Die Erlebnisse des jungen Holger

Die Erlebnisse des jungen Holger

Helmut Ramme


EUR 16,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 134
ISBN: 978-3-99146-151-7
Erscheinungsdatum: 03.10.2023
Der junge Holger lebt in der DDR und hat einen großen Traum: Er will zur See fahren. Wenn er sich zuvor für drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee verpflichte, steht ihm die Welt offen und er kann zur See fahren, wird ihm gesagt. Ein Abenteuer beginnt….
Vorwort


Der Roman schildert die Geschichte eines Achtzehnjährigen aus der DDR, der sich unter falschen Voraussetzungen für drei Jahre bei der NVA, der Nationalen Volksarmee, verpflichtet hat. Es war ihm zuvor suggeriert worden, dass er nach der Armee-Zeit zur See fahren und damit seinen großen Traum erfüllen könne. Dies entpuppte sich später als Lüge. Die Erlebnisse während der dreijährigen Dienstzeit von November 1966 bis Oktober 1969 werden hier zum Besten gegeben. Es sind sowohl Begebenheiten in der Kaserne als auch bei Übungen bzw. Manövern außerhalb der Kaserne. Bekanntschaften mit Mädchen und Frauen, die Holger in den drei Jahren kennengelernt hat, werden in dem Roman ebenfalls geschildert. Die Handlung des Buches beruht auf wahren Begebenheiten. Alle Namen sind frei erfunden.


***


Es war kurz nach Mitternacht, als ein ohrenbetäubender Knall mich aus dem Halbschlaf riss und ich danach hellwach war. Der ganze Zug, in dem ich saß, erdröhnte und kurz danach hörte man quietschende Räder. Der Zug machte eine Vollbremsung und kam dann zum Stehen. Den anderen, die mit mir im Abteil saßen, erging es genauso. Wir sahen uns an, aber keiner konnte sagen, was passiert war. Der Zug hatte schon ein paar Mal auf offener Strecke halten müssen, was aber immer verkehrsbedingt gewesen war. Zum einen waren es Baustellen, an denen gehalten werden musste, und zum anderen war unser Zug ein Sonderzug, der die planmäßigen Züge erst vorbeilassen musste. Doppelgleise gab es noch nicht auf allen Strecken, auf denen die Züge aneinander vorbeifahren konnten. Nach dem Krieg hatten die Russen einen Großteil der Schienen abgebaut und in ihrem Land wieder montiert. Diese Gleise waren noch nicht ersetzt worden. Jedenfalls stand der Zug jetzt und es musste was Ernsthaftes passiert sein. Aus dem Fenster des Zuges sahen wir im Dunkeln mehrere Leute hin und her laufen. Erst nach circa 15 Minuten kam jemand und berichtete uns, was passiert war. Ein paar angetrunkene Übermütige hatten beim letzten Halt an einer Baustelle eine herumliegende Gleisschiene mit einer Eisenkette an den hinteren Wagen angebunden. Nach ein paar Kilometern der Weiterfahrt kam die Schiene ins schwingen, schlug erst an die Seite des Waggons und dann unter den Waggon, vor die Räder. Zum Glück kam es nicht zu einer Entgleisung. Der Lokführer reagierte schnell und verhinderte Schlimmeres. Dieser Halt verzögerte sich erheblich und die Stimmung der Männer im Zug wurde nicht besser. Jetzt liefen erstmal Uniformierte durch den Zug, um nach Tätern zu suchen.

Die Fahrt dauerte schon zu lange und ein Ende war noch nicht in Sicht. Es war ein Sonderzug der Deutschen Reichsbahn, der Wehrpflichtige der NVA und Freiwillige, die sich zu drei Jahren verpflichtet hatten, von Halberstadt in den Norden der DDR bringen sollte. Zielort war erst einmal Neubrandenburg. Von dort ging es dann für viele mit einem LKW nach Eggesin und Torgelow. Dort waren große Armeeobjekte der NVA. Mein Ziel war Neubrandenburg/Fünfeichen. Dort war ein Nachrichtenbataillon stationiert, in dem ich fast drei Jahre verbringen sollte. Nun saß ich erstmal in einer Abteilecke des Zuges und grübelte vor mich hin. Ich war gerade mal Achtzehn Jahre und es gab einen bestimmten Grund, warum ich mich verpflichtet hatte. Ich wollte nämlich auf einem Schiff zur See fahren und das seit frühester Jugend. Das war in der DDR nicht so einfach. Man durfte keine Verwandtschaft im Westen haben und mit allem einverstanden sein, was im Staat so passierte. Am besten man war noch in der Partei, der SED, und ein guter Genosse. Das war ich aber nicht und meine Eltern auch nicht. An all diese Dinge hatte ich noch nicht gedacht, als ich mich vor Beendigung der zehnten Klasse bei der Deutschen Seereederei der DDR beworben hatte. Ich hatte Fernweh und wollte fremde Länder kennenlernen. Das war mein größter Wunsch. Die Politik der DDR und ihre Vasallen hatten aber etwas dagegen. Ich bekam nämlich nach kurzer Zeit eine Absage von der Seereederei in Rostock. Angeblich gab es zu wenig Ausbildungsplätze und die wenigen waren schon besetzt. Das war die Antwort. Ich war enttäuscht. Mit 16 Jahren macht man sich aber noch keine großen Gedanken über das warum, Wieso und Weshalb. Ich hatte mich erstmal damit abgefunden. Ich erlernte den Beruf eines Zerspaners oder, wie es jetzt heißt, Feinwerkmechanikers im Maschinenbau Halberstadt. Dort wurden unter anderem Motoren für alle Schiffe der Deutschen Seereederei und der Marine hergestellt. Noch vor Beendigung meiner Lehrzeit bewarb ich mich erneut bei der Seereederei. Prompt kam wieder eine Absage. Ohne große Erklärung oder Begründung. Nun war guter Rat teuer, wie man so schön sagt. Da war aber der Vater meiner damaligen Freundin Britta. Er war Offizier beim Wehrkreiskommando und wusste von meinen Plänen. „Junge“, sagte er zu mir, „du musst dich für drei Jahre bei der NVA verpflichten, danach stehen dir alle Türen offen und du kannst zur See fahren.“ Das glaubte ich zunächst. Später wusste ich, alles war gelogen. Die Leute vom Wehrkreiskommando brauchten Stückzahlen. Also junge Leute, die sich für drei Jahre und länger bei der NVA verpflichten. Man sollte der DDR dienen, wie es so schön hieß. Ich wollte dann aber nicht irgendwas bei der NVA machen, sondern etwas Anspruchsvolleres. Ich bewarb mich bei den Fallschirmjägern. Sportlich war ich gut in Form. Laufen konnte ich schon immer ganz gut und Kraft hatte ich mir während der Lehrzeit angeeignet. Ich war nämlich aktiver Gewichtheber beim Sportverein in Halberstadt. Dazu hatte mich Kalle, ein Kollege meiner Lehrbrigade, überredet. Kalle war da schon zwei Jahre aktiv dabei und war uns anderen Jungs in puncto Kraft haushoch überlegen. Ich ging also zweimal die Woche zum Training, später kamen dann noch Wettkämpfe dazu, die dann immer am Wochenende stattfanden. Es war zwar anstrengend, mit großen Gewichten zu hantieren, aber es machte auch Spaß. Nach einigen Wochen merkte ich schon, dass sich mein Körper und die entsprechenden Muskeln zu meinem Vorteil veränderten. Für zu Hause schaffte ich mir einen Expander an. Mit dem konnte ich jeden Tag zusätzliche Übungen machen. Ich wurde zu Lehrgängen der Fallschirmjäger nach Magdeburg eingeladen. Die fanden auf dem dortigen Flugplatz statt. Es waren Eignungstests, die zeigen sollten, ob man überhaupt in der Lage war, den Anforderungen zu entsprechen. Ich bestand alles mit Bravour. Als es aber zum entscheidenden Lehrgang mit Sprungtraining gehen sollte, kam das traurige Ende. Eine Ablehnung. Wir können Sie nicht berücksichtigen, hieß es. Weitere Gründe wurden nicht genannt. Ich lebte in der DDR und da konnte man nicht machen, was man wollte. Es war eine Diktatur und keine Demokratie. Es bestimmten andere, was du machen durftest und was nicht. So traurig, wie das war, aber es war Realität und man konnte nichts dagegen machen. Ich stand wieder einmal vor der Frage: Was tun? Es war September und unterschrieben hatte ich für drei Jahre. Obwohl mir die Lust vergangen war. Der Wehrdienst sollte ja Anfang November beginnen. Es war also nicht mehr viel Zeit. Da kam der gute Mann vom Wehrkreiskommando wieder ins Spiel. „Ich habe dich für das Nachrichtenbataillon Fünfeichen bei Neubrandenburg angemeldet“, teilte er mir mit. „Das ist auch anspruchsvoll.“ Auch von ihm kein einziges Wort, warum das mit den Fallschirmjägern nicht geklappt hatte. Ich könnte wetten, dass er es wusste, mir aber nichts gesagt hat. Im Herbst letzten Jahres hatte ich beim Tanz im Halberstädter Felsenkeller Britta kennengelernt. Der Felsenkeller war damals eine Art Kultgaststätte. Obwohl weit draußen vor der Stadt und schon in den Bergen gelegen, war er immer voll. Das war aber auch der Situation geschuldet, dass es in der Stadt wenig große Tanzsäle gab. Durch die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Halberstadt wurde zu 82 Prozent zerstört, gab es nur noch ganz wenig größere Gaststätten mit Tanzsaal und neue wurden, außer dem Haus des Friedens, nicht gebaut. Wo sollte die Jugend also sonst hin, um sich zu amüsieren, es gab dort Livemusik und das Verhältnis Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer war fast immer ausgeglichen. Die Veranstaltungen begannen um 20 Uhr und endeten um 24 Uhr, danach ging es wieder nach Hause. Es war alles ganz gesittet. Ich war mit meinen Freunden dort und Britta mit ihren Freundinnen. Nach ein paar Tanzrunden des Abwartens forderte ich Britta auf. Sie kam auch gleich mit und wir tanzten fast den ganzen Abend zusammen. Beim letzten Tanz fragte ich sie, ob ich sie nach Haus bringen dürfe. Sie sagte ja und wir machten uns frohgelaunt auf den Heimweg. Unterwegs hatten wir viel zu erzählen, denn jeder wollte von dem anderen so einiges wissen. Da erfuhr ich, dass ihr Vater beim Wehrkreiskommando arbeitete. Das war erstmal nicht so wichtig, denn wir interessierten uns nur füreinander. Wir verstanden uns gut, waren etwa gleichaltrig und verbrachten eine schöne Zeit zusammen. Ich erinnere mich noch gern an einen Ausflug, den wir mit dem Fahrrad in die nahe gelegenen Klusberge machten. Es war Anfang Sommer und schon sehr warm. Die Sonne schien und man hörte nur die Geräusche aus dem Wald. Viel Vogelgezwitscher und das Insektensummen. Auf einer kleinen Lichtung fanden wir einen schönen Platz, wo wir ungestört waren. Britta hatte eine Decke mitgebracht, die wir ausbreiteten. Wir legten uns darauf und begannen, uns zu küssen. Dann zogen wir uns gegenseitig aus. Es war schon spannend, denn vorher hatte ich Britta noch nie ganz nackt gesehen. Bisher hatte sie, wenn ich sie nach Haus brachte und das nur bis zur Haustür, immer etwas angehabt. Wir hatten auch Sex gehabt, aber immer nur im Stehen, und der war schnell vorbei gewesen, so dass wir gar nicht alles auskosten konnten. Wobei das Auskosten sich auf die Erfahrung von 17- bis 18-jährigen jungen Menschen bezog, die in puncto Liebe und Sex noch am Lernen waren. Nun lag Britta ganz nackt vor mir und ich betrachtete sie mit großen Augen. Ihre Brüste waren mittelgroß und fest, mit kleinen Sommersprossen drauf. Das passte zu ihr, denn im Gesicht hatte sie auch ein paar. Wir küssten uns leidenschaftlich und ich griff nach ihren Brüsten. Ich streichelte und massierte sie. Jetzt wurden ihre Brustwarzen ganz fest und ich merkte, wie mein Glied anschwoll. Es wurde immer steifer und ganz hart. Ich verspürte nur noch das Verlangen, in sie einzudringen. Britta wollte das natürlich auch und war genauso aufgeregt wie ich. Als ich in sie eindrang, empfand ich eine wohlige Wärme und ihre Vagina war schon ganz feucht. Später wusste ich, dass es ihr Orgasmus war, der den Saft nur so fließen ließ. Es war ein schönes Gefühl. Nach kurzer Pause wiederholten wir den Geschlechtsakt noch zweimal. Dann war mein Glied schlapp. Wir kuschelten uns eng auf der Decke zusammen und liebkosten uns ausgiebig. Leider trennten wir uns, als der Sommer richtig anfing. Wir verabredeten uns noch zum Zelten nach Bansin, das liegt auf Usedom an der Ostsee. Sie mit ihrer Freundin und ich mit meinem Freund Frank, den ich schon seit der Schulzeit und der gemeinsamen Lehrzeit kannte. Wir zelteten aber getrennt, trafen uns noch zwei- oder dreimal und gingen dann jeder seiner Wege. Der Zeltplatz in Bansin lag unter großen Kiefern, die im Sommer, wenn die Sonne kräftig schien, Schatten spendeten. Der Platz war ziemlich groß und lag direkt am Meer. Zwischen Zeltplatz und Strand war nur noch die Düne. Der Strand bestand aus zwei Abschnitten, einmal für zivile Nutzung, also mit Badesachen, und dann der FKK-Strand, ohne Badesachen. Unser Zelt stand in der Nähe vom FKK-Strand und wir gingen dorthin zum Baden. Es ist ein schöner Strand. Sauber, breit, lang und heller, weicher Sand. Ohne Badehose war es bequem. Manchmal konnte es auch peinlich werden, denn wenn man hübsche nackte Mädchen sah und auf andere Gedanken kam, konnte es schon passieren, dass man einen Steifen bekam. So wollte man nicht gesehen werden. Entweder schnell ins Wasser, sich abkühlen, oder halb im Sand vergraben. An einen Nachmittag muss ich immer wieder zurückdenken. Es war zwar schön warm und die Sonne schien, aber es war etwas stürmisch. Das ließ die Wellen der Ostsee ganz schön groß werden und es machte Spaß, in diese hineinzuspringen. Eine starke Unterströmung, wie sie im Atlantik auftritt, gab es nicht und der Übergang vom Strand zum Wasser war ganz flach. Man musste schon etliche Meter ins Wasser gehen, bevor es bis zum Bauchnabel reichte. Gefährlich war es jedenfalls nicht und eine rote Flagge vom Rettungsschwimmerturm war auch nicht zu sehen. Wir waren jedenfalls schon einige Zeit im Wasser, als zwei Mädchen in unsere Nähe kamen. Sie wollten genauso Spaß haben wie wir. Mit jeder Welle näherten wir uns. Das Mädchen, das mir jetzt immer näher kam, es kann auch umgekehrt gewesen sein, war sehr hübsch. Sie hatte einen gut geformten Körper, langes mittelblondes Haar, schöne Gesichtszüge und wohlgeformte Brüste. Es kam, wie es kommen musste, bei der nächsten Welle hatte ich sie halb im Arm, so von hinten umschlungen. Sie ließ es sich gefallen und fast vergaßen wir die nächste Welle. Sie riss uns fast um und wir hielten einander fest. Nun hatte ich sie fest umschlungen und tastete ihre Brüste ab. Ich vergaß, dass am Strand viele Urlauber waren, die uns zuschauten. Dem Mädchen war das auch bewusst und schob schnell meine Hände weg. Mit dem Oberkörper waren wir ja über Wasser und da konnte jeder sehen, was ich mit meinen Händen so machte. Ich war noch immer dicht hinter ihr und ließ meine Hände an ihrem Körper hinuntergleiten. Nun konnte keiner mehr sehen, was ich machte, alles war jetzt unter Wasser. Mit meinen Fingern berührte ich ihre Schamlippen, da kam aber die nächste Welle und wir mussten mit Händen und Armen das Gleichgewicht halten. Nachdem sich die See wieder beruhigt hatte, unternahm ich den zweiten Versuch. Mit meinen Fingern drang ich in ihre Vagina ein und bewegte sie hin und her. Automatisch wurde mein Glied steif, stieß hart an ihre Pobacken und rutschte dann zwischen ihre Beine. Es war ganz schön aufregend und sie sagte keinen Ton. Sie muss genauso erregt gewesen sein wie ich. Dann kam aber schon wieder die nächste Welle und wir mussten aufpassen, dass wir nicht umgeschmissen wurden. Jetzt merkten wir erst, dass wir nur noch allein im Wasser waren. Ihre Freundin und Frank waren schon lange draußen und saßen am Strand. Wir hatten vor lauter Lust am Abenteuer völlig die Zeit vergessen. Sie erschrak etwas und gab mir zu verstehen, dass sie jetzt gehen musste. Ich fragte sie, ob wir uns wiedersehen. Sie sagte: „Ja, morgen am Strand oder im Wasser.“ Wir lächelten uns
zu, dann ging sie. Ich konnte leider noch nicht aus dem Wasser, weil mein Glied noch so steif war und wie eine Paradestange vom Körper abstand. Nach ein paar Minuten erschlaffte es endlich und ich konnte das Wasser verlassen. Am Strand angekommen, wartete schon Frank auf mich. „Mann“, sagte er, „das war vielleicht ein Schauspiel.“ Ich war noch völlig benommen und grinste ihn nur an. Wir verließen den Strand und gingen zu
unserem Zelt.
Am nächsten Tag machte leider das Wetter einen Strich durch meine Rechnung bzw. Verabredung. Es regnete den ganzen Tag und ich sah meine Seebekanntschaft nicht wieder. Ich suchte den ganzen Zeltplatz ab, aber es war vergebens. Bei dem schlechten Wetter waren fast alle Zelte verschlossen und man sah keine Camper auf dem Zeltplatz. Auch den darauffolgenden Tag Regenwetter. Ich kannte auch ihren Namen nicht. So war meine Suche vergebens. Schade, schade, ich hätte sie gern wiedergesehen. Trotzdem war es ein schöner Zelturlaub.
Wir hatten das Jahr 1966 und den Monat November. Es war richtiges Schmuddelwetter, nass und kalt. Eben der Jahreszeit entsprechend. Abfahrt des Zuges sollte um 17 Uhr sein, aber aus unbekannten Gründen verzögerte sich diese um fast eine Stunde. Der Zug war voll mit jungen Männern, die meisten gerade mal 18 bis 19 Jahre alt. Ein paar waren etwas älter. Sie wurden sozusagen auf den letzten Drücker zur Wehrpflicht eingezogen. Die endete bekanntlich mit 26 Jahren. Vergessen wurde niemand. Etliche Männer hatten schon vor der Abfahrt reichlich Alkohol getrunken und sich für die Fahrt gut eingedeckt. Da wurde so manche Flasche Schnaps geleert. Das Ergebnis war dann die Aktion mit der Gleisschiene. Wir konnten nur froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert war. Die ganze Sache hatte fast eine Stunde gedauert, bis es weiterging. Zwischen 2 und 3 Uhr morgens erreichten wir endlich Neubrandenburg. Es ging dann ziemlich schnell, alles war gut organisiert. G5-LKW und LO warteten am Bahnhof und brachten uns zu den einzelnen Standorten. Je nach Waffengattung und Einsatzort wurden wir aufgeteilt. Alle, die für das Nachrichtenbataillon vorgesehen waren, darunter auch ich, hatten den kürzeren Weg. Fünfeichen hieß der Ort und er war fünf Kilometer von Neubrandenburg entfernt. Die anderen, die nach Torgelow oder Eggesin mussten, hatten noch eine größere Strecke vor sich. Gleich nach der Ankunft wurden wir in eine Baracke gebracht und es hieß: „Sachen fassen.“ Der Begriff war erstmal neu für uns, wir bekamen aber schnell mit, um was es ging. Jeder wurde einzeln aufgerufen, nach Konfektionsgröße, Kopfgröße und Schuhgröße gefragt. Da es mitten in der Nacht war, musste alles ziemlich schnell gehen. Angefangen von Uniform, eine für den Ausgang und eine für den täglichen Dienst. Dann Stiefel, Unterwäsche, Strümpfe, Stahlhelm, Mützen und noch vieles mehr. Es hieß immer nur: „Passt, passt, der Nächste.“ Wir waren eben beim Militär, da gab es keine Zeit zum Anprobieren oder für eventuelle Sonderwünsche. Der Berg an Sachen wurde immer größer, es war so viel, dass wir alles kaum tragen konnten. Unter den Soldaten, die uns die Sachen übergaben, war ein Gefreiter, der schon ein Jahr dabei war. Das Besondere an ihm war, dass jeder zweite Satz, den er von sich gab, lautete: „Hut ab“ oder: „Na, Hut ab.“ Dieser Ausspruch war neu für mich, hatte ich vorher noch nicht gehört. Es war etwas Belustigendes dabei und ich sollte in der Folgezeit noch öfter damit Bekanntschaft machen. Er wurde auch Bestandteil meines Sprachgebrauchs. Als alle ihre Sachen hatten, wurden wir in unser vorläufiges Quartier gebracht. Es waren mittelgroße Baracken am westlichen Rand des Objektes. Sie waren noch ganz neu und erst kurz zuvor errichtet worden. Hier sollten wir aber nur ein paar Wochen bleiben und die Grundausbildung absolvieren. Die eigentliche Ausbildung zum Unteroffizier wurde in Togelow-Drögerheide durchgeführt. Jetzt ging es erstmal darum, dass wir uns die Grundkenntnisse aneigneten und in puncto Ordnung und Disziplin den ersten Schliff bekamen. So weit war es aber noch nicht. Nachdem wir unsere Sachen auf dem uns zugewiesenen Bett abgelegt hatten, hieß es, alle raustreten zum Begrüßungsappell. Das war schon ein lustiger Anblick. Wir hatten noch unsere Zivilklamotten an und mancher sah darin schon komisch aus. Zumal einige auch noch nicht ganz nüchtern waren. Das entging natürlich dem Bataillonskommandeur und den Kompaniechefs nicht und es gab eine Standpauke, die es in sich hatte. Die Worte, die da fielen, kann man gar nicht alle wiedergeben. Drei Mann von uns waren besonders betroffen. Sie sollten es die ganzen drei Jahre zu spüren bekommen und wenn es nur mal eine kurze Bemerkung oder ein Gedankenanstoß war. Dieser erste Tag blieb im Gedächtnis hängen und war nicht so schnell vergessen. Die Begrüßung fiel durch die Standpauke länger aus als allgemein üblich. Dann hieß es endlich abtreten. Es war mittlerweile fast 9 Uhr und wir zogen erstmalig die Dienstuniform an. Nach dem Frühstück räumten wir unseren Spind ein, so hieß der kleine Schrank, der uns zur Verfügung stand. „Einräumen“ hieß bei der Armee nicht einfach einräumen, sondern alles hatte seinen eigenen Platz und musste exakt und auf Kante gelegt werden. Wenn es nicht so war, bekamen wir das beim wöchentlichen Stubendurchgang zu spüren. Wenn es ganz schlimm kam, wurde der Spind einfach angekippt, so dass alles rausfiel und man hatte doppelte Arbeit, weil man wieder alles einräumen musste.

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