Die Krankheit in Mir

Die Krankheit in Mir

Domenic-Lukas Keip


EUR 17,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 94
ISBN: 978-3-99146-173-9
Erscheinungsdatum: 07.03.2024
Traumata, Angst und Zurückhaltung – dies ist der Alltag des 19-jährigen Diel. Er ist einsam, auch seine Eltern kümmern sich nicht um ihn, sie sind vielbeschäftigt. Wohin soll diese Spirale von Ausgrenzung und Alleinsein führen …?
Vorwort

Hilfe ist etwas, was wir alle zu einem bestimmten Zeitpunkt in unserem Leben brauchen, ob gefragt oder ungefragt. Es ist ein Leichtes, jemanden nach dem Weg zu fragen, seine Eltern zu fragen, ob man bei einem Freund übernachten kann, seinen Lehrer zu fragen, ob er das letzte Thema nochmals genauer erklären könnte oder den Arzt zu fragen, ob er sich den gebrochenen Arm oder die laufende Nase mal genauer ansehen könnte. Doch wie verhält es sich, wenn die Frage nach Hilfe an sich nicht mehr so einfach ist? Wenn Sie selbst nicht einmal genau wissen, was mit Ihnen los ist? Wie fragen Sie da nach Hilfe oder sogar noch wichtiger, wen fragen Sie? Wenn Sie sich plötzlich an einem Ort wiederfinden, an dem alles grau, traurig und trostlos ist und niemand Sie für voll nimmt, wenn sie von diesem Ort berichten, was würden Sie dann tun? Wenn alles hilflos zu sein scheint und die pure Verzweiflung uns ein Messer an die Kehle drückt, so schreien wir innerlich nach Hilfe, doch nach außen sind manche vielleicht auf Ablehnung gestoßen. Manche bleiben deshalb ruhig und beantworten die Frage „Wie geht es dir?“ mit einem Lächeln, gefolgt von einem halbherzigen „Gut“. Wenn in Wirklichkeit so mancher von einem Monster heimgesucht wird, das sich in den dunkelsten Ecken des Verstandes versteckt. Man möchte gern vor seiner liebsten Person auf die Knie fallen, weinend und schluchzend darum bitten, dass das Leiden ein Ende hat. Psychische Krankheiten lassen sich nicht mit einem Gips oder einem Pflaster heilen. Selbst Medikamente sind meist nur für eine Linderung der Symptome gut, bieten aber keinerlei Heilung. Es ist schwer zu verstehen, was mit einem geschieht, während man der Krankheit schutzlos ausgeliefert ist. Noch weniger wird es den Außenstehenden klar sein, was mit der jeweiligen Person los ist. Die betroffene Person braucht Hilfe. Ob sie dies äußerlich ablehnt, spielt dabei keine Rolle. Hilferufe können sich verstecken, sie können in scheinbar dahingeworfenen Kommentaren zum Vorschein kommen oder in Form von Selbstverletzung. In diesem Buch wird die Geschichte eines Menschen erzählt, der an einer psychischen Krankheit leidet. Seine Geschichte ist dabei keine Kreation wilder Fantasie. Sein Leben vor der Krankheit, seine Symptome und das Ende der Geschichte sind alles realistische Szenarien, basierend auf Recherchiertem und Selbsterlebtem. Der Protagonist braucht Hilfe. So wie viele andere Menschen auf unserem Planeten auch.



Erster Akt

Kapitel 1:
Nur ein Traum

Egal wo man auch hinsah, überall wuchsen Blumen aller möglichen Farben auf einem schier unendlichen Wiesenmeer. Inmitten dieses kunterbunten Blumenbeets stand Diel. Langsam ging er vorwärts, seine Hände suchend die Blumen um ihn herum ausgestreckt und seine Augen weit aufgerissen. Etwas Friedvolles ging von diesem Ort aus. Er schaute umher und versuchte die verschiedenen Blumen, die er sah, zu benennen. Rosen, Orchideen, Gänseblümchen, Mohnblumen, Lilien, es waren so viele und dennoch sah jede Einzelne anziehender aus als die andere. Nach einer Weile bemerkte Diel in der Ferne eine weitere Blume, doch diese war größer als alle anderen. Er lief zu ihr hinüber. Alle Blumen reichten ihm bisher bis zu seinem Oberschenkel, doch diese überragte ihn fast über seine doppelte Körpergröße hinaus. Er lief immer weiter auf sie zu und umso näher er ihr kam, desto mehr verschwanden die anderen Blumen aus seinem Blickfeld. Diese eine Blume schien sie alle zu übertreffen, es war ein bemerkenswertes Gefühl, ein Verlangen, dass er noch nie gefühlt hatte. Er stand inzwischen genau neben ihr. Jetzt betrachtete er sie ganz genau. Den Kopf konnte er nicht erkennen und der Stiel der Blume trug keine Blätter, er war ein reiner grasgrüner Stiel, aus dem eine durchsichtige, leicht rötliche Flüssigkeit zu laufen schien. Es hatte die Ähnlichkeit mit einem Schweißausbruch. Diel streckte seinen Finger aus und ließ die Flüssigkeit darauf zufließen. Sie war kühl und hatte eine eigenartige Konsistenz. Es fühlte sich an wie Honig, nur ohne die Klebrigkeit. Er brachte seinen Finger, der nun komplett mit der Flüssigkeit umhüllt war, zu seinem Mund. Ein verführerischer Geruch betörte seine Nase, er leckte seinen Finger. Es war süß mit einem bitteren Nachgeschmack. Diel überkam ein plötzliches Verlangen nach mehr. Er packte den Stiel der Pflanze mit seinen zwei Händen und fing an, die Flüssigkeit direkt abzusaugen. Doch immer weniger Flüssigkeit trat aus dem Stiel aus. Wie in einem Rausch begann er seine Zähne in den Stiel der Blume zu bohren. Er spürte, wie sich sein Mund wieder mit dem süßen verlockenden Geschmack füllte. Er biss immer weiter und weiter, riss ganze Stücke aus dem Stiel heraus, um seinen Mund immer mehr mit der Flüssigkeit zu füllen. Die Flüssigkeit fing an, sich in seinem Mund zu sammeln und lief ihm kriechend aus dem Mund. Diel bemerkte, dass ihm das Atmen immer schwerer fiel, er versuchte zu schlucken, doch die Flüssigkeit schien nicht weniger zu werden. Panik schlich sich an, und Diel versuchte sich von seinem Fressrausch zu lösen. Doch er konnte nicht aufhören. Er schluckte und schluckte, doch es half nicht. Er merkte, wie ihm die Flüssigkeit nicht nur durch den Mund entglitt, sondern nun auch durch die Nase. Er hatte das Gefühl zu ersticken, mit jedem Versuch zu atmen zog er Flüssigkeit in seine Lunge. Er versuchte zu husten, doch sein Schluckreflex schien stärker zu sein. Er versuchte zu schreien, doch seine Schreie verstummten unter den Massen an Flüssigkeit in seiner Lunge. Mit letzter Kraft versuchter er seine Hände von dem inzwischen dunkel gewordenen Stiel zu lösen. Und tatsächlich schaffte er es, seine linke Hand zu lösen. Reflexartig steckte er sich seine Hand in den Mund, in der Hoffnung, weitere Flüssigkeit davon abzuhalten, in ihn einzudringen. Sein Mund bewegte sich weiter, er biss und biss. Der süßliche Geschmack bekam eine metallische Note, seine Hand schmerzte. Verzweifelt versuchte er zu verstehen, wie er dieser Situation entkommen könnte. Er versuchte seine Finger weiter in Richtung Rachen zu schieben. Er schaffte es so weit nach hinten, dass er mit Hilfe seines Zeigefingers seinen Würgreflex aktivierte. Er fiel auf seine Knie und erbrach. Er spürte, wie sich sein Mund und seine Nase entleerten, doch er konnte immer noch nicht atmen. Er versuchte neben seinem Erbrechen durch Husten auch seine Luftröhre zu reinigen. Es gelang ihm schlussendlich, sich der Flüssigkeit zu bereinigen. Erleichterung begann sich langsam auszubreiten und Diel schaute auf seine linke Hand. Sie war überströmt mit einem Gemisch aus Blut, Erbrochenem und der seltsamen Flüssigkeit. Er blickte zum Stiel hinauf. Die Wunden, die er dem Stiel hinzufügte, schienen sich zu schließen. Der schwarz-grün gewordene Stiel färbte sich wieder zu einem hellen fröhlichen Grün. Dann fing er an sich zu bewegen. Er beugte sich und Diel konnte erkennen, dass der Kopf des Stiels sich hinab bewegte. Die Pflanze als Ganzes schien sich zu ihm herunterzubeugen. Diel starrte nur, seine Gedanken sprangen umher wie eine Meute von wildgewordenen Hunden. Verwirrt und verängstigt schaute er hinauf. Eine schwarze halboffene Blüte schaute auf ihn hinab. Der Kopf der Pflanze hatte fünf Blütenblätter. Sie alle waren pechschwarz. Der Kopf kam immer näher, bis er nur noch einige Zentimeter von Diels Kopf entfernt war. Diel warf nun einen genaueren Blick auf die Blüte. Sie schien kleine gelbe Punkte zu haben. Winzig klein, kaum erkennbar. Diel fühlte sich unwohl, er wollte weg von dieser Pflanze. Er kroch langsam zurück, doch die Pflanze schien ihm zu folgen. Plötzlich hörte er ein leises Summen. So leise, dass man es kaum hörte, wenn man auch nur das kleinste Geräusch machte. Diel blickte suchend umher, er versuchte die Quelle des Geräuschs zu lokalisieren. Es schien von der Blüte selbst zu kommen. Sie kam immer näher an sein Gesicht heran und das Summen wurde immer lauter. Langsam bewegten sich die Blütenblätter auseinander. Diel erstarrte vor Schreck. Die Blätter offenbarten ein widerliches Maul voller Reihen mit rasiermesserscharfen Zähnen. Die Innenseite der Blütenblätter schienen selbst winzig kleine gelbe Zähne zu besitzen. Im Inneren des Mauls konnte Diel einen federigen Körper erkennen. Er sah halb zersetzt aus, nur noch aus Knochen und Federn bestehend. Einige Knochen schienen fast durchsichtig und verflüssigt. Die Zähne knirschten aufeinander und zogen den Körper weiter hinunter in das schwarz-rote, leicht süßlich riechende Maul. Diel konnte sich nicht bewegen, seine Beine zitterten. Das Maul kam näher an ihn ran und das Summen wurde ohrenbetäubend laut. Er merkte, wie eine salzige Flüssigkeit seine Wange bis zu seinem Mund hinunterlief. Schluchzend mit zittriger Stimme versuchte er die Blüte von sich zu weisen. „Bitte, lass mich. Bitte, bitte. Ich will noch nicht … Ich will noch nicht. Bitte“, schlagartig umwickelte ihn ein schwarzer Teppich aus Zähnen. Er erwachte.














Kapitel 2:
Nur ein Schultag
Er stellte seinen Wecker aus. Diel blickte umher. Er erkannte sein Zimmer und ein Ausdruck von Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit. Langsam stieg er aus seinem Bett und blickte aus seinem Fenster. Es war noch früher Morgen, die Sonne zeigte sich nur schüchtern. Er taumelte noch immer etwas benommen in Richtung Badezimmer. Er nahm sich seine blaue Zahnbürste und blickte in den Spiegel. Dunkle Augenringe in einem bleichen mit Tränen gezeichnetem Gesicht blickten ihm entgegen. Diel wischte sich die Reste seiner Tränen aus dem Gesicht und putzte sich die Zähne. Danach ging er zu seinem Kleiderschrank. Er öffnete ihn und starrte etwas genervt hinein. Die Kleider waren allesamt geordnet und sorgfältig eingeräumt worden. Er nahm eine Biege farbenfroher T-Shirts aus dem Kleiderschrank und schmiss sie auf sein Bett. Manche hatten verschiedene Motive von Charakteren oder Logos darauf, wie Winnie Puh oder Bugs Bunny. Diel nahm sich ein schwarzes T-Shirt aus dem Schrank ohne Motiv. Dazu wählte er eine dunkelblaue Jeans und schwarze Socken. Im Bad nochmals angekommen, versuchte er sein etwas durcheinandergeratenes blondes Haar mit Wasser abzuflachen und kämmte es auf die Seite. Leise nahm er seinen Rucksack, schlich die Treppe hinunter, am Küchentisch vorbei und ging in Richtung Haustür. Er blickte auf den Kleiderständer. Dort hingen drei Stoffjacken. Eine weiße, eine rote und eine schwarze Jacke. Diel nahm sich die schwarze und stülpte sie über. Er öffnete die Tür, ging hinaus, setzte sich die Kapuze auf und lief zur Schule.

In der Schule angekommen, ging er sofort in das Klassenzimmer und setzte sich an seinen Platz. Er packte sein Schulmaterial aus und vermied es, irgendjemanden seiner Klassenkameraden anzuschauen. Plötzlich bekam er einen leichten Stoß von hinten.
„Guten Morgen, Schlaftablette. Spannende Nacht gehabt?“, ein breites Lächeln mit braunen Haaren sprang Diel ins Gesicht.
„Morgen, Aiden.“, gab Diel trocken mit einem aufgesetzten Lächeln zurück. Aiden blickte Diel ein wenig skeptisch an.
„Und?“
„Was und?“, fragte Diel verwirrt.
„Ob du ne spannende Nacht gehabt hast, hab ich gefragt!“, hackte Aiden nach. Er war immer sehr aufdringlich, wenn man nicht gleich auf seine Fragen antwortete.
„Nein, alles normal. Hab geschlafen.“
„Du kannst mir vieles sagen, aber geschlafen hast du bestimmt nicht. Außer wir beide meinen jeweils eine andere Bedeutung von Schlafen“, zwinkerte ihm Aiden zu. Diel stieß ein abwickelndes Lachen aus. „Wie auch immer, Osore und ich gehen ja morgen auf diese außerschulische Studienreise für eine Woche. Und du wolltest ja nicht mit, also wollte ich dich fragen, ob du Zeit hättest, eventuell meinen Hamster zu füttern, während ich weg bin?“, Aiden setzte ein breites Lächeln auf.
„Können deine Eltern nicht?“, fragte Diel etwas verwirrt.
„Die sind auf einer Kreuzfahrt. Kommen erst in drei Wochen zurück. Und du bist mein bester Freund, also bist du natürlich meine beste Alternative.“ Diel schaute Aiden direkt in die Augen. Diel verspürte einen gewissen Druck, ähnlich, wie wenn man unter Zeitdruck stünde.
„Na gut ich tu’s. Aber du bist mir was schuldig“, scherzte Diel.
„Ich danke dir. Und als Zeichen meiner Dankbarkeit verspreche ich dir, dass ich aufpasse, dass niemand Osore anquatscht“, lachte Aiden. Verlegen brach Diel den Blickkontakt mit Aiden ab und schaute auf seine Schulbücher, die auf seinem Tisch lagen. Da ertönte die Schulglocke und alle Schüler nahmen ihre Plätze ein.
Die Stunden fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Diel versuchte dem Lehrer stets zu zuhören, doch immer wieder driftete er ab und dachte wieder an seinen Traum. Es war nicht der erste Albtraum, den er erlebte, doch die Todesangst fühlte sich so echt an. Das Bild der Blume, die Zähne und das Flehen um Gnade ließen ihn noch immer schaudern. Irgendwann klingelte es dann zur Mittagspause. Diel wartete, bis Aiden zu ihm rüberkam und dann gingen sie zusammen in die Cafeteria. Sie setzten sich an einen Ecktisch, weiter weg von den anderen Schülern, die dort speisten. Eine Schülerin mit schwarzen Haaren, die ihr bis zu ihren Schultern reichten, kam auf die zwei zu. Sie setzte sich zu ihnen und gab Aiden einen Schulterklopfer.
„Und wieder ein weiterer langweiliger Schultag, der nicht enden will“, scherzte sie.
„Durchhalten, Osore, bald ist es vorbei. Dann heißt es eine Woche Strandurlaub“, lachte Aiden.
„Wenn die Lehrer mitspielen, aber die werden schon dafür sorgen, dass uns der Lernstoff nicht ausgeht“, sie packte aus einer Papiertüte eine Brotdose und eine Flasche Wasser aus. „Diel, du siehst etwas blass aus, alles okay?“ Osore lächelte etwas verlegen in Diels Richtung.
„Alles okay, nur etwas müde“, winkte er ihr entgegen.
„Ich dachte, du hast die Nacht geschlafen?“, stichelte Aiden.
„Ich habe nie gesagt, dass ich gut geschlafen habe“, sagte Diel etwas erwartungsvoll. Niemand ging weiter darauf ein.

Die Mittagspause schien für Diel nie lange anzudauern. Osore und Aiden redeten über den morgigen Tag und was sie alles auf ihrem Ausflug sehen wollen.
Manchmal fühle ich mich einfach fehl am Platz. Ich kann nicht mitreden, aber ich bin auch selber schuld. Ich brauche diese Studienreise nicht und wild am Strand feiern kann ich nicht. Was, wenn ich dort etwas Dummes anstellen würde? Ich bin irgendwo, weit weg von zu Hause und blamiere mich vor allen Leuten. Für Aiden und Osore wäre das ebenfalls blamierend. Sie freuen sich so auf den Ausflug und dann komme ich und reiße die ganze Stimmung runter. Es ist besser so. Auch wenn ich jetzt gerne mit Osore über den Ausflug reden würde. Generell wäre das schön, mit ihr allein mal wieder zu reden. Wenn sie lacht oder mich anlächelt, habe ich das Gefühl, alles von früher verschwindet und ich kann einfach nur ich sein. Ich habe dann das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Wie kann ein Mädchen mir nur so sehr den Kopf verdrehen?

Die Glocke ertönte und alle Schüler machten sich wieder zurück in ihre Klassen.
„Also Jungs, dann bis später!“, rief Osore ihnen zu, als sie sich durch den schmalen Gang voller Schüler kämpfte. Diel und Aiden winkten ihr nur entgegen und quetschten sich dann selber zu ihrem Klassenzimmer durch.
„Mann, diese Scheiß-Gänge. Wir haben jetzt Psychologie, oder?“, fragte Aiden.
„Ja, nur noch vier Zimmer weiter“, antwortete Diel.
„Na, dann los, ohne Rücksicht auf Verluste!“ Aiden nahm Diels Hand und stürmte durch die Menschenmenge. Viele Schüler und Schülerinnen schauten dabei genervt den beiden zu. Diel wurde etwas verlegen, während man von Aiden nur ein halbherziges „Sorry!“ hörte.

Ich bewundere, dass Aiden sich nicht wirklich etwas aus den Meinungen von anderen ihm gegenüber macht. Manchmal glaube ich, die ganze Schule könnte ihm jeden Tag sagen, was für ein mieser Arsch er sein kann, und er würde sich lächelnd bedanken. In diesem Punkt unterscheiden wir uns wohl am meisten. Ich würde das kaum aushalten können, stets beurteilt zu werden, nicht noch einmal.

Der Freitag war ein entspannter Schultag. Die Schule fängt um acht an und endet um fünfzehn Uhr. Die letzten beiden Stunden waren Psychologie. Ein Fach, das Diel sehr interessant fand.

Das Innere eines Menschen, das, was man nicht sehen oder anfassen kann. Unvorstellbar und doch ist es da, die Psyche. Es kann je nach Schicksalsschlag ein Segen oder ein Fluch sein. Extreme psychische Krankheiten wie Schizophrenie oder dissoziative Identitätsstörungen sind dabei nur einige Beispiele, wie sehr der menschliche Verstand es vermag, das Leben einer Person komplett zu verändern. Wir lesen stets über die Symptome in Büchern oder schauen uns Interviews an von Menschen, die sich erfolgreich gegen ihre Krankheit gewehrt haben. Doch wie sieht es aus, wenn man der Person direkt gegenübersteht, während sie zum Beispiel Wahnvorstellungen hat? In unseren Büchern heißt es, Menschen mit manischen Zuständen befinden sich auf einem emotionalen Höhenflug, alles scheint ihnen egal zu sein. Doch wie fühlt sich das wirklich an? Wie verhält sich diese Person, wenn ich ihr genau gegenüberstehen würde? Jede Person erlebt ihre psychische Störung anders. Eine Person mit Schizophrenie sieht wahrscheinlich nicht die gleichen Halluzinationen wie eine andere, wiederum sehen manche vielleicht nichts, aber hören dafür etwas, was nicht da ist. All diese verschiedenen Symptome, seien sie körperlich oder geistig, stehen hier in unseren Fachbüchern, aber keiner von uns wird jemals wirklich wissen, wie es ist, diese Hölle zu durchleben. Und dafür sollten wir dankbar sein.

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