Durchghaut und feingfurdat

Durchghaut und feingfurdat

Im Kampf gegen Corona

Johann Willnauer


EUR 15,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 54
ISBN: 978-3-99131-635-0
Erscheinungsdatum: 18.10.2022
Im schönen Österreich ist Corona ausgebrochen, nur ein Bezirk scheint verschont zu bleiben. Und das auch noch wegen eines Alchemisten. Nur gut, dass einige zwielichtige Gestalten genau wissen, wie man damit Geld verdienen kann.
„Die Personen und die Handlung im Buch sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden bzw. verstorbenen Personen wären rein zufällig.“

***

Man schrieb den Monat Jänner 2020 und in den Medien verbreitete sich die Nachricht, dass in China ein unbekannter Virusstamm ausgebrochen war, der die Bevölkerung befiel. Diese Meldungen erreichten auch den Alchemisten Hendrik, der im Studenerhaus in Aschach wohnte und ein eher einsames Einsiedlerleben führte.

Hendrik war ein Waisenkind aus Düsseldorf. Unweit des Hafenkais befand sich ein Kinderheim, in dem er wohnte. Hendrik war gerade einmal sechs Jahre alt, als er mit seinen Freunden neben einem Frachtkahn Ball spielte. Als ein Wurf danebenging und der Ball auf eines der Schiffe fiel, lief Hendrik hinterher, um ihn zu suchen. Der Ball war in ein Unterdeck gerollt und als Hendrik ihn aufhob und wieder zu seinen Freunden zurückkehren wollte, musste er zu seinem Erstaunen feststellen, dass sich der rumänische Frachter in Bewegung gesetzt hatte und er nicht mehr zurück an Land konnte. Da sich Hendrik vor lauter Angst hinter einer Holzkiste versteckte, fand man ihn erst am nächsten Tag. Man konnte einen Gehilfen für leichtere Tätigkeiten gut gebrauchen, daher nahm man ihn einfach mit. Während der Fahrt in Richtung Schwarzes Meer legte der Frachter mehrmals an, die Flucht gelang Hendrik jedoch nicht. Man hatte ihn in seiner Koje eingesperrt. Erst in Aschach an der Donau gelang Hendrik nach sechswöchiger Schifffahrt die Flucht, am 3. August 1974. Gegen 3 Uhr morgens verließ er das Schiff und irrte planlos in Aschach herum. Als der alte Studener um 6 Uhr das Eingangstor öffnete, um die Zeitung zu holen, sah er den kleinen Jungen zusammengekauert vor der Türe sitzen. Er holte Hendrik in die Stube und gab ihm Tee. Als der Junge seine Geschichte erzählte und bei dem Gedanken an ein erneutes Leben im Heim zu weinen begann, behielt ihn der alte Studener bei sich. Er kürzte eine Kutte, die er Hendrik anzog. Kutten gab es in diesem dreistöckigen Gebäude zuhauf, denn das Studenerhaus war ein altes Benediktinerkloster des Stiftes Passau. Der Vater des alten Studeners lebte als letzter Mönch in diesem Gebäude, das er von den Passauern als Schenkung bekam. Für Alimentationszahlungen musste er jedoch selbst aufkommen. Studener erbte das Haus viele Jahre später von seinem Vater. Hendrik gefiel das Kleidungsstück sehr gut, weshalb er seit seinem sechsten Lebensjahr Kutten trug. Studener war bei Hendriks Ankunft 78 Jahre alt. Er gab ihm privaten Schulunterricht und lehrte ihn die Kräuterkunde. In einer alten Truhe im Keller befanden sich Bücher über Alchemie, Handlesen, Augendiagnostik, spätmittelalterliche Heilkunde und Hellseherei, die zwischen 150 und 500 Jahre alt waren. Hendrik vergrub sich regelrecht in jenen Büchern und konnte über die Jahre ein umfangreiches Wissen ansammeln. Er hatte viele Bewunderer, konnte er doch oft weiterhelfen, wenn Schulmediziner keinen Weg mehr wussten, andererseits zeigten sich viele auch ängstlich aufgrund seiner allumfassenden Kenntnisse. Hendrik war in der Lage, eine Brücke zwischen Schulmedizin und dem, was jahrhundertelang zuvor an medizinischem Wissen angesammelt wurde, zu bauen.
Der alte Studener war 1998 im Alter von 102 Jahren gestorben und Hendrik war ebenso in die Jahre gekommen. Er lief immer noch mit seiner braunen Kutte herum, die Kapuze tief im Gesicht. Weiße Haarsträhnen lugten unter dem Kapuzenrand hervor. Ein Mann aus einer anderen Zeit.

Das Studenerhaus hatte Hendrik beachtenswert restauriert. Eine Spirituosenbrennerei füllte den linken Raum, an der rechten Seite zierte ein 500 Jahre alter, mit Ornamenten versehener Holztram den Gästeraum. Das dahinterliegende Zimmer war mit aufgestellten Donausteinen gepflastert. Außerdem befanden sich hier jene Essenzen in eindrucksvollen Glasgebinden mit jeweils zwischen fünf und fünfzehn Litern Fassungsvermögen, mit denen Hendrik tagein, tagaus hantierte. Die Rückseite des Klostergebäudes zierten ein liebevoll bepflanzter Kräutergarten, sowie uralte Rosenstöcke, die bis zu sechs Meter in die Höhe ragten und somit die Säulen des im ersten Stock befindlichen Arkadenganges bedeckten.

Hendrik pflegte regen Kontakt zu einer gewissen Frau Dr. Brunziel aus Mautkirchen. Brunziel war praktische Ärztin und betrieb mitten im Ort Mautkirchen eine kleine Ordination. Sie schätzte das Wissen von Hendrik sehr und schickte hin und wieder Patientinnen und Patienten zu ihm, wenn sie mit ihrem eigenen Wissen am Ende war, so auch am 14. Februar 2020. Eine Frau kam auf direktem Wege von der Ordination Brunziel zu Hendrik. Sie hatte den Geschmacksinn verloren und war kurz zuvor auf Kurzurlaub in Mailand gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war das Coronavirus in Europa offiziell noch nicht angekommen, daher hatte man sich auch noch nicht mit den Symptomen auseinandergesetzt. Und, ohne es zu wissen, befand sich in Hendriks Hexenküche vermutlich eine der ersten Coronainfizierten Europas. Hendrik holte von seinem Gläserkasten 25 in kleinen, durchsichtigen Behältnissen abgefüllte Essenzen, platzierte sie auf dem langen Tisch und nahm dann ein kleines Trinkglas aus der Schublade, welches er gut ausspülte. Die Patientin nahm nach der Begrüßung am Tisch Platz und Hendrik gab ihr von jeder Essenz eine Kostprobe, um ihren Geschmacksinn zu stimulieren. Dabei wurde das Glas lediglich vom Rest der Kostprobe entleert, nicht aber mit Wasser gereinigt. Als Hendrik die Essenz Nr. 23 auf die Essenz Nr. 18 goss, nachdem die Frau diese getrunken hatte, geschah etwas Seltsames:
Zwei glasklare Flüssigkeiten verfärbten sich beim Aufeinandertreffen violett. Hendrik führte seine Versuche fort, konnte aber den Geschmacksinn der Frau nicht wiederherstellen. Er notierte sich jedoch die beiden Nummern der Gefäße, bei denen nach der Kostprobe die Verfärbung stattfand. Die Patientin bedankte sich trotz ausbleibender Hilfe sehr herzlich und berichtete, dass sie noch am nächsten Abend nach Marokko reisen würde.
Anfang März 2020 war das Coronavirus in der italienischen Lombardei aufgrund seiner verheerenden Folgen bereits gefürchtet. Zu diesem Zeitpunkt wussten auch Dr. Brunziel und Hendrik, dass es sich bei der Patientin vor drei Wochen um eine Coronainfizierte gehandelt haben musste. Hendrik erhielt erneut die Möglichkeit, einen Infizierten auszutesten, natürlich mit Mundschutz – nun wusste man über die Ansteckungsgefahr Bescheid – und damit wurde ihm bestätigt, dass er einen sogenannten Coronaschnelltest entwickelt hatte, der über Hautberührung mit der Flüssigkeit funktionierte. Die zu Testenden tauchten eine Fingerspitze in Flüssigkeit Nr. 18, anschließend wurde Flüssigkeit Nr. 23 in dasselbe Glas geleert, bei Verfärbung wurde eine Infektion bestätigt. Sollte sich die Fingerspitze erst nach einiger Zeit verfärben, konnte von einer späteren Ansteckung ausgegangen werden. Dementsprechend deutete eine violette Fingerkuppe auch bis zu drei Monate nach der Testdurchführung noch auf eine Infektion mit dem Virus hin.

Eines Tages stattete Fritz de Lux, Mautkirchens Langzeitoberbürgermeister, Hendrik einen Besuch in Aschach ab. De Lux holte sich dort regelmäßig Parfüms für sein Heiratsinstitut in Budweis und kaufte auch schon beim alten Studener fleißig ein.
De Lux war gebürtiger Tscheche, weshalb er in seinem Bekanntenkreis stets Werbung für die böhmische Küche machte. Seine heiratswilligen Kundinnen veranstalteten in Mautkirchen regelmäßig Kochkurse für Männer. Dort wurden oftmals Partnerschaften eingegangen, welche nicht selten in Hochzeiten endeten. Fritz de Lux kassierte in solchen Fällen respektable Prämien. Hendrik hatte es vor allem De Lux zu verdanken, dass er als kleiner Junge in Österreich beim alten Studener bleiben durfte, denn dieser hatte alle seine Beziehungen als Oberbürgermeister genutzt, um Aufenthaltsbewilligungen und später die Adoption durch Studener zu ermöglichen. Dennoch, Fritz de Lux war ein sehr geschäftstüchtiges und nicht weniger kriminelles Energiebündel. Zwar war er nur Oberbürgermeister, benahm sich jedoch so, als hätte er die Macht des Bundeskanzlers und setzte sich über viele Gesetze hinweg. De Lux war außerdem äußerst großzügig was die Unterstützung von Vereinen betraf, und auch Einzelpersonen erhielten von ihm wiederholt Geldbeträge bei Jubiläen oder sportlichen Erfolgen. Er war bereits bei jeder im Gemeinderat vertretenen Partei, das heißt RPÖ, LPÖ und MPÖ, Spitzenkandidat und wurde jedes Mal erneut Oberbürgermeister. Wie eine Gemeindefinanzprüfung ergab, hatte Fritz de Lux jahrelang Scheinrechnungen ausgestellt, weshalb ihm nun ein Ultimatum zum Rücktritt gestellt wurde mit dem Stichtag des 2. April 2020. Man bot ihm einen „ehrenwerten“ Abgang an, damit er sein Gesicht wahren konnte. Es wurde lediglich angedeutet, dass ihm eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft drohen konnte, man wollte dies jedoch unter allen Umständen vermeiden.
De Lux hatte von der Erfindung des Coronaschnelltest erfahren und sah das große, finanzielle Potential und auch die Chance, seine Reputation wieder aufzubessern. Hendrik und De Lux feierten den ganzen Nachmittag, die Stimmung war ausgelassen. Gegen 20 Uhr telefonierten sie mit Frau Dr. Brunziel, die kurz darauf ebenso bei Hendrik erschien. Zusammen planten die drei, bei sämtlichen größeren Einfahrtsstraßen nach Mautkirchen an der Donau Coronaschnelltests durchführen zu lassen, was auch bereits nur zwei Tage später mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr und Rettungsleuten geschah. Die Anordnung wurde vom Oberbürgermeister Fritz de Lux persönlich gegeben. Dieser informierte auch gemeinsam mit Dr. Brunziel das Amt der Landesregierung sowie das Gesundheitsministerium über Hendriks bahnbrechende Erfindung. Überraschenderweise kam jedoch bereits nach kürzester Zeit ein Antwortschreiben, in dem man Hendrik aufforderte, seine Tätigkeiten in Aschach bis spätestens 15. April 2020 einzustellen. Er hatte weder eine Schulausbildung noch war er bei irgendeiner Partei Mitglied und außerdem hatte er einen Beruf, der nicht als ein solcher galt. Fritz de Lux unternahm alle möglichen Schritte, um Hendrik ein Weiterarbeiten zu ermöglichen. Er konnte jedoch lediglich durch die Inanspruchnahme einer Einspruchsfrist das Verbot um acht Wochen hinauszögern. Darüber hinaus bekam Hendrik Besuch von der Eferdinger Polizei, die 25 Liter Gebinde Flüssigkeit beschlagnahmten. Glücklicherweise hatten jene Behälter rein gar nichts mit dem Schnelltest zu tun, die dafür benötigten Essenzen hatte Hendrik vorsorglich in einem Kellerraum versteckt.

Die einzige Möglichkeit das Patent des Schnelltests zu verkaufen, sah de Lux nun darin, es einer Pharmafirma anzubieten. De Lux beauftragte den Gemeindesekretär Zorniger, nach Vorstehenden von Pharmakonzernen zu recherchieren. Zorniger war ein fleißiger Mann, der jedoch durch seine Spielsucht immense Schulden angehäuft hatte. Fritz de Lux ermöglichte ihm hin und wieder Besuche in Spielcasinos, hatte einen Teil seiner Schulden zurückbezahlt und für ihn gebürgt, was das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden natürlich immens stärkte. Das alles wurde mit Scheinrechnungen über die Gemeinde abgewickelt. Der Schuldenberg war jedoch so groß, dass Zorniger allein nie mehr in der Lage gewesen wäre, diesen abzubauen. Dadurch stand der Sekretär in einem für de Lux komfortablen finanziellen Abhängigkeitsverhältnis. Während seiner Recherche konnte Zorniger herausfinden, dass der Chef und auch Mehrheitseigentümer der Firma Pferscha, ein weltumspannender Pharmakonzern, seinen Hauptwohnsitz in Murau in der Steiermark hatte. Rudolf von Pferscha war der zweitreichste Mann weltweit, seine Leidenschaft galt der Wildsaujagd und er war ein Hundeliebhaber, speziell der kleine Münsterländer hatte es ihm angetan. Pferscha hatte vier Leibwächter italienischer Herkunft. Zorniger versuchte nun mit allen Mitteln, einen Bezug zu Pferscha herzustellen. In der Gemeinde wurde sogar ein Postwurf ausgegeben, um jemanden ausfindig zu machen, der Pferscha persönlich kannte oder über ihn Bescheid wusste. Und tatsächlich meldete sich am darauffolgenden Tag Josef Lettner. Dieser suchte das Gemeindeamt auf und hatte ein altes Fotoalbum dabei. Fritz de Lux, Zorninger und Josef Lettner steckten ihre Köpfe über dem Album zusammen und betrachteten ein Foto, auf dem letzterer mit einem gewissen Rudolf Pfosten abgebildet war, neben dem unter dem Bild notierten Namen stand in Klammern Pferscha. Ursprünglich besuchte Lettner die Knabenschule in Wieselburg, musste jedoch den Besuch dieser Schule schon nach einem halben Jahr abbrechen, da er völlig unmusikalisch war. Er begann daraufhin eine Lehre als Besenbinder und Korbflechter. Er konnte sich an seinen Schulkollegen Rudolf Pfosten erinnern, dieser stammte aus Spinaz im Burgenland. Pfosten war der Großneffe von Bill Pferscha. Bill war kinderlos und Rudolf Pfosten war für die Nachfolge des Pharmaimperiums vorgesehen, später wurde er von seinem Großonkel adoptiert, daher auch die Namensänderung. Nun wurde Josef Lettner von de Lux beauftragt, zusammen mit dem pensionierten Polizisten Willi Sunnberger Rudolf von Pferscha in Murau aufzusuchen, ihn über die Erfindung des Coronaschnelltestes zu informieren und dabei gleichzeitig eine Einladung zur Wildsaujagd zu überbringen.

Fritz de Lux hatte im Sommer des vorigen Jahres den jungen und noch in Probezeit befindlichen Polizisten Franz Berger mitsamt dessen Uniform schwer betrunken im Seitengraben liegend gefunden und ihn nach Hause gefahren. Berger war nach einem Besuch des Sommernachtsfestes auf der Badewiese schwer abgestürzt und stand in der Schuld des Oberbürgermeisters. Berger wurde von de Lux über das Vorhaben bezüglich des Schnelltests informiert und darum gebeten, sein Dienstauto mit dem Verdacht auf Motorschaden in die Werkstätte Richtsfeld in Waldburg zu bringen. Berger tat dies unverzüglich und da der Werkstätten-Besitzer Bergers Schwiegervater war, funktionierte alles reibungslos. Warum wurde ein Polizeiauto zur Fahrt nach Murau benötigt? Man brauchte es deshalb, weil im ganzen Land bereits ein harter Lockdown verhängt worden war und beim Passieren mit dem Auto von Bezirks- oder Landesgrenzen strengstens kontrolliert wurde oder gar Fahrverbote ausgesprochen wurden.
Während sich im restlichen Bundesgebiet Coronafälle häuften, hatte man in Mautkirchen und Umgebung den Coronaschnelltest von Hendrik zur Verfügung, mit dem in diesem begrenzten Gebiet die gesamte Bevölkerung getestet wurde. Zu Anfangszeiten wurden damit drei Infizierte ermittelt, die sofort in Quarantäne geschickt wurden. Nachher gab es durch die konsequenten Testungen keinen einzigen Fall mehr. So konnte man voller Stolz behaupten, dass man sich im letzten coronafreien Winkel von Österreich, ja gar von Europa befand. Und so stellte sich jenes abgegrenzte Gebiet dar: Es wurde ausgehend vom Tunnel Ottenstein entlang der Rohrbacher Bezirksstraße bis zum St. Martiner Kreisverkehr, dann entlang der Landshaagerstraße bis zur Brücke Aschach und entlang der Donau bis zum Tunnel Ottenstein eingegrenzt. Alle größeren Straßen, die in die Rohrbacher Bezirksstraße mündeten, beziehungsweise jene an den fünf großen Kreuzungen entlang des erwähnten Straßenzuges, wurden permanent kontrolliert, die kleineren Straßen, welche von außen in das Gebiet einmündeten, abgesperrt. Angeordnet wurde all dies vom Oberbürgermeister Fritz de Lux, der bei den Nachbargemeinden ordentliche Überzeugungsarbeit leistete und sich bei seinen Oberbürgermeisterkolleginnen und -kollegen finanziell erkenntlich zeigte. Die Schnelltestkontrollen reduzierten sich bald drastisch, da die Zahl der Coronafälle explodierte und der Lockdown den Verkehr praktisch zum Erliegen brachte. Der Versuch der Landesregierung, Hendriks Tests zu verbieten, scheiterte daran, dass sich die Menschen freiwillig testen ließen. Wiewohl man die Entwicklung im beschriebenen Gebiet missbilligte und Gleichschaltung für das ganze Land anstrebte, was jedoch hier, wo aufgrund des bahnbrechenden Schnelltests das Leben so reibungslos funktionierte wie bisher, keiner verstand.

Am 14. März 2020 war es dann so weit: Man fuhr nach Murau. Willi Sunnberger mit seiner alten Polizeiuniform bekleidet, begab sich um 5 Uhr morgens zur Werkstätte Richtsfeld. Hinter dem Dachrinnenabflussrohr fand er den Werkstattschlüssel, den Richtsfeld dort hinterlegte. Sunnberger öffnete das Tor zur Werkstätte und fand im Inneren das geparkte Polizeiauto vor. Zufrieden stieg er ein, startete den Motor und fuhr Richtung Mautkirchen. Lettner wartete bereits vor seiner Haustüre in Hofdorf, auch er war in Polizeiuniform gekleidet und trug die Uniform seines Cousins, ebenfalls ein pensionierter Polizist. Nun ging die Fahrt los. Die wenigen Autos auf der Straße wurden durch die Exekutive streng kontrolliert, vor allem bei Grenzüberschreitungen. Sunnberger und Lettner konnten jedoch dank ihres Polizeiautos die „Kolleginnen und Kollegen“ problemlos und unkontrolliert passieren. Um 8:20 Uhr kamen die beiden in Murau an. Zunächst hielten sie an, um zu tanken, doch leider hatte keiner von ihnen Bargeld bei sich und das Bankomatgerät war, wie ihnen das Schild an der Eingangstüre der Tankstelle mitteilte, an diesem Tag defekt. Glücklicherweise fand Lettner in der Brusttasche seiner geliehenen Uniform einen Strafblock. Sogleich entdeckte Sunnberger einen Parksünder, welchen er um 35 Euro abstrafte. Dann ging ihnen auch noch ein Fahrer ohne Sicherheitsgurt ins Netz, der ebenfalls 35 Euro ärmer wurde. Diese Strafhandlung wurde von Lettner durchgeführt – die erste in seinem Leben. Nun konnten sie sich eine Tankfüllung leisten.

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