Bochumer Lach- und Krachgeschichten

Bochumer Lach- und Krachgeschichten

Definitiv ein Männerbuch - Nix für Weicheier - Im Niveau flexibel

Steve Penning


EUR 19,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 324
ISBN: 978-3-903271-73-9
Erscheinungsdatum: 28.07.2020
Wer ein bisschen bekloppt ist und gerne lacht, der ist hier richtig. Ein Muss für jeden, der das Bochumer Nachtleben liebt und sinnfreie Partys in den Sand setzen will. Selbstverständlich nicht jugendfrei, komplett unter der Gürtellinie und im Niveau flexibel.
Kapitel 6
Verschollen im Bermuda-Dreieck

Ich sitze im Büro. Es ist Freitag. Einer dieser lauen Freitagnachmittage im Juni. Es ist 15:30 Uhr. Mir ist wieder einmal langweilig. Was auch sonst. Da ich für das anstehende Wochenende wie gewöhnlich nichts geplant habe, beschließe ich in einem Anfall von Spontaneität, mir für abends einen falschen Naherholungsurlaub mit meinen Kumpels zu verordnen. Also nix wie den Hörer in die Hand, auf die Tastatur gekloppt und los. Als Erstes rufe ich Christian an. Er hat sich von unserem misslungenen Produkttest Gott sei Dank wieder vollkommen erholt. Bleibende psychische Schäden konnten dank intensiver fachärztlicher Betreuung vermieden werden. Auch hat er kein Problem mehr mit seinem Auge. Erstaunlich, wie schnell er sich an seine neue Augenklappe gewöhnt hat. Christian, dem anscheinend ähnlich langweilig ist wie mir, hebt seinen Hörer ab. Ich schildere ihm meine falschen Naherholungspläne. Er freut sich und schwupp, ist der erste Urlaubsgefährte an Bord. Christian schlägt vor, unseren Kumpel Michi in unseren Naherholungsurlaub mitzunehmen. Michi ist der Lebensabschnittsgefährte einer Arbeitskollegin, deren Brüste, nebenbei erwähnt, zu den festesten der gesamten weiblichen Belegschaft zählen. Muss auch mal gesagt werden. An Lob soll man ja bekanntlich nicht sparen. Ich stimme seinem Vorschlag zu und bescheide Christian, Punkt 19:00 Uhr mit Michi in meinem Bochumer Stadtpalais aufzuschlagen, um von dort aus gemeinsam in den Urlaub zu starten.

Als ich gegen 16:30 Uhr von der Arbeit nach Hause fahre, beginnt es schon ein bisschen in der Magengegend zu kribbeln. „Das muss die Vorfreude auf den bevorstehenden Naherholungsurlaub sein“, denke ich mir. Ich freue mich tierisch. Den Urlaub habe ich mir redlich verdient. Zu Hause angekommen, beginne ich umgehend mit den Urlaubsvorbereitungen. Gegen das Kribbeln in der Magengegend trinke ich erstmal einen kleinen Underberg. Uii, der klatscht schön im Nacken, so auf nüchternen Magen. Aber das Kribbeln ist weg. Ich klappe mein privates Äpfelchen Notebook auf und stöbere in meinen 125.000 geklauten iTunes nach brauchbarem Chill-out-Material. Nachdem ich aus den Café del Mar Editionen Nummer 1 bis 217 eine Profi-Playlist zusammengestellt habe, schraube ich die ans Äpfelchen Notebook angeschlossene Fünf-Punkt-Eins Stereoanlage auf volle Dröhnung. Mein Urlaub kann beginnen. Sollen meine intoleranten Nachbarn ruhig schreien. Ich höre nichts mehr, außer einem angenehm lauten Wummern der Lounge-Musik aus der aktiven Bass-Box sowie perfekte Klänge aus allen Hoch- und Tieftönern. So, was jetzt? Oh ja, noch kurz duschen wäre fein vor dem Abflug. Will ja sauber im Urlaub ankommen. Nach intensivem Entdrecken und seichter Rasur all derjenigen intimen Körperstellen, die im Naherholungsurlaub von Relevanz sein könnten, suche ich nach einem entsprechenden Urlaubsoutfit. Ich entscheide mich zunächst für eine satinierte gelbe Boxer-Shorts für drunter. Die Farbe Gelb könnte sich im Verlaufe des Abends angesichts der geplanten Unmenge an alkoholischen Getränken, die es zu vernichten gilt, farbtechnisch noch als außerordentlich nützlich erweisen. Ich entscheide mich des Weiteren für eine lässig am Po zerrissene Jeans, meine hellweißen Schlangenleder-Boots im Python-Look, einen passendem Gürtel dazu und ein meine muskulösen Konturen betonendes schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt, auf dem in roten Lettern der Spruch prangt: „Lach nicht, du könntest die Nächste sein.“ Hatte noch die T-Shirts mit den Aufdrucken „Who the fuck is Prada“, „Du willst es doch auch“ und „Wenn du wüsstest, wie einfach ich zu haben bin“ zur Auswahl, aber die bleiben heute mal im Schrank. Das gelbe T-Shirt, auf dem „Ohne meinen Alltours sage ich nix“ steht, passt heute optisch nicht zum Gesamtlook, gehört aber in jeden Reisekoffer.

Zurück im Bad zerzause ich meine Haare zu einem frechen Ich-bin-gerade-aufgestanden-mein-Schatz-Look und lege den Klassiker aller Düfte auf. Azzaro Eau de Toilette. Ja, meine Lieben. Mit Azzaro machen nicht nur italienische Sänger mit Nachnamen, die immer noch nicht Averna heißen, alle Weiber wuschig. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass man gar nicht singen können muss, um vom Weibsvolk angehimmelt zu werden. Der Duft eines wohl ausgewählten Herrendufts allein kann Frauen betören oder gar wild machen. Glaubt nicht, was euch in dieser komischen Deo-Werbung im Fernsehen immer vermittelt wird. Dass man mit einem Deo Frauen umhaut, ist gelogen. Es funktioniert nicht. Probiert mal lieber Azzaro aus. An dieser Stelle danke ich der Marke Azzaro für die großzügige Produktspende nach Veröffentlichung der ersten Ausgabe dieses Buches.

Fertig gestylt und in eine derart große Duftwolke Azzaro eingehüllt, wie sie nur ein Stinktier bei Bedrohung produzieren kann, reiße ich die Tür zum „großen“ Balkon auf, zerre meinen „Ich-war-auch-mal-grüner“ Riesensonnenschirm auf maximalen Sonnenschutz und lasse mich auf meinem Teakholz-Bänkchen nieder. Ach, ist das herrlich. Abendsonne, Lounge-Musik und …? Ich schaue auf meine Poser-Uhr der Marke Tag Heuer, Modell Monaco, die ich, passend zu Schlangenleder-Boots und -Gürtel, vom Juwelier meines Vertrauens eigens mit einem zu den Stiefeln passenden Schlangenleder-Armband habe verzieren lassen. Meine Armbanduhr verrät mir, dass es bis zum Eintreffen meiner Naherholungs-Kumpanen noch eine knappe Stunde hin ist. Mir egal, ich läute meinen Urlaub schon mal alleine ein. Ab zum Weinkühlschrank. Dem Lächeln des 2006er Varidor aus dem Hause Carl Loewen kann ich nicht widerstehen. Einen Weißwein in Ehren kann niemand verwehren.

Um Punkt 18:45 Uhr klingelt es an der Tür. Ich freue mich, dass auch meine Urlaubs-Kumpanen heiß auf den Beginn unseres Kurz-Trips sind, und nehme auf dem Weg zur Tür gleich die leere Flasche Varidor-Riesling zum Hausmüll mit runter. Christian, Michi und ich fallen uns zur Begrüßung um den Hals. Wir gehen in meine Behausung. Schon bei Eintreten sind die Burschen komplett entspannt. Tja, meine Café del Mar Sammlung hat ihre Wirkung noch nie verfehlt. Mein Gott, haben die sich in Schale geschmissen. Michi sieht mit seinem schwarzen Hemd, das er sich nach Muster der La Martina-Kollektion als Einzelstück hat anfertigen lassen, echt cool aus. Christian beeindruckt durch eine legere Jeans-Polohemd-Sommersakko Kombination. Das sieht optisch doch schon mal nach einem erfolgreichen Urlaub aus. Ich lotse die beiden für erste Entspannungsübungen auf den „großen“ Balkon. Sie nehmen auf den Teakholz-Stühlchen mir gegenüber Platz.

Auf die Frage, was ich den Miturlaubern denn als Amuse Gueule kredenzen dürfe, antworten beide einstimmig: „Erstmal ein Bier.“ Also latsche ich zurück in die Küche und entkorke drei Warsteiner. Ich weiß nicht, was mich in diesem einen Moment geritten hat. Vielleicht war es die gute Laune der Flasche zuvor konsumierten Varidor-Rieslings. Während ich die Biere entkorke, sticht mir aus dem Kühlschrankschubfach eine Batterie perfekt gelagerter Underberg-Fläschlein ins Auge. Da ich als höflicher Gastgeber bekannt bin, nehme ich drei heraus und serviere sie meinen Freunden zum ersten Bier. „Für den Magen“, sage ich ihnen. „Damit das Kribbeln weggeht.“ Nach dem ersten Herrengedeck sind wir alle schon leicht angeschlagen. Die Sonne brennt durch den Sonnenschirm. Gegessen haben wir alle den ganzen Tag noch nichts. Wie auch? Gab ja nirgendwo frischen Salat zu Mittag, so spät wie die Dönerbuden immer öffnen. Zu Hause was essen ging auch nicht. Wegen der Urlaubsvorfreude und so.

Da man auf einem Bein nun mal nicht stehen kann, serviere ich Punkt 19:15 Uhr die zweite Warsteiner-Underberg-Kombination. Ist ja noch Zeit. Um einen auf edel zu machen, habe ich diesmal vorgeplant und einen Tisch in einem der begehrtesten Tapas-Tempel der Stadt gebucht. Tja, bin halt immer für Überraschungen gut. Während meine Kumpels erwarten, dass wir zu vorgerückter Stunde in irgendeinem Wolle-Petry-Animationsschuppen aufschlagen, habe ich wohlweislich vorgesorgt und meine Beziehungen spielen lassen. Hey, ich hab Urlaub. Da will ich keinen Stress haben. Schon gar nicht mit Tisch suchen und so. Und außerdem schlagen wir auf diese Weise den Genüssen der Dönerbude und dem verführerischen Duft der türkischen Schredderlämmchen-Trennscheibe, der uns schon den letzten falschen Naherholungsurlaub kusstechnisch versaut hat, dieses Mal ein Schnippchen. Den Tisch in der Tapas-Hochburg des Bochumer Bermudadreiecks habe ich in weiser Vorausschau erst für 20:30 Uhr reserviert, weil ab dieser Uhrzeit die ganzen Familien-Statisten schon satt und auf dem Heimweg sind.

Nach dem dritten Bier und dem dritten Magenaufheller um 19:30 Uhr entscheiden wir uns, angesichts des anstehenden strapaziösen Naherholungsurlaubs im Bochumer Bermudadreieck, erst einmal einen Gang runterzuschalten. Da ich hohen Wert auf die Wünsche meiner Mitmenschen lege, ignoriere ich die Runterschalt-Faselei meiner Miturlauber und mache eine weitere Flasche Wein auf. Keine Ahnung, wie wir das hinbekommen haben, aber bis 20:15 Uhr haben wir munter und ohne Mühen drei Fläschlein geleert. Angesichts der vorangeschrittenen Zeit und des essenstechnischen Termindrucks entschließen wir uns, nun doch vor Einnahme weiterer alkoholischer Köstlichkeiten den Luxus-Spanier im Zentrum des Bochumer Nachtlebens anzusteuern.

Wir verlassen in einem Zustand, den ich an dieser Stelle mit leicht lallend bis lüstern umschreiben möchte, meine Wohnung. Unnötig zu erwähnen, dass ich mein barockes Stadtpalais zwischen Duschen und Anziehen noch schnell auf „weibchenfreundlich“ getrimmt habe. Man weiß ja nie, was einem so reinläuft am Abend. Ergo habe ich frische Satinbettwäsche aufgezogen, schnell noch die übelsten Brotkrumen vom Sofa gestaubsaugt und die Kadaver von Fliegen, Mücken und anderem Fluggetier mit herumliegenden Socken hinter die Vorhänge gefeudelt. Weibchen achten, auch wenn kornblumenblau, auf Sauberkeit und gepflegte Fingernägel. Ihr versteht.
Wir nutzen den Fußweg zum Bermudadreieck für einen kleinen Ausnüchterungsspaziergang, der uns allen dringend notwendig erscheint. Erstaunlich, dass es gegen 20:30 Uhr im Juni noch so hell draußen ist. Hat vielleicht was mit der Sommerzeit zu tun. Die klimatischen Bedingungen könnten für einen falschen Naherholungsurlaub nicht besser sein. Die gelbe Sau steht immer noch hoch am Firmament und brutzelt auf uns herunter, als wolle sie den bisher konsumierten, teuren Alkohol aus unseren schwitzenden Eingeweiden brennen. Das gelbe Ding am Himmel sengt bestimmt noch mit über 30 Grad Celsius auf unseren kugeligen Erdball. Tauwetter für nüchterne Dicke. Saunagrade für alkoholisierte Wanderer.

Klitschnass geschwitzt, erreichen wir die erste der zwei Zugangsstraßen zum Bochumer Bermudadreieck. Sollte ich es noch nicht erwähnt haben: Das Bermudadreieck ist für Bochum das, was der Frankfurter Flughafen für den internationalen Flugverkehr ist. Die Drehscheibe für falsche Naherholer aus nah und fern. Das Bermudadreieck liegt, von meiner Wohnung aus gesehen, am gegenüberliegenden Rand des Bochumer Innenstadtrings, der das Stadtzentrum Bochums wie ein viel zu enger Gürtel auf Wespentaillenformat einschnürt. Von meiner Luxusbehausung sind es Luftlinie nur circa 800 Meter zu Fuß, so knappe fünf Minuten also. Hin jedenfalls. Zurück kann es auch mal eine geschlagene Stunde dauern. Vor allem in Nächten, in denen der Mond voll, die Sterne hagelkornähnlich blitzend und der gen Nachthimmel schauende Betrachter eine Mischung aus beidem ist, nämlich sternhagel- und blitzend voll. Wenn ich mich dann, ohne Skier, bergab auf meinen Slalom gen Heimat mache, bedauere ich, dass der Herrgott mir nicht längere Primatenarme geschenkt hat, um mich wie ein Affe von Laternenmast zu Laternenmast hangeln zu können, anstatt von Laternenmast zu Laternenmast Slalom torkeln zu müssen. Stattdessen lässt mich der Herr im Himmel torkeln. In lichten Momenten geht es auch mal schneller nach Hause. Ich erinnere mich dann, auch ein Taxi rufen zu können, und sage dem Droschkenführer schon beim Einsteigen, dass ich ihm zehn Euro zahle, sonst schmeißt der wegen der Kürze der Strecke den Motor erst gar nicht an. Aber darum geht es hier gar nicht. Herrschaften! Ist euch eigentlich auch schon aufgefallen, dass ich ständig abschweife?

Zur Lustmeile Bermudadreieck führen zwei spitz aufeinander zulaufende Straßen, die beidseitig mit Bars und Restaurants gesäumt sind. Wir stehen derzeit an einer der beiden. Diese beiden Straßen wiederum münden in eine einzige mit Bars und Restaurants bestückte Straße. Das Bermudadreieck. Na ja, eigentlich ist es keine Straße, mehr eine Minifußgängerzone. So mini diese auch ist, sie ist das Mekka falscher Naherholer. Hier gibt es wirklich alles, was das Herz des falschen Naherholungssuchenden begehrt. Unzählige Cafés und Bars für Yuppies und Ökos, Jung und Alt, hetero- und nicht-so-hetero. Bars und Restaurants mit mexikanischem, amerikanischem, italienischem, spanischem oder urig deutschem Flair. Ferner wird hier aber auch wirklich jeder Musikgeschmack erfüllt. Ob Salsa, Schlager, Heavy oder Disco-Pop, das Bermudadreieck hat für jeden Musikgeschmack etwas zu bieten. Gleiches gilt für die Restaurantsparte. Man kann sich mit Nederlandse Fritjes, opulenten Ami-Burgern, abgehangenem Sushi und natürlich dem üblichen Griechen- und Türkenfraß auf eine kulinarische Erlebnisreise durch nahezu alle Salmonellenformen unserer Kontinente und Länder begeben. Und das Beste am Bermudadreieck: Das Leben findet bei gutem Wetter, wie wir es heute haben, fast ausschließlich draußen in der mit Stehtischen und Polyrattan-Lounges bestückten Minifußgängerzone statt.

Der Gesamteindruck und das Flair des Bochumer Bermudadreiecks erinnern, gerade im Sommer, schon irgendwie an Mallorca. Ich möchte hier wirklich keine Werbung für das Bochumer Bermudadreieck machen. Das wäre vermessen, denn das Bermudadreieck hat eine eigene Vermarktungsgesellschaft, die für die weltweite PR dieses hübschen Fleckchens Erde verantwortlich ist und die frohe Kunde über die Amüsiermöglichkeiten professionell in alle Welt trägt. Nur so viel: Vergesst die Kölner Südstadt und die Ehrenstraße, pfeift auf Düsseldorfs überteuerte Altstadt. Glaubt nicht daran, dass man in Münchener Schickeria-Discos besser feiern kann. Und bitte lasst euch eins sagen: Die Luft in Hamburg ist definitiv nicht besser als die in Bochum. Ich lade euch hiermit herzlich auf einen Trip durchs wunderschöne Bochumer Nachtleben ein, biete mich gleichzeitig gern als Fremdenführer an. Meine Telefonnummer entnehmt ihr bitte dem örtlichen Telefonbuch. Oder erkundigt euch über die 11880 nach der Handynummer von Verona Pooth. Die hat meine Kontaktdaten sicherlich eingespeichert.

Herrschaften, was habe ich eben gesagt? Bitte lenkt mich nicht ab. Ach ja, auf beiden Seiten der Minifußgängerzone säumen sich im Sommer schier unendliche Stuhl- und Tischreihen vor Bars und Restaurants. Schier unglaubliche Menschenmengen quetschen sich bei schönem Wetter allabendlich die Flaniermeile hoch und wieder runter. Und das mehrmals. Denn das ist die Bochumer Form des „Sehen und gesehen Werdens“. Dralle Burschen johlen von den zahllosen Bänken und Stühlen, pornös hübsche Jungstuten, bestückt mit Pferdeschwänzchen, Pippi-Langstrumpf-Zöpfchen oder klassischer Fick-mich-Palme bieten dem falschen Naherholer eine Kulisse, die nur als Mischung aus schlangenfreiem Paradies und Gratis-Puff bezeichnet werden kann. Von engen Hüften bis hin zu breiten Becken der Marke Villeroy & Boch, von Wespentaillen bis Ganzkörper-Bojen, hier erfüllen sich die Wünsche eines jeden Mannes, egal ob Bulimie-Liebhaber oder Rubens-Freund. Die Garderobe der weiblichen Menschenkinder reicht von langen über verboten kurze Röcke. Wahlweise werden hautenge Röhrenjeans oder auch Hot Pants feilgeboten. Immer jedoch gehören endlose Beine und super Titten zum Gesamtpaket.

An dieser Stelle möchte ich die männlichen Leser bitten, die Hand von der Hose wegzunehmen, um umblättern zu können. Denn es kommt noch besser. Dem weltoffenen Fußfetischisten präsentieren sich High-Heels und Öko-Espandrillos. Lackierte Fußnägel in all den Regenbogenfarben, die dem munteren Zehenlutscher Freude machen. Und erst die Accessoires und Düfte. Funkelnde Sonnenbrillen und Strass besetzte Haarreifen, Ascot-verdächtige Ausgehhüte und trendige Base-Caps, aus denen hier und da hinten ein verschmitztes Zöpfchen rauslächelt. Und erst die Farben der Haarpracht: schwarz, blond, braun und karotte. Es ist ein Gedicht. Und selbstverständlich riecht es wie bei Douglas kurz vor Ladenschluss, weil kein Huhn es versteht, Parfum in der richtigen Dosierung auf die viel zu stark geschminkte Lederhaut zu sprenkeln.

Während ich das muntere Treiben im Bermudadreieck betrachte, kommt mir ein spontaner Gedanke: „Ach, kommt doch einfach her, ihr kleinen Biester und macht euch nackisch!“ So jetzt reicht’s mit der Abschweiferei, ein bisschen mehr Contenance, lieber Autor.

Am Bermudadreieck angekommen, verharren Christian, Michi und ich einen Moment lang in Ehrfurcht. Wir wissen es, ohne uns anschauen zu müssen. Jetzt beginnt er, unser falscher Naherholungsurlaub. Aber so richtig! Fürs Erste heißt das: Brust raus, Bauch rein, nüchtern wirken. Keinesfalls lächeln. Cool tun. Und natürlich Augen auf. Denn der von uns gebuchte Spanier liegt am Ende der Flaniermeile, die wir nun spießrutenartig durchqueren müssen. Auf dem Weg dorthin will sicher so manches läufige Junghuhn von uns arroganten Gockeln beeindruckt werden. Und das geht nun mal nur, wenn der Kamm des Gockels stolz geschwollen ist.

Am Zebrastreifen vor dem Café Extrablatt müssen wir kurz anhalten. Hier bietet sich die einzige und letzte Möglichkeit, im Bermudadreieck als Inhaber einer 56er Corvette Stingray Schwanzverlängerung oder als modernes Porschloch mit seinem Blechhaufen Eindruck zu schinden. Das Café Extrablatt liegt just dort, wo die eben genannten, spitz zulaufenden Straßen in die Minifußgängerzone münden. Hier kann Lackaffe mit seinem Boliden stundenlang im Kreis fahren, eine Runde von sage und schreibe 200 Metern nach der anderen drehen. Und immer wieder vor dem einzigen Zebrastreifen des Dreiecks den Motor heulen lassen, während ständig neue falsche Naherholungssuchende in den Hexenkessel einziehen. Ich habe noch nie erlebt, dass einer dieser Schussel auf diese Art mal ein Mädel kennengelernt hätte. Außer vielleicht eine von den Politessen, die ständig irgendwelche illegal getunten Karren hier rausziehen. Ist aber heute Abend auch nicht mein Problem.

Als wir drei Recken den Zebrastreifen vor dem Extrablatt passieren, wubbert eines dieser tiefer gelegten Breitreifenmobile der Marke nachlackierter „Habe-ich-mir-vom-großen-Bruder-geliehen-Totalschaden-BMW“ mit zwei viel zu jungen und viel zu coolen Ölaugen-Zwillingen heran. Aus den Boxen des bunt lackierten Vorkriegsautomobils klirrt eine ausländisch betextete Melodei, die bei näherem Hinhören stark an die Geräusche einer arabischen Hauskatze erinnert, der jemand, während er ihr ein Mikrofon an die Schnauze hält, gleichzeitig mit Räucherstäbchen die Barthaare abflämmt und ihr wiederholt auf den Schwanz tritt. Die Fratzen der Insassen erinnern verdächtig an die auf n-tv wiederholt ausgestrahlten Fahndungsfotos des 11. Septembers 2001. Die Frisuren der beiden Penisbeschälten sind selbstverständlich die gleichen. Nach oben gegelter und blond gefärbter David Beckham der Marke Fußballweltmeisterschaft 2002. Was für Idioten! Links und rechts baumelt je ein farbiges Hänflingsärmchen mit gefälschter Rolex aus dem gespachtelten Automobil. Fehlt nur noch der aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzte „Wolle-Ficke“-Aufkleber im Frontscheibenkeil.

„Klischees wollen halt erfüllt werden“, denke ich mir, während ich mit Christian und Michi das wie immer gut besetzte Öko-Café rechter Hand liegen lasse und am Stadtbrunnen zur Linken vorbeiziehe. In besagtem Stadtbrunnen steht von jeher ein wutzeliges Bronze-Männlein, das qua Körperhaltung an eine schlechte Mischung aus dem alternden Adolf Hitler und inkontinentem Männeken Piss erinnert. Der ursprünglich als Kulturgut gedachte Brunnen hat, soweit ich mich erinnern kann, noch nie Wasser geführt. Wegen permanenter Defekte und fehlender Entsorgungsmöglichkeiten ist er mithin in eine praktische Kombination aus Freilufttoilette und Altglascontainer unserer frühreifen Alkopop-Gemeinde umgewidmet worden, die sich im Supermarkt gegenüber, dessen Kassiererinnen das Wort „Jugendschutz“ weder erfunden haben noch buchstabieren können, gern mit günstigem Niedrig- bis Hochprozentigem jeder Art eindeckt, bevor sie auf die für Bochumer Verhältnisse überteuerte Meile zieht. Ich mutmaße an dieser Stelle mal, dass der Stadtbrunnen bis zum Erscheinen dieses Buches nicht mehr an seinem Platz steht, weil er zu voll war, von der Stadtverwaltung deshalb entsorgt und gegen einen richtigen Altglascontainer ersetzt worden ist.

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