Switch – Auf ein Neues

Switch – Auf ein Neues

Rüdiger Rickensdorf


EUR 18,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 200
ISBN: 978-3-99146-242-2
Erscheinungsdatum: 06.11.2023
Fritz Windmüller ist seit über 20 Jahren glücklich mit Carmen verheiratet. Nie hätte er gedacht, dass plötzlich eine andere Frau auftauchen und seine Phantasie- und Gedankenwelt wie auch sein reales Leben gründlich auf den Kopf stellen könnte.
Danksagung


Welch eine undramatische, für Außenstehende auch langatmige Sache ist es doch, ein Buch zu schreiben.
Echte Freude, empfindet da wohl nur der Schreiberling im stillen Kämmerlein.
Dieses Machwerk welches ich so kurz wie möglich gehalten habe, bekam am Ende dann doch noch die künstlerische Note, die ich hoffte, integrieren zu können.
Auf der Suche nach einem geeigneten Cover für diese kleine Humoreske, spielte mir das Glück in Form einer begnadeten Malerin in die Hände!
Durch diese Bekanntschaft mit einer wunderbaren und hochtalentierten Frau, die sich auf „Switch auf ein Neues“ eingelassen hat, haben die Figuren meines Buches, eine extreme Aufwertung erfahren.
Vielen Dank liebe Mony van Holm, dass Du mit deinen Illustrationen etwas besonderes hast einfließen lassen. Der Witz und das Augenzwinkern deiner Bilder, hat mich begeistert.
Der Austausch mit dir, Deine Begeisterungsfähigkeit, dich bei deiner Arbeit erleben zu dürfen, haben mir sehr viel Freude bereitet. Danke! Ich wünsche Dir liebe Mony für die Zukunft weiterhin diese Kreativität und das sich sehr bald der große Erfolg einstellt, den Du verdienst.

Jedoch wären weder die Meisterwerke von Mony van Holm, noch mein Text beim NovumVerlag gelandet, wenn nicht Anna, dieser großartige Mensch, mich dazu angehalten und motiviert hätte. Ohne Ihr Zutun, wäre dieses Buch der Öffentlichkeit sicher erspart geblieben.
Okay, so gesehen ist sie jetzt auch Schuld daran, dass Menschen ihre wichtige Lebenszeit nun mit Matilda, Carmen und Fritz Windmüller verbracht haben.
Danke liebe Anna für deine Hartnäckigkeit! Am Ende war es die richtige Entscheidung, dass Festplattendasein dieser Unterhaltungslektüre zu beenden und mehr als nur einen Menschen damit zu erfreuen.

Ich habe fertig!!!



Prolog


24. Dezember 2009.
Wir befinden uns im friedlich wiedervereinigten Deutschland, in einem der Teile, der seit dem Schulterschluss der ehemaligen Klassenfeinde zu den sogenannten „Neuen Ländern“ gezählt wird. „Neue Länder“ – was für ein Blödsinn! Bei der friedlichen Übernahme durch den Großkapitalismus waren die Okkupanten schockiert über den schlechten Zustand der 16 Millionen Einwohner Brache; da war absolut nichts neu!

Hier, in einem kleinen Örtchen in einem Landstrich, den man als „Hohe Börde“ bezeichnet, hat sich vor Hunderten von Jahren ein Völkchen angesiedelt, welches ich als das unkomplizierteste, ehrlichste und zugleich als das direkteste bezeichnen möchte, mit welchem ich je konfrontiert worden war. Eine durch Jahrzehnte kommunistischer Misswirtschaft geprägte Region, die nunmehr aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist und seit immerhin 20 Jahren am großen Aufschwung arbeitet. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus wurden unzählige Versuche unternommen, neokapitalistische Errungenschaften mit all dem dazugehörigen Fortschritt wie auch den notwendigen Zugeständnissen auf die lernwillige Landbevölkerung zu übertragen. Von der diktatorischen Drangsal der sogenannten sozialistischen Planwirtschaft zur ach so schönen parlamentarischen Selbstbestimmtheit.
Bei genauerem Hinschauen sind die Anfänge des Aufbruchs in eine bessere – oder sagen wir – andere Zeit, längst klar zu erkennen. Ja, wir sind noch immer mittendrin, im Erneuerungstaumel! Die Straßen im Dorf, deren Zahl überschaubar ist, führen beim Überfahren längst nicht mehr zu mittelschweren Bandscheibenvorfällen. Das mit Schlaglöchern versehende Kopfsteinpflaster, welches zur Wendezeit noch aus dem Dreißigjährigen Krieg stammen musste, wurde schon vor einigen Jahren durch ebene Asphaltbahnen ersetzt. Ein Genuss, wenn auch der direkte Bezug zum behauenen Naturstein abhandengekommen ist.
Der Kindergarten und die Grundschule wurden auf den neuesten Stand der Bildungsoffensive gebracht. Schließlich soll sich der Nachwuchs nebst den unvermeidlichen Pädagogen (wobei der Ausdruck „Lehrkörper“ für mich vertrauter klingt) beim Ausüben ihrer Tätigkeiten wohlfühlen. Wer weiß, bei den Auswertungen der nächsten PISA-Studien? Unsere Dorfschule, als Zünglein an der Waage, das entscheidende Hunderttausendstel eingefahren, um am Ende im Ranking der Länder Europas auf den 21. Platz hochkatapultiert zu werden?
Die durch Kohleöfen rußig geschwärzten und bröckelnden Hausfassaden sind im Laufe der Zeit frisch verputzt und mit hellen, freundlichen Anstrichen versehen worden, was ebenfalls zum äußerlich positiven Erscheinungsbild unserer kleinen Gemeinde beiträgt. Die stinkenden Zweitaktautomobile der Marken „Wartburg“ und „Trabant“ haben dem Fortschritt weichen müssen und sind fast vollständig aus dem Straßenbild verschwunden. Und auch die Bauern der Gemeinde, mit ihren kleinen, im Familienbesitz befindlichen Gehöften, haben längst ihre geruchsintensiven Nutztiere wegen Unrentabilität abgeschafft. Sie vermieten jetzt an Callcenter, deren Arbeitssklaven hier ähnlich eingepfercht sind wie früher die Rinder und Schweine an diesem Ort. Oder sie bieten ihre Scheunen als preiswerte Unterstellmöglichkeit für Wohnwagen- und Bootsbesitzer an; oder als Großraumgarage für Oldtimer-Liebhaber, damit ihre Schätzchen nicht so brutal den Jahreszeiten ausgesetzt sind. Weshalb sollte man den vielen Platz auch ungenutzt lassen? Die Dächer sind mit Solarplatten beplankt; „Atomkraft nein danke“ – ja man muss eben mit der Zeit gehen! So ist er halt, der deutsche Börde-Bauer mit seiner sprichwörtlichen Schläue.

Eine nicht unerhebliche und für mich sehr angenehme Errungenschaft ist, dass es in unserem verträumten Örtchen mittlerweile schon drei Lokalitäten, also Erholungsstätten mit Möglichkeiten der Proviantaufnahme gibt. Jawohl, drei Trinkstuben, und eine von ihnen muss nach flüchtigem Studium der Speise- und Getränkeauswahl sogar als Eiscafé bezeichnet werden. An der ockerfarbenen Fassade des Hauses rankt ein in frischem Grün aufgemaltes Weinlaub mit entsprechenden Trauben. Neben der Eingangstür befindet sich zur Sommerzeit immer eine ca. 150 m hohe, überdimensionale Plastik-Eistüte, die die Erfrischungssuchenden zum Schlemmen verführen soll.

Ich, Fritz Windmüller, die „Stadtjacke“ – so bezeichnen hier die Eingesessenen alle Zuzügler, die aus Städten oder dichter besiedelten und damit größeren Orten stammen – pflege seit meinem Wohnortwechsel intensive Kontakte zur gemeinen Landbevölkerung.
Die Uhren gehen hier tatsächlich noch etwas anders. Irgendwie läuft alles gemächlicher, ruhiger und friedvoller ab. Die ehemaligen Bauern der LPG, also die „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft“, gehen wohl etwas realistischer und keinesfalls euphorisch mit der neuen Zeit um. Klüger und nicht so gehetzt, wie mir scheint.

Lustig ist es auch zu beobachten, wie z. B. einige besondere Exemplare dieser Spezies unter größter Anstrengung versuchen, sich weltoffener zu geben, und wie das mit der Veränderung ihres Dialektes einhergeht. Da fängt so mancher Bauer nach dem vierten, fünften Bier auf einmal an, vom zeitgemäßen Hochdeutsch wieder ins Börde-Platt abzurutschen. Da wird aus „Da werde ich mich einmal telefonisch mit meiner Frau in Verbindung setzen“ wieder „Ick mut mien Fru anraupen“. Oder aus „Das sagte ich dir bereits!“ wird „Datt häbbig dich doch jesecht“, und aus „Das werden wir demnächst einmal in Angriff nehmen“ wird plötzlich wieder „Wie maaken datt ook ma“, spätestens bei politischen Debatten, so ein Bier und zwei Korn später, da verfallen die Entrückten dann alle ihrem Slang und für mich wohlklingendem Kauderwelsch. „Jo jo immer drop of de Lüttjen“. Man kann seine Herkunft eben nicht verleugnen.



O nein, nicht schon wieder


Wohlgerüche, die auf gebratene Kleintiere und Apfelkuchen schließen lassen, erfüllen die Luft. Es wird geputzt und geräumt. Jeder rennt und wuselt; im Haus wird für das große, alljährlich wiederkehrende Fest gerüstet. So ganz nach den Verlautbarungen von Kaiser Franz in einer seiner unvergessenen Werbebotschaften „Jo, is denn heid schoa Woihnachten?“ Nach gefühlten acht Monaten, denn mit zunehmendem Alter werden die Zeitabstände immer kürzer, beginnt der ganze sonderbare Reigen schon wieder von vorn.
Die Nordmanntanne wird in den dafür vorgesehenen Christbaumständer gezwängt, vorher noch tüchtig geflucht, weil das aus seinem natürlichen Umfeld gerissene Symbolobjekt nicht gewaltfrei in den aus Gusseisen gefertigten Ständer hinein will.
Mittels Hammer, Feile, Säge, Stechbeitel und anderer nützlicher Utensilien, die der Werkzeugkoffer auf die Schnelle hergibt, wird das untere Ende des Stammes nun derartig malträtiert, dass es am Ende einmal wieder auch dem unbegabtesten unter den Handwerkern vorbehalten bleiben wird, den Sieg über die störrische Pflanze davonzutragen.
Jetzt kann die massakrierte Tanne mit Kugeln, Glöckchen oder Schleifchen – früher war mehr Lametta – bestückt und mit Tannenduft aus der Dose besprüht werden, um im Anschluss der Bewunderung Ausdruck zu geben, dass der Baum in diesem Jahr einmal wieder besonders prächtig sei.
Nun bleibt nur noch, Teile der Rinde, die sich perfekt mit dem klebrigen Baumharz vermischt haben, von den Händen zu schrubben. Und anstatt Jubelrufe, Lob und Preisungen durch die Dame des Hauses zu genießen, ertönt lediglich ihr panischer Hinweis: „Haaalt! Nichts anfassen! Waaarte, ich mach’ dir die Badezimmertür auf.“ Dass die Hose an den Stellen, an denen sich die Knie des Zwangshandwerkers befinden, ebenfalls in klebrige Mitleidenschaft gezogen wurde – was meiner lieben Frau selbstverständlich auch nicht entgangen ist – treibt sie zu der keinen Widerspruch duldenden Ansage: „Hose aus und gleich ab in die Waschküche damit!“ Jawohl, zu Befehl, mein General.

In weiterer Vorbereitung auf die „drei tollen Tage“ werden von mir die mit weihnachtlichen Motiven verzierten Pappteller vom Speicher geholt, abgestaubt und mit Süßigkeiten, Mandarinen und Nüssen belegt. Dass hierbei die Nüsse, die sich noch in ihrer natürlichen harten Schalenverpackung befinden, vom Neuzeitmenschen nicht gegessen werden, versteht sich von selbst. Geht es doch schließlich nur um die Aufrechterhaltung von langgehegten Traditionen. Mal ehrlich: Aufwand und Nutzen, um an die Frucht zu gelangen, stehen in keinem sehr günstigen Verhältnis zueinander. Hingegen: Schon geknackte Nüsse dem vorteilhaften Plastikbeutel-Vorratspack durch Kippen oder Schütteln zu entnehmen und von dort mit Armschwung direkt in den gierigen Schlund zu befördern, ja das geht. Und ist auch viel praktischer. Das haben mittlerweile nicht nur die lieben Kleinen, sondern auch bewusste Traditionalisten erkannt. Also wurde für den Bedarfsfall ein kleiner Vorrat an Nüssen ohne lästige Schale, die die Frucht umhüllt, im Schränkchen – direkt neben dem Karton mit dem Marzipan, welches ebenfalls älteren Datums ist – deponiert. Gut, bleiben die ungeknackten Nüsse eben als Dekoration liegen und können so im nächsten Jahr – und auch noch im darauffolgenden, genau wie das Marzipan – ihrer Zier auf dem bunten Teller gerecht werden.

Das aufgeregte Treiben im Haus nimmt spürbar zu. Eine Atmosphäre, die nun allmählich in eine leichte Hektik überzugehen droht. Die Festtagsstimmung hat mittlerweile auch mich ergriffen. Halt, besser gesagt: Die Festtagsstimmung verpflichtete mich, sie zu ergreifen.
Ich sitze auf dem Teppichboden meines Arbeitszimmers und bin – gegen meinen Willen – mit Schere, farbenfrohen Bändchen und Klebestreifen bewaffnet. Wie labil muss man sein, um Jahr für Jahr immer wieder umzukippen? Weshalb lasse ich mich bloß in aller Regelmäßigkeit überreden, bei dem lächerlichen Zirkus mitzumachen und mich dann von dieser Weihnachtsgefühlsduselei zu allem Überfluss auch noch anstecken zu lassen? Bin ich nicht ein bekennender Gegner, ja sogar ein ultimativer Geschenkverweigerer, gerade im Hinblick auf religiöse Feste? Oder liebe ich sie insgeheimen, diese besinnliche Atmosphäre?

Ein Mensch, dem Verschwendungen an sich schon nicht behagen und dem es ein Graus ist, seine Dankbarkeit kundzutun, besonders für Güter, die er nicht will und schon überhaupt nicht bestellt hat! Warum sitze ich also hier mit einem gutmütig blöden Gesichtsausdruck und falze Schneemänner, schneide kleine Glöckchen aus und klebe sie im Anschluss auf rotes Geschenkpapier? Warum sind wohl auf den baumelnden Silberkugeln, die die Äste des Baumes schmücken, lauter kleine Notenschlüssel aufgedruckt, frage ich mich. Und wer in der heutigen Zeit hat denn noch Lametta am Christbaum? Ach ja und wieso steht denn nun bloß das störrische Waldgewächs schon wieder schief?

Allein schon dieser Balanceakt zwischen Schenkendem und Freuendem ist ein ganz schmaler Grat. Das sogenannte Fremdschämen beim Gabenentblättern ist mindestens bei einem Geschenk pro Jahr praktisch unumgänglich, beidseitig bedenklich, und Enttäuschung ist sowieso immer vorprogrammiert! Gut, es gibt schon auch euphorisierte, immer gut gelaunte und nett dreinblickende Ausnahmen, die anscheinend alles, was mit dem Feste in Zusammenhang steht, einfach glücklich macht.
Nur wenn bei den weniger positiven und dann auch noch peinlich berührten Menschen noch die Heuchelei dazukommt: „Ach danke, das ist ja lieb von dir, das hab’ ich mir doch schon immer gewünscht, ich war bisher nur zu geizig, es mir selbst zu gönnen.“ Und insgeheim denkt man sich: „War bestimmt ein Sonderangebot“ Eine dankbare Geste, ein gekünsteltes Lächeln. „Liegt der Kassenzettel noch dabei?“ Gab es den auch noch in einer anderen Farbe? „Oder in schön“ All das wird der Geber natürlich nicht gefragt. Nein, nein ich meine ja nur, falls irgendetwas damit nicht in Ordnung sein sollte. Ich will ja schließlich den schönen Hightech-Elektroniktoaster mit integrierter Frühstückseiwarmhaltefunktion niemals umtauschen oder gar dem Einzelhandel wieder komplett zuführen! Wie kommt man denn darauf? Würde mir doch im Traum nicht einfallen! Aber kann ja immer mal etwas kaputt sein, du weißt schon, defekte Wärmeplatte oder im Karton durchgescheuertes Kabel. Kann ja sein. Solch ein Kassenzettel könnte da schon mal für einen der beiden Akteure sehr hilfreich sein.
5 Sterne
Auf ein Neues - 15.04.2024
Ralf F.

Als Bördeländer kennt man das Garagenbier und die Rumtopfverkostung genauso wie die kirchlichen Weihnachtstraditionen der Gemeinden. Hier verortet der Autor R. Rickensdorf seine Geschichte des Ichs sehr authentisch, die den Aspekt der Träumerei des Erwachsenseienden auch ohne tiefere midlife-crisis im Sinne pubertärer gedanklicher Spielereien in den Mittelpunkt stellt. Die prosaische Geschichte führt die Spielerei zu einem anekdotischen Ende, das den Leser dann doch nicht ohne Nachwirkungen das Buch schließen lässt. Das Lesevergnügen generiert sich allerdings nicht allein aus der Geschichte oder dem leicht anzüglichen Thema, sondern vielmehr aus der Liebe zur Sprache. Die Wortwahl und Satzgestaltung sind fast durchgängig besonders, von elegant geschmeidig bis ausgesprochen originell. Selbst Herr R.-R. hätte vielleicht an der einen oder anderen Stelle geschmunzelt oder den Kopf gewogen. Das innere Lächeln ist dann auch die durchgängig vorherrschende Begleiterscheinung beim Lesen. Insgesamt also ein Stück Literatur – unterhaltsam, kurzweilig, anregend in mehrfacher Hinsicht und lebensnah.

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