November

November

Erlebnisse im öffentlichen Nahverkehr

Frau Düfi


EUR 18,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 126
ISBN: 978-3-99038-277-6
Erscheinungsdatum: 01.10.2013
Frau Düfi fährt im November 2012 tagtäglich mit der Straßenbahn zur Arbeit und wieder zurück. Sie studiert das Leben um sie herum und erfährt, dass der Alltag immer wieder skurrile Geschichten schreibt. Ein Alltagsroman über Situationen und Menschen, die einen ankotzen, aber genauso oft Lachen oder Stirnrunzeln hervorrufen.
6.11.

Morgens, drei viertel sieben in Deutschland: Ich sitze in der 66 Richtung Siegburg mit Bonn Hauptbahnhof als Ziel, und wir haben Anfang November. Die 66 ist immer gut geheizt, sodass die Fahrt ganz angenehm ist. Außerdem sind die Sitze gepolstert. Ich sitze alleine in einem Vierer. Im gegenüberliegenden Vierer sitzt ein Mann, der mindestens drei Zentner wiegen muss, weil er unglaublich riesig und unglaublich dick ist. Er sieht aber nett aus und liest ein Buch. Insgesamt ist die Bahn spärlich besetzt. Doch ändert sich das jetzt: In Oberkassel Nord steigen immer mehrere Leute mittleren Alters ein, soll heißen: ab den 40ern aufwärts. In meinem Vierer sitzt jetzt ein Bauarbeiter, der mindestens Mitte Vierzig ist. Er sieht nett aus, trägt eine Kappe, einen Strickpullover, eine Weste, Arbeitshose und -schuhe. Zudem hat er einen Rucksack dabei. Er hat einen 5-Tagebart, soweit ich das als Frau beurteilen kann.
Jetzt sind wir über der Rheinaue. Leider ist es schon zu dunkel, um den Rhein zu bewundern. Aber man hat von hier aus immer eine interessante Aussicht auf den Verkehr.
In Oberkassel sind auch mehrere Frauen eingestiegen. Einen Teil treffe ich jeden Morgen an. Die steigen dann in der Telekomgegend bzw. beim Bundesrechnungshof aus.
Robert-Schuman-Platz: Wer hat sich eigentlich diese Farben im Bonner Untergrund ausgesucht? Was soll das? Gibt es unpassendere Farben? Gab es keine hellen, reinen, freundlichen und überhaupt mehr zur Auswahl? Musste man unbedingt diese schweren, tiefen Klofarben nehmen? Ich verstehe es nicht.
Die Türen schließen in der 66 viel zu laut. Sie schlagen ungebremst aufeinander. Das nervt und zeugt von einem krassen Verschleißgrad.
Der Riese zieht sich an und steigt in der Ollenhauerstraße aus und der Bauarbeiter verlässt mich und setzt sich in den leeren Vierer, in dem der Riese saß. Vielleicht hat er es deshalb getan, weil er in Fahrtrichtung sitzen wollte – auch so eine Sache, die ich nicht verstehe.
Eines Morgens, als ich zur Arbeit gefahren bin, fasste ich in meine Handtasche, um mein Buch herauszuholen. Da merkte ich, dass es nass war. Ich hatte zu wässrigen Spinat in einer kleinen Plastedose mitgenommen und das Wasser war ausgelaufen. Es betraf den ganzen Inhalt der Tasche, sodass ich ihn zum Trocknen herausholte. Ich saß in dem Fall ganz hinten inmitten eines Dreiers in Fahrtrichtung und lagerte zu meinen Seiten den Tascheninhalt. Dann stieg eine Frau ein, die zu mir kam und fragte, wo sie sich hinsetzen könne. Die zwei Plätze neben mir waren ja belegt. Da meinte ich, dass es am besten wäre, sie setze sich gegenüber von mir. Das tat sie auch, und als ich alles abgewischt hatte und teilweise die Sachen wieder in meine Tasche packen konnte, setzte die sich sofort zu mir.
???
Geht’s noch?
Was interessiert es mich, in welche Richtung ich fahre?
Museum König: was für ein furchtbares Braun! Unglaublich! Aber auch für die Gestaltung der Bahnen wurden nicht gerade Farbdesigner engagiert. Die 66, in der ich sitze, hat grüne Sitze. Das sieht nicht schlimm aus, weil der Rest gräulich ist und die Entwerter rot. Aber dann gibt es auch Bahnen, in denen die Stangen pink sind.
???
Ein Mann mit Jack-Wolfskin-Rucksack will in Universität/Markt aussteigen. Furchtbares Klogrün! Sein Rucksack war offen, wie ich eben gesehen habe, als er draußen an mir vorbeigelaufen ist.
Jetzt kommt Bonn Hbf.

Jetzt sitze ich in der 16 Richtung Köln Niehl. Ich sitze am Fenster. Mir gegenüber sitzt ein Mann um die 30/40 (keine Ahnung …), der gestern schon mit mir die Strecke von Köln nach Bonn zurückgefahren ist. Die Oma, die eben neben mir saß, ist in Bonn West schon ausgestiegen. Neben dem Mann mir gegenüber sitzt ein Mädchen, das ein Buch liest.
Die 16 ist so eine Bahn, in der es blasslila Stangen gibt, dazu einen schmuddelgrauen Boden und blaue Plastesitze, die schwarz-weiß-rot gesprenkelt sind. Zudem ist diese Bahn nicht beheizt. Wieder so eine Sache, bei der man nicht weiß, was sich dabei gedacht wurde!

Ein junger Mann ist jetzt an den Platz der Oma getreten. Er hat einen Jansport-Rucksack. Das Mädchen gegenüber steigt aus, hat einen Dakine-Rucksack, ich Eastpack, der Mann gegenüber von mir trägt eine schwarze Umhängetasche. Ganz schick! Genau wie die Tasche, die jetzt ein neues Mädchen neben ihm trägt, viel zu groß und viel zu bunt! Auch wenn das Muster hübsch ist, ist es unästhetisch auf der überfüllten, ausgebeulten Tasche.
Mir zieht es am Kopf. Eine Lüftung scheint an zu sein, aber ich weiß nicht warum. Jeder sitzt hier fest in seine Jacke eingemummelt.
Buschdorf: Da bin ich bis jetzt immer nur mit der Bahn durchgefahren, nicht gerade die schönste Haltestelle, aber wie wir ja festgestellt haben, gibt es nicht sehr viele davon. Da fallen mir gerade nur die Oberkasseler Haltestellen ein. Die liegen im Grünen und man hat eine tolle Aufsicht auf den Wald und süße Häuschen.
Das Mädchen gegenüber – ich nenne es immer nur Mädchen … Mag sein, dass sie schon volljährig ist, aber ich kann das Alter sehr schwer schätzen, bin selbst erst 23 und muss noch oft genug den Perso vorzeigen – trägt jedenfalls eine Oilily-Tasche, wie ich gerade gesehen habe, hat jetzt Musik herausgeholt und sich in die Ohren gestöpselt. Sie scheint von bunten Karteikarten zu lernen. Ihr Smartphone hat eine schwarze Hülle mit weißen, floralen Elementen – wie süß der kleine Hippie doch aussieht. Zudem hat sie blondierte Haare, die sie offen trägt, und eine dicke Strähne ist geflochten und nach hinten festgebunden. Sie ist wirklich ein Hippie! Vielleicht hört sie Bob Marley oder John Lennon. Aber in Anbetracht ihrer beigen Stiefeletten ist ihr nicht so viel Musikgeschmack zuzutrauen.
Boah, mein linkes Ohr ist voll kalt, weil es hier zieht wie Hechtsuppe!

Wir fahren nach Urfeld an einem Acker vorbei, der ziemlich grün ist. Auf der rechten Seite sind Pferde.
Ich bin immer wieder verblüfft, wie viele Ausländer hier doch mitfahren. Oh – in Urfeld sind viele Kinder. Da muss es ja abgehen bzw. irgendetwas Besonderes geben. Einige Leute stehen schon, weil der Großteil der Plätze besetzt ist. Ich glaube, der Hippie fühlt sich beobachtet, weil ich natürlich ab und zu aufschaue und sie teilweise mustere. Tja, Pech gehabt!
Wesseling Süd ist auch relativ grün gelegen. Die Schilder sind allerdings Vandalen zum Opfer gefallen. Das ist angesichts der vielen Weißflächen natürlich ungeil. Augenringe sind ungeil. Der Mann gegenüber von mir mit der schwarzen Umhängetasche ist wieder wach, hatte vorhin die Augen zu. Macht fast keinen Unterschied! Der junge Mann neben mir pennt. Ich könnte das gar nicht, weil ich Schiss habe, ganz einzuschlafen und dann sonst wo aufzuwachen. Aber der hat seinen Jansport-Rucksack auf dem Schoß, hält ihn fest, als hätte er ihn lieb, und hält den Kopf schlafend nach unten. Er trägt eine Brille, hat auch ca. einen 5-Tagebart und trägt eine dunkelbraune Mütze, alles ganz modisch. Dazu hat er am rechten Ringfinger einen Ring, der relativ dünn und schlicht – silbern, würde ich sagen – ist.
Jetzt verlassen wir Wesseling Nord. Rechts war grün, links Industrie, die sich jetzt sowohl links als auch rechts befindet. Hier ist wohl Chemieindustrie. Wie beruhigend! Die Anlage ist durch ihre Größe ziemlich beeindruckend.
Auf der rechten Seite sind jetzt viele Schienen: Godorf, auch so ein Ort, durch den ich nur mit der Bahn gefahren bin.
Ich dachte, meine Finger würden kälter sein, vor allem mit Blick auf die gefühlten 10 Grad. Immer mehr Menschen kommen in die Bahn und stehen im Gang – würde mich voll ankotzen!

Die Sonne geht auf und ich kann – hoffentlich – jetzt jeden Morgen die vorbeiziehende Landschaft betrachten. Alles ist kühl, nass und frisch, bzw. jetzt ziemlich knackig, im Sommer dann ganz anders.
Jetzt sind wir in Sürth, wo ich auch noch nie war: also im Klartext: Diese ganze Strecke von Bonn bis nach Köln fahre ich normalerweise auf der Autobahn.
Weder Leute noch Wohngebiete werden mit Kölnnähe ansehnlicher: typische Großstadtkrankheit bzw. Syndrom des Kapitalismus. Die Ästhetik wird immer unterschlagen, wenn das „Wesentliche“ stimmt.
Mein Mann gegenüber wurde ersetzt durch einen mit einer anderen Umhängetasche. Sie ist größtenteils schwarz mit weißem Rand: Berlin Bag. Gibt schönere Berlin-Merchandise-Artikel! Der kalte Wind hier in der Bahn kraucht in meine Jacke. Ich könnte kotzen.

Jetzt kommen wir nach Rodenkirchen. Hier sind auch immer viele Leute und Kinder. Die Bahn ist schon ziemlich voll, aber die werden sich gleich trotzdem noch reinstopfen. Hey: Ein paar Leute steigen sogar aus J, aber mehr kommen rein. L

Mein Sitznachbar ist aufgewacht und lehnt sich zurück. Und schon sind seine Augen wieder zu.

Jungs auf dem gegenüberliegenden Gleis versuchen die Bahn, in der ich sitze, anzuspucken. Ich glaube, sie haben es nicht geschafft.

Jetzt sind wir gleich ganz nah am Rhein. Seinen Anblick kann ich gleich genießen, wenn ich aussteige. Die Sonne geht über ihm auf und der Nebel … Herrlich!



Rückfahrt

Es ist 17.10 Uhr und ich bin im Bayenthalgürtel eingestiegen. Die Bahn ist wieder voller Leute. Es wird schon dunkel. Neben mir sitzt eine junge Frau mit grünen Fingernägeln. Viele Menschen wirken müde, abgespannt und sitzen wie heute Morgen eingepackt in der Bahn. Ich glaube, meine grünnägelige Nachbarin möchte wissen, was ich hier schreibe. Ich glaube aber, dass sie es nicht lesen kann. Also lesen an sich dürfte sie können, da sie SMS tippt. Ich habe etwas Hunger und gleichzeitig ein bisschen Durst. Ich glaube, ich muss auch pinkeln. Wahnsinn … Es ist Feierabend und trotzdem muss ich so viel tun. So ein Fuck!
Die 16 ist wieder ungeheizt, aber ich habe mich eben beeilt, um die frühere Bahn zu bekommen, und bin deswegen etwas erhitzt. Außerdem friere ich morgens immer mehr als abends.
Manche sind am Telefonieren. Ich sitze am Gang. Rechts von mir im anderen Vierer sitzt schon wieder ein sehr viel wiegender Mensch, dieses Mal eine Frau. Sie ist aber in dem Sinne keine Riesin, sondern nur ein Riesenklops. Sie ist blondiert, hat schwarze Fingernägel mit hellen Verzierungen darauf – ähnlich wie die Handyschutzklappe des Hippies von heute Morgen. Der Mann, der mir gegenübersitzt, hat einen Rucksack von McKinley auf dem Schoß, einen 5-Tagebart und schläft. Es fahren hier wirklich immer die gleichen Leute mit!
Es ist relativ still. Es herrscht eine Atmosphäre von: „Nu is jenuch! Ich will nach Hause.“ Draußen ist ein silberner Kombi schneller als wir. Das Werk bei Godorf ist wieder beleuchtet. Jetzt ist es dunkler als heute Morgen. Die Anlage wirkt wahrlich imposant.
Der Riesenklops trägt ein Tuch mit Katzenfellmuster, eine gefüllte dm-Tasche, einen pinken Beutel und noch eine schwarze Umhängetasche, also drei Taschen! Sie ist geschminkt und kaut Kaugummi, sieht nicht sehr glücklich aus, wenn auch an sich nicht schlecht, weil gepflegt. Trotzdem gleicht sie mehr einem trostlosen Haufen als allem anderen.
Das Grün, das Wesseling Nord umwächst, wird mit Straßenlaternen beleuchtet – fast schon romantisch. Die Frau, die neben dem Mann gegenüber von mir sitzt, trägt einen blauen Jeansrock und eine ockerfarbene Esprithandtasche. Meine neugierige Nachbarin mit den eifersüchtigen (oder hoffnungsvollen?) Fingerspitzen ist in Wesseling ausgestiegen. Sie hat sich mit einem Lächeln bei mir bedankt, als ich aufgestanden bin, um sie herauszulassen. Jetzt sitze ich auf ihrem Platz am Fenster. Wieder kommt mir ein kalter Luftzug ans Ohr. Es ist mittlerweile etwas lauter geworden. Es sind auch mehr Kinder eingestiegen. Sie kramen, telefonieren oder unterhalten sich.

Die Frau im Jeansrock lehnt ihren Kopf sehnsuchtsvoll an die Scheibe und blickt nach draußen, zu den fast schwarzen Häusern und dem Westhimmel, wo die Sonne gerade untergegangen ist. Am Horizont ist er noch etwas orange, wird hellblau. Wenn ich zu Hause ankomme, ist es schon ganz dunkel.

Der Mann, der mir gegenübersaß, ist eben mit dem Kopf auf die Schulter seiner Nachbarin gesunken und gleich wieder im Schlaf etwas hochgeschreckt. Sie hat ihn nur kurz verwundert angeblickt. So viel Anonymität bei so viel Nähe – wieder so ein Großstadtsyndrom!
Gleich kommen wir in Uedorf an, wo Simone wohnt, wie ich kürzlich erfahren habe.
Dort, wo der Riesenklops bis vor Kurzem saß, sitzt jetzt eine Frau, die Chucks trägt, aber um einiges weniger Umfang besitzt, etwas größer ist, kurze, lockige ungefärbte Haare hat, eine Brille trägt und im Kindle liest. So ganz hat sich mir der Sinn dieses Gerätes noch nicht erschlossen. Ein Buch in der Hand zu halten bedeutet je nachdem auch, ein Kunstwerk in der Hand zu halten. Es ist mehr als nur der Text. Und wer braucht schon ständig 10 000 Bücher mit sich?

Der Eingeschlafene ist plötzlich aufgestanden und ausgestiegen, als wir in Hersel gehalten haben. An seiner Stelle sitzt dort jetzt eine hübsche junge Frau. Neben mir sitzt jetzt eine – wie ich glaube – nicht ganz so hübsche Frau. Sie hat eine etwas undefinierbare Frisur: an manchen Stellen schulterlang, dann irgendwie schweinchenrosa gefärbt und irgendwie ungepflegt. Sie trägt eine braune Umhängetasche, eine Strumpfhose, eine Collegejacke … Nichts passt zueinander. Und wegen ihr habe ich jetzt meinen Rucksack unter den Arm geklemmt! Jetzt hat sich eine weitere junge Frau zu uns gesetzt. Sie hat eine gelbe Jacke an und eine gelbe Umhängetasche, herausgewachsene Blondierung, rahmenlose Brille, dünne Gestalt – ein gelber Strich.
Jetzt sind wir in Tannenbusch Süd. Nichts Bedeutendes passiert. Frau Nichts-passt-Zusammen bekommt Lärm aus ihrer Jackentasche, aber nur kurz. Sie zückt einen iPod, guckt, drückt kurz was und packt ihn wieder weg. Es ist fast ganz dunkel, nur noch ein kleiner heller Fleck am Westhimmel, der nichts erleuchtet. Jetzt sind fast alle Plätze besetzt, sind gleich in Bonn West. Der gelbe Strich verlässt uns hier. Mehrere Leute kommen rein. Ich steige gleich wieder in die kuschelige 66.

Und wie kuschelig sie ist! Als wir noch standen, fragte eine Rollschuhfahrerin, ob diese Bahn zur Museumsmeile führe. Sie sah gerade mich an, als sie fragte, und deswegen bejahte ich nickend. Sie bedankte sich und rollte hinein. Niemand sonst hatte reagiert.
Gleich geht es hoffentlich los. Ich will nach Hause. Ich glaube, mir ist es hier sogar etwas zu warm. Jetzt geht es los, durch den Farbalbtraumuntergrund. Mir sitzt ein Typ – wahrscheinlich Student – gegenüber, der kleine Augen hinter seiner Brille hat, macht einen ziemlich unattraktiven Eindruck. Die Studentin, die mir eben gegenübersaß und kurz aufgestanden ist, sicherlich, um eine Kommilitonin zu begrüßen, sitzt jetzt wieder. Sie trägt eine schwarze Umhängetasche, schwarzen Schal, dunkelbraune Fingernägel. Woher nehmen die alle die Zeit für so viel Lackiererei? Ihre Augenbrauen sind sehr schwungvoll gezupft, sodass sie immer etwas ärgerlich bzw. arrogant aussieht.
Im Vierer gegenüber sitzen eine junge Frau und ein junger Mann. Beide sehen nicht sehr glücklich aus. Zu ihnen setzt sich ein Mann in den 50ern mit General-Anzeiger und DB-Rucksack. Obwohl er eine Brille trägt, liest er die Zeitung mit weitem Abstand – voll der Sitzriese. Und er schaut immer in einem gewissen Winkel „von oben herab“ durch seine Brille. Die Rollschuhfahrerin ist jetzt in der gelben Heussallee hinausgerollt. Gern geschehen! In der Werbung wird ständig der neue Bond-Film gezeigt. Was daran so toll ist …
Ich würde nie freiwillig in der Bahn stehen! Das gehört zu den schlimmsten Sachen, die man seiner Wirbelsäule – je nachdem, welche Schuhe man trägt –, den Füßen und der Hygiene antun kann. Gegenüber dem zeitunglesenden DB-Menschen hat sich eine dicke Schwarze mit vollgepacktem Rucksack gesetzt, weswegen er sich einziehen musste. Über ihre streckenweise Unbeholfenheit, was unaneckendes Durch-den-Gang-Gehen angeht, war er nicht sehr erfreut. Aber jetzt konnte er sich wieder ausrichten und liest weiter. An der Rheinaue angekommen ist alles schwarz draußen. Den Rhein kann ich nur erahnen. Die Brücken und Ufer sind beleuchtet. Der Posttower strahlt. Die Studentin in meinem Vierer lernt mit Karteikarten. Der DB-Mensch steigt jetzt in Ramersdorf aus. Von hier bin ich schon zwei Mal per Taxi nach Hause gefahren, weil ich keinen Bock hatte, so lange zu warten, bis die richtige 66 kommt.

Die Bahn ist eben über die Schienen galoppiert. Sie hat ein regelmäßiges Geräusch gemacht – ist nicht gesprungen, also auf und ab gehüpft, sondern hat sich geschmeidig wie ein Pferd über die Schienen bewegt. So hat es sich jedenfalls angehört. Auch in Oberkassel Nord ist jetzt alles schwarz. Viele hören Musik. Fast niemand sagt etwas. Ein paar Jungs stehen weiter weg im Gang am Automaten und kämpfen sich durch die Pubertät. Würde mich so ankotzen, das noch mal durchmachen zu müssen! Aber der heutige Tag ist bald vorbei. Morgen geht es wieder von vorne los.
5 Sterne
Der geilste Reisebericht ever! - 10.01.2014
Martin

Ich habe noch nie ein Buch gelesen, welches derart authentisch und witzig geschrieben ist!

5 Sterne
Zu 100% aus dem Leben gegriffen! - 09.01.2014
Ellen

Beim Lesen musste ich immer wieder herzhaft lachen. Manchmal sogar Tränen. Die Beobachtungen von Frau Düfi strotzen in ihrer Formulierung nur so vor Ironie und Sarkasmus. Der Anblick des Alltags ist spannend und witzig geschildert.

5 Sterne
Faszinierend - 13.11.2013
Carolin

Ich habe dieses Buch förmlich verschlungen. Es ist schön zu sehen, dass der Arbeitsweg heutzutage noch sinnvoll genutzt wird, anstatt nur auf dem Smartphone rumzuhämmern. Das Buch liest sich sehr gut/schnell und mit einem Grinsen auf den Lippen. Durch die detailreichen Beschreibungen und Vergleiche der Autorin hat man das Gefühl mit ihr in der Bahn zu sitzen. Sogar die Gerüche nimmt man wahr (das oftmals wohl eher "leider" so ist).Ich selbst wohne nicht in der Region, aber habe witzigerweise nun total Lust selbst mal diesen Weg zu fahren und die Eindrücke aufzunehmen.

5 Sterne
Unterwegs sein - heißt was? Unbezahlbare Auftritte! - 10.10.2013
Audrey Horn

Also ich finde es toll, dass offensichtlich doch noch nicht alle Teilnehmer am öffentlichen Nahverkehr als unfreiwillige Tester von Smartphones und anderen versklavungstüchtigen Produkten funktionieren, manche Reisende unterhalten sich noch, sogar über Nichthandythemen, und gucken sich dabei sogar an! Hinzu kommt, dass manche Leute sich offensichtlich früh nicht so anziehen, als wollten sie im Laufe dieses Tages fotografiert werden - kaum zu glauben! Der Industriealltag, die tägliche Ausbildung, der real stattfindende Bürokratismus – alles benötigt Vor- und Nachbereitung – im öffentlichen Raum passiert dieses sicher auch auf den Bürgersteigen, kann aber vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln besser beobachtet werden! Nun liegt es an der Beobachtungsgabe unserer Betrachterin einerseits und ihren Einfällen zur Verarbeitung der Eindrücke andrerseits! Künftig weiß man dann schon beim Lösen einer Fahrkarte vor Fahrtantritt genau, worauf man sich hier einlässt, nicht wahr? Es sei denn, man ist zu faul zum Lesen!

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