Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit

Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit

Reinhold Tauber


EUR 20,90
EUR 16,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 470
ISBN: 978-3-99131-238-3
Erscheinungsdatum: 14.04.2022
Miteinander verbundene Einzelschicksale einer vierköpfigen Familie ergeben einen satirisch getönten Bericht über das Leben in all seinen Facetten, wie es sich in der heutigen Gesellschaft abspielt, in der Staat, Recht, Politik und Wirtschaft auch willkürlich die Bedingungen stellen.
Ein vielteiliges Lebensmuster

„Das Leben – Geschichten aus der Wirklichkeit …“
Ein Modell, ein vielteiliges Lebensmuster, montiert aus der Realität entnommen Fakten und Faktoren, die sowohl wirklichkeitsentsprechend gestaltet als auch in den Konturen satirisch, sarkastisch, fantastisch geschärft und gefärbt sind, durch diese Überhöhungen kommentierend eindringlicher wirken als lediglich gebündelte Nacherzählungen von Tatsächlichem.
Leitmotiv ist die Geschichte einer ganz „gewöhnlichen“ Familie in unser aller zeitlich über Jahrzehnte ausgedehnten Gegenwart, mit ihrem sich allmählich zerfasernden Alltag, mit der Entwicklungsgeschichte der Kinder, die ihre Lebenswege unabhängig voneinander gehen, die sich jedoch im Laufe der Geschichte verzahnen: mit besonderen Karrieren, Erlebnissen und Schicksalen in der Gesellschaft – mit guten und bösen Faktoren.
Ein großes Element ist das Sozialmodell der Absiedelung eines ganzen Stadtteils zugunsten der kommerziell orientierten „Stadtentwicklung“ in ein früheres Flüchtlingslager, das sich neben der eigentlichen Stadt zu einer eigenen Kommunität mit Langzeitperspektive entwickelt, mit allen politischen, sozialen, brauchtumsmäßigen, auch religiösen Faktoren mit den für unser Gemeinschaftsleben typischen Schwierigkeiten einer allgemeinen Übereinkunft. In dieser und um sie herum:
der perfide Umgang des Staates mit seinen eigenen Bürgern und hier neue Heimat suchenden Fremden. Modelle der Anwendung des „Rechts“, das gestaltet ist wie ein Gummiband*, das jede Interpretation durch Verwaltung und Gericht ermöglicht – zugunsten der jeweils geforderten Richtung, sei sie vom Staat oder von Gruppierungen für besondere Maßnahmen gewünscht. Gründe für das Abwenden vom Staat und der Hinwendung zu (nur fantastisch gezeichneten?) realen Schattenstrukturen von globalen Dimensionen (die in den vergangenen Jahren immer stärker aus dem Schatten ins Licht streben).
Nur einige Hinweise. Das Ganze ist gestaltet als Protokoll eines Berichterstatters, der Szenarien und Vorkommnisse aus beobachtender Distanz erarbeitet, im (nicht beabsichtigten, aber sich ergebenden Sinn) der von Friedrich Schlegel** formulierten Aspekte eines „modernen“ Romans: Spannung und Nachdenklichkeit, Einfallsreichtum, Fantastisches und Reales, dynamische Dialoge, epische Dichte, lyrische Zwischentöne … Dies war die Absicht. Ob sie verwirklicht wurde, entscheiden die Leser.

Reinhold Tauber

* Konkretes Beispiel: Zwei Meinungen zur österreichischen Strafrechtsreform 2015, eines Rechtsanwalts und eines Richters, zit. in OÖNachrichten, 5. Februar 2016:
Rechtsanwalt: „… über weite Strecken gründlich gescheitert, strotzt doch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 nur so von unbestimmten Gesetzesbegriffen, welche es dem Rechtsunterworfenen, aber auch dessen rechtlichem Berater zunehmend erschweren, die Grenzen zwischen gerade noch erlaubtem und bereits strafbarem Verhalten abzudecken.“
Richter: „Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 hat die Tätigkeit eines Strafrichters keineswegs vereinfacht, etwa durch die Formulierung neuer Tatbestände mit einer großen Anzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe und den dmit einhergehenden Schwierigkeiten eines Nachweises strafbaren Verhaltens.“

** Friedrich Schlegel (1772–1829): Philosoph, Literaturtheoretiker und -historiker, ab 1809 im Dienst der österreichischen Regierung. Er wurde geistiger Mittelpunkt der Frühromantik, seine Definition der Inhalte des „modernen“ Romans, bis heute prinzipiell gültig, formulierte er in der Zeitschrift „Athenaeum“ (1798–1800).



Die Geschichte
vom Beginn

Herr Eustachius* Leberecht war ein redlicher Mann. Er war redlich gezeugt worden, redlich geboren (wenn auch unter protestähnlichen, schmerzerfüllten Äußerungen der ihn in die Welt stoßenden Menschin, unter redlicher Betreuung fachlich spezialisierter Berater und Assistentinnen). Er trug einen redlichen Namen, den er sich nicht unredlich angeeignet hatte – denn in einen Namen wird man hineingeboren –, den als sogenannten Ruf- und Familiennamen lebenslang zu tragen er behördlicherseits verdammt worden war (Behörden verdammen zu Verdammende automatisch von der Wiege bis zur Bahre). Ihn mit Würde zu tragen und gegen bösartige Kommentierungen unkameradschaftlicher Gruppierungen in Zentren der Kenntnisvermittlung zu verteidigen, lernte er schon in frühjuvenilem Alter, was dem Schlachtruf „Non scolae sed vitae discimus“ eine praktische Note verliehen hatte.
Er kletterte die Stufen der Bildungsleiter redlich, wenn auch mit mancher schwachredlicher Nutzung probater Hilfsmittel unter dem Sammelbegriff „Mogeln“ hoch. Er wurde ein redliches Mitglied der großen, vielteiligen sogenannten Gemeinschaft der Arbeiter der Stirn und der Faust. In dieser erregte er Unmut wegen seiner redlich gefertigten Diagramme Zeit zu Leistung, was ihn nach mehrmals wirkungsvollem „Mobbing“ veranlasste, solche Gemeinschaften zu verlassen, da solche Redlichkeit auch in den oberen Etagen der Partnerschaften – Unternehmen genannt – weder gern gesehen noch auch dortselbst praktiziert wurde.
Er erwarb auch redlich ein amtliches Attest zur Verbindung mit und zur Nutzung einer dazu bereiten andersgeschlechtlichen Person. Die Betonung der Kombination maskulin/feminin wurde im Erlaubnis-Attest ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung konnte in früherer Zeit wegen Selbstverständlichkeit unterbleiben, ward aber in seiner Zeit notwendig, da auch mit Attest genehmigte und bestätigte Verbindungen von gleich mit gleich Mode geworden waren.

Mit solchen konnte freilich dem Ur-Auftrag „Mehret euch und füllet die Erde“ nicht nachgekommen werden. Die physikalisch-mechanische Aktion samt Ergebnis war also erlaubt worden, nur verpuffte sozusagen das Ergebnis ohne seinen mit der Anwendung eigentlich gedachten weiterführenden biologischen Prozess. Das bezog sich auf die Gleichheit maskulin. Die Gleichheit feminin musste aus körperlichen Strukturgründen andere Methoden der mit dem Attest amtlich genehmigten gemeinsamen Bedürfnis-Bedarfsdeckung entwickeln und anwenden.

Also nutzte Herr Eustachius Leberecht nach getroffener Auswahl die Nutzungserlaubnis mit der Auserwählten redlich, guten Gewissens, ihm gelegentlich zögernd gewährt, gelegentlich dringend eingefordert, von ihm selbst gelegentlich heftig erwünscht, gelegentlich zu beider Bedauern im Aktivbetrieb sozusagen von Starkstrom zu Schwachstrom wechselnd.
Gleichviel. Einmal wurde mit dem mit dem Andockmanöver verbundenen Materialausstoß in das für den Menschheitsteil feminin dafür vorgesehene Behältnis eine Kettenreaktion in Gang gesetzt mit dem Zweck des Durchpausens beiden gemeinsamer Eigenschaften und Struktureigenheiten von Augenfarbe bis Geradgliedrigkeit, von (später entwickelter) Anschmiegsamkeit bis Aggressivität im Umgang mit der Mit- und Umwelt. Es ergab sich als Ergebnis der Kettenreaktion der Produktions-Partnerschaft ein Doppelprodukt, vorgesehen nach Loslösung von der organischen Grund- und Erstversorgung zu biologischer Verselbständigung.
Erst sollte in die Chronik des Geschlechts geschrieben werden „Sie genas eines Knäbleins“ (als wäre die Produktentwicklung eine Krankheit gewesen). Der Eintrag musste umgehend geändert werden. Es schob sich erst ein eher mächtiges Köpfchen (im Vergleich zum Gesamten ist die Verkleinerung gestattet) in Richtung Welt. Dem Köpfchen folgte ein augenscheinlich männliches Körperchen, das belegt war mit einer wüsten Zottelei, was die Beobachter des Geschehens arg verwunderte und Andeutungen in Richtung später deutlicher entwickelter Eigenschaften des Unordentlichen zuließ.

Herr Leberecht beim Betrachten der Leibesfrucht, deren Startmaterial er geliefert habe, nachdenklich: Was zum Teufel ist da in meinem Samen passiert, in der Maische der Zellen, den Molekülen, in deren jedem zwei Polynukleotidstränge der Desoxyribonukleinsäure sich schraubig umeinander winden, was sie eine Doppelhelix nennen, mit Fäden verstrickt, die in Summe mehr als Menschenhöhe ergeben? Da war irgend etwas mit den Chromosomen passiert, die Erbinformationen von einem Organismus zum anderen durchpausen, denen man eigentlich kein falsches X für ein falsches Ypsilon vormachen kann … Wo sich der Fehler versteckte, könne ihm wohl kein Mensch erklären. Also: „Ich wurde meines Wissens redlich gezeugt, ich zeugte mit redlicher Methode, ich bin mir keiner inneren wie äußeren Schuld berwusst …“

Noch mehr verwunderte, dass, als das Körperchen sich ein Füßchen freigestrampelt hatte, an das andere (Ferse) geklammert sich ein zweites nachziehen ließ – die Empfehlung „Abstand halten“ außer Acht lassend –, nach vollständiger Bestandsaufnahme als weiblich zu bezeichnen. Der Zugriff des weiblichen Bestandteils des Doppels erfolgte schon mit einer gewissen Anmut, was spätere deutlicher entwickelte Eigenschaft mit Nutzanwendung erwarten ließ. Doch hatte die Anmut bei Betrachten des Köpfchens ihre derweilige Grenze. Die war begründet in einer Farbgebung, die auf Widerstand bei Verlassen des Reaktors und dem Durchwandern des Tunnels zum Tor schließen ließ. Solche Färbung ergab und ergibt sich im Allgemeinen bei Engschließen des Kanals der Luftzufuhr oder bei emotionalem Hochdruck infolge Staus des Blutes.
Nachdem das Doppel Realität geworden war, ging es um die Frage der die Identität fixierenden Nämlichkeit, fixiert von der Wiege bis zur Bahre.
Es war in der Bekanntschaft Herrn Leberechts und der gestarteten Geschlechterfolge ein Schriftgelehrter, der bei Betrachten der besonderen Körper-Umstände der beiden Zusatzobjekte der Menschheit eine symbolträchtige Namengebung vorschlug: Der männliche Teil des schließlich entkoppelten Körper-Doppels solle Edom und der weibliche Teil Violetta genannt werden.
Für den weiblichen Teil sei die Begründung schnell geliefert. Die bald glücklicherweise blasser werdende Färbung von Violettas Kopf beziehe sich natürlich auf die Tönung, eine Mischung aus den Komplementärfarben Blau und Rot (für den Körper auf Dauer unzuträglich). Das habe nichts zu tun mit der gleichnamigen Hauptfigur* eines weltberühmt gewordenen Dramas in Wort und Ton mit weltberühmt gewordenem Kunstnamen: einer schönen, (im Finale der Handlung gerade noch lebenden) nach Hochs und Tiefs im Lebensmeer, nach Leiden, Entbehrung und Auszehrung nun Verbleichenden, an deren Lager zwei Herren, d. Ä. und d. J., stehen und in hohen sowie tieferen Tönen ihre Dummheit beheulen, die es zu dem kommen ließ, was kommt, ehe der Vorhang fällt.
Zur Begründung und Beschreibung der Namengebungssache für den männlichen Teil – Vorschlag Edom – betonte der Schriftgelehrte, man müsse ein wenig weiter ausholen, der Hintergrund sei interessant. Wer ihm auf seinem Erzählweg folgen wolle, möge es tun, wer nicht, möge es bleiben lassen.

„Edom“ gefiel dem Verursacher, Herrn Leberecht, schon der Klangfärbung des morphologischen Begriffs wegen. Er gemahnte an ein sogenanntes SUV als Fortbewegungsmittel, hochbordig, bullig, gelenkig, mit Elefantengrill: ein ideales Stadtfahrzeug, mit dessen Handhabung allfällige Mehrpersonen-Überlegungen zur Nutzung einer Ruhefläche auf Parkplätzen öffentlicher Ordnung oder auch auf jenen von stark frequentierten Sammelflächen von privat geführten Supermärkten rasch zugunsten des Elefantengrill-Bewehrten entschieden werden könne.


Einschub: Vom Ursprung

Der Schriftgelehrte greift zu einem weisen Geschichtenbuch, darin stünde die Begründung für seinen Vorschlag.

Er blättert im Geschichtenbuch viele Seiten zurück, überspringt die Geschichte des Jesus und seiner Jünger, überspringt die Geschichte der Heulenden und Zähneknirschenden am Euphrat, überspringt noch eine lange Zeit im Rückwärts-Salto und ist angelangt:

Als das auserwählte Volk noch nicht auserwählt und auch noch nicht Volk war, sondern vorerst nur aus einem Manne bestand, der über eine große Zahl Schafe und Ziegen und Esel verfügte und mit Dienerschaft und seiner schon zeitlich etwas überstandigen Frau, was Nachwuchs-Produktion anlangt, in härenen Zelten hauste, erwuchsen der Frau jedoch nach erhörten Anrufungen mehrere Früchte im Leibe, was sich erst in vorsichtigen Körpersignalen, später nach üblicher Wartezeit als Tatsache erweisen sollte: Die Frau entließ erst ein Knäblein in die Welt, das aussah, als hätte sie einen jungen Zottelwolf geboren, die Oberfläche war hären wie die Zeltdecke, die seinen Eintritt in die Welt überdachte, und er zeigte alle Anzeichen des Ungebärdigseins, das erwies sich schon beim bösartigen Verhalten beim Wandern durch das Tor in die Welt.

Sein Vater beim Betrachten der Leibesfrucht, deren Startmaterial er zur Produktion beigesteuert habe, nachdenklich: „Was zum Teufel ist da in meinem Samen passiert, in der Maische der Zellen, den Molekülen, in deren jedem zwei Polynukleotidstränge der Desoxyribonukleinsäure sich schraubig umeinanderwinden, was sie eine Doppelhelix nennen, mit Fäden verstrickt, die in Summe mehr als Menschenhöhe ergeben? Da war irgend etwas mit den Chromosomen passiert, die Erbinformationen von einem Organismus zum anderen durchpausen, denen man eigentlich kein falsches X für ein falsches Ypsilon vormachen kann … Ich zeugte mit redlicher Methode, ich bin mir keiner inneren wie äußeren Schuld berwusst …“

In dem Strukturgestänge müsse also etwas aus dem Ruder gelaufen sein, denn sein Lebenwandel war redlich auch auf dem Ruhelager, von seinem Vater konnte er auch nichts Unredlichdes durchgepaust bekommen haben, dazu hatte er ihn zu gut gekannt …

Gleichviel. Doch sein Gedankengang wurde unterbrochen durch eine Fortsetzung des Geschehens auf dem Gebärstuhl. An die Ferse des Zotteligen geheftet trat eine Hand zutage, die nicht als dritte des Zotteligen betrachtet werden konnte. Nach der Hand schob sich ein dieser zugehöriger weiterer kleiner fertiger Organismus ins Helle (oder Dämmerige) des Tages. Dieser erwies sich bei Abkoppelung vom Vormann auch als männlich, allerdings – wie später in seinen Reisepapieren festgestellt werden sollte, „ohne besondere Kennzeichen“.

In die amtliche Registratur wurde der zuerst Erschienene Esau*, der andere Jakob* genannt, mit dessen Fruchtbarkeit und nach allerlei Fährnissen im Laufe langer Zeit das entstand, was sich später erstens als „das Volk“ erwies und sich zweitens das „auserwählte“ nannte. Doch das ist eine andere Geschichte.

Die besonderen Kennzeichen beider sollten sich bald ausprägen. Der Zottelige wurde ein Rabauke im Feld und auf der Weide, schuf sich nicht nur Freunde, sondern auch Nichtfreunde, von denen er (dazu kommen wir noch) vermuten sollte, diese oder jene aus der Unfreundeschar würden ihm dereinst den Garaus machen.

Der ohne besondere Kennzeichen wurde ein listiger Bursche, lernte, in wichtigen Angelegenheiten geschickt die Psyche eines Partners in zweckgebunden Angelegenheiten zu seinem Nutz und Frommen zu lenken, was der Wohlstandssteigerung nicht zum Nachteil gereichen sollte.

Soweit Kulisse und szenischer Hintergrund des Folgenden, das konkret und schwerwiegend und als Lehr-Beispiel für spätere schwierige Angelegenheiten dienen sollte.

Zum Beispiel
Das Beispiel, kurz vorhergesagt: Wer sollte was bekommen vom Erbe des Vaters, sobald dieser zu seinem Vater in die Höhle von Machpela in dem später von dem auserwählten Volk in seinem „Gelobten Land“ geschlichtet werden sollte? Ausgehandelt mit Speerwürfen oder mit Steinschleudern – jeder drei Würfe auf zehn Meter Distanz –, wer lebend oder tot aufgab, wäre der Verlierer? Enfach, würden nur zwei schachern, Aber wie, wenn mehrere schleudern müssten? Jeweils zwei gegen zwei?

Die Rechtsfinder der Zeit hatten dafür das Erstgeburtsrecht erfunden und in Stein oder Tontafeln gemeißelt oder gegriffelt. Der Erste, der ankam, kriegte alles und alle aus seinem künftigen Geschlecht sollten nach gleichem Schwerpunkt-Recht absahnen. Der später gekommene Geschlechtsrest konnte durch die Finger schauen oder man erfand Möglichkeiten der Erbteilung, die aber – so sollte die Geschichte künftig weisen – die Sache nicht leichter machen würden.

Als die Sprachen detailreicher und die Begriffe ziselierter wurden, kamen Adelige, damit nichts Blödes mit ihrem zu hinterlassenden Reichtum passierte (zum Beispiel Hauen und Stechen zur Verstärkung von Argumentationen), auf die Idee des „Primogenitur*“, das heißt: Es bleibt bei der Uralt-Entscheidung, der Erste und alle seines känftigen Stammes kriegen aus der Erbschafts-Tasse das Sahnehäubchen, um den Bodensatz muss verhandelt werden.

Das war ein schöner Begriff, der in der Klangkomposition verleitet zur Verknüpfung des auch von Machthabern über Leib, Leben und Land Verfügenden mit dem Begriff „Ius primae noctis*“, wobei es bei der Handlung des dazu Berechtigten mit dem Verfügungsobjekt – der dem Rechtsnachfolger die spätere Nutzung des Zugangstores erleichtern half – durchaus zur Begriffsverknüpfung des Ius mit dem gesplitteten Begriffsteil „Primogen“ kommen konnte, was sich im Fall des Falles ja nach biologisch vorgesehener Wartefrist bis zur Zustandsklärung herausstellen werde.

Zur Sache und deren Folgen
So kommt nun die Schlüsselszene: Eines schönen Tages kehrte der Rabauke in dem zentralen härenen Familienzelt ein, es dürstete und noch mehr hungerte ihn. Es brodelte auf dem Feuer zur Bereitung des Mittagsmahles eine würzig duftende Mischung aus Hülsenfrucht, kernigem, klein gewürfeltem gutem Speck, allerlei Kräutern und nicht näher zu erörternden anderen Zutaten, die Ergebnis-Summe war wichtig. (Es war sozusagen ein bekömmlicher „Eintopf in der Rein’“, von späteren Küchenmeistern wurde die Jahrhunderte überdauernde Variation „Bratl in der Rein’“ entwickelt.) Der Rabauke, kurz entschlossen zu seinem umrührerischen Bruder, der dafür sorgte, dass im Moment in der Rein nichts anbrenne, wie er auch sonst allgemein „nichts anbrennen“ ließ, wenn alle verstehen, was damit gemeint ist: „Gib mir was von dem Roten da!“, lautete der deutlich artikulierte Vorschlag des Rabauken, womit Künftiges definiert werden sollte, denn das „Rot“ war sprachlich „Edom“, was nach ergiebigem Weitertransport von Gene-Mengen und in logischen Zeiträumen erfolgenden Kettenreaktionen zu dem führte, was in die Geschichts-Geschlechter-Atlanten als „Edomiter“ eingetragen werden sollte, die dem auserwählten Volk später allerlei Unannehmlichkeiten bereiten sollten bei dessen Arrondierungs-Aktionen zur Gestaltung des Areals des gelobten Landes.

Der Listenreiche erfasste die für ihn sich günstig entwickelnde Sache – die Fressgier des zotteligen Bruders mit seiner dem Listenreichen unangenehmen Erbrechts-Situation –, und er hatte einen Vorschlag: Bruder Esau solle auf sein Erstgeburtsrecht zugunsten des Bruders Fersenhalter verzichten, dann gäbe es aus der Rein einen ordentlichen Klatsch in die Schüssel samt ev. Nachschlag auf Wunsch. Dem Zotteligen stand der Wunsch nach Eintopf vor dem nach Erbrecht, er meinte, ihm würden irgendwann ohnehin ein paar Pfeile die Lebenskanäle verstopfen, also was soll’s. Her mit der Rein, eingeschlagen.

Das sollte sich für ihn nach Familienbrauch und Glaubensrecht noch als sehr nachteilig herausstellen, denn der Listenreiche ließ der ersten List noch weitere folgen, die sich im Velauf der Geschichte in ihrer Wirkung nicht mehr umkehren ließen, was den Bruderzwist mit reichen weiteren Impulsen versorgte, denen der Listenreiche sicherheitshalber auf ein Gebiet entwich, auf dem der Zottelige nichts verloren hatte, wo für ihn Wartezeiten begannen mit weit gespannter Zukunftsperspektive, doch das wäre eine andere Geschichte.

So viel also zu Edom, dem Wie und Warum, wie es der Schriftgelehrte bündig mit dem Vortrag aus dem weisen Buch der Erzählungen verdeutlichte. In diesem fanden Vor-, Haupt- und Nachgeschichte auf 20 Seiten Platz. Der Schriftgelehrte hätte das Ganze auch aus dem Erzählungenbuch eines weisen späteren Beschreibers* vortragen können, ganz genau so, nur auf 1200 (in Worten tausendzweihundert) Seiten Kleingedrucktem in Buch-Großformat. Da war den Informierten mit der alten Kleinversion besser gedient.

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