht zu sprechen. Zumindest hatte sie eine kleine Terrasse für ihren Hund. Zoe nahm das aber nicht so tragisch. Sie war ein positiver Mensch.
Am anderen Morgen machte sie sich gleich auf den Weg zum Supermarkt, um die nötigen Putzmittel, Wischtuch und Eimer zu besorgen. Das ganze Wochenende hatte sie fürs Putzen und Möbelumstellen reserviert. Zoe hatte Talent und Geschick, das Beste aus nichts zu machen. Nach zwei Tagen war die Wohnung bewohnbar, sauber und auf Hochglanz gebracht. Ihr erster Arbeitstag konnte morgen beginnen.

Der erste Tag war anstrengend gewesen. Sie sprach zwar fließend Spanisch, aber es ist doch ein großer Unterschied, ob man es nur im Urlaub spricht oder für den Beruf benötigt.
In den folgenden Wochen hatten sich ihre Söhne je auf einer Universität eingeschrieben, Elias für Internationalen Journalismus als Gasthörer und Gabriel für Rechtswissenschaften. Elias war sogar einer Studentenverbindung beigetreten und setzte sich aktiv für die Rechte der Studenten ein. Gabriel hatte bereits einige Freude gefunden, mit denen er regelmäßig zum Paddel-Spielen ging.
Auch Zoe hatte schon Anschluss bei ihren Kolleginnen gefunden. Sie ging mit ihnen regelmäßig nach der Arbeit auf ein Glas Wein in die gleiche Bar direkt neben dem TV-Sender, als eines Nachmittags eine Kollegin sie darauf aufmerksam machte, dass eine Dame am Nebentisch sie schon seit einigen Tagen beobachtete. Zoe drehte sich kurz um. Die Dame saß mit dem Rücken zur ihr. Sie konnte nur ihr langes dunkles Haar sehen. Zoe fiel auf, dass sie sehr elegant wirkte und schönen Schmuck am Handgelenk trug, drehte sich aber wieder zu ihren Kollegen um und maß ihr weiterhin keinerlei Aufmerksamkeit zu. Nach einer Weile verabschiedete sie sich und fuhr mit der U‑Bahn nach Hause. Wie immer fiel sie spätabends müde ins Bett.


EINE NEUE FREUNDIN

Zoe liebte ihre Arbeit. Je länger sie beim Sender arbeitete, desto glücklicher war sie. An einem Samstagmorgen übernahm sie sogar die Schicht einer Kollegin, deren Kind krank geworden war. Es machte ihr nichts aus. Sie half gerne. Ihre Kinder waren schon selbstständig und gingen ihre eigenen Wege.
Es war schon später Nachmittag, als Zoe ihre Arbeit verließ, um für nur einen kurzen Sprung das übliche Nach-der-Arbeit-Ritual fortzusetzen. Sie setzte sich an einen Tisch und bestellte ein Glas Hauswein. Der Kellner servierte ihr das Glas Wein und eine Schale Oliven. Sie nippte gerade an ihrem Glas, als eine Frauenstimme sie ansprach. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte die Stimme. Als Zoe hochschaute, erkannte sie eine elegant gekleidete Dame fast im gleichen Alter wie sie. „Bitte, gerne“, sagte sie, „Setzen Sie sich.“
„Adriane, mein Name ist Adriane“, räusperte sie. „Und ich heiße Zoe.“ Adriane verwickelte sie in eine allgemeine Plauderei. Sie sprachen über Kunst, Musik, Literatur und die Weltanschauung. Am Schluss sagte sie, dass sie Zoe gerne wiedertreffen würde, wenn sie nichts dagegen hätte. „Nein, natürlich nicht“, antwortete Zoe, „Im Gegenteil, es hat mich gefreut, Sie kennengelernt zu haben!“ Zoe gab ihr ihre Mobilnummer.
Adriane meldete sich nach ein paar Tagen und lud sie zum Kaffee ein. Sie saßen bei GOYO, einem Feinkostladen mit Café und Snackbar. Es gab dort die feinsten Kuchen von Madrid, Sandwichs und Tapas, kleine spanische Kurzgerichte. Zoe bestellte, bescheiden wie sie war, einen Kaffee mit Milch, ein Glas Wasser und ein kleines Stück Kuchen. Sie unterhielten sich über spanische Maler, Bildhauer und Schriftsteller. Adriane bemerkte sofort, dass Zoe sehr gebildet war. Sie sprach vier Sprachen, hatte in Paris Literatur und Theaterwissenschaften studiert und mit Bravour abgeschlossen. Adriane war ein guter Zuhörer. Die Ruhe und Stärke, die Zoe ausstrahlte, und ihre Unkompliziertheit gefielen ihr. Ihre schlanken, gepflegten Hände bewegten sich elegant zu ihrer gehobenen Wortwahl. Adriane bot Zoe an, sie einmal in ihrem Antiquitätengeschäft zu besuchen, und gab ihr ihre Visitenkarte. Zoe war begeistert und bedankte sich: „Ich werde dich bestimmt besuchen in den nächsten Tagen.“ Sie liebte Antiquitäten. Hinter jeder Antiquität sah sie eine Geschichte.
Am Ende der Woche rief Zoe Adriane an, dass sie heute kommen würde. Adriane erwiderte: „Schön, Zoe, ich freue mich, dann sehen wir uns heute am späten Nachmittag.“
Das Antiquitätengeschäft lag in einem Hinterhof. Zoe dachte: Wie klein es ist! Doch da hatte sie sich getäuscht. Wenn man den Laden erst einmal betreten hatte, sah man, dass er in eine große Halle führte, voll mit schön dekorierten Dingen. Alles, was ein Antiquitätensammler sich nur wünschen konnte. Alte Holzschachteln mit einem kleinen Geheimfach, die einmal der Geliebten eines Königs gehört hatten, kleine bunte Violen, die ein Parfüm enthielten, orientalische Becher mit Edelsteinen besetzt, aus denen einmal ein Emir getrunken hatte. Zoe wusste nicht, wohin sie als Erstes schauen sollte. Adriane trat auf sie zu und begrüßte sie. Hinter ihr standen zwei Männer. „Das ist Jacques“, sagte Adriane, „Er steht mir zur Seite und hilft mir, wo er kann, und Sergej kümmert sich um die Ein- und Ausfuhrgenehmigungen für die Antiquitäten. Jacques spricht Französisch und perfekt Spanisch. Sergej nur Russisch und ein wenig Spanisch.“ Zoes Gesicht hellte sich auf. Sie stellte sich auf Französisch vor. Jacques schüttelte ihre Hand und setzte die Konversation mit ihr auf Französisch fort. Sergej hingegen verweigerte Zoe die Hand und nickte nur mit dem Kopf. „Gefallen dir die Kunstgegenstände?“, fragte Adriane. „Ja“, sagte Zoe, und ihre Augen leuchteten. Adriane erzählte die Geschichte eines Schachspiels, das einmal einem mächtigen Mann während der Zeit Napoleons gehört hatte. Den Schachfiguren gab er Namen von Bediensteten seines Hofstaates und spielte mit ihnen. Sobald eine Schachfigur mit einem bestimmten Namen besiegt war, ließ er die Person ebenfalls töten. Oder die Geschichte eines Dolches, der mit Edelsteinen besetzt war und in einer mit Samt ausgelegten schwarzen Schatulle lag. „Er hatte einmal vor 200 Jahren einem Scheich aus dem arabischen Emirat Abu Dhabi gehört“, sagte sie, „Er hat damit jede seiner Frauen getötet, wenn er verspürte, dass er verliebt in sie war.“ Zoe war fasziniert. „Ich schenke ihn dir“, sagte Adriane. „Nein, das kann ich nicht annehmen“, erwiderte Zoe. „Doch, nimm ihn. Er soll dich beschützen und dir Glück bringen.“ Zoe bedankte sich mehrmals, und den Rest des Nachmittags verbrachten sie mit vielen anderen Geschichten über die Antiquitäten. Als Zoe ging, war es schon dunkel. „Jacques, bring Zoe nach Hause bitte“, sagte Adriane, fast in einem Befehlston. Zoe meinte, dass es nicht nötig sei. „Doch“, sagte Adriane, „Die U–Bahn ist viel zu gefährlich.“ Jacques gehorchte und brachte Zoe mit Adrianes Auto nach Hause.


KUNST ODER SCHROTT?

Das Telefon klingelte. Es war Adriane. „Am Samstag gehen Jean und ich zu einer Galerieeröffnung“, sagte sie. „Du verstehst viel von Kunst, habe ich gemerkt. Die Ausstellung wird dir gefallen! Wir möchten dich gerne mitnehmen.“ Zoe war erfreut, bedankte sich. „Gut, Zoe, dann holen wir dich am Samstag um 19 Uhr ab.“ Zoe nannte Adriane ihre Adresse und freute sich auf den kommenden Samstag.

Am Samstagmorgen stand Zoe sehr früh auf, machte sich einen Kaffee und überlegte, was sie anziehen sollte. Sie wühlte in Kartons, die sie seit ihrem Umzug nicht geöffnet hatte. Nachdem sie fast den ganzen Nachmittag mit der Anprobe nicht passender Outfits vertrödelt hatte, entschloss sie sich für das 5‑Minuten-Outfit, Jeans, weißes Top, schwarzes Sakko und Stiefeletten. Ihre kleinen Diamantohrringe, die Uhr, die ihr ihre Mutter vererbt hatte, und eine feine, kleine Halskette. Sie hatte keine Zeit mehr, ihre Fingernägel zu lackieren. Also musste es auch ohne gehen, dachte sie.
Pünktlich um 19 Uhr stand sie vor ihrer Haustür und wartete auf Adriane. Ein im schwarzen Anzug gekleideter Mann stieg aus einem gegenüber geparkten Auto. Er kam zu ihr herüber. Es war Jacques, der Chauffeur. „Folgen Sie mir bitte, Zoe. Der Herr Botschafter und seine Frau erwarten Sie schon.“ Er führte sie zu der Limousine und öffnete die hintere Tür. Sie erblickte Adriane und einen Mann im dunklen Anzug. Er war weit älter als Adriane. Sie begrüßte Adriane und stieg ein. Jacques schloss die Tür hinter ihr. „Darf ich dir meinen Mann Jean vorstellen? Jean, das ist Zoe.“ „Es freut mich sehr“, sagte Zoe mit ihrem unbeschwerten Lächeln und reichte ihm die Hand. „Ganz meinerseits, Zoe“, erwiderte er höflich. Es dauerte keine Viertelstunde, da fuhr die Limousine vor ein beeindruckendes Gebäude in der Innenstadt, eine Menschenmenge stand entlang des roten Teppichs, der zum Eingang führte, und wartete auf die geladenen Gäste. Zwei Portiere öffneten synchron die beiden Glastüren. Jean ging vor, Adriane und Zoe folgten ihm. Die Eingangshalle war beeindruckend. Hohe weiße Decken mit Stuckverzierungen an den Wänden, pompöse Kristallleuchten verzierten sie. Überall standen Stehtische mit weißen Tischdecken bis auf den Boden, dekoriert mit schönen weißen Blumengestecken, Kellner servierten Champagner. Jean und Adriane begrüßten abwechselnd viele der geladenen Gäste und stellten Zoe jedes Mal als eine gute Freundin vor. In der Mitte des Saales standen hohe Skulpturen. Zoe war beeindruckt. Nachdem Adriane die meisten der Gäste begrüßt hatte, fragte sie Zoe, ob sie sie in den nächsten Saal begleiten wolle. Dort fand die eigentliche Vernissage statt. Junge Künstler hatten dort ihre Bilder ausgestellt. Zoe folgte ihr. Die Bilder waren nicht ganz Zoes Geschmack. Junge Künstler hatten sich in der abstrakten Malerei versucht. Nach einiger Zeit gesellte sich Jean zu ihnen. Neben ihm stand ein hochgewachsener Mann mit schwarz-grau meliertem Haar und Dreitagebart. Er hatte markante Gesichtszüge und seine tiefbraunen Augen blickten sie an. Er war gut gekleidet. An der rechten Hand trug er am kleinen Finger einen goldenen Siegelring. Adriane begrüßte ihn mit einem rechten und linken Kuss auf die Wange. „Zoe, das ist Iñaki Gandarin de Alba, ein guter Freund von uns, und das ist Zoe, eine Freundin von mir“, sagte sie zu Iñaki. Zoe reichte ihm die Hand, und Iñaki nickte kurz mit dem Kopf und reichte ihr ebenfalls die Hand. Adriane kam mit Iñaki ins Gespräch und fachsimpelte mit ihm über die ausgestellten Bilder. „Entschuldige mich für einen Moment, Zoe“, sagte sie, „Dort steht eine alte Freundin von mir“, griff Jean unter den Arm und führte ihn zu einem älteren Ehepaar, das an einem der Stehtische stand. Zoe drehte sich um und ging zu dem nächsten Bild, um es zu betrachten. Als sie einige Minuten auf das Bild starrte, hörte sie eine Stimme hinter sich sagen: „Gefällt Ihnen das Bild? Was, denken Sie, will der Künstler ausdrücken?“ Sie drehte sich um und erblickte Iñaki, der dicht hinter ihr stand. Sie schaute ihn an und sah dann wieder auf das Bild. „Ich kann den Künstler nicht richtig verstehen, im Moment sehe ich nur wild durcheinanderlaufende Linien“, sagte sie. „Da bin ich ganz Ihrer Meinung, so sehe ich das auch“, ergänzte er. „Wie schön, dass wir einer Meinung sind“, antwortete sie mit einem ironischen Unterton. „Welch Ironie, Zoe“, sagte er lächelnd mit einem süffisanten Unterton. „Für mich sind die größten Künstler Miró, Dalí und Picasso“, zählte Zoe auf, „und nicht wild durcheinandergezeichnete Linien.“ „Wie recht Sie haben! Ich sammle Bilder von Miró und Picasso“, stimmte er ihr zu. So ein Aufschneider, dachte Zoe. „Sind das Kopien oder echte Bilder, die Sie sammeln?“, fragte Zoe, ohne sich zu ihm umzudrehen. „Sie sind nicht auf den Mund gefallen, Zoe“, bemerkte er schmunzelnd. Sie ging zum nächsten Bild, wieder ein junger Künstler, der sich diesmal an Bildern mit Farbklecksen versucht hatte. Sie erblickte Adriane und Jean, die auf sie zukamen und sich verabschieden wollten. Die meisten Besucher hatten die Vernissage bereits verlassen. Adriane bat Zoe an sie nach Hause zu bringen. Iñaki ging mit ihnen hinaus und verabschiedete sich. Es war spät geworden. Zoe war müde und freute sich, endlich in ihr Bett zu fallen.

Es vergingen fast drei Wochen, und Adriane meldete sich wieder bei Zoe. „Entschuldige, Zoe, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe, aber ich war im Ausland auf Kunstauktionen“, sagte sie. „Ich habe einige sehr schöne Stücke erworben und möchte sie dir gerne zeigen. Hast du Lust, am Samstagabend zu uns zum Essen zu kommen? Unser Chauffeur Jacques holt dich ab.“ Zoe sagte zu, denn Kunst, das war ihre Leidenschaft. Als Zoe so gegen 20 Uhr in ihrer Wohnung in Salamanca, einem feudalen Wohnbezirk im Zentrum, ankam, war sie überrascht auch Iñaki dort anzutreffen. „Iñaki kennst du ja schon“, sagte Jean. Iñaki begrüßte sie diesmal mit einem Rechts-und-links-Kuss, so wie es in Spanien üblich war. Jean fragte, ob sie einen Martini oder Whiskey Sour trinken möchte. Zoe bat aus Höflichkeit um einen Martini und nippte daran. Sie trank keinen starken Alkohol. Zum Essen gab es Rotwein oder Rosé. Zoe wählte den Rosé. Das Menü war ausgezeichnet. Als Vorspeise gab es eine französische Consommé und als Hauptgericht Chateaubriand mit Pommes Lyonnaises, zum Nachtisch Mousse au Chocolat. Zoe unterhielt sich während des Dinners angeregt mit Jean und Iñaki über Michelangelos Werke und sein Leben. Langsam fing er an ihr sympathisch zu werden. Er war wirklich belesen und ein charmanter Plauderer. Er brachte sie sogar einmal zum Lachen. Als Zoe gehen wollte, schlug Iñaki vor, sie nach Hause bringen zu dürfen, sie antwortete, dass sie sich ein Taxi nähme. Als Adriane sie unterbrach und sagte, dass Iñakis Wohnung auf dem Weg läge, willigte Zoe zögernd ein. Sie gingen in die Tiefgarage, wo er sein Auto geparkt hatte, ein weißer Viertürer einer bekannten italienischen Marke. Er hielt ihr gentlemanlike die Tür auf, gab ihre Adresse ins Navi ein und fuhr los. Als sie vor ihrer Wohnung angekommen waren, stieg er aus und öffnete ihr die Tür. Er küsste sie zum Abschied rechts und links auf die Wange. Recht war es ihr nicht, na ja, aber in Spanien war das üblich, dachte sie. „Darf ich Sie mal zum Essen einladen?“, fragte er. „Adriane hat meine Nummer, fragen Sie sie“, antwortete Zoe keck, drehte sich um und ging ins Haus.

Es dauerte keine Woche, da rief Iñaki sie an. Sie verabredeten sich zum Mittagessen in der Stadt. Er wartete schon vor dem Lokal. Gute Erziehung, ein Mann mit Stil, dachte Zoe. Er lässt eine Frau nicht alleine ins Lokal gehen. Er hatte den Tisch bereits einige Tage vorher bestellen müssen, denn das Restaurant war sehr gefragt unter den Feinschmeckern der feinen Gesellschaft von Madrid. Er ließ die Menükarten kommen. Als der Keller zu ihnen an den Tisch kam, bestellte er Bruschetta, Vitello tonnato und Spaghetti à la Carbonara. Zoe wunderte sich, dass er sie nicht fragte, aber er hatte das Richtige ausgesucht. Zoe liebte Bruschetta, Vitello tonnato und Spaghetti à la Carbonara. Dazu bestellte er Wasser und einen Chardonnay. Iñaki schaute sie lächelnd an und begann das Gespräch. Er fragte sie, wie sie auf die Idee kam, nach Madrid zu ziehen und bei einem spanischen Privatsender zu arbeiten. Zoe antwortete höflich, aber ein bisschen zurückhaltend. Sie wunderte sich, dass er so viele Fragen hatte. Ist ja fast wie ein Bewerbungsgespräch, dachte sie.

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