Damit geb ich euch den Rest
Max Ro
EUR 11,90
EUR 7,99
Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 188
ISBN: 978-3-99048-995-6
Erscheinungsdatum: 31.07.2017
In Wiener Mundart samt hochdeutscher Übersetzung widmet sich Max Ro als aufmerksamer Welt- und Personenbeobachter dem Mensch selbst und zieht ganz eigene philosophische Schlüsse, gewürzt mit Humor und Sarkasmus. Ein tiefer Einblick in die Wiener Seele!
Vorwort zur Mundart-Dichtung
Ihre berechtigte Frage, aus welchen Beweggründen ich mich neben meinem thematisch anspruchsvollen, hochsprachlichen Hauptwerk „Zeitschwelle Null“ (siehe „Rückblick“ im letzten Buchabschnitt) in die banalen Niederungen des Mundartlichen, der Wiener Sprache, begebe, möchte ich so beantworten:
Der im Folgeabschnitt exakt wiedergegebene (jeweils übersetzte!) Wiener Dialekt ist, gehe ich über siebzigjähriger, autochthoner Wiener mit gespitzten Ohren durch diese Stadt, zweifellos eine aussterbende Sprache. In diesem Zuge mit auf die Sterbebahre dürfte sich auch die legendäre „Wiener Seele“, das „Wiener Gemüt“, legen.
Nicht dass ich diesem gemütlich-grantigen, offenherzig-hinterfotzigen, besserwisserisch-entschlusslosen, neuzeitlich-gestrigen, tolerant-radikalen Wiener Typus in allen Punkten nachtrauere. Mir fällt einzig und allein die Rasanz gesellschaftlicher Veränderung des Wiener Einwohners auf, hervorgerufen durch den massiven multikulturellen Zuzug, durch den „Neusprech“ der Jungen, durch den schleichenden Einzug volldigitalisierter, amerikaorientierter, Eigenkultur verneinender Lebensweise.
Gestatten Sie mir verschwindendem Ureinwohner deshalb, den Wiener Dialekt und sein Gemüt – „einbalsamiert“ in den folgenden Buchseiten – als zeitgeschichtliches Fossil zu letztmaligem Bewundern auszustellen und damit die Tür einer Epoche leise, gedankenvoll zu schließen.
Max Ro
***
Rest 1 - DE WEANA GOSCHN
Die Wiener Mundart
Im Gedenken an ein verschwindendes Kulturgut.
’S WEANA GMIAD
(Wiener Mundart)
Ois Weana
muasst leana,
in gaunzn
Dog raunzn,
si scho beim Aufwochn in Oasch beißn
und bis zum Nidalegn ois owescheißn,
si iba an jedn de Goschn zreißn
und an jedn owefetzn
und an jedn valetzn
und an jeden vahetzn
und an jedn vapetzn,
eascht daun bist de richtige Weana Krätzn.
DAS WIENER GEMÜT
(Hochdeutsch)
Als Wiener
musst du lernen,
den ganzen
Tag zu nörgeln,
sich schon beim Aufwachen in den Hintern beißen
und bis zum Niederlegen alles heruntermachen,
sich über jeden das Maul zerreißen
und einen jeden herabwürdigen
und einen jeden verletzen
und einen jeden verhetzen
und einen jeden verpetzen,
erst dann bist du die richtige Wiener Krätzen (widerliche Charaktere).
***
’S GOIDANE WEANAHEAZ
(Wiener Mundart)
Bin hocknstad und ewig stia,
de Broda-Au is mei Quatia.
I hob zehn Kilo Untagwicht,
kum aus da sozialn Untaschicht.
Glaub ned, i woitad wen vaoaschn,
woit nua s Weanaheaz eafoaschn.
I frog hoid in an U-Baunwogn:
„Heans, kennan S ma de Uazeid sogn?“
I schüda da, das i ned liag,
wos i do fia a Auntwuat kriag:
„Schleich di,
du doikerts Grammeknedl!
Ausgstopfta Fetznschädl!
Gschissane Brodakrätzn!
Ausgschwabda Daunaufetzn!
Stahofa Deppnkindl!
Vadreckts Zigeinagsindl!“
Noch dem erklärtn Oanschmaus
steig i am Schwednploz glei aus,
frog aan in ungebrochna Euphorie:
„Hean S, hädn S a boa Cent fia mi?“
I schwea das, dees is jetz ka Scheaz:
Sogd mia dees goidne Weanaheaz:
DAS GOLDENE WIENERHERZ
(Hochdeutsch)
Bin arbeitslos und ewig pleite,
die Prater-Au ist mein Quartier.
Ich hab zehn Kilo Untergewicht,
komme aus der sozialen Unterschicht.
Glaube nicht, ich wollte jemanden blöd anreden,
ich wollte nur das Wienerherz erforschen.
Ich frag halt in einem U-Bahnwagen:
„Hören Sie, könnten Sie mir die Uhrzeit sagen?“
Ich schildere dir, dass ich nicht lüge,
was ich da für eine Antwort kriege:
„Hau ab,
du deppertes Grammelknödel!
Ausgestopfter Fetzenschädel!
Geschissene Prater-Krätzen (unangenehmer Mensch)!
Ausgeschwemmter Donaufetzen!
Steinhofer Blöd-Kind!
Verdrecktes Zigeunergesindl!“
Nach dem erklärten Ohrenschmaus,
steig ich am Schwedenplatz gleich aus,
frag einen in ungebrochener Euphorie:
„Hören Sie, hätten Sie ein paar Cent für mich?“
Ich schwör es dir, das ist jetzt kein Scherz:
Sagt mir das goldene Wienerherz:
„Du kaunst a boa in d Zend hom,
du ramponiada Woidgnom!
Du Sozialschmarotza!
Ausgmochta Lebnsbotza!
Vadrekta Tachinira!
Schtingada Pfeifnstira!
Schweislada Iwasockn!
Impertinenta Kotzbrockn!
Ins Oaweitshaus gheast, nua dass das waaßt!
Frira häd ma so wos vagast!“
Nooch dem erklärtn Oanschmaus,
kummt ma in meina Heimatschtod da Graus.
I sogs ned gean, i sogs mid Schmeaz:
I scheiß aufs goidne Weanaheaz!
„Du kannst ein paar in die Zähne haben,
du ramponierter Wald-Gnom!
Du Sozialschmarotzer!
Ausgemachter Lebenspatzer!
Verdreckter Faulenzer!
Stinkender Pfeifenstierer!
Schweißriechender Übersocken!
Impertinenter Kotzbrocken!
Ins Arbeitshaus gehörst, nur dass du es weißt!
Früher hätten wir so einen vergast!“
Nach dem erklärten Ohrenschmaus,
kommt mir in meiner Heimatstadt der Graus.
Ich sag es nicht gern, ich sag es mit Schmerz:
Ich pfeife aufs goldene Wienerherz!
***
A PROLO-LEM – KUAZ GFOSST
(Wiener Mundart)
Zeascht nix wia Schui stangln.
Daun stendich aun Hockn maungln.
Si iagandwia ibad Rundn hangln
und sei Lem vamangln.
Bei Voimaund schwoaz aungln.
Si nuamea voi eidrangln
und a moi no ostangln
vuam Obangln.
EIN PROLETENLEBEN – KURZ GEFASST
(Hochdeutsch)
Zuerst nichts wie Schule schwänzen.
Dann ständig an Arbeit mangeln.
Sich irgendwie über die Runden bringen
und sein Leben verderben.
Bei Vollmond schwarz angeln.
Sich nur mehr völlig betrinken
und einmal noch urinieren (der Stange das Wasser abschlagen)
vorm Sterben.
***
Ihre berechtigte Frage, aus welchen Beweggründen ich mich neben meinem thematisch anspruchsvollen, hochsprachlichen Hauptwerk „Zeitschwelle Null“ (siehe „Rückblick“ im letzten Buchabschnitt) in die banalen Niederungen des Mundartlichen, der Wiener Sprache, begebe, möchte ich so beantworten:
Der im Folgeabschnitt exakt wiedergegebene (jeweils übersetzte!) Wiener Dialekt ist, gehe ich über siebzigjähriger, autochthoner Wiener mit gespitzten Ohren durch diese Stadt, zweifellos eine aussterbende Sprache. In diesem Zuge mit auf die Sterbebahre dürfte sich auch die legendäre „Wiener Seele“, das „Wiener Gemüt“, legen.
Nicht dass ich diesem gemütlich-grantigen, offenherzig-hinterfotzigen, besserwisserisch-entschlusslosen, neuzeitlich-gestrigen, tolerant-radikalen Wiener Typus in allen Punkten nachtrauere. Mir fällt einzig und allein die Rasanz gesellschaftlicher Veränderung des Wiener Einwohners auf, hervorgerufen durch den massiven multikulturellen Zuzug, durch den „Neusprech“ der Jungen, durch den schleichenden Einzug volldigitalisierter, amerikaorientierter, Eigenkultur verneinender Lebensweise.
Gestatten Sie mir verschwindendem Ureinwohner deshalb, den Wiener Dialekt und sein Gemüt – „einbalsamiert“ in den folgenden Buchseiten – als zeitgeschichtliches Fossil zu letztmaligem Bewundern auszustellen und damit die Tür einer Epoche leise, gedankenvoll zu schließen.
Max Ro
***
Rest 1 - DE WEANA GOSCHN
Die Wiener Mundart
Im Gedenken an ein verschwindendes Kulturgut.
’S WEANA GMIAD
(Wiener Mundart)
Ois Weana
muasst leana,
in gaunzn
Dog raunzn,
si scho beim Aufwochn in Oasch beißn
und bis zum Nidalegn ois owescheißn,
si iba an jedn de Goschn zreißn
und an jedn owefetzn
und an jedn valetzn
und an jeden vahetzn
und an jedn vapetzn,
eascht daun bist de richtige Weana Krätzn.
DAS WIENER GEMÜT
(Hochdeutsch)
Als Wiener
musst du lernen,
den ganzen
Tag zu nörgeln,
sich schon beim Aufwachen in den Hintern beißen
und bis zum Niederlegen alles heruntermachen,
sich über jeden das Maul zerreißen
und einen jeden herabwürdigen
und einen jeden verletzen
und einen jeden verhetzen
und einen jeden verpetzen,
erst dann bist du die richtige Wiener Krätzen (widerliche Charaktere).
***
’S GOIDANE WEANAHEAZ
(Wiener Mundart)
Bin hocknstad und ewig stia,
de Broda-Au is mei Quatia.
I hob zehn Kilo Untagwicht,
kum aus da sozialn Untaschicht.
Glaub ned, i woitad wen vaoaschn,
woit nua s Weanaheaz eafoaschn.
I frog hoid in an U-Baunwogn:
„Heans, kennan S ma de Uazeid sogn?“
I schüda da, das i ned liag,
wos i do fia a Auntwuat kriag:
„Schleich di,
du doikerts Grammeknedl!
Ausgstopfta Fetznschädl!
Gschissane Brodakrätzn!
Ausgschwabda Daunaufetzn!
Stahofa Deppnkindl!
Vadreckts Zigeinagsindl!“
Noch dem erklärtn Oanschmaus
steig i am Schwednploz glei aus,
frog aan in ungebrochna Euphorie:
„Hean S, hädn S a boa Cent fia mi?“
I schwea das, dees is jetz ka Scheaz:
Sogd mia dees goidne Weanaheaz:
DAS GOLDENE WIENERHERZ
(Hochdeutsch)
Bin arbeitslos und ewig pleite,
die Prater-Au ist mein Quartier.
Ich hab zehn Kilo Untergewicht,
komme aus der sozialen Unterschicht.
Glaube nicht, ich wollte jemanden blöd anreden,
ich wollte nur das Wienerherz erforschen.
Ich frag halt in einem U-Bahnwagen:
„Hören Sie, könnten Sie mir die Uhrzeit sagen?“
Ich schildere dir, dass ich nicht lüge,
was ich da für eine Antwort kriege:
„Hau ab,
du deppertes Grammelknödel!
Ausgestopfter Fetzenschädel!
Geschissene Prater-Krätzen (unangenehmer Mensch)!
Ausgeschwemmter Donaufetzen!
Steinhofer Blöd-Kind!
Verdrecktes Zigeunergesindl!“
Nach dem erklärten Ohrenschmaus,
steig ich am Schwedenplatz gleich aus,
frag einen in ungebrochener Euphorie:
„Hören Sie, hätten Sie ein paar Cent für mich?“
Ich schwör es dir, das ist jetzt kein Scherz:
Sagt mir das goldene Wienerherz:
„Du kaunst a boa in d Zend hom,
du ramponiada Woidgnom!
Du Sozialschmarotza!
Ausgmochta Lebnsbotza!
Vadrekta Tachinira!
Schtingada Pfeifnstira!
Schweislada Iwasockn!
Impertinenta Kotzbrockn!
Ins Oaweitshaus gheast, nua dass das waaßt!
Frira häd ma so wos vagast!“
Nooch dem erklärtn Oanschmaus,
kummt ma in meina Heimatschtod da Graus.
I sogs ned gean, i sogs mid Schmeaz:
I scheiß aufs goidne Weanaheaz!
„Du kannst ein paar in die Zähne haben,
du ramponierter Wald-Gnom!
Du Sozialschmarotzer!
Ausgemachter Lebenspatzer!
Verdreckter Faulenzer!
Stinkender Pfeifenstierer!
Schweißriechender Übersocken!
Impertinenter Kotzbrocken!
Ins Arbeitshaus gehörst, nur dass du es weißt!
Früher hätten wir so einen vergast!“
Nach dem erklärten Ohrenschmaus,
kommt mir in meiner Heimatstadt der Graus.
Ich sag es nicht gern, ich sag es mit Schmerz:
Ich pfeife aufs goldene Wienerherz!
***
A PROLO-LEM – KUAZ GFOSST
(Wiener Mundart)
Zeascht nix wia Schui stangln.
Daun stendich aun Hockn maungln.
Si iagandwia ibad Rundn hangln
und sei Lem vamangln.
Bei Voimaund schwoaz aungln.
Si nuamea voi eidrangln
und a moi no ostangln
vuam Obangln.
EIN PROLETENLEBEN – KURZ GEFASST
(Hochdeutsch)
Zuerst nichts wie Schule schwänzen.
Dann ständig an Arbeit mangeln.
Sich irgendwie über die Runden bringen
und sein Leben verderben.
Bei Vollmond schwarz angeln.
Sich nur mehr völlig betrinken
und einmal noch urinieren (der Stange das Wasser abschlagen)
vorm Sterben.
***