Durch Liebe verflucht

Durch Liebe verflucht

Anna Selova


EUR 29,90
EUR 17,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 786
ISBN: 978-3-95840-778-7
Erscheinungsdatum: 30.09.2019

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Heimatliche Nestwärme

Glaubst du an die Liebe?
Ja, die Liebe. Ein uraltes Gefühl, das die Menschen glücklich und zufrieden machen soll.
Das die Menschen zusammenbringen soll.
Ich suchte mein ganzes bisheriges Leben lang nach der Liebe. Auch heute suche ich sie immer noch.
Willst du mich bei der Suche nach ihr begleiten? Dann komm. Beide versuchen wir, an sie zu glauben, sie zu finden und immerwährend ihrem Zauber zu verfallen.
Ich will sie finden. Ich werde sie auch finden, egal in welcher Form.
Bist du immer noch dabei?
Gut. Dann folge mir, aber ohne Garantie.
Also glaubst du an die Liebe?
Ich schon.
Dies ist die wahre Geschichte einer fehlgehenden Seele, die ihr Leben lang ihr Zuhause und den Zauber einer echten wahren Liebe suchte und sucht, die – wie einige Experten behaupten – tatsächlich irgendwo auf Erden oder im All existieren soll, auch wenn sie sich offenbar nur Auserwählten in seltener Form offenbart und du offensichtlich deine ganze Existenz lang um sie kämpfen musst – leider meistens nur mit zweifelhaftem Erfolg.
Es war Weihnachten neunzehnhundertachtundsiebzig, und es war ein besonderes Weihnachten, als sich ein wahrscheinlich ein wenig beschwipstes, aber sehr verliebtes Spermium auf den Weg zu seiner großen Liebe, der Eizelle, machte. Und dieses Spermium war Gottes gesegnetes Lieblingsspermium, denn nur dieses schaffte es, seine große Liebe zu befruchten. Und so entstand ICH.
Ich bin eine Jungfrau – wie alle Jungfrauen, die an Weihnachten gezeugt werden.
Wir sind Weihnachtskinder.
Das ICH oder MICH kann man auf verschiedenste Weise definieren oder beschreiben, aber das alles will ich gar nicht, denn ich war schon immer anders als die anderen, na Gott sei Dank, sagen viele. Aber so einfach ist es doch nicht immer mit mir. Meistens nicht.
Ich hatte keine märchenhaft schöne Kindheit, keine, wie sie die heutigen Königskinder oder Kinder der Arrivierten in diesem Land genießen dürfen oder könnten und sich ihrer oftmals als unwürdig erweisen. Trotzdem habe ich wunderschöne Erinnerungen an das kleine ICH. Und ich war ein lustiges Kind mit äußerst bunter Fantasie. Ich hatte meine eigene Welt, weil die Welt um mich nicht so toll war. In meiner kleinen Welt hatte ich damals, als ich alles nur aus kindlicher, naiver Sicht betrachten konnte, sehr viele Freunde, die mich niemals im Stich ließen und ein Stück meiner Kinderwelt treu begleiteten.
Ich hatte auch viele schöne Spielsachen, die ich meistens nur von meiner Mutter oder Omi oder anderen Verwandten meiner seltsamen Familie, jedoch nie von meinem Vater bekam. Meistens Puppen. Aber mehr als eine Woche überlebten die bei mir fast nie, eine Woche war geradezu rekordmäßig. Meistens frisierte ich sie zu außerirdischen Wesen um oder schnitt ihnen gänzlich die Haare ab, in der Hoffnung, dass sie nachwachsen und noch länger werden würden. Ich schminkte, badete, bekleidete, fütterte sie, und das alles mit vier Jahren. Ich war ein liebes Kind, das von Geburt an dazu verdammt war, nichts vom Leben umsonst zu bekommen, im Gegenteil, ich war zum Leben einer Amazone verurteilt, die ihr ganzes Leben lang, wie schon Darwin es erforscht hatte, um alles kämpfen muss.
Dann kam irgendwann mein männliches Geschwisterchen zur Welt, das ich vom ersten Tag an hasste, weil ich mir schon immer ein weibliches gewünscht hatte. „Ich wünsche mir eine Schwester“, wiederholte ich ständig und überall, stattdessen brachte meine Mama aber einen Er aus dem Krankenhaus mit nach Hause. Und er schlief nur. Es war so langweilig! ER war so langweilig! Hätte ich nur eine Schwester gehabt, dann könnten wir schon längst zusammen mit meinen Puppen spielen, sie frisieren und coole Kleider anziehen, sie zu Prinzessinnen oder schlimmer zu Aschenputtel machen und auf den richtigen Prinzen warten. Es wäre viel cooler! Da mein kleiner, neugeborener Bruder immer nur schlief und schlief, versuchte ich, ihm ständig seine Augen zu öffnen, damit er mich sieht und mit mir spielt, vergeblich. Er schrie nur, und ich floh zu unseren Nachbarn. Mein wie immer genervter und auf hundertachtzig aufgedrehter Vater kam wütend hinter mir her, ich hatte mich aber schon längst unter dem Bett einer meiner Nachbarn versteckt. Meistens gelang es meinem Vater dann doch, mich da herauszuholen und mich mit seinem Hosengürtel zu verprügeln. Aber wie ein frecher Spatz konnte ich mich immer wieder über ihn hinaus in die Lüfte erheben und ihm entfliehen. Auch wenn er mich stundenlang in der Kammer ohne Licht eingesperrt sitzen ließ, war es mir egal. Mein männliches Geschwisterchen war mir gar nicht sympathisch und das musste aus mir unbedingt heraus, ja, genau, aus einem vier Jahre alten selbstbewussten Körperchen!
Die Jahre vergingen. Ich schaffte es, mich mit sechs Jahren zum ersten Mal in einen Jungen aus meinem Kindergarten zu verlieben, es war die erste Vorstufe dessen, verliebt zu sein. Es musste so gewesen sein, ansonsten könnte ich mich heute an dieses Gefühl nicht mehr erinnern. Mit sieben Jahren kam ich endlich in die Schule, ein Jahr später als die anderen Kinder, da ich ja ein Septemberkind war.
Ja, die Schule, sie ist eine der wenigen Dinge, die mich mein ganzes bisheriges Leben begleiteten. Ich ahnte es schon am ersten Schultag, dass diese eigenartige Einrichtung mit den launischen und teilweise überheblichen Lehrerinnen und Lehrern mein Schicksal werden würde.
Wie ich mich da in dieser lustigen, zu dieser Zeit noch kommunistischen Einrichtung benahm? Ich war ein sehr fleißiges, sehr tüchtiges und sorgfältiges Mädchen, nur ein wenig anders als die anderen Kinder. So bin ich auf diese Welt gekommen, so werde ich diese Welt auch verlassen, leicht verrückt. Ich lernte gern, das wundervolle Lernen wurde zu meinem Lebenselixier – bis heute, aber das Lernen im Kindesalter war für mich wie ein Gottesgeschenk. Es war alles noch so neu, so schön, so unschuldig und naiv, so traumhaft und so korrekt. Die Schule und ich wurden seit dem ersten Schultag zu besten Freunden.
Leider war ich in den ersten vier Klassen ein hässliches Entlein. Zu dick. In meiner Grundschule gab es in der Parallelklasse ein Mädchen, das das hübscheste von uns allen Erstklässlerinnen war und natürlich war ihr diese Tatsache auch bewusst. Deswegen dachte sich dieses hochnäsige Wesen ein absolut bescheuertes und absurdes Spiel aus, da wir -dumme Mädels – ständig hinter ihr her waren, um ihre Freundschaft buhlten und uns deswegen vor ihr zum Affen machten. Sie entschied, jeden zweiten, dritten Tag eine sogenannte neue beste Freundin zu haben. Mit anderen wollte sie weiterhin befreundet bleiben, einige aber ein paar Tage lang nicht in ihrer Gefolgschaft dulden. Und so teilte sie uns jeden dritten Tag aus purer Laune mit, welche von uns die Ehre hätte, mit ihr weiter befreundet zu bleiben, und welche von uns dummen Gänsen für ein paar Tage raus wäre. Ja, und diejenige, die das Pech hatte, für ein paar Tage nicht dazugehören zu dürfen, musste einsam und ganz alleine bleiben, weil sich natürlich keine andere die Schmach antun wollte und außerdem der Befehl der „Führerin“ es verbot, mit der befreundet zu sein. Mit diesem unmoralischen Hochmut spielte sie gut drei Jahre lang mit uns ihre Spielchen, danach war aber endgültig Schluss, denn bekanntlich kommt Hochmut vor dem Fall. Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich es war, die diesem schwachsinnigen Girl den Zahn zog und auf einen Schlussstrich hinwirkte. Und ab der fünften Klasse entwickelten sich in meiner Grundschule viele hässliche Entlein zu wunderschönen Schwäninnen. Folglich hatte dieses lächerliche Persönchen keinen Anspruch mehr darauf, ihren Hintern auf dem Thron einer Schönheitskönigin breit zu sitzen. Das hatte nun ein Ende und sie keine Chance mehr.
Eine sehr wichtige Rolle in meiner Kindheit spielte meine schrecklich nette und unbeschreiblich verrückte Familie. Meine Mutter wuchs mit acht Geschwistern auf, von denen nur sechs am Leben blieben. Ihre kleine Schwester und ihr kleiner Bruder mussten diese Welt leider schon im Kleinkindalter verlassen. Sie hatte daher nur einen einzigen Bruder, mit dem mich nie eine normale Beziehung verband. Er sollte zwar mein geliebter Onkel sein, so die Wünsche meiner Mutter, leider hatte er nie das Zeug dazu, mit mir eine normale Kommunikation zu beginnen, weil seine dominante Arroganz im reziproken Verhältnis zu seiner Intelligenz stand, die offensichtlich nur schwach entwickelt war.
Viel näher standen mir Muttis Schwestern. Ja, der Rest dieser Familie bestand aus Muttis vier Schwestern, die alles andere, nur nicht normal waren. Diese vom Wahnsinn umzingelten, aber sehr lieben Weiber bildeten die Familie meiner Mutter, und daher nahm ich meine Tanten immer so, wie sie waren: verrückt.
Tante Olga war die Älteste. Ihr gelang es als Erster, einen Mann zum Heiraten zu angeln, dann in die Berge zu entfliehen und ihr Dasein als richtige Bäuerin zu fristen. Sie hatte fünf Kinder. Tante Marta war die Zweitälteste und hatte drei Kinder. Dann war hier noch die Tante Helena, die die verrückteste von allen war, und Tante Maria, die dank Tante Helena im Irrenhaus endete. Wie es dazu kam? Schwer zu sagen. Beide hatten eine ausgeprägte Neigung zur schwarzen Magie, und dementsprechend experimentierten auch beide mit dem schwarzen Zauber. Wie weit die beiden in diesem Metier kamen, weiß nur Gott selbst. Eins ist sicher: Beide verfügten schon über manche Absonderlichkeiten, die in dieser Welt nicht gerade als dezent angesehen werden. Aus diesem Grund sah meine Familie diese zwei schwarzen Schwäne immer als eine dunkle Besonderheit ein, als so etwas wie Hexen.
Tante Helena hatte zwei Söhne und Tante Maria vier Kinder, von denen der eine Cousin durch unbedachtes Überqueren einer kleinen Dorfstraße und dank einer mit offensichtlich nur mäßigen Fahrfähigkeiten ausgestatteten Fahrzeuglenkerin bereits mit acht Jahren diese Welt von Wolke zweihundertundvierzehn aus betrachten durfte.
Mein Vater entstammt einer Familie mit sechs Geschwistern. Ihm erging es in seinem jungen Leben weniger lustig als meiner Mutter. Er hatte nur einen einzigen Bruder, der schon im fast noch jugendlichen Alter von einundfünfzig Jahren wegen Bauchspeicheldrüsenkrebs sein Leben aushauchte, weil es nur aus Alkohol bestand. Das Einzige, das er als Lebensleistung hinterließ, waren seine drei Kinder, die nun in sein Grab schauten. Papas älteste Schwester, Tante Lydia, war von allen die Anständigste. Sie heiratete auch schnell und schenkte drei Kindern das Leben. Seine Zwillingsschwestern Katarina und Helena waren sehr hübsch und lustig. Jede von ihnen brachte drei Mädchen zur Welt. Es blieb mir leider versagt, seine Lieblingsschwester Marta kennenzulernen, weil sie sehr jung an Leukämie starb, und das gleich nach der Geburt ihrer dritten Tochter. Dieser Tod war damals für meine Familie eine große Tragödie. Ihre Beerdigung fand am dritten Oktober neunzehnhunderteinundachtzig statt, sie war gerade erst siebenundzwanzig Jahre alt geworden. Für meinen Vater war diese Zeit ein seelisches Desaster, da er ein Jahr nach dem Tod seiner geliebten Schwester auch seinen geliebten Vater verlor. Dessen Tod war – übrigens auch an einem dritten Oktober – durch einen unglücklichen Sturz mit dem Fahrrad verursacht, bei dem er Verletzungen am Rückenmark erlitt. Er starb bereits mit einundsechzig Jahren und ausgerechnet am Geburtstag meines Vaters, dem achtzehnten Oktober. Er war mein Lieblingsgroßvater, einige wunderschöne Erinnerungen an ihn sind mir geblieben, denn er liebte mich von allen seinen Enkelinnen am meisten, einiges ist allerdings im Laufe der Zeit verblasst. Dennoch, sein gutes Herz, seine Gutmütigkeit und sein ewig liebenswertes Lächeln auf dem Gesicht kann ich bis heute nicht vergessen, obwohl ich erst vier Jahre alt war, als er starb. Fünf Tage nach seinem Tod kam mein kleiner Bruder zur Welt. Meine Großmutter väterlicherseits blieb von hier an Zeit ihres Lebens alleinstehende Witwe. Sie heiratete nie wieder und entwickelte sich zu einer einsamen, alten, schrulligen und verrückten Hexe, die explizit mich und meine kleine Existenz fast für den ganzen Rest ihres Lebens nicht ertragen konnte und mich wortwörtlich bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr so sehr hasste, wie es unter Menschen nur möglich ist. Ich wollte sie lieben, ich bemühte mich meine ganze Kindheit hindurch überirdisch um ihre Liebe, vergeblich. Obwohl sie genauso hieß wie ich, im gleichen Monat und damit auch im gleichen Sternzeichen geboren war, bekämpfte sie mich unaufhörlich. In welcher Sache? Weswegen? Das wusste nur meine Großmutter, die mir leider nie eine Chance gab, sie lieben zu dürfen. Statt Liebe bot sie mir nur Hass und schürte meine Angst vor ihr. Sie war darin spitzenmäßig und ihretwegen und wegen ihrer Gene war auch mein Vater, fast möchte ich sagen, seelisch gestört. Ihre Schläge und ihr gemeines Benehmen mir gegenüber hinterließen tiefe Spuren in meiner kleinen, unschuldigen Kinderseele. Sie stieß mich von sich. Aber ich fand eine bessere Welt bei meiner zweiten Omi, der geliebten Mutter meiner Mama, und die gab mir alles, was mir in meiner Kindheit weggenommen worden war. Bei ihr fand ich die Geborgenheit und die reinste Liebe dieser Erde, sie nannte mich Prinzessin und Schönheit, sie erzählte mir schräge Geschichten über meine chaotisch-merkwürdige Familie, sie verschaffte mir den Boden unter meinen jungen und unerfahrenen Füßen, genauso wie es jeden einzelnen Tag meines Lebens meine Mama tat.
Mein Vater hat den Charakter seiner Mutter. Er schlug mich, als ich ein kleines Kind war, sehr unbarmherzig, er beleidigte mich als Schulmädchen, ohne aufzuhören, bis ich es eines Tages, als ich sechzehn Jahre alt war, nicht mehr ertragen konnte und versuchte, mich mit den Medikamenten gegen meine Herzschwäche zu vergiften. Aus diesem Grund flog ich beinahe aus meiner geliebten Berufsfachschule. Meine ganze Kindheit kannte ich nur eine Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Persönlichkeit, die mein Vater sein sollte. Er experimentierte sein Leben lang mit dem verfluchten Alkohol. Wenn er nüchtern war, nahm er meine Existenz nicht zur Kenntnis, sobald er betrunken war, wurde ich zu seinem Lieblingsobjekt und alles drehte sich nur noch um mich. Seinen Satz, den er mir unter Alkoholeinfluss meine ganze Kindheit vorlaberte, kann ich weiß Gott nie vergessen, so tief hat er sich in meine Gehirnwindungen eingeprägt: „Mädchen, alles ist gelogen, nur eins ist wahr: Du kannst so viele Väter auf dieser Welt haben, so viele, aber nur eine Mutter, nur eine.“ Was er mir damit sagen wollte, ist mir bis heute ein ziemliches Rätsel. Eins wusste ich aber schon damals. Ich bräuchte nicht unbedingt hunderte von Vätern, einer, der mich liebte, wäre völlig ausreichend.
Der liebe Gott schenkte mir also zum Glück auch eine gute Großmutter, die beste Omi der Welt! Sie besuchen zu dürfen, war das größte Highlight in meiner ganzen Kindheit. Ich besuchte sie unheimlich gern bis zum letzten Tag ihres schweren Lebens. Nur bei ihr war die Welt vollkommen in Ordnung, nur bei ihr vergaß ich den ganzen Kummer. Sie war meine zweite Mama. Ich vermisse sie sehr, jeden Tag und für immer. Diese lustige, mit Leben vollgetankte alte Frau hatte immer ein volles Programm für mich. Einmal – ich war damals zehn Jahre alt – wollte sie mich zu einer Volkstänzerin machen. Sie kramte aus ihrer uralten Kleiderkiste, die seit hundert Jahren, wenn nicht länger, auf ihrem Dachboden stand, eine wunderschöne Tracht hervor und lehrte mich Volkstänze und Volkslieder. Dann nahm sie mich, so angezogen, ins Dorf mit, zu all diesen Bauern und Bäuerinnen, um ihre schöne Enkelin präsentieren zu können. Wir beide haben es so genossen! Ich war ihr Star, ihre Medizin, ihr Elan für ihr weiteres Leben.






Früh übt sich in Liebe, wer …

Und hier, bei meiner Oma, traf ich zu dieser Zeit auch regelmäßig meine hundert Cousinen, die mich sehr begehrenswert fanden, sodass sie mich zur schönsten aller Cousinen kürten. Nun, ich will bescheiden bleiben, das war auch keine allzu große Kunst unter all diesen Bauernmädels. Und hier, bei meiner Omi, traf ich mit zehn Jahren zum ersten Mal meinen hübschesten Cousin, in den ich mich sofort verguckte. Als Kind konnte ich ja noch nicht ahnen, dass so eine Liebe in der Verwandtschaft zu keinem glücklichen Abschluss führen kann. Ich wusste aber ganz sicher, dass dieser Junge das schönste Gesicht hatte, das ich je gesehen hatte, und dass er mein Cousin war. Ich kann bis heute nicht sagen, was er damals, als er mich zum ersten Mal sah, für mich empfand. Er war so süß, saß auf einem kleinen Fahrrad im Omas Hof und machte sich über mich lustig. Er war älter, daher durfte er es auch. Ich hörte seine mokanten Worte nicht, meine Ohren waren taub, weil ich schon wieder so etwas wie Verliebtsein empfand, ja, es musste schon damals das erste heimliche Feuer zwischen uns erglommen sein, der erste Funken gezündet haben, weil ich mich vor ihm schämte und mein Gesicht purpurrot war. Danach sahen wir uns eine lange Weile nicht mehr, fast hatten wir uns vergessen, weil wir sehr weit voneinander entfernt wohnten.
Bei der Entfernung und dem Vergessen sollte es nach der göttlichen Vorsehung aber nicht bleiben. Der liebe Gott hat es mir in meinem ganzen bescheuerten Leben in Sachen Liebe noch nie leicht gemacht. Ich weiß nicht, ob ich ihn dafür hassen oder lieben soll, am besten beides, aber nur manchmal.
Da kam nämlich eines Tages, als ich elf Jahre alt war, eine Hochzeiteinladung von einem meiner hundert Cousins ins Haus geflattert, nämlich vom ältesten Bruder meines hübschen Cousins. Er wollte also heiraten und meine Familie war herzlich eingeladen. Als ich das von meiner Mama hörte, schlug mein Herz Kapriolen. Ich konnte es nicht fassen, meinen heimlich begehrten Cousin wiederzusehen, dieses Mal bei ihm zu Hause, da oben in den wunderschönen mächtigen Bergen, wo nur Mutter Natur etwas zu sagen hat und wir Menschen gegen sie so machtlos sind. Mutter Natur, die nicht nur die Liebe der Menschen, sondern auch die Liebe der Tiere und Bäume und Blumen beschützt und sie in der wundervollsten Weise erwachen lässt.
Es war schon Abend, als wir mit einem Auto sowjetischer Bauart endlich da oben auf den letzten Bergspitz hinaufgeklettert waren. Ich stieg aus und sah nur noch ihn. Was war er für ein hübscher Junge! Er hatte so etwas magisch Anziehendes, etwas, das mir bis heute bei jedem Treffen mit ihm sehr imponiert. Von dem Moment an war ich in ihn sowas von verknallt, obwohl diese Art der Liebe niemals die geringste Chance haben sollte, obwohl diese Liebe bis zum Ende unseres Lebens verboten sein sollte, obwohl diese Liebe sinnlos war und ist, aber sie war einfach da und sie war seltsam magisch. Er war da und ich kam zu ihm. Er genierte sich nicht vor mir, er war sehr lustig, das ist er bis heute noch. Seine Witze und seine Späße brachten mich sofort zum Lachen, dieser Junge tat mir an diesem lustigen Abend, an dem sich gemäß der Bauerntradition unseres Volkes jeder mit hausgemachtem Wein, Schnaps oder Bier beglückte, verdammt gut. Mir blieben kaum Erinnerungen an diese nächtliche Hochzeitsfeier, ich kann mich kaum an die verrückte Braut oder an den betrunkenen Bräutigam erinnern oder daran, was wir gegessen, getrunken oder gesungen hatten. Zutiefst in meinem Herzen blieb nur das Bild von zwei jungen, hübschen, glücklichen Kindern, die blutsmäßig verwandt waren, obwohl sie sich wie normale Verliebte fühlten. Zwei Seelen klammerten sich aneinander, die sich sofort gefunden und erfahren hatten, dass sie sich äußerst sympathisch fanden. Der Abend war voll unerwarteten Zaubers, und das Dasein meines Cousins hat mir für kurze Zeit die schönere Seite des Lebens gezeigt. Wir tanzten und lachten die ganze Nacht, umgeben von hohen Bergen, plätschernden Flüssen und herrlicher Mutter Natur.


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