Der große, weite Mensch

Der große, weite Mensch

Kati Struzy


EUR 19,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 70
ISBN: 978-3-95840-930-9
Erscheinungsdatum: 29.08.2019

Leseprobe:

Prolog


Wir sind nichts. Wir sind niemand. Unser Körper ist lediglich eine Hülle, der Verstand ein Instrument, dessen Melodie wie von Geisterhand erklingt. Jeder Gedanke ist eine einzelne Note, die nach einem Gedankenmuster hinter dem Violinschlüssel steht. Egoismus? Ein eingebildetes Konstrukt, welches durch den kleinsten Windhauch zum Einsturz gebracht zu werden vermag. Das alles sind die Werkzeuge, die uns Menschen zur Verfügung stehen, damit wir nach jeder Pfeife tanzen können und die Orgel ein Orchester spielt. Jede einzelne Pfeife lässt einen individuellen Ton erklingen, so verschieden wie die menschlichen Charaktere. Der Orgelspieler drückt die richtigen Tasten und schon begleiten seine Marionetten das wunderschönste Theaterstück. Gleich dem Puppenspieler, der seine Figuren liebt und vergöttert, als wären sie seine ihn verehrenden Kinder, welche ohne sein Zutun keinen Schritt wagen. Nicht zu vergessen ist der Dirigent, ohne den jeder Beteiligte seinen Einsatz zum korrekten, nicht störenden Zeitpunkt verpassen würde.
Der Bühnenbauer gleicht dem Komponisten, der voller Eifer und Tatendrang die schönste und stimmigste Sinfonie zaubert. Wie die Spielfiguren im beliebten Gesellschaftsspiel folgen unsere Züge den altbewährten Regeln. Verlassen wir den Weg, um dem festhaltenden, beklemmenden roten Faden zu entfliehen, tanzen wir aus der Reihe. Doch wer kann sich ein Zusammenspiel von ausschließlich gleichklingenden Geigen als faszinierendes, atemberaubendes und fesselndes Konzert vorstellen?
So wie das zu spielende Meisterstück begrenzt wirkt, so scheint es auch unser Verstand zu sein. Ein Instrument, das nur ein gewisses Portfolio zur Verfügung hat, um die zauberhaftesten Melodien erklingen zu lassen. Schauen wir jedoch hinter die Kulissen, hinter den verbergenden Schleier, der als Vorhang getarnt ist, entdecken wir unbegrenzte, außergewöhnliche Möglichkeiten.
Entfliehen wir den schutzspendenden Marotten, die der Verstand uns vorspielt, erhören wir eine bezaubernde Stimme wie aus dem Nichts, die uns unseren Weg zeigt und uns zur Seite steht. Der Gesang, den wir fortan wahrnehmen, übertönt die in uns umherkreisenden und wiederkehrenden Gedanken. Sie verschwinden nicht, sie werden leiser. Wenn wir ihre knechtenden Dienste brauchen, erwachen sie treuevoll in enormer Lautstärke aus ihrem Winterschlaf und dienen uns, wie der Knecht seinem Herrscher. Plötzlich brechen wir heraus, aus der Gewohnheit, aus der Einfachheit. Es gibt keine sinnlos aufeinanderfolgenden Gedanken mehr, die sich in einem stetig wiederkehrenden Muster präsentieren. Vielmehr bilden sich in unserem neu entdeckten Notensystem sensationelle, inspirierende Denkmomente, die sich fortan geordnet im Bassschlüssel aufreihen. Jede Note steht nun nicht mehr für sich allein da, sondern ist zu einem großen Ganzen eingeladen worden und nimmt Platz am reich gefüllten Tisch. Beobachtend staunt und betrachtet sie, bevor sie lauthals ihre Meinung kundtut. Doch in den aussagekräftigen Zeitperioden meldet sie sich aus der Vergessenheit zu Wort und ist da – im perfekten Augenblick.
Unser eingebildetes Konstrukt bricht ein wie die Schlittschuhtänzer in den angetauten See. Keine Vorstellung davon, was uns erwartet, was auf uns zukommt. Kontrollverlust auf voller Linie mit bedeutungsvoller Bereitschaft, ein Wagnis zu riskieren, einen Einblick zu erhaschen. Haben wir zu viel Angst, werden wir von ganz allein zum Ausgangspunkt und somit auf den Rückweg geführt. Voller Vertrauen können wir uns somit in die offenen Arme laufen, die uns entgegengestreckt werden. Es wird, wie es werden soll. Wir haben alle Macht der Welt und sind dennoch völlig machtlos. Ein Widerspruch? Nur für den, der nicht vermag, zwischen den ungeschriebenen Zeilen zu lesen. Setzen wir die rosarote Brille, im Sinne der wahrhaftigen Liebe, auf, erkennen wir, dass dort Hieroglyphen sind, die darauf warten, entschlüsselt zu werden. Um dieses Rätsel des Lebens zu lösen, sind deduktive Fähigkeiten von Vorteil, um bestehende Zusammenhänge schneller erfassen und begreifen zu können. An dieser Stelle ist der Detektiv in uns gefragt.
Leider gilt es zunächst, den räubernden Verstand zu beruhigen oder ihn in seine Schranken zu weisen. Mit großer Mühe wird er versuchen, Auswege und Ausreden zu finden, damit wir nach den gewohnten, alltäglichen Liedern tanzen. Ein kleiner Machtkampf, welcher über die Bereitschaft sowie die Geschwindigkeit unserer Erkenntnisse entscheidet. Gehen wir als Verlierer hervor, ist nichts verloren, sondern lediglich verschoben, da wir wieder und wieder die Chance auf Revanche bekommen. Wahrscheinlich wird sich die nächste Möglichkeit in anderer Form als die vorherige zeigen, doch der Sinn, der dahintersteckt, wird dem gleichen Zweck gewidmet sein. Verpassen wir den Handlungsdrang, der uns nahegelegt wird, wird er uns zu gegebener Zeit wieder einholen und erinnern. Alle uns zur Verfügung stehenden Mittel haben ihre Aufgabe, ihren Sinn und Zweck. Jedem stehen die gleichen Werkzeuge bereit. Über die Nutzung sowie die Art des Einsatzes entscheidet jedes Individuum für sich selbst. Der Mensch ist von Grund auf ein Gewohnheitstier und fühlt sich behüteter, wenn er nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzt. Diese Schutzbarriere kann Freude und Leid nach sich ziehen. Durch sie durchzubrechen kann ebenfalls beides zur Folge haben. Gewohnheiten sind nicht neu, nicht erlebt und schon gar nicht riskant. Sie sind vielmehr nützliche, zwingend erforderliche, schwer wegdenkbare, automatisch ablaufende Handlungen. Wirklich? Manchmal. Gewisse Selbstverständlichkeiten wie essen, schlafen und Ähnliches sind von Nöten für ein unbeschwertes Überleben. Es wäre also von Vorteil, einen durchleuchtenden Blick auf die Gewohnheiten zu werfen, um sie in die Kategorien „hilfreich“ und „weniger hilfreich“ einzuteilen. Die nützlichen kann man ändern, muss man aber nicht. Übrigbleibende sollten genauer betrachtet und analysiert werden – sehr genau. Einige der Reaktionsweisen auf Gegebenheiten wurden uns mühevoll antrainiert, wie dem Elefanten, der vom Dompteur dressiert wird. Dazu gehören beispielsweise unsere „guten Manieren“, andere sind die Erfüllung der Erwartungen unserer Gegenüber – gewisse davon fallen unter Gruppenzwang. Diejenigen, die meist an einer Hand abzuzählen sind, bestimmen oft unsere Charaktereigenschaften und Wirkungsweise auf die Mitmenschen. Diese herausstechenden Gewohnheiten machen uns persönlich zu etwas ganz Besonderem – zum Star unserer Show. Ob die daraus stammenden Eigenschaften positiv oder negativ sind, liegt im Auge des Betrachters. Nur der Tänzer entscheidet, ob ihm unser vorgegebener Takt gefällt und er sich ihm anschließt oder ihn sogar durch sein Zutun bereichert und weiterentwickelt. Bleiben seine Füße still, schweben wir nicht auf einer Wellenlänge.
Der Tanzplatz wird vom Komitee vorgegeben, dessen Mitglieder unter Stress und Druck versuchen, ein Bein vor das andere zu setzen. Von harmonischer Symphonie fehlt jede Spur. Selbst dem Fährtenleser fällt es schwer, unter diesen Gegebenheiten nicht vom zielführenden Pfad abzukommen. Der Weg, der einst durch Kiesel, dann durch Steine und zuletzt durch Felsen geebnet war, endet an einer tiefen Schlucht, aus der man nur mit herzgeführtem Eifer emporsteigen kann. In dieser endlosen Tiefe der Verzweiflung wird lediglich die herrliche, Mut spendende Gemeinschaft der Orchesterspieler beruhigende Wirkung zeigen. Das Gemisch dieser ertönenden Melodie ermöglicht es uns, selbst in dunkelsten Momenten einen Lichtblick zu erhaschen, der uns beflügelt, wenn wir seinem Glanze folgen. Wenn wir uns öffnen, springt der Funke über und reißt uns mit in die lebendige, lodernde Flamme des Lebens. Als würden sich Solisten bei den Händen nehmen und zu einem zauberhaften Duett schreiten. Nicht mehr alleine, jeder für sich, vielmehr in mitreißender Partnerschaft. Ein Bündnis für die Ewigkeit. Das Zusammenspiel rührt die Zuschauer zu Tränen, da sie fassungslos beobachten, was sich vor ihnen auf der Bühne abspielt. Ein entschlossener Zusammenklang, der jedes Herz zum Schmelzen zu bringen vermag. Selbst die Jury schaut wortlos auf die vor Dynamik sprudelnde Premiere, welcher sie zugleich mit Skepsis und Neugierde gegenübersteht. Wegweisungen sind an dieser Stelle unangebracht und vor allen Dingen vergeblich und machtlos. Die Musikanten treten kraftvoll in die Pedale und lassen sich nicht beirren. Tempoveränderungen lassen die Begleiter vor Spannung regelrecht mitfiebern. Ist man erst einmal in den Bann solch einer Darbietung geraten, ist ein Ausbrechen kaum vorstellbar. Zu schön und herzerwärmend sind der Anblick und die Frequenz, welche einen umgeben. Jegliche Wiederholung des Refrains, sei es nur ein kleiner Teil, eröffnet Türen der Freude, Herrlichkeit und Erinnerung. Die Erkenntnis, dass alles in Verbindung steht ohne Betrachtung von Raum und Zeit, eröffnet sich uns. Schwebt man in dieser wundervollen Unendlichkeit, meldet sich der kritische Verstand zurück. Wir werden nun vor die Wahl gestellt, seiner pochenden Störung klein beizugeben oder weiter der Faszination des Lebens zu lauschen. Keine Sorge, falls des Verstandes Überzeugungskunst siegt, denn zu gegebener Zeit begegnen wir der Entscheidungsfindung erneut – bis zum Lebensende und darüber hinaus. Keineswegs ist es egoistisch, den Verstand ruhen zu lassen und seinem Herzen zu folgen. Denn nur dieses kennt den wahrhaftig für uns richtigen Weg in die Raum und Zeitlosigkeit. Die Stimmlage des Verstandes ist in diesen Situationen enorm wichtig. Unsere Aufgabe ist es, eine Gesangstechnik zu finden, die diese entscheidende Stimmlage beeinflusst. Reine Übungssache, wenn wir die Technik entdeckt und verinnerlicht haben. Jeder Begleiter auf unserem Lebensweg ist für eine gewisse Zeit ein Lehrer und Vorbild für uns, von dem wir Bruchstücke dieser Technik erlernen können, wenn wir das mit ihm Erlebte durchschauen und hinterfragen. Welcher Begleiter auch immer zurzeit an unserer Seite ist, ist da, weil er uns helfen und lehren möchte. Die Personen können so verschieden sein, wie Violine, Bratsche und Cello, welche im Orchester jedoch ein perfektes Zusammenspiel erklingen lassen. Öffnen wir unser Herz, so hat ein jeder ein offenes Ohr und ehrliche Worte für uns übrig. Besonders wichtig ist an dieser Stelle zu verstehen, dass sich die Puzzleteile meist nach einiger Zeit zusammenfügen und sich erst später der Sinn für uns offenbart.
Verfallen wir der Einsamkeit, verpassen wir all diese wunderbaren Botschaften der Liebe. Gehen wir also in die Oper, um nie mehr allein zu sein. Lauschen wir dem Klang des Lebens und staunen wir über die wundervollen Dinge, die uns fortwährend geboten werden. Schrauben wir den Egoismus auf ein Minimum hinunter, eröffnen sich uns die faszinierendsten Möglichkeiten und Gegebenheiten. Das Paradies auf Erden in seiner prachtvollen Blüte. Nehmen wir die warnenden oder auch poesiereichen Melodien der mit uns gemeinsam durch das Leben schreitenden Silhouetten wahr, ist der halbe Weg bereits gegangen. Nun heißt es zu verstehen, worauf wir hingewiesen werden, und das Verstandene umzusetzen. Lassen wir uns mit der Welle, die uns umgibt, impulsartig durch das Schauspiel gleiten, werden wir den Himmel auf Erden sehen und spüren. Wundersame Begegnungen und Erlebnisse werden uns zuteil. Wir werden Teil des Ganzen. So wie die Harfe im Orchester, so haben auch wir den einmaligen, unvergesslichen Einsatz. Danach begleiten wir, genau wie sie, ein wundervolles, stilvolles Treiben vieler Beteiligter. Grenzen wir uns ab, verstummt unsere einzigartige Stimme. Lassen wir sie zu Wort kommen, tauchen wir auf aus der dunklen, tiefen Schlucht, in der wir uns all die Zeit verkrochen haben. Unsere antrainierten Kunststücke verlernen wir im Nu, wenn wir damit beginnen, ihrem fesselnden Drang zu entfliehen. Der Dirigent wird uns nicht den Takt vorgeben müssen, da wir von Natur aus wissen, wann wir unsere Werkzeuge zum Einsatz bringen. Wie wir sie nutzen können, erlernen wir durch das sich immer wiederholende Ausprobieren. Setzen wir uns in Bewegung, wird sich alles fügen und zu uns strömen, was von Nöten ist, um voranzukommen. Das Komitee wird uns in den höchsten Tönen loben. Die Zufriedenheit unserer Mitspieler wird zu weiteren Wagnissen führen, die uns voller Stolz zeigen, dass alles möglich ist – auch für uns. Unentdeckte Talente werden sich zeigen. Nutzen wir jeden Impuls, der sich in uns regt, begegnen wir einer Welt, wie wir sie niemals für möglich gehalten hätten. Natürlich sind Höhen und Tiefen vorhanden, doch die Rückschläge verscheuchen uns nicht mehr zurück in die Schlucht, wie wir es zuvor gewohnt waren. Ein stabiles Grundgerüst bestärkt uns, nach vorn zu blicken und weiterzumachen, ohne aufzugeben. Umgeben wir uns mit den Charakteren, die uns in unserem Tun stärken, haben wir einen kräftigen Rückenwind, der uns entspannter vorantreibt. Jasager sind uns wohlgesonnen, wenn ihre Meinung aus tiefstem Herzen ans Tageslicht gelangt und ohne Neid und Missgunst übermittelt wird. Doch auch Neinsager können im richtigen Moment weise Lehrer für uns sein. Der Hintergrund beider Meinungen sollte hinterfragt werden und das für uns Beste wird uns begleiten. Mut machende, Hoffnung spendende Gesellschaft ist enorm wichtig für ein erfolgreiches Leben. Was wäre die Mühe wert, ein Konzert zu geben, wenn es für die Zuhörer keinen Sinn ergäbe, ihm zu lauschen? Begrenzende Mitmenschen ziehen einen selbst zurück in die dunkle Vergessenheit. Lassen wir uns nicht beirren. Der sonnige Weg wird es sein, von dem wir allen berichten. Halten wir durch, wird die Sonne stetig näher kommen und ihre wärmenden Strahlen werden uns dazu ermutigen, eine Taste nach der anderen zu drücken. Nicht zu vergessen sei, dass ein Wetterumschwung zum Kräftesammeln und Gedankenordnen unumgänglich ist. Nur mit klaren, sichtbaren Zielen können wir etwas erreichen. Denn wohin soll der Tänzer schreiten, wenn kein Tanzplatz angekündigt wurde?
All unsere im Sand gesetzten Spuren werden von den aufgezwungenen Alltäglichkeiten des Lebens verweht. Lässt die Euphorie, die wir durch die von uns vollbrachten Wunder gespürt und gelebt haben, nach, sinken wir zurück in den Schatten unserer Selbst. Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, nutzen wir dazu, sie in den letzten Reihen der zweiten Geigen zu vergeuden, anstatt all den Mut und die Kraft zu bündeln und aus diesem Gemisch das nächste, noch wirkungsvollere Imperium zu zaubern, in dem wir in unseren tiefsten Träumen schon längst verweilen. Die knechtenden Ketten an unseren Sklavenfüßen sind es, die uns an dieser Stelle gefangen halten. Doch finden wir einen Hoffnungsschimmer am Horizont, brechen wir aus, wie das Magma aus dem brodelnden Vulkan. Wir werden zur Lava. Wir nehmen die Position der ersten Geige in Anspruch und setzen uns dafür ein, dass sich das von Herzen Erwünschte uns nunmehr zu Füßen legt und prachtvolle Wirklichkeit wird. Wer ist es, der der Triangel vorgibt, wie laut sie erklingen darf? In wessen Macht liegt die Kontrolle über all die Herrlichkeit? Nur in unseren Händen befindet sich das Samenkorn, welches zu voller Blüte wachsen kann. Also, legen wir es in ein gehütetes Bett aus Liebe und Geborgenheit, damit es aus sich herauswachsen kann. Gießen wir das Geschöpf der Vollkommenheit mit allem nur erdenklich Guten, so wird es gedeihen in enormer Pracht, welche wir uns zuvor kaum ausmalen können. Die Fäden der Marionetten gleiten sogleich aus den Händen des Puppenspielers. Freiheit ist es, welche die Figuren fortan vorantreibt. Die Entfaltung ihres Selbst ist das göttlichste Geschenk auf Erden. Zusammenhalt ist die Kraft, die alle Veränderung untermauert. Ein Fundament aus gefestigten Ansätzen bestärkt die zukünftigen Gedankenmelodien. Lassen wir sie erklingen, fallen wir in den Zauber des Lebens. Wir begreifen die Bedeutung, die hinter dem großen, weiten Menschen steht.




Kapitel 1

Die Hülle

Schauen wir durch diese prächtigen Kugeln in unserem Kopf, so erblicken wir die uns umgebende Außenwelt. Strecken wir die Hände vor das Gesicht, so können wir diese sehen. Das, was unsere Augen täglich im Spiegel wahrnehmen, ist unser Körper, wie uns beigebracht wurde, als wir Kinder waren. Doch was steckt dahinter? Aus medizinischer Sicht wissen wir, dass in uns eine ganze Menge an Dingen enthalten ist, die wir für das Leben in dieser Welt brauchen. Der Körper hat Bedürfnisse, welche unentwegt gestillt werden möchten. Er möchte köstliche Speisen verzehren, entspannende Ruhepausen genießen und sich von allem Unbrauchbaren entleeren. Ganz schön simpel, könnte man meinen. Doch wie jeder weiß, gibt es da noch mehr, was es für uns zu beachten gilt. Unsere Haut möchte behütet werden, die Lunge möchte frische Sauerstoffzufuhr, die Beine fordern Bewegung, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wenn wir das Licht der Welt erblicken, ist es uns nicht möglich, all diese Aufgaben zu erledigen. Wir geben die Verantwortung somit in die Hände unserer Eltern und können nur mit all der Liebe, die wir ausstrahlen, hoffen, dass sie sich um alles kümmern. Anfangs fällt es uns schwer, uns zu artikulieren, wodurch wir manche Male unseren Behütern auf den Schlips treten. Wir selbst vergessen diese anfängliche Zeit recht schnell, doch unser Körper vergisst nie. Hat unsere äußere Schutzschicht einmal Wunden erlitten, ist es möglich, dass wir sie in späterem Alter noch sehen oder sogar spüren. Der Körper ist eine Hülle, die uns schützend umgibt und die mit uns wächst. Zunächst wächst sie nach oben, im Alter nach unten. Sie wächst nach links, nach rechts und manches Mal nach vorn und nach hinten. Die Hülle verändert sich, befindet sich in ständigem Wandel, ohne den Blick für das Notwendige zu verlieren. Sie ist es, die es uns ermöglicht, auf der Erde zu leben, uns zu bewegen, zu hören, zu sprechen und zu lesen. Für all die Möglichkeiten, die sie uns bietet, fordert unsere Hülle natürlich auch die für sie überlebenswichtigen Gegebenheiten ein. Essen, trinken oder schlafen wir nicht, wird sie für uns schwieriger nutzbar. Krankheiten schleichen sich ein und weisen uns stetig darauf hin, dass wir gegen eine Regel verstoßen haben, die unbedingt wieder beachtet werden muss, um wieder gesund zu werden, zu Kräften zu kommen und die äußere Maschine wieder brauchbar zu machen. Beachten wir das Verlangte nur für kurze Zeit, beginnt eine Achterbahnfahrt durch das Medizinrepertoire. Trägheit, Erschöpfung und Unwohlsein sind erste Anzeichen für einen aus der Balance geratenen Körper. Begreifen wir schnell, wodurch wir dieses Ungleichgewicht erzeugt haben, geht es uns fix besser. Es gibt kein Patentrezept für einen perfekten Körper. Jede Hülle ist etwas ganz Besonderes, ein Individuum. Ihre Form weicht ab von jeder anderen. Lediglich die Silhouette ähnelt der unserer Gefährten. Jeder Körper hat die gleichen Grundbedürfnisse, doch die Feinheiten des Verlangens unterscheiden sich enorm. Ein Körper kann mehr Schlaf benötigen, der andere weniger. Der Erste möchte viele kleine Mahlzeiten, dem Nächsten reichen zwei große am Tag. Unsere Hülle möchte sich ausgiebig bewegen, die unseres Nachbarn braucht den gleichen Zeitraum für Erholungsphasen. Wir müssen also lernen und verstehen, was genau für unsere einzigartige Wesenheit das Richtige ist. Doch wie soll man wissen, was das Passende ist? Man muss durchprobieren, testen und abwägen. Für den einen Körper ist ein warmes Bad im Kerzenschein die wohltuendste Beschäftigung, der andere fühlt sich dadurch unter Stress gesetzt oder kann nur in einen kurzzeitigen Genuss verfallen. Adrenalinkicks sind für voller Tatendrang sprudelnde Körper perfekt, doch der ängstliche, sich stets Verletzende kann damit nicht glücklich werden. Schon beim Essen entdeckt man die faszinierenden Unterschiede. Geschmäcker sind so verschieden wie die äußeren Hüllen an sich. Wo dem einen die gebratene Leber den Heißhunger stillt, bewirkt sie beim Gegenüber bereits durch den Geruch Würgzustände…

Prolog


Wir sind nichts. Wir sind niemand. Unser Körper ist lediglich eine Hülle, der Verstand ein Instrument, dessen Melodie wie von Geisterhand erklingt. Jeder Gedanke ist eine einzelne Note, die nach einem Gedankenmuster hinter dem Violinschlüssel steht. Egoismus? Ein eingebildetes Konstrukt, welches durch den kleinsten Windhauch zum Einsturz gebracht zu werden vermag. Das alles sind die Werkzeuge, die uns Menschen zur Verfügung stehen, damit wir nach jeder Pfeife tanzen können und die Orgel ein Orchester spielt. Jede einzelne Pfeife lässt einen individuellen Ton erklingen, so verschieden wie die menschlichen Charaktere. Der Orgelspieler drückt die richtigen Tasten und schon begleiten seine Marionetten das wunderschönste Theaterstück. Gleich dem Puppenspieler, der seine Figuren liebt und vergöttert, als wären sie seine ihn verehrenden Kinder, welche ohne sein Zutun keinen Schritt wagen. Nicht zu vergessen ist der Dirigent, ohne den jeder Beteiligte seinen Einsatz zum korrekten, nicht störenden Zeitpunkt verpassen würde.
Der Bühnenbauer gleicht dem Komponisten, der voller Eifer und Tatendrang die schönste und stimmigste Sinfonie zaubert. Wie die Spielfiguren im beliebten Gesellschaftsspiel folgen unsere Züge den altbewährten Regeln. Verlassen wir den Weg, um dem festhaltenden, beklemmenden roten Faden zu entfliehen, tanzen wir aus der Reihe. Doch wer kann sich ein Zusammenspiel von ausschließlich gleichklingenden Geigen als faszinierendes, atemberaubendes und fesselndes Konzert vorstellen?
So wie das zu spielende Meisterstück begrenzt wirkt, so scheint es auch unser Verstand zu sein. Ein Instrument, das nur ein gewisses Portfolio zur Verfügung hat, um die zauberhaftesten Melodien erklingen zu lassen. Schauen wir jedoch hinter die Kulissen, hinter den verbergenden Schleier, der als Vorhang getarnt ist, entdecken wir unbegrenzte, außergewöhnliche Möglichkeiten.
Entfliehen wir den schutzspendenden Marotten, die der Verstand uns vorspielt, erhören wir eine bezaubernde Stimme wie aus dem Nichts, die uns unseren Weg zeigt und uns zur Seite steht. Der Gesang, den wir fortan wahrnehmen, übertönt die in uns umherkreisenden und wiederkehrenden Gedanken. Sie verschwinden nicht, sie werden leiser. Wenn wir ihre knechtenden Dienste brauchen, erwachen sie treuevoll in enormer Lautstärke aus ihrem Winterschlaf und dienen uns, wie der Knecht seinem Herrscher. Plötzlich brechen wir heraus, aus der Gewohnheit, aus der Einfachheit. Es gibt keine sinnlos aufeinanderfolgenden Gedanken mehr, die sich in einem stetig wiederkehrenden Muster präsentieren. Vielmehr bilden sich in unserem neu entdeckten Notensystem sensationelle, inspirierende Denkmomente, die sich fortan geordnet im Bassschlüssel aufreihen. Jede Note steht nun nicht mehr für sich allein da, sondern ist zu einem großen Ganzen eingeladen worden und nimmt Platz am reich gefüllten Tisch. Beobachtend staunt und betrachtet sie, bevor sie lauthals ihre Meinung kundtut. Doch in den aussagekräftigen Zeitperioden meldet sie sich aus der Vergessenheit zu Wort und ist da – im perfekten Augenblick.
Unser eingebildetes Konstrukt bricht ein wie die Schlittschuhtänzer in den angetauten See. Keine Vorstellung davon, was uns erwartet, was auf uns zukommt. Kontrollverlust auf voller Linie mit bedeutungsvoller Bereitschaft, ein Wagnis zu riskieren, einen Einblick zu erhaschen. Haben wir zu viel Angst, werden wir von ganz allein zum Ausgangspunkt und somit auf den Rückweg geführt. Voller Vertrauen können wir uns somit in die offenen Arme laufen, die uns entgegengestreckt werden. Es wird, wie es werden soll. Wir haben alle Macht der Welt und sind dennoch völlig machtlos. Ein Widerspruch? Nur für den, der nicht vermag, zwischen den ungeschriebenen Zeilen zu lesen. Setzen wir die rosarote Brille, im Sinne der wahrhaftigen Liebe, auf, erkennen wir, dass dort Hieroglyphen sind, die darauf warten, entschlüsselt zu werden. Um dieses Rätsel des Lebens zu lösen, sind deduktive Fähigkeiten von Vorteil, um bestehende Zusammenhänge schneller erfassen und begreifen zu können. An dieser Stelle ist der Detektiv in uns gefragt.
Leider gilt es zunächst, den räubernden Verstand zu beruhigen oder ihn in seine Schranken zu weisen. Mit großer Mühe wird er versuchen, Auswege und Ausreden zu finden, damit wir nach den gewohnten, alltäglichen Liedern tanzen. Ein kleiner Machtkampf, welcher über die Bereitschaft sowie die Geschwindigkeit unserer Erkenntnisse entscheidet. Gehen wir als Verlierer hervor, ist nichts verloren, sondern lediglich verschoben, da wir wieder und wieder die Chance auf Revanche bekommen. Wahrscheinlich wird sich die nächste Möglichkeit in anderer Form als die vorherige zeigen, doch der Sinn, der dahintersteckt, wird dem gleichen Zweck gewidmet sein. Verpassen wir den Handlungsdrang, der uns nahegelegt wird, wird er uns zu gegebener Zeit wieder einholen und erinnern. Alle uns zur Verfügung stehenden Mittel haben ihre Aufgabe, ihren Sinn und Zweck. Jedem stehen die gleichen Werkzeuge bereit. Über die Nutzung sowie die Art des Einsatzes entscheidet jedes Individuum für sich selbst. Der Mensch ist von Grund auf ein Gewohnheitstier und fühlt sich behüteter, wenn er nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzt. Diese Schutzbarriere kann Freude und Leid nach sich ziehen. Durch sie durchzubrechen kann ebenfalls beides zur Folge haben. Gewohnheiten sind nicht neu, nicht erlebt und schon gar nicht riskant. Sie sind vielmehr nützliche, zwingend erforderliche, schwer wegdenkbare, automatisch ablaufende Handlungen. Wirklich? Manchmal. Gewisse Selbstverständlichkeiten wie essen, schlafen und Ähnliches sind von Nöten für ein unbeschwertes Überleben. Es wäre also von Vorteil, einen durchleuchtenden Blick auf die Gewohnheiten zu werfen, um sie in die Kategorien „hilfreich“ und „weniger hilfreich“ einzuteilen. Die nützlichen kann man ändern, muss man aber nicht. Übrigbleibende sollten genauer betrachtet und analysiert werden – sehr genau. Einige der Reaktionsweisen auf Gegebenheiten wurden uns mühevoll antrainiert, wie dem Elefanten, der vom Dompteur dressiert wird. Dazu gehören beispielsweise unsere „guten Manieren“, andere sind die Erfüllung der Erwartungen unserer Gegenüber – gewisse davon fallen unter Gruppenzwang. Diejenigen, die meist an einer Hand abzuzählen sind, bestimmen oft unsere Charaktereigenschaften und Wirkungsweise auf die Mitmenschen. Diese herausstechenden Gewohnheiten machen uns persönlich zu etwas ganz Besonderem – zum Star unserer Show. Ob die daraus stammenden Eigenschaften positiv oder negativ sind, liegt im Auge des Betrachters. Nur der Tänzer entscheidet, ob ihm unser vorgegebener Takt gefällt und er sich ihm anschließt oder ihn sogar durch sein Zutun bereichert und weiterentwickelt. Bleiben seine Füße still, schweben wir nicht auf einer Wellenlänge.
Der Tanzplatz wird vom Komitee vorgegeben, dessen Mitglieder unter Stress und Druck versuchen, ein Bein vor das andere zu setzen. Von harmonischer Symphonie fehlt jede Spur. Selbst dem Fährtenleser fällt es schwer, unter diesen Gegebenheiten nicht vom zielführenden Pfad abzukommen. Der Weg, der einst durch Kiesel, dann durch Steine und zuletzt durch Felsen geebnet war, endet an einer tiefen Schlucht, aus der man nur mit herzgeführtem Eifer emporsteigen kann. In dieser endlosen Tiefe der Verzweiflung wird lediglich die herrliche, Mut spendende Gemeinschaft der Orchesterspieler beruhigende Wirkung zeigen. Das Gemisch dieser ertönenden Melodie ermöglicht es uns, selbst in dunkelsten Momenten einen Lichtblick zu erhaschen, der uns beflügelt, wenn wir seinem Glanze folgen. Wenn wir uns öffnen, springt der Funke über und reißt uns mit in die lebendige, lodernde Flamme des Lebens. Als würden sich Solisten bei den Händen nehmen und zu einem zauberhaften Duett schreiten. Nicht mehr alleine, jeder für sich, vielmehr in mitreißender Partnerschaft. Ein Bündnis für die Ewigkeit. Das Zusammenspiel rührt die Zuschauer zu Tränen, da sie fassungslos beobachten, was sich vor ihnen auf der Bühne abspielt. Ein entschlossener Zusammenklang, der jedes Herz zum Schmelzen zu bringen vermag. Selbst die Jury schaut wortlos auf die vor Dynamik sprudelnde Premiere, welcher sie zugleich mit Skepsis und Neugierde gegenübersteht. Wegweisungen sind an dieser Stelle unangebracht und vor allen Dingen vergeblich und machtlos. Die Musikanten treten kraftvoll in die Pedale und lassen sich nicht beirren. Tempoveränderungen lassen die Begleiter vor Spannung regelrecht mitfiebern. Ist man erst einmal in den Bann solch einer Darbietung geraten, ist ein Ausbrechen kaum vorstellbar. Zu schön und herzerwärmend sind der Anblick und die Frequenz, welche einen umgeben. Jegliche Wiederholung des Refrains, sei es nur ein kleiner Teil, eröffnet Türen der Freude, Herrlichkeit und Erinnerung. Die Erkenntnis, dass alles in Verbindung steht ohne Betrachtung von Raum und Zeit, eröffnet sich uns. Schwebt man in dieser wundervollen Unendlichkeit, meldet sich der kritische Verstand zurück. Wir werden nun vor die Wahl gestellt, seiner pochenden Störung klein beizugeben oder weiter der Faszination des Lebens zu lauschen. Keine Sorge, falls des Verstandes Überzeugungskunst siegt, denn zu gegebener Zeit begegnen wir der Entscheidungsfindung erneut – bis zum Lebensende und darüber hinaus. Keineswegs ist es egoistisch, den Verstand ruhen zu lassen und seinem Herzen zu folgen. Denn nur dieses kennt den wahrhaftig für uns richtigen Weg in die Raum und Zeitlosigkeit. Die Stimmlage des Verstandes ist in diesen Situationen enorm wichtig. Unsere Aufgabe ist es, eine Gesangstechnik zu finden, die diese entscheidende Stimmlage beeinflusst. Reine Übungssache, wenn wir die Technik entdeckt und verinnerlicht haben. Jeder Begleiter auf unserem Lebensweg ist für eine gewisse Zeit ein Lehrer und Vorbild für uns, von dem wir Bruchstücke dieser Technik erlernen können, wenn wir das mit ihm Erlebte durchschauen und hinterfragen. Welcher Begleiter auch immer zurzeit an unserer Seite ist, ist da, weil er uns helfen und lehren möchte. Die Personen können so verschieden sein, wie Violine, Bratsche und Cello, welche im Orchester jedoch ein perfektes Zusammenspiel erklingen lassen. Öffnen wir unser Herz, so hat ein jeder ein offenes Ohr und ehrliche Worte für uns übrig. Besonders wichtig ist an dieser Stelle zu verstehen, dass sich die Puzzleteile meist nach einiger Zeit zusammenfügen und sich erst später der Sinn für uns offenbart.
Verfallen wir der Einsamkeit, verpassen wir all diese wunderbaren Botschaften der Liebe. Gehen wir also in die Oper, um nie mehr allein zu sein. Lauschen wir dem Klang des Lebens und staunen wir über die wundervollen Dinge, die uns fortwährend geboten werden. Schrauben wir den Egoismus auf ein Minimum hinunter, eröffnen sich uns die faszinierendsten Möglichkeiten und Gegebenheiten. Das Paradies auf Erden in seiner prachtvollen Blüte. Nehmen wir die warnenden oder auch poesiereichen Melodien der mit uns gemeinsam durch das Leben schreitenden Silhouetten wahr, ist der halbe Weg bereits gegangen. Nun heißt es zu verstehen, worauf wir hingewiesen werden, und das Verstandene umzusetzen. Lassen wir uns mit der Welle, die uns umgibt, impulsartig durch das Schauspiel gleiten, werden wir den Himmel auf Erden sehen und spüren. Wundersame Begegnungen und Erlebnisse werden uns zuteil. Wir werden Teil des Ganzen. So wie die Harfe im Orchester, so haben auch wir den einmaligen, unvergesslichen Einsatz. Danach begleiten wir, genau wie sie, ein wundervolles, stilvolles Treiben vieler Beteiligter. Grenzen wir uns ab, verstummt unsere einzigartige Stimme. Lassen wir sie zu Wort kommen, tauchen wir auf aus der dunklen, tiefen Schlucht, in der wir uns all die Zeit verkrochen haben. Unsere antrainierten Kunststücke verlernen wir im Nu, wenn wir damit beginnen, ihrem fesselnden Drang zu entfliehen. Der Dirigent wird uns nicht den Takt vorgeben müssen, da wir von Natur aus wissen, wann wir unsere Werkzeuge zum Einsatz bringen. Wie wir sie nutzen können, erlernen wir durch das sich immer wiederholende Ausprobieren. Setzen wir uns in Bewegung, wird sich alles fügen und zu uns strömen, was von Nöten ist, um voranzukommen. Das Komitee wird uns in den höchsten Tönen loben. Die Zufriedenheit unserer Mitspieler wird zu weiteren Wagnissen führen, die uns voller Stolz zeigen, dass alles möglich ist – auch für uns. Unentdeckte Talente werden sich zeigen. Nutzen wir jeden Impuls, der sich in uns regt, begegnen wir einer Welt, wie wir sie niemals für möglich gehalten hätten. Natürlich sind Höhen und Tiefen vorhanden, doch die Rückschläge verscheuchen uns nicht mehr zurück in die Schlucht, wie wir es zuvor gewohnt waren. Ein stabiles Grundgerüst bestärkt uns, nach vorn zu blicken und weiterzumachen, ohne aufzugeben. Umgeben wir uns mit den Charakteren, die uns in unserem Tun stärken, haben wir einen kräftigen Rückenwind, der uns entspannter vorantreibt. Jasager sind uns wohlgesonnen, wenn ihre Meinung aus tiefstem Herzen ans Tageslicht gelangt und ohne Neid und Missgunst übermittelt wird. Doch auch Neinsager können im richtigen Moment weise Lehrer für uns sein. Der Hintergrund beider Meinungen sollte hinterfragt werden und das für uns Beste wird uns begleiten. Mut machende, Hoffnung spendende Gesellschaft ist enorm wichtig für ein erfolgreiches Leben. Was wäre die Mühe wert, ein Konzert zu geben, wenn es für die Zuhörer keinen Sinn ergäbe, ihm zu lauschen? Begrenzende Mitmenschen ziehen einen selbst zurück in die dunkle Vergessenheit. Lassen wir uns nicht beirren. Der sonnige Weg wird es sein, von dem wir allen berichten. Halten wir durch, wird die Sonne stetig näher kommen und ihre wärmenden Strahlen werden uns dazu ermutigen, eine Taste nach der anderen zu drücken. Nicht zu vergessen sei, dass ein Wetterumschwung zum Kräftesammeln und Gedankenordnen unumgänglich ist. Nur mit klaren, sichtbaren Zielen können wir etwas erreichen. Denn wohin soll der Tänzer schreiten, wenn kein Tanzplatz angekündigt wurde?
All unsere im Sand gesetzten Spuren werden von den aufgezwungenen Alltäglichkeiten des Lebens verweht. Lässt die Euphorie, die wir durch die von uns vollbrachten Wunder gespürt und gelebt haben, nach, sinken wir zurück in den Schatten unserer Selbst. Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, nutzen wir dazu, sie in den letzten Reihen der zweiten Geigen zu vergeuden, anstatt all den Mut und die Kraft zu bündeln und aus diesem Gemisch das nächste, noch wirkungsvollere Imperium zu zaubern, in dem wir in unseren tiefsten Träumen schon längst verweilen. Die knechtenden Ketten an unseren Sklavenfüßen sind es, die uns an dieser Stelle gefangen halten. Doch finden wir einen Hoffnungsschimmer am Horizont, brechen wir aus, wie das Magma aus dem brodelnden Vulkan. Wir werden zur Lava. Wir nehmen die Position der ersten Geige in Anspruch und setzen uns dafür ein, dass sich das von Herzen Erwünschte uns nunmehr zu Füßen legt und prachtvolle Wirklichkeit wird. Wer ist es, der der Triangel vorgibt, wie laut sie erklingen darf? In wessen Macht liegt die Kontrolle über all die Herrlichkeit? Nur in unseren Händen befindet sich das Samenkorn, welches zu voller Blüte wachsen kann. Also, legen wir es in ein gehütetes Bett aus Liebe und Geborgenheit, damit es aus sich herauswachsen kann. Gießen wir das Geschöpf der Vollkommenheit mit allem nur erdenklich Guten, so wird es gedeihen in enormer Pracht, welche wir uns zuvor kaum ausmalen können. Die Fäden der Marionetten gleiten sogleich aus den Händen des Puppenspielers. Freiheit ist es, welche die Figuren fortan vorantreibt. Die Entfaltung ihres Selbst ist das göttlichste Geschenk auf Erden. Zusammenhalt ist die Kraft, die alle Veränderung untermauert. Ein Fundament aus gefestigten Ansätzen bestärkt die zukünftigen Gedankenmelodien. Lassen wir sie erklingen, fallen wir in den Zauber des Lebens. Wir begreifen die Bedeutung, die hinter dem großen, weiten Menschen steht.




Kapitel 1

Die Hülle

Schauen wir durch diese prächtigen Kugeln in unserem Kopf, so erblicken wir die uns umgebende Außenwelt. Strecken wir die Hände vor das Gesicht, so können wir diese sehen. Das, was unsere Augen täglich im Spiegel wahrnehmen, ist unser Körper, wie uns beigebracht wurde, als wir Kinder waren. Doch was steckt dahinter? Aus medizinischer Sicht wissen wir, dass in uns eine ganze Menge an Dingen enthalten ist, die wir für das Leben in dieser Welt brauchen. Der Körper hat Bedürfnisse, welche unentwegt gestillt werden möchten. Er möchte köstliche Speisen verzehren, entspannende Ruhepausen genießen und sich von allem Unbrauchbaren entleeren. Ganz schön simpel, könnte man meinen. Doch wie jeder weiß, gibt es da noch mehr, was es für uns zu beachten gilt. Unsere Haut möchte behütet werden, die Lunge möchte frische Sauerstoffzufuhr, die Beine fordern Bewegung, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wenn wir das Licht der Welt erblicken, ist es uns nicht möglich, all diese Aufgaben zu erledigen. Wir geben die Verantwortung somit in die Hände unserer Eltern und können nur mit all der Liebe, die wir ausstrahlen, hoffen, dass sie sich um alles kümmern. Anfangs fällt es uns schwer, uns zu artikulieren, wodurch wir manche Male unseren Behütern auf den Schlips treten. Wir selbst vergessen diese anfängliche Zeit recht schnell, doch unser Körper vergisst nie. Hat unsere äußere Schutzschicht einmal Wunden erlitten, ist es möglich, dass wir sie in späterem Alter noch sehen oder sogar spüren. Der Körper ist eine Hülle, die uns schützend umgibt und die mit uns wächst. Zunächst wächst sie nach oben, im Alter nach unten. Sie wächst nach links, nach rechts und manches Mal nach vorn und nach hinten. Die Hülle verändert sich, befindet sich in ständigem Wandel, ohne den Blick für das Notwendige zu verlieren. Sie ist es, die es uns ermöglicht, auf der Erde zu leben, uns zu bewegen, zu hören, zu sprechen und zu lesen. Für all die Möglichkeiten, die sie uns bietet, fordert unsere Hülle natürlich auch die für sie überlebenswichtigen Gegebenheiten ein. Essen, trinken oder schlafen wir nicht, wird sie für uns schwieriger nutzbar. Krankheiten schleichen sich ein und weisen uns stetig darauf hin, dass wir gegen eine Regel verstoßen haben, die unbedingt wieder beachtet werden muss, um wieder gesund zu werden, zu Kräften zu kommen und die äußere Maschine wieder brauchbar zu machen. Beachten wir das Verlangte nur für kurze Zeit, beginnt eine Achterbahnfahrt durch das Medizinrepertoire. Trägheit, Erschöpfung und Unwohlsein sind erste Anzeichen für einen aus der Balance geratenen Körper. Begreifen wir schnell, wodurch wir dieses Ungleichgewicht erzeugt haben, geht es uns fix besser. Es gibt kein Patentrezept für einen perfekten Körper. Jede Hülle ist etwas ganz Besonderes, ein Individuum. Ihre Form weicht ab von jeder anderen. Lediglich die Silhouette ähnelt der unserer Gefährten. Jeder Körper hat die gleichen Grundbedürfnisse, doch die Feinheiten des Verlangens unterscheiden sich enorm. Ein Körper kann mehr Schlaf benötigen, der andere weniger. Der Erste möchte viele kleine Mahlzeiten, dem Nächsten reichen zwei große am Tag. Unsere Hülle möchte sich ausgiebig bewegen, die unseres Nachbarn braucht den gleichen Zeitraum für Erholungsphasen. Wir müssen also lernen und verstehen, was genau für unsere einzigartige Wesenheit das Richtige ist. Doch wie soll man wissen, was das Passende ist? Man muss durchprobieren, testen und abwägen. Für den einen Körper ist ein warmes Bad im Kerzenschein die wohltuendste Beschäftigung, der andere fühlt sich dadurch unter Stress gesetzt oder kann nur in einen kurzzeitigen Genuss verfallen. Adrenalinkicks sind für voller Tatendrang sprudelnde Körper perfekt, doch der ängstliche, sich stets Verletzende kann damit nicht glücklich werden. Schon beim Essen entdeckt man die faszinierenden Unterschiede. Geschmäcker sind so verschieden wie die äußeren Hüllen an sich. Wo dem einen die gebratene Leber den Heißhunger stillt, bewirkt sie beim Gegenüber bereits durch den Geruch Würgzustände…

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