Der arabische Herbst - Des Unheils Wurzeln

Der arabische Herbst - Des Unheils Wurzeln

US-Beiträge zum Chaos im Nahen Osten

Bahij Spiewak


EUR 14,90
EUR 8,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 162
ISBN: 978-3-99048-693-1
Erscheinungsdatum: 15.05.2017
Der US-amerikanische „Krieg gegen den Terror“ besiegt keinen Terror. Er schafft Gewalt, Unrecht, Armut, Wut und trägt zur Geburt von neuen Generationen des Internationalen Dschihadismus bei. Bahij Spiewak zieht Bilanz.
Zur Orientierung

Seit der Gründung des ersten islamischen Staates in Medina im Jahre 622 n. Chr. bis zum Niedergang des Osmanischen Reiches 1918 blieb das Kalifatssystem durch verschiedene Dynastien hindurch erhalten. Erst nach Ausrufung der modernen türkischen Republik durch Atatürk wurde im Jahre 1924 das 14 Jahrhunderte alte Staatssystem abgeschafft.
1928 rief der ägyptische Lehrer Hasan Al Banna zur Gründung der Muslimbruderschaft auf, mit dem Ziel, das Kalifatssystem zu beleben. Nach Gründung des Staates Israel 1948 und der Suezkrise 1956 prägte das antiimperialistische, antizionistische Gedankengut das tägliche Leben. Der sozialistisch orientierte „Arabische Nationalismus“ hatte in Ägypten, Syrien und Irak Fuß gefasst. Die Muslimbruderschaft war mit fortschrittlichen, revolutionären Wellen konfrontiert. Es gab weder für Religionen noch für Theokraten Platz. Die Führung der Muslimbruderschaft in Ägypten und Syrien wurde eingekerkert oder gezwungen, das Land zu verlassen. Zahlreiche Mitglieder wurden hingerichtet. 1980 wurden in der syrischen Hochburg der Muslimbruderschaft Hama um die 30.000 Menschen massakriert.
Die erste Wende gab es nach der Niederlage der arabischen Armeen 1967. Innerhalb von sechs Tagen eroberten israelische Truppen die Sinai-Halbinsel, die Westbank und Jerusalem sowie die syrischen Golanhöhen. Damit begann der Niedergang des arabischen Sozialismus.
Die Ausrufung der islamischen Republik in Iran und der Beginn des „lokalen Dschihadismus“ gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan 1979 kennzeichneten die zweite Wende. Die Kuwaitkrise 1990/91 und der erste US-Krieg gegen Irak brachte die erste Generation des „Internationalen Dschihadismus“ hervor, der seinen Zenit am 11. September 2001 erreichte. Nach der US-Invasion in Afghanistan 2001 und in Irak 2003 formierte sich die zweite Generation, die in der Ausrufung des Islamischen Staates 2014 mündete.
Die jetzigen von den USA, Russland, Iran und der Türkei geführten Luftangriffe gegen Stellungen des Islamischen Staats in Syrien und Irak werden zur Schwächung des Zentrums führen und Abertausende Kämpfer in alle Richtungen zerstreuen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wo die ersten Zellen der dritten Generation formiert und aktiviert werden.




Einleitung

Am Freitag, dem 13.11.2015, erlebte Paris eine der schlimmsten Nächte seiner Geschichte. Mindestens acht Attentäter richteten mit Maschinengewehren und Sprengstoffgürteln ein Blutbad an. Um die 150 Menschen starben und weitere 300 wurden schwer verletzt.
Eine Audiobotschaft drohte Frankreich mit weiteren Anschlägen, falls die französischen Luftangriffe auf Syrien fortgesetzt würden, mit den Worten: „Ihr werdet den Geruch des Todes in euren Städten nie loswerden.“
Die Ziele waren ein Fußballstadion, eine Konzerthalle und mehrere Restaurants. Eindeutig zivile Einrichtungen. Der französische Präsident Hollande verhängte den Ausnahmezustand. Mit ihm wurden die Zeiten des Algerienkriegs wiederbelebt. Hunderte wurden festgenommen und verhört. Hunderte Wohnungen wurden durchsucht. Für das Innenministerium war das kein leichtes Unternehmen. Die Attentäter waren Franzosen, in Frankreich Geborene. Hinter den Drohbotschaften standen Franzosen, die vor Kurzem zum Islam konvertiert waren.
Wohl wissend, dass es nicht helfen würde, aber um keine Schwäche zu zeigen, setzte die französische Luftwaffe die Angriffe auf Rakka, Machtzentrum des Islamischen Staates im Norden Syriens fort. Der Flugzeugträger Charles de Gaulle wurde zum Osten des Mittelmeeres beordert.
Der französische Innenminister drohte, den Kampf gegen Terroristen fortzusetzen und sie zur Rechenschaft zu ziehen. Bei vielen erntete er Applaus, nur bei wenigen Kopfschütteln.
Diese letzte Welle der Gewalt begann Ende September 2015, als die syrische Opposition kurz vor der Übernahme von Damaskus stand. Um das zu verhindern, bat der syrische Präsident Bashar al Asad seinen russischen Amtskollegen um Hilfe. Als ob er nur darauf gewartet hätte, ordnete Vladimir Putin innerhalb kurzer Zeit die Verlegung mehrerer Kriegsschiffe und Flugzeugträger zur syrischen Küste an. Kampfflugzeuge bombardierten pausenlos die Stellung der Opposition und konnten den Fall Damaskus vorerst verhindern.
Ein paar Wochen später, am 31. Oktober 2015, stürzte ein russisches Passagierflugzeug über der Sinai-Halbinsel ab. 224 Personen, Urlauber und Mannschaft, starben. In einer Audiobotschaft übernahm „Wilayat Sina“, eine Suborganisation des Islamischen Staates, die Verantwortung. Der Sprecher erklärte, die Aktion sei eine Antwort auf die russische Bombardierung in Syrien. Daraufhin ordnete die russische Regierung die sofortige Evakuierung der fast 20.000 russischen Touristen im Scharm El Scheich an, stoppte alle Flüge nach Ägypten und verbot, um eine Nachahmung des 11. September 2001 zu verhindern, verbot alle ägyptischen Flüge nach Russland. Putin wollte keine Schwäche zeigen und ordnete die Intensivierung der Luftangriffe in Syrien an. Nach Putin und Hollande meldete sich der US-Außenminister John Kerry zu Wort. Er bezeichnete die Attentäter von Paris als Psychopathen und versprach, den Islamischen Staat zu besiegen, er wisse zwar noch nicht, wie lange das dauern würde, er sei vom Sieg aber vollkommen überzeugt. Als Beweis seiner Siegessicherheit erwähnte Kerry den Kampf gegen Al Qaida, den die USA durch die Tötung von Bin Laden siegreich beendet habe.
Einige Analytiker und Kenner der Lage betrachteten die Anschläge als Auswirkungen, nicht als Ursachen. Der deutsche Politologe Michael Lüders rief zur Gelassenheit und Vernunft auf. Man möge sich die französische Außenpolitik näher anschauen. Die Innenpolitik auch. Hier würden die Ursachen liegen, so Lüders.
Dafür gab es aber in der Hitze des Gefechtes keine offenen Ohren.
In der Geschichte der Beziehungen zwischen Orient und Okzident war Vernunft immer schon Fremdwort. Militärische Lösungen hatten immer den Vorrang vor der politischen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA und die europäischen Staaten im Nahen Osten im militärischen Sektor mehr investiert als in Bildung, Medizin, Industrie und Landwirtschaft zusammen. Programme zur Ausbildung und Zusammenarbeit mit der arabischen Polizei und den Geheimdiensten verliefen schneller und unbürokratischer als in medizinischen oder universitären Bereichen.
Als John Kerry von Psychopathen sprach, erwähnte er mit keinem Wort den US-Beitrag zur „Psychopathisierung“ der Region.
Wie soll eine junge Generation von Arabern gesund aufwachsen und denken, wenn sie sieht, wie eine Hauptstadt wie Bagdad von US-Raketen dem Boden gleichgemacht wird, um Massenvernichtungswaffen zu vernichten, die der Irak nicht hat? Wie US-Soldaten in Abu Ghraib irakische Gefangene foltern und erniedrigen, wie israelische F 16 Tausende Zivilisten in Gaza töten und verletzen und gleichzeitig der US-Präsident vom Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel spricht. Niemals erwähnte er das Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung.
Die angeblich besiegte Al Qaida meldete sich am 20. November 2015, weniger als 24 Stunden nach Kerrys Aussage, in Mali. Die Geiselnahme von 170 Personen im Radisson-Hotel im Diplomatenviertel der Hauptstadt Bakamo war für die Franzosen genauso schockierend wie für die Amerikaner. Wohl wissend, wie das Ende sein würde und um die Pariser Nacht nicht zu wiederholen, beendeten US- und französische Spezialeinheiten schnell die Geiselnahme. Dabei wurden 21 Personen getötet, darunter die zwei Attentäter. Zuerst meldeten sich die „Murabiton“ mit einer Audiobotschaft und übernahmen die Verantwortung für den Angriff. Der Sprecher sagte, die Aktion sei in Zusammenarbeit mit „Al Qaida im islamischen Maghreb“ zustandegekommen. Nach der Befreiung der Geiseln meldete sich eine andere Gruppe, die „Macina-Befreiungsfront“, sie habe die Aktion gemeinsam mit „Ansar ad Dine“ als Rache für die französische Militäroperation in Nordmali verübt, so die Erklärung.
Abgesehen davon, wer wirklich dahinterstand, alle vier Gruppen sind nur ein Bruchteil von Hunderten in der Region und sind dem Dschihadismus in Nordafrika zuzuordnen. Viele dieser Gruppen gelten als eine neue Auflage der Qaida und sind den USA und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gegenüber feindlich gesinnt.
Am 24. November 2015 starben nach einem Sprengstoffanschlag in der Hauptstadt Tunis zwölf Elitesoldaten der Präsidialgarde. Mehr als 20 Personen wurden verletzt. Der Präsident verhängte daraufhin den Ausnahmezustand und eine nächtliche Ausgangsperre über den Großraum Tunis. Eine Gruppe des Islamischen Staates soll die Verantwortung für den Anschlag übernommen haben. Die Aktion sei die Rache für die „Folterung der muslimischen Frauen in tunesischen Gefängnissen“, so ein Sprecher in einer Videobotschaft.
Das war das dritte Mal in einem Jahr, dass Tunis zum Ziel des IS wurde. Im März 2015 starben 20 Personen beim Überfall auf das Nationalmuseum Bardo und im Juni starben 38 Personen, als ein Attentäter das Feuer auf Touristen am Strand von Sousse eröffnete.
Nach der Pariser Nacht herrschte in Frankreich, Belgien, Deutschland und Großbritannien Terroralarm. In Brüssel wurde die U-Bahn gesperrt. Militärfahrzeuge und Armee-Spezialeinheiten kontrollierten die Fußgängerzonen. In Deutschland wurden, um Menschenansammlungen zu verhindern, Fußballspiele abgesagt. Große Märkte blieben leer.
Nach dem 11. September 2001 sagte Bin Laden: „Wir werden den Tod in eure Städte bringen, wie ihr ihn in unsere gebracht habt.“ Er kündigte an, Amerika würde den Frieden nie genießen, „wenn wir ihn nicht täglich in Palästina und Irak erleben“.
Bin Laden bezog sich dabei auf die pro-israelische Haltung der USA sowie auf die zehnjährigen Sanktionen gegen den Irak, die Hunger und Elend von Millionen verursachten.
Die Botschaft war klar, genau wie die amerikanische Antwort darauf. Unter dem Slogan „Krieg gegen den Terror“ wurden zwei Staaten, Afghanistan und Irak, zuerst durch „strategische Bombardierung“ dem Boden gleichgemacht. Dann marschierten westliche Bodentruppen ein und beendeten die Taliban-Herrschaft in Afghanistan und das Bath-Regime in Irak. Alle staatlichen Institutionen, inklusive die Armee, wurden aufgelöst. Hunderttausende bewaffnete Offiziere und Soldaten wurden führungslos. Das Ergebnis war vorprogrammiert, ein Chaos. Oder wie die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice es bezeichnete: „creative chaos“.
Auf dem Weg zur „Demokratisierung“ des Nahen Ostens und um die Region von „Diktatoren“ und „Massenvernichtungswaffen“ zu befreien, wurde der Tod von Abertausenden Zivilisten in Kauf genommen und als „kollaterale Schäden“ verharmlost.
Nach 13 Jahren Krieg, ethnischer Säuberung, Vertreibung und Korruption in Irak wurden alte soziale und politische Strukturen aufgelöst und durch neue Formen und Organisationen ersetzt.
Im Schockzustand schaute die Welt im Sommer 2014 zu, wie sich der Islamische Staat in Irak und Syrien auf eine Fläche, so groß wie Großbritannien, ausdehnte. Ein phänomenales Endprodukt im Zerfallsprozess des alten irakischen Nationalstaates. Die alten Grenzen des Sykes-Picot-Abkommens, die den Nahen Osten nach 1918 in Machtzonen zwischen Frankreich und Großbritannien aufgeteilt hatten, existieren nicht mehr. Nicht nur für Irak und Syrien. Auch in Riad und Amman waren die Regierungen darüber einig: Sie hatten es nicht mit einer „Terrororganisation“, sondern mit einem neuen reichen Staat zu tun, dessen Grenzen in allen vier Richtungen offen sind.
Das neue Kalifatssystem drohte allen arabischen Staaten mit der Auflösung.
Gleichzeitig trägt eine Koalition aus westlichen Staaten und Russland gegen den Islamischen Staat mehr Gegensätze in sich als Gemeinsamkeiten.
Als türkische F 16-Kampfflugzeuge eine russische SU 24 in der Nähe der syrisch-türkischen Grenzen am 24. November 2015 abschossen, zeigte die Scheinkoalition ihre ersten Risse. Die Türkei rechtfertigte den Abschuss mit dem Schutz der nationalen Souveränität, Putin bezeichnete ihn als „Messer in den Rücken“. Später sagten türkische Offiziere, sie würden nicht tatenlos zuschauen, wenn die turkmenischen Dörfer in Syrien von russischen Piloten bombardiert und dadurch Tausende Turkmenen nach Norden vertrieben würden. Das Ziel der russischen Bombardierung sei die ethnische Säuberung und die Schaffung einer menschenleeren, freien Zone entlang der Grenzen. So die türkische Quelle. Die ca. 200.000 Menschen zählende turkmenische Volksgruppe ist Teil der syrischen Opposition, ihr Wohngebiet, „Berg der Turkmenen“, wurde tatsächlich wochenlang von russischen Bombern angegriffen. Die abgeschossene SU 24 war gerade dabei, turkmenische Ziele zu bombardieren, als es die „türkische nationale Souveränität“ verletzte.
Die USA, mehr mit Iran und der Volksrepublik China beschäftigt, zeigte in Syrien eine passive Haltung. Unter anderem diese Tatsache ermutigte Putin zur aktiven Einmischung im Nahen Osten. Dabei dürften die neuen Gasfelder im Osten des Mittelmeeres eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Die Blitzaufnahmen dieser Einleitung sollen den Lesern einen kurzen Überblick über eine komplizierte politische Landschaft verschaffen.
Auf den folgenden Seiten werden die historischen Wurzeln des Unheils im Nahen Osten, vor allem Beiträge der US-Regierungen zum jetzigen Chaos, näher beleuchtet.





Schlusswort

Beide Kriege, die in Irak und Afghanistan, gelten inzwischen als eine große Misskalkulation. Nach 15 Jahren Krieg und Korruption ist der Taliban nach wie vor unbesiegt und kontrolliert große Gebiete in Afghanistan. Die zwei Gründe der Invasion in Irak 2003, die Massenvernichtungswaffen und die Verbindungen zur Al Qaida, erwiesen sich als falsch. Ein dritter Grund, nämlich das Regime in Irak sei undemokratisch und verletze die Menschenrechte, ist unbestritten, nur die Korrekturkosten waren enorm. Das Land wurde in Schutt und Asche bombardiert. 13 Jahre danach gibt es weder Demokratie noch Frieden. Nach der Invasion wurde das altkolonialistische Prinzip „Teile und herrsche“ aktualisiert. Historische, ethnische und religiöse Differenzen lebten wieder auf und wurden politisch instrumentalisiert. Der Irak versank im Bürgerkrieg. Die soziale Einheit Iraks wurde für Jahrzehnte zerstört. Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist geflüchtet und lebt innerhalb und außerhalb des Landes unter unmenschlichen Bedingungen.
Für die Kriegswirtschaft war die Invasion ein Novum. Bis Ende 2011 dürfte der Irakkrieg zwischen 1,8 und 2,7 Billionen Dollar gekostet haben. Zum Vergleich: Eine Billion Dollar reicht aus, um 43 Millionen Studenten ein Vollstipendium für eine vierjährige Ausbildung an öffentlichen Universitäten zu bezahlen.
In Bagdad wurde die größte US-Botschaft weltweit gebaut. Die zweitgrößte in Erbil im Norden. Hier sollen um die 3500 Diplomaten und Angestellte und eine unbekannte Zahl von Marinesoldaten tätig sein.
Von hier aus sollen die Erdölquellen des Nordens verwaltet und kontrolliert werden. In Irak werden 190 Milliarden Fass Öl vermutet. Nach 2003 erhielten fünf US-Konzerne Aufträge für die nächsten 30 Jahre.
Für die Weltöffentlichkeit personalisierte die US-Regierung den Konflikt. Das Problem wurde auf eine Person reduziert. Die Eliminierung des „bad guys“ würde zur Lösung des Problems führen, so die verkaufte Version des Konflikts, zuerst Saddam Hussein, dann Bin Laden.
Nach Saddam folgte aber das Chaos. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.
Nach Bin Laden kam der Islamische Staat mit noch nie da gewesenem Schrecken. Neben ihm schaut Al Qaida wie ein Pfadfinderverein aus.
Auch wenn wir Zufalls- und Verschwörungstheorien beiseitelassen, führt die Rekonstruktion der Ereignisse zwangsweise zu einem neuen Bild. Die Wechselwirkung zwischen US-Kriegspolitik und Reaktionen des internationalen Dschihadismus deuten auf eine gegenseitige Ergänzung hin: Die USA braucht die Aktionen des Dschihadismus, um den Krieg gegen den Terror zu begründen. Der Dschihadismus braucht die US-Außenpolitik, um die Feindseligkeit gegen den Westen zu rechtfertigen.
Dazu gossen die israelischen Maßnahmen zur Judaisierung Jeru-salems Treibstoff aufs Feuer im Nahen Osten. In einer dialektischen Welt führte das kurzsichtige Verlangen nach Anerkennung Israels als „Jüdischer Staat“ zwangsläufig zur Stärkung der „Islamischen Widerstandsbewegung“ und zur Islamisierung der Region.
Zweifelsohne wurde die Masse des Quecksilbers in Afghanistan und Irak mit ungeheuerlicher Gewalt geschlagen. Abertausende Tropfen flogen herum. Zuerst unkontrolliert und führungslos.
Nur: Im Unterschied zu Afghanistan 1979, das zur Geburt Al Qaidas führte, fand die Invasion 2003 in Irak mitten im arabischen Raum statt. Die Zerstörung Bagdads, die Bilder von Abu Ghraib, die Massaker in Fallujah, die Hinrichtung Saddams am Opferfest, die Belagerung und Bombardierung Gazas, die Erschießung palästinensischer Kinder an israelischen Checkpoints trafen Millionen enttäuschter junger Araber mitten ins Herz. Enttäuscht auch von den arabischen Armeen, die Milliarden von Volksressourcen in der Rüstung verloren, um den angeblichen „zionistischen Feind“ zu bekämpfen und um Al Quds zu befreien.
Die in alle Richtungen fliegenden Quecksilbertropfen landeten nicht auf trockenem Boden, sondern in einem Sumpf von Unrecht, Armut, sozialer Ungerechtigkeit und Wut.
Das Ganze wurde ständig durch westliche Doppelzüngigkeit und Heuchelei genährt.
Es ist zweifelsohne eine schlimme Situation, aber es ist auch noch nicht zu spät. Die Ursachen des Unheils müssen gründlich analysiert werden.
Es ist Zeit zu begreifen: Die US-Politik der verbrannten Erde könnte am Ende alles verbrennen, inklusive sich selbst.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Der arabische Herbst - Des Unheils Wurzeln

Jürgen Tiemann

Wegweiser für Führungskräfte

Buchbewertung:
*Pflichtfelder