The Strange Ones

The Strange Ones

Raven Vanis


EUR 16,90
EUR 10,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 242
ISBN: 978-3-99048-541-5
Erscheinungsdatum: 11.05.2016
Die Strange Ones sind Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten. Immer mehr werden grundlos verhaftet oder sogar hingerichtet. Tazer Warden macht sich auf, um die verantwortliche First Organisation zu stoppen - obwohl das Vorhaben aussichtslos scheint …
Prolog - Sakuya Liev

Jeder in Cinaria kennt meinen Namen – er wird gefeiert, geehrt und respektiert. Ich bin die erste Leiterin der First Organisation, die den Frieden über unseren schönen Kontinent gebracht hat. Und nun bin ich bewegungsunfähig ans Bett gefesselt und warte auf den Tod. Die Zeit ist längst reif, um meine Geschichte niederzuschreiben. Dieser Idiot von Schreiberling … ja, du sollst Idiot schreiben. Warum? Ich bin alt, ich darf schimpfen. Und jetzt lenk mich nicht ab! Also dieser Idiot soll nach meinem Tod dem neuen Leiter dienen. Ob das allerdings was wird, weiß ich nicht. Meine über alles geliebte Tochter Natsumi wird von nun an die Führung übernehmen, sie ist ein guter Mensch und wird den Frieden wahren. Doch nun zu meiner Geschichte, bevor ich jämmerlich abkratze:
Alles begann vor 50 Jahren mit der Eifersucht eines sehr labilen Mannes. Sein Name war Cedric Gunister – in der Öffentlichkeit nannte man ihn aber schlichtweg Gun. Er war ein verwöhntes Muttersöhnchen, von Geld und Langeweile umgeben. Aufgrund der Stellung seiner Mutter, welche im früheren Rat tätig war, genoss er Narrenfreiheit. Niemand zügelte oder bestrafte ihn. So wurde er in dem Glauben groß, dass ihm alles erlaubt sei. Im Alter von 25 Jahren verliebte sich Gun in ein Mädchen von der Straße, sie hatte weder Eltern noch ein Dach über dem Kopf. Trotzdem faszinierte sie ihn mit ihrer Schönheit, ihrem Auftreten und ihrem Lächeln. Jeden Tag ging er zu ihr und brachte ihr Essen, Sachen zum Wechseln und bot ihr jedes Mal an, dass sie zu ihm ziehen könne. Dort hätte sie Geld und Macht, niemand würde sie schlecht behandeln. Das Mädchen, Finnja Hime, lehnte sein Angebot jedoch jedes Mal ab mit der Begründung, dass sie hier alles hätte, was sie bräuchte. Eines Tages fasste Gun den Entschluss, sie einfach mitzunehmen, dann würde sie verstehen, wie schön das Leben sein könne. Doch an ihrem üblichen Platz fand er sie nicht vor. Er suchte sie in der Nähe und wollte schon zurück nach Hause gehen. Da hörte er zwei Stimmen, eine davon gehörte definitiv Finnja, doch die zweite konnte er nicht zuordnen. Es war eindeutig, dass beide Stimmen aus der schmalen Gasse zwischen Obst- und Fleischhändler kamen, und so spähte er um die Ecke. Ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er Finnja in den Armen eines anderen Mannes sah – dieser sah genauso verwahrlost aus wie sie, ein Niemand von der Straße. Er presste sie mit seinem Körper gegen die Wand und küsste sie hart, woraufhin sie die Arme um ihn legte. Das war also der Grund, warum sie nicht mit Gun gehen wollte. Blanke Wut packte ihn, er stürmte in die Gasse, riss die beiden auseinander und schlug dem Straßenjungen ins Gesicht. Finnja schrie auf und wollte ihrem Geliebten helfen, doch Gun hielt sie am Arm fest. „Caleb! Geht’s dir gut?“, fragte sie panisch. Dieser rappelte sich auf und ging auf Gun zu, funkelte ihn böse an und sagte: „Lass die Finger von meiner Verlobten! Geh und such dir ein reiches Mädchen, du hast einen so guten Menschen wie Finnja nicht verdient!“ Bei dem Wort Verlobte drehte sich Guns Magen um. Was bildete sich dieser Straßenjunge überhaupt ein? Als er noch immer nicht von Finnja ablassen wollte, schlug Caleb auf ihn ein. Gun musste feststellen, dass sein Gegner äußerst stark war, und so zog er sich zurück. Kein weiteres Mal würde er sich so demütigen lassen, dafür würde er schon sorgen. Gun heuerte ein paar Schlägertypen an, doch auch diese kamen mit blutigen Nasen und eingezogenem Schwanz zurück. „Die haben uns fertiggemacht! Du hast uns belogen, er war nicht allein und seine Freunde waren genauso stark wie er!“, jammerte einer von ihnen.
Am nächsten Tag traf Gun sich mit seinem besten Freund, einem dubiosen Wissenschaftler.
„Du hättest die erbärmlichen Angsthasen sehen sollen! Wie können stinkende Penner nur so stark sein?“, fragte er ihn.
„Sie mussten womöglich schon ihr ganzes Leben kämpfen, um nicht zu krepieren, da ist das nur logisch. Lass es doch einfach gut sein, das Mädchen will dich sowieso nicht.“
„Sie weiß nur nicht, dass sie mich will! Ich kann ihr alles geben, angefangen von Geld bis hin zu einer hohen Stellung bei meiner Mutter.“
„Man kann sich Glück und Liebe nicht kaufen.“
„Natürlich kann man das! Denk doch mal nach, Oliver.“
„Das tue ich die ganze Zeit und du störst mich dabei! Ich habe wichtige Experimente am Laufen, da brauche ich dein Geschwafel nicht“, sagte Oliver und rückte sich seine Brille zurecht.
„Könntest du nicht ein Mittel erfinden, das einen Menschen stark macht? Ich meine, so richtig stark.“
„Ein Mittel vielleicht nicht, aber mir kommt da so eine Idee. Wenn du mir alles zur Verfügung stellst, was ich brauche, erschaffe ich dir eine starke Armee.“ Olivers fast schwarze Augen funkelten vor Aufregung.
„Ich besorg dir alles, was du willst! Du musst mir nur eine Liste geben.“
„Du brauchst keine Liste, es sind nur zwei Dinge. Zuerst brauche ich die Überreste der Tariana und dann sind nur noch Versuchskaninchen nötig.“
„Tariana? Wer soll das sein?“, fragte Gun.
„Sie sind unsere Vorfahren, du weißt schon, die Verrückten, die ums Feuer tanzten und angeblich magische Kräfte hatten. Du findest alles in den Gräbern in Silverland.“
„Silverland? Du weißt schon, dass wir hier in Ira sind, oder? Silverland ist genau am anderen Ende des Kontinents! Wie stellst du dir das vor?“
„Du hast doch genug Geld, um Leute dafür zu bezahlen, ohne diese Überreste geht gar nichts. Willst du sie nun oder nicht?“
Ohne Zeit zu verschwenden, engagierte Gun ein Team von Spezialisten, welche innerhalb zwei Monaten wieder zurück waren. Sie brachten die Überreste in Olivers Labor und wurden davor großzügig belohnt. Gerade, als sie sich mit dem Geld verdrücken wollten, sagte Oliver: „Entschuldigt bitte, meine Herren. Gun hat mir die Erlaubnis gegeben, mir meine Versuchskaninchen selbst auszusuchen. Sie sind alle in einem sehr guten körperlichen Zustand, daher wäre es mir eine Freude, mit euch zu experimentieren.“
Bevor sich die Männer aus dem Staub machen konnten, wurden sie von Olivers Assistenten gepackt und betäubt.
„Das wird das interessanteste Experiment meines Lebens!“, rief Oliver freudig.
Einige Tage später kam Gun ins Labor, um das Ergebnis des Experiments zu sehen. Oliver begrüßte ihn hocherfreut.
„Mein Freund, wie schön, dass du da bist! Ich habe nur ein Versuchskaninchen verloren, die restlichen sind mir ausgezeichnet gelungen. Meine Herren, seid so freundlich und zeigt Gun unseren Erfolg.“
Vier Männer traten vor und einer nach dem anderen zeigte ihm die neue Kraft.
Der Erste konnte sich in einen Tiger verwandeln, der Zweite konnte Feuer speien, der Dritte verwandelte sich in einen Steinmenschen und anstatt des Vierten sah er einen Minotaurus.
„Das ist unglaublich! Und sie sind wirklich stark? Wieso kann jeder was anderes?“, fragte Gun und konnte sein Glück kaum fassen. Bald würde er Finnja zu sich holen, für immer.
„Sie sind erstaunlich stark und haben sowohl einen stabileren Körper als auch eine höhere Schmerzgrenze als normale Menschen. Ich habe leider keinen Einfluss auf die Fähigkeiten, jeder Körper geht anders mit den gedopten Überresten um.“
„Und was ist mit dem Fünften passiert?“
„Zuerst lief alles glatt, er hatte eine mentale Fähigkeit – so eine Art Analytik. Doch sein Körper machte die Veränderung nicht mit und er starb.“
„Man muss auch Opfer bringen. Oliver, du bist ein Genie! Die sind so was von strange … wie nennen wir sie?“
„Strange, sagst du … wie wär’s mit Strange Ones?“
„Perfekt! Wie viele kannst du noch machen? Ich hol mir nicht nur Finnja, bald wird uns der ganze Kontinent gehören.“
„Ich wusste, dass du das sagst, ich habe noch genug Überreste, um wie versprochen eine ganze Armee von Strange Ones zu erschaffen. Beschaff mir einfach weitere Objekte und ich werde sie dir zu Soldaten machen! Soldaten, die keiner besiegen kann!“

Einige Jahre später befand sich Cinaria, unser schöner Kontinent, in einem fürchterlichen Krieg und ich wurde als Krankenschwester direkt nach Ira geschickt, um zu helfen. Leider konnte ich dieser Tätigkeit nicht lange nachgehen, denn bereits am dritten Tag wurde ich überfallen, von hinten betäubt und weggebracht. Ich erinnere mich nur noch an einzelne Bilder, ein Mann mit Brille und einem Furcht einflößenden Grinsen, grelles Licht und Schmerzen im Bereich des Herzens. Als ich wieder erwachte, fühlte sich mein Körper anders an. Ich konnte meinen Herzschlag hören, meine Sinne waren dreimal stärker ausgeprägt als sonst und meine Haut fühlte sich wie Stahl an. Der Mann mit Brille kam auf mich zu, er trug ein Klemmbrett mit sich herum. Freundlich lächelte er mich an und fragte: „Wie geht es dir? Fühlst du dich irgendwie anders?“
„Mir geht es gut, aber ich fühle mich wirklich etwas seltsam. Was ist passiert? Und warum bin ich hier?“
„Inwiefern fühlst du dich seltsam?“
„Ich habe gefragt, wo ich bin.“
„Und ich habe gefragt, inwiefern du dich seltsam fühlst. Du beantwortest meine Fragen und dann ich deine, abgemacht?“
„Zuerst meine Fragen!“
„Nein. Abwechselnd ist das letzte Angebot, was ich dir machen kann.“
„Gut, meine Haut fühlt sich wie Stahl an und ich bin so ausgeruht, als hätte ich drei Jahre durchgeschlafen.“
„Okay, das ist normal. Sonst noch irgendetwas? Kribbeln im Körper?“
„Ich bin mit Fragen dran! Wo bin ich?“
„In meinem Labor, du wurdest auserwählt, um Soldatin der neuen Welt zu werden. Du kannst dich glücklich schätzen.“
„Wie bitte? Neue Welt? Was ist mit mir passiert?“
„Na, na, deine Antwort bitte, Fräulein Liev.“
„Abgesehen davon, dass es mich gewaltig stört, dass Sie mich hier festhalten und meinen Namen kennen, fühle ich sonst nichts. Kein Kribbeln, gar nichts!“
„Du bist ab heute ein Strange One, auf gut Deutsch: Du hast übermenschliche Fähigkeiten bekommen. Welche, wird sich noch herausstellen.“
„Wollen Sie mich verarschen?“, schrie ich.
„Nein, das ist durchaus eine ernste Angelegenheit. Du gehörst nun zu Guns Armee und bald wird uns der ganze Kontinent gehören. Also überleg dir gut, auf welcher Seite du stehen willst“, drohte die Brillenschlange.
Und da wurde mir alles klar, warum ich hier war und was meine Aufgabe war. Ich sollte Menschen töten, unschuldige Menschen – nur weil einem Wahnsinnigen langweilig war. Das kam gar nicht infrage! Doch ich konnte mich in diesem Moment noch nicht wehren, zuerst musste ich die Lage checken und mir etwas einfallen lassen. Fast einen Monat spielte ich die brave Untergebene, beendete das Training als Beste und konnte auch mit meiner neuen Fähigkeit am besten umgehen. Ich konnte die magischen Kräfte anderer in mich aufnehmen und sie in alles umwandeln, was man sich nur vorstellen konnte. Damit konnte ich meine Heilung verbessern, mich unendlich stark machen und keiner konnte mir etwas anhaben. Bald war ich Guns rechte Hand, er vertraute mir blind und ich hatte die Möglichkeit, ihn zu studieren, um eine Schwachstelle in seinem System zu finden.
Eines Nachts, als ich in Guns Büro herumschnüffelte, öffnete sich schlagartig die Tür und Marco krachte herein. Marco war der Zweitbeste des Trainings und ein viel zu sorgloser Mensch.
„Was macht die rechte Hand des Tyrannen hier?“, fragte er grinsend.
„Das Gleiche könnte ich dich fragen“, antwortete ich und versuchte, mich normal zu benehmen.
„Ich schätze mal, ich will das Gleiche wie du. Wie kommt es, dass du Guns Büro durchsuchst? Du als seine Vertraute?“
„Wer sagt, dass ich es durchsuche?“
„Ich fühle die Anwesenheit der Strange Ones, ihre Bewegungen und ihren Gemütszustand. Mehr brauche ich nicht zu sagen, oder?“
„Vielleicht hast du dich getäuscht“, zischte ich ihn an, doch er lachte nur.
„Komm mit, ich zeig dir was“, sagte er und verließ den Raum. Zwar war ich total wütend, dass er mich beim Schnüffeln entdeckt hatte, trotzdem folgte ich ihm. Er führte mich aus dem Hauptgebäude, über den großen Trainingsplatz bis hin zu einem Werkzeugschuppen.
„Willst du mich jetzt töten und vergraben? Dann sag ich es dir gleich, gegen mich hast du keine Chance“, sagte ich kalt.
„Das weiß ich doch. Halt einfach die Klappe und komm mit.“
Er öffnete die Tür zum Werkzeugschuppen, schob eine Truhe zur Seite und öffnete eine Falltür. Danach bedeutete er mir, ihm nach unten zu folgen – natürlich hatte ich ein ungutes Gefühl, doch ich war viel stärker als er, also konnte mir im Prinzip nichts passieren. Ich folgte ihm durch einen feuchten Flur und landete mitten in einem riesigen Raum voller Stühle. Gut die Hälfte der Elite und auch andere Soldaten sprachen wirr durcheinander, bis sie mich sahen. Alle verstummten und sahen mich hasserfüllt an. „Was tut sie hier?“ „Spinnst du, Marco?“ „Die verpfeift uns sicher!“ Konnten ernsthaft alle Soldaten in diesem Raum gegen Gun sein? Wollten auch sie ihn stürzen?
„Jetzt haltet mal alle die Klappe! Unsere geschätzte Sakuya hat soeben im Büro des Königs geschnüffelt. Sie ist auf unserer Seite, also keine Panik. Oder?“, fragte er, drehte sich zu mir um und wartet auf eine Antwort.
„Genau.“
„Und warum hast du dann so eine hohe Stellung? Bist du nicht seine Vertraute?“, rief ein anderes Mädchen.
„Genau das bin ich. Schon mal was von Tarnen und Täuschen gehört? Je mehr er mir vertraut, umso weniger rechnet er mit einem Hinterhalt.“
Im Raum wurde es wieder still, alle starrten mich fassungslos an.
„Also ich trau ihr nicht!“, rief ein Soldat.
„Dann hast du eben Pech. Sie ist die Einzige, die überhaupt zu Gun durchkommt, das müssen wir ausnutzen. Wir haben nur noch einen Tag Zeit für die restliche Planung“, sprach Marco und alle beruhigten sich. Wahrscheinlich trauten sie mir trotzdem nicht, aber zumindest hielten sie die Klappe. Marco weihte mich in ihren Plan ein, den ich natürlich noch verbessern konnte.
„Okay“, begann er, „dann gehen wir alles noch einmal durch. Nachts sind wenige Soldaten im Gebäude, da Sakuya ja immer in Guns Nähe ist, das müssen wir ausnutzen. Gruppe 1 bewacht das Labor von Oliver, Gruppe 2 und 3 die Kasernen. Gruppe 1 der Elitesoldaten beseitigt die Wachen am Eingang und in den ersten zwei Stockwerken von Guns Haus, die zweite Gruppe kommt übers Dach und eliminiert die obersten Wachen. Guns Schlafzimmer liegt im dritten Stockwerk. Sobald Gruppe 1 der Elitesoldaten mit ihrer Arbeit fertig ist, stürmen Sakuya und ich die dritte Etage, und während ich mich mit den Wachen beschäftige, bringt Sakuya ihn um. Alles verstanden?“
„Aber wie wissen wir, dass Gun schläft?“, fragte ein Elitesoldat.
„Zwar geht er bereits um 22 Uhr ins Bett, doch er schläft erst so um 1 Uhr richtig fest“, antwortete ich ihm.
„Und was machen wir, wenn er tot ist? Wer übernimmt die Führung von Ira? Er hat den Rat samt seiner Mutter ausgelöscht …“
„Wir machen das! Wir haben ein paar schlaue Köpfe hier und sollten nach so einer Aktion immer zusammenarbeiten“, meinte Marco und ich sah ihn skeptisch an.
„Stimmt, wir sind doch jetzt auch schon so etwas wie eine Geheimorganisation. Wie wär’s, wenn wir uns First Organisation nennen? Wir helfen den Menschen, wo wir nur können mit unseren Kräften!“, rief ein weiterer Soldat und ich musste lächeln, denn ich wollte das Gleiche sagen. Wir sollten mit solch besonderen Fähigkeiten nicht gegen die Menschen kämpfen, wir sollten sie unterstützen!
Leise und heimlich begann die Operation. Nach unserer Ausbildung waren wir die perfekten Killer – schnell und lautlos. Die einzelnen Gruppen erfüllten ihre Aufgabe mit Bravour, Marco und ich versteckten uns in meinem Zimmer. Es lag nur drei Türen weiter von Gun, sodass ich ihm immer zu Hilfe eilen konnte. Dass das auch einen Nachteil haben könnte, war wohl nie ein Gedanke von ihm. „Du bist sicher, dass du 20 Elitesoldaten allein ausschalten kannst?“, fragte ich etwas besorgt. Ich wusste, dass er stark war, aber trotzdem machte ich mir Sorgen um ihn.
„Du solltest dir eher Sorgen um dich machen, ich bin der Einzige, der dir traut. Sollte die Operation scheitern, töten sie dich. Aus welchem Grund auch immer, also bemüh dich.“
Ich konnte nicht anders als zu lachen, als würde mir etwas passieren!
„Jetzt ist es genau 1:30 Uhr, wir sollten dann mal beginnen. Die ersten Wachen übernehme ich“, sagte ich und verließ das Zimmer. Die gewohnten Wachen begrüßten mich mit etwas überraschtem Gesicht, und ohne ihnen Zeit zum Überlegen zu geben, schaltete ich sie der Reihe nach aus. Bald würden die restlichen Wachen der Etage kommen, also gab ich Marco das Klopfzeichen und sperrte die Tür zu Guns Schlafzimmer auf. Nur Oliver und ich hatten einen Ersatzschlüssel, ein weiterer Fehler von Gun. Leise schloss ich die Tür von innen wieder ab und ging auf sein viel zu großes Bett zu. Im Schlaf sagte er immer wieder einen Namen. Finnja – das Mädchen, von dem er mir immer erzählte, das Mädchen, das sich selbst das Leben nahm. Ich kannte die Geschichte nur zu gut: Er hatte Finnjas Verlobten töten lassen und sie gefangen genommen. Sie erhängte sich in ihrem Zimmer mit den Kordeln des Vorhanges.
„Gun“, sagte ich mit lauter Stimme. Er sollte wach sein, ich musste ihm noch etwas sagen. Verschlafen öffnete er die Augen und sah mich verwirrt an.
„Sakuya? Was ist los?“
„Warum tötest du Menschen?“
„Was?“
„Warum tötest du Menschen?“
„Sie stellen sich mir in den Weg.“
„Das ist alles?“
„Ja natürlich! Mit meinen Strange Ones gehört mir bald ganz Cinaria!“
„Denkst du wirklich, dass du uns im Griff hast? Denkst du wirklich, nur weil du uns Fähigkeiten verliehen hast, bleiben wir auf deiner Seite? Da täuschst du dich aber gewaltig. Wir sollten den Menschen helfen! Durch die Fähigkeiten haben wir so viele Möglichkeiten, Gutes zu tun.“
„Aber das tue ich doch! Indem ich die schlechten Menschen töte“, verteidigte er sich.
„Nur weil jemand nicht deine Meinung teilt, ist er noch lange kein schlechter Mensch. Aber du bist ein schlechter Mensch. Es ist Zeit, deine Tyrannei zu beenden.“
Vom Flur drangen Kampfgeräusche zu uns, Marco schien doch einige Schwierigkeiten zu haben. Ich packte Gun am Hals und zerrte ihn aus dem Bett, dabei verstärkte ich meinen Griff, sodass er zu röcheln begann. Doch so einen Tod wollte ich nicht für ihn – also schleifte ich ihn zum Fenster, blieb stehen und fragte ihn nach seinen letzten Worten.
„Das alles habe ich nur für sie getan. Nur für Finnja.“
Eine Träne kullerte über seine Wange, doch da nahm ich auch schon alle Kraft zusammen und warf ihn durch die Scheibe. Einen Moment später hörte ich den Aufprall und das Jubeln der Soldaten – wir waren am Ziel! Anschließend half ich Marco, die anderen Wachen abzuwehren. Oliver fand man tot in seinem Labor auf. Niemand wusste, ob er sich selbst erschossen hatte oder nicht. Wir verloren bei dieser Operation zwei Soldaten, es ging alles glatt.
Dann begann eine neue Ära, ich wurde zum Leiter der First Organisation gewählt und verkörperte damit gemeinsam mit Marco, meinem nun verstorbenen Ehemann, die Exekutive von ganz Cinaria. Auch unsere Kinder hatten übermenschliche Fähigkeiten, was vielleicht nicht so schlecht war. Nie wieder würde ein Strange One gegen einen Menschen kämpfen, und wer sich nicht daran halten konnte, wurde von uns eliminiert!
Unser Plan hätte gar nicht schiefgehen können. Gerne hätte ich einen ausführlichen Bericht über die Kämpfe geschrieben. Kämpfe um Leben und Tod, doch so war es nicht – manch andere Soldaten ergaben sich gleich und schlossen sich uns an. Im Endeffekt wusste jeder, dass es nicht so weitergehen konnte. Und das war’s eigentlich. Nichts Besonderes, hm? Es sollte auch nichts Besonderes werden, es sollte bloß die Menschheit vor einem liebeskranken Mann retten.
5 Sterne
Anders, Aufregend, Lustig, Lässig - 13.05.2016
Victoria H.

Dieses Buch ist ein Muss für alle Fantasy & Sci-Fi Liebhaber! Die Geschichte ist sehr spannend und die verschiedenen Charaktere ermöglichen einzigartige Perspektiven. Der Schreibstil ist unkonventionell, locker, lustig und einfach erfrischend zu lesen! Ich kann es wirklich nur weiter empfehlen und wünsche jedem viel Spaß beim Lesen!

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