Nichts ist vollkommen

Nichts ist vollkommen

Dem Leben im Überwachungsstaat folgt die Ernüchterung im demokratischen Rechtsstaat

Lothar Wagner


EUR 16,90
EUR 10,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 234
ISBN: 978-3-95840-103-7
Erscheinungsdatum: 14.04.2016

Leseprobe:

1
Im Blickfeld der „Firma“

1.1 Der beharrliche Türsteher und seine unerfreulichen Parteigenossen

Kaum hatte Ludwig das 18. Lebensjahr vollendet, stand Hugo Hummel vor der Wohnungstür seiner Eltern. Immer wieder. Für besondere Aufgaben im Staatsdienst wollte er ihn werben: „Zunächst eine kurze militärische Grundausbildung, danach Einsatz mit großartigen Entwicklungsmöglichkeiten.“
Er war der Onkel eines Schulfreundes, den Ludwig oft mit nach Hause nahm, als dessen Mutter gestorben war und der Vater kriegsdienstverpflichtet Militärtransporte im Osten zu leiten hatte. Der Schulfreund wurde von Verwandten notdürftig „über Wasser“ gehalten. „Bring ihn mit. Wo vier Kinder sind, hat auch ein fünftes Platz“, sagte Ludwigs Mutter.

„Warum ich?“, überlegte er.
War es die Anteilnahme für den Neffen dieses Herrn in den letzten Kriegsmonaten weshalb man mich wollte?“
„War es die aktive Tätigkeit in der Antifa-Jugend und in der neu gegründeten FDJ, die die im Aufbau befindliche Staatssicherheit auf mich aufmerksam machte?“
„Oder waren es die Zeitungsartikel, in denen wiederholt über meine Achtungserfolge als junges Schachtalent berichtet wurde?“

Das Schachspiel hatte Ludwig mit 13 Jahren in der Zeit der ständigen Fliegeralarme kennengelernt. Der Unterricht fiel oft aus und die Schüler hatten Langeweile. Die Jungs vertrieben sich die Zeit meist mit dem Skatspiel. Der Klassenlehrer, der als Objektverantwortlicher in dieser Zeit andere Aufgaben zu erfüllen hatte, war damit nicht einverstanden. Er zog alle Skatkarten ein und übergab sie dem Heizer der Schule. Dieser hatte in den nächsten Wochen viele fleißige Helfer beim Einschaufeln des angelieferten Kokses - und die Klasse ihre Skatkarten zurück.
Das hatte sich offensichtlich in der Schule herumgesprochen, denn die Englischlehrerin fragte eines Tages die Klasse: „Warum nutzt ihr die Zeit nicht für ein vernünftiges Spiel? Spielt doch Schach. Wer von euch kann denn Schach spielen?“
Ziemlich begeistert meldete sich nur ein Schüler. Nach weiterem Nachfragen hoben dann noch vier Schüler die Hand.
„Dann lernt es. Wer kann helfen?“
Der Schachbegeisterte meldete sich wieder. Er besaß ein kleines Heftchen. Zehn Reichspfennige hatte es gekostet. Dieses Heftchen machte bald die Runde. Nach drei Wochen meldeten sich elf Schüler zu einem Klassenturnier. Es sollte jeder gegen jeden spielen.
Doch schon nach fünf Runden wurde das Turnier abgebrochen. Der Schachbegeisterte weigerte sich weiter am Turnier teilzunehmen, nachdem er gegen Ludwig verloren und dieser bisher jedes Spiel gewonnen hatte.

Ludwigs Vater erkannte bald, dass dem 18-Jährigen die Gespräche an der Wohnungstür zu schaffen machten. Er war erst vor einigen Monaten, nach fünfjähriger Gefangenschaft, aus Sibirien zurückgekehrt. Körperlich und mental schwer angeschlagen kämpfte er ums Überleben.
„Leg dich mit denen nicht an. Sag, dass du erst deine Lehre beenden möchtest“, riet ihm der Vater.

Doch der Staatsdiener warb: „Das ist nicht notwendig. Einen Lehrabschluss brauchst du nicht. Eine sechsmonatige militärische Grundausbildung genügt.“
„Und wenn ich krank werde? Den Anforderungen nicht mehr genüge?“
„Dann wird anderweitig für dich gesorgt. Es gibt noch andere interessante Einsatzmöglichkeiten.“
„Welche?“
„Z. B. als Landrat.“
Ludwig, der nach dem Besuch der höheren Handelsschule eine kaufmännische Lehre aufgenommen hatte, ließ sich nicht beschwatzen. Die angepriesenen großartigen Entwicklungsmöglichkeiten konnten ihn nicht betören.

Nach einem Jahr Lehrzeit stellte er einen Antrag auf vorzeitige Ablegung der Kaufmannsgehilfenprüfung, die er mit guten Ergebnissen bestand. Danach bot sich ihm überraschend eine völlig neue berufliche Entwicklung, durch die er glaubte, dem Blickfeld dieses Werbers entschwinden zu können. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Bald sollte er den Griff der „Firma“, zu der der Herr an der Tür offensichtlich gehörte, wieder spüren.

Sein Lehrbetrieb, eine Möbelstoffweberei in Hohenstein/Er., delegierte ihn zur Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF). Das wurde abgelehnt. Wie schon vier Jahre zuvor, als er nach einem Jahr als Berglehrling vom Steinkohlenbergbaubetrieb seiner Heimatstadt in Oelsnitz/Erzgeb. an die ABF nach Freiberg delegiert worden war.
Inzwischen arbeitete er als kaufmännischer Angestellter in seinem Lehrbetrieb, einem der ersten volkseigenen Betriebe in der Region.
Wohl deshalb hatte man den Betrieb dazu auserkoren, für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im August 1951 in (Ost-)Berlin, einen Vortrupp zu stellen. Dieser sollte Aufgaben zur organisatorischen Vorbereitung übernehmen. Ludwig war dabei.
Der Vortrupp bestand aus 30 FDJlern, die von vier Mitgliedern der Parteileitung des Betriebes betreut und angeleitet wurden. Leiter des Vortrupps war der Werkdirektor und als Leiter der drei Zehnergruppen fungierten der Parteisekretär, der BGL-Vorsitzende und der Leiter der Technischen Kontroll-Organisation (TKO-Leiter).

Die auszuführenden Arbeiten waren bald erledigt und den Zehnergruppenleitern wurde es offensichtlich langweilig. Sie luden die Jugendlichen zu einem Ausflug an eine Badestelle der Spree ein.
Was sich dort abspielte, sollte zu einer bleibenden Erinnerung an ein abschreckendes Erlebnis führen.
Es veranlasste zu ernsthaftem Nachdenken über das Verhalten der verantwortlichen Parteigenossen und beeinflusste lange Zeit die Einstellung zu ihrer Partei der Arbeiterklasse.

An der Spree entdeckten die drei Gruppenleiter plötzlich ihr Herz für die vier mitgekommenen Lehrlinge und jugendlichen Angestellten aus dem kaufmännischen Bereich. Sie verleiteten sie zum Trinken von hartem Alkohol, den sie spendeten. Wer nicht wollte, dem wurde nachgeholfen. Es dauerte nicht lange, bis drei von ihnen sturzbetrunken in der Spree herumtobten und sich gegenseitig attackierten.
Dann war Ludwig an der Reihe. Er hatte den Alkohol strikt abgelehnt und wurde nun gewaltsam dazu gezwungen. Zwei dieser „Betreuer“ drückten seine Arme nach hinten und der dritte flößte ihm unter Zwang den Fusel ein.
Anschließend lotsten sie ihn volltrunken zum Badestrand.

Als Ludwig seine Umwelt wieder wahrnahm, befand er sich völlig durchnässt auf dem Heimweg zum Quartier, das sich auf dem Oberboden eines Hauses an der Treptower Allee befand. Was vorher war, wie er zu der völlig durchnässten Bekleidung kam, wusste er nicht. Er hatte einen „Filmriss“. Auf dem Stroh seines Schlafplatzes liegend, schwankte vor seinen Augen das Haus kräftig hin und her. Bald beugte sich ein lächelnder Kopf über ihn und verspottete ihn wegen seines Zustandes: „Ach der kleine Wegener …“ Es war der Werkdirektor, der vierte der Parteigrößen.

Ca. drei Wochen später fragte ihn im städtischen Freibad seines Heimatortes ein ihm unbekannter etwa drei Jahre älterer Jugendlicher: „Wie geht es dir denn?“
„Was soll das?“, gab Ludwig zurück, „wir kennen uns doch gar nicht.“
„Kann schon sein, dass du mich nicht wiedererkennst, doch ohne mich würdest du heute nicht mehr leben. Du warst total betrunken und völlig hilflos, als ich dich aus der Spree holte“, erhielt er zur Antwort.
Als er ihn fragend und schulterzuckend anschaute, erklärte dieser Unbekannte:
„Ich hatte schon längere Zeit die Szene beobachtet und gesehen, dass eure Betreuer ihre Freude daran hatten, euch mit Alkohol aufleben zu lassen. Drei tobten ja bald in der Spree. Nur du hast dich hartnäckig dagegen gesträubt. Nachdem sie dir den Alkohol eingetrichtert hatten, meinten sie, du sollst dich im Wasser erfrischen. Dort ließen sie dich hilflos zurück. Ich griff zu, als ich sah, dass du in der Spree versinkst.“
Ludwig brauchte einige Zeit des Nachdenkens, um seine Schlussfolgerungen aus der Vorbildwirkung dieser Parteigenossen zu ziehen.
Seine Gedanken flogen zurück zum Beginn seiner beruflichen Entwicklung als Berglehrling im Steinkohlenbergbau. Der Leiter der Lehrwerkstatt war für ihn als Ausbilder und in seinem Auftreten als politisch orientierter Mensch so etwas wie ein Vorbild gewesen.



1.2 Erinnerungen an ein Vorbild

Als der Krieg beendet war, das Alltagsleben nach und nach wieder einsetzte und die Schulen öffneten, stand Ludwig vor einem Problem.
Er hatte drei jüngere, noch schulpflichtige Geschwister und eine kranke Mutter, die ihre Kinder tapfer über die Kriegsjahre betreute. Vom Vater gab es schon seit drei Jahren kein Lebenszeichen. Ein weiterer Schulbesuch in Richtung Abitur war damit ausgeschlossen, aber Verantwortung gefragt; zumindest so lange, bis die Geschwister ihre Schulausbildung abgeschlossen hatten.
„Was tun?“
Für die Geschwister stand der weitere Schulbesuch an und Ludwig musste sich um einen Arbeitsplatz kümmern. Industrie und Handwerk lagen am Boden. Arbeiten im Steinkohlenbergbau war der Ausweg und im Hinblick auf Geld und Verpflegung auch das Vernünftigste.
Im Herbst 1945 begann er als Berglehrling im Steinkohlenbergwerk „Deutschland“ seines Heimatortes Oelsnitz/Erzgeb.
Der Lehrausbilder, Kurt Zierold, hatte das KZ überstanden. Er brachte viel Verständnis für die Jugend auf und konnte sie begeistern. Einige Monate später wurde er zum Werkdirektor des Steinkohlenwerkes berufen.

Die von den Lehrlingen auszuführenden Arbeiten waren hart und mitunter auch stupide. Oft leisteten diese jungen Menschen die gleichen Arbeiten wie die Erwachsenen, welche dafür die Schwerstarbeiter-Lebensmittelkarte erhielten. Die Jugendlichen mussten solche Arbeiten mit übernehmen, weil nach dem Krieg nicht genug erwachsene Männer zur Verfügung standen. Besonders stressig war die Arbeit am kontinuierlich vorbeilaufenden Ausleseband. Auch das Abladen von Baumstämmen für den Grubenausbau, die mit ihrer Länge zwei Eisenbahnwaggons überdeckten und das bei –20 Grad Celsius, belasteten ungewöhnlich den jugendlichen Körper.
Ludwig, der in seiner Schulzeit das Lernen nur sehr lässig wahrgenommen hatte, schwor sich: „Wenn du noch einmal eine Gelegenheit hast zu lernen, dann bemühst du dich ernsthaft.“

Offiziell war für Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nur Schwerarbeit erlaubt. Deshalb erhielten sie nur die Schwerarbeiter-Lebensmittelkarte. Doch der Lehrausbilder und nunmehrige Werkdirektor sorgte für einen angemessenen Ausgleich. Wenn das Mittagessen für die Belegschaft beendet war, ließ er seine Lehrlinge von den verschiedensten Arbeitsstellen reihum in die Werkskantine rufen. Sie durften den reichlich verbliebenen „Rest“ verspeisen.
Auch sonst setzte er sich bei auftretenden Fragen und Problemen engagiert für seine „Jungs“ ein.
Auf diese Weise begeisterte er sie für die Antifa-Jugend, besonders für deren Arbeitseinsätze im Stadtgebiet und zur Hilfe für bedürftige Menschen.


II
Die Ernüchterung im demokratischen Rechtsstaat


„Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“
Bärbel Bohley


In der ersten Zeit nach der Wende begriff Ludwig diesen Spruch nicht. Ja, er fand ihn ziemlich banal. Erst später erkannte er den tieferen Sinn dieser Aussage, als er zusehen musste, wie die nach der Wende verbliebenen materiellen und moralischen Werte auf die unterschiedlichste Weise verloren gingen, und er erleben musste, wie der demokratische Rechtsstaat mit den Menschen umging, die 40 Jahre zu leiden hatten.
Nach und nach verschwanden viele Industriebetriebe, die international anerkannte Erzeugnisse herstellten, ja teilweise Spitzenleistungen vollbrachten, materiell abgesicherte Rentenanwartschaften wurden mit fadenscheinigen Begründungen nicht anerkannt, Bewährtes wurde beseitigt und anderes mehr; doch die Menschen, die den Bürgern in der DDR das Leben verbitterten, wurden belohnt.



1
Die Situation nach der Wende in den neuen Bundesländern

Was hat sich nach der Wende in den neuen Bundesländen abgespielt?


1.1 Freudiges Erwachen und „Wild-West“-Zustände

Die Bevölkerung beherrschte eine Art Aufbruchsstimmung.
Die Welt war plötzlich offen. Man konnte fahren, wohin man wollte. Es war möglich, Städte und Landschaften zu erleben, die man nur vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen kannte.
Man konnte Dinge kaufen, von denen man nur aus der Fernsehwerbung wusste und auch solche, von denen viele meinten, dass sie besser wären als die eigenen Produkte. Es gab keine Warteschlangen mehr und der „Luxus“ kam in Hülle und Fülle. Man brauchte nur zu kaufen.
Mit dem anfangs relativ leicht zu erhaltenden Kredit - falls man Arbeit hatte - entwickelte sich Leichtsinn und es entstanden die ersten Überschuldungen. Es kamen Werber- und Treiberkolonnen, die viele nützliche Dinge zu Preisen anboten, welche man noch nicht beurteilen konnte und die sich später als äußerst unseriös herausstellten.
Bald trat Ernüchterung ein. Die Stimmung veränderte sich. Die Reaktionen auf die Realität waren sehr unterschiedlich: von Aufbruchs- und Hochstimmung bis hin zur Enttäuschung und Resignation, ja bis zur Verbitterung.

In den ersten Jahren nach der Wende spielten sich in den neuen Bundesländern Dinge ab, die man glatt unter Wild-West-Manieren und Raubrittertum einordnen konnte - und das auf allen Etagen des ach so demokratisch geordneten Lebens: staatliche Machtzentren, Wirtschaft und Privatsphäre.
Neben den Abzockern aus dem Westen entwickelten sich die Wendegewinner aus dem Osten. Es waren meist Menschen, die durch die „Art ihrer Tätigkeit“ in der DDR einen guten Einblick in die Verhaltensweisen politischer Schaltzentralen und in die wirtschaftlichen Verhältnisse besaßen.

Ludwig sah das Ganze aus dem Blickwinkel, den er durch seine langjährige Tätigkeit in der und für die Industrie sowie als Mitglied zentraler Arbeitsgruppen und beruflicher Vereinigungen gewonnen hatte.
Durch vielfältige Einsätze in markanten Betrieben und Kombinaten der metallverarbeitenden Industrie, bei der Vorbereitung von zentralen Lehrschauen und Konferenzen und sein Wirken in zentralen wissenschaftlichen Gremien erhielt er einen guten Einblick über die Leistungsfähigkeit und die Schwächen der Industrie, aber auch darin, wie man in übergeordneten Organen „tickte“.
In dem an den Volkswirtschaftsrat angebundenen RGW-Institut ZIF war so manche heikle Information von „oben“ durchgesickert.

Jeder wird die Situation nach der Wende verständlicherweise aus der Sicht seiner Welt sehen. Doch Ludwig hatte nicht nur gesehen oder gelesen, sondern selbst erlebt, wie hier die Weltverbesserer - in Wirklichkeit Glücksritter - ihre Außenstellen installierten und die naiv-gutgläubigen DDR-Bürger serienweise betrogen, welche ahnungslos dem demokratischen Rechtsstaat vertrauten.
Es sind viele Fragen und Zweifel offengeblieben.

Als Erste kamen vorwiegend „Helfer“ in den Osten, die nur das sogenannte „Buschgeld“ kassieren wollten. Sie besetzten Kommandoposten, leisteten nichts für ihren Verantwortungsbereich, bauten für längere Zeit rechtlich bindende Versorgungssysteme für ihren Verwandten- und Bekanntenkreis auf und nutzten jede Möglichkeit, um abzuzocken.
Natürlich kamen auch viele Bundesbürger, die echt mit anpackten, mit Rat und Tat zur Seite standen und wertvolle Hilfen leisteten. Sie bemühten sich ehrlich Neues aufzubauen, ohne sich dabei persönlich zu bereichern - doch das war damals eine Minderheit. Zuverlässige Hilfe kam vorwiegend erst durch die zweite Welle der Bundesbürger, die sich in den Osten begaben und meist auch blieben.

Besonders im Blickfeld standen die importierten Landesfürsten von Thüringen und Sachsen.
Bernhard Vogel hatte zwar für Thüringen viel, jedoch nicht so viel wie Biedenkopf für Sachsen geleistet. Trotzdem steht er in einem besseren Ruf als Biedenkopf, dessen Heldentaten jahrelang die Gerichte beschäftigten. Im Blickpunkt steht vor allem die „Paunsdorf-Affäre“, ein überdimensioniertes, überteuertes und völlig deplatziert gelegenes Verwaltungszentrum in Leipzig-Paunsdorf.

Eine Feststellung von Vogel hatte Ludwig sofort fasziniert:

„Ich glaube, wir müssen begreifen, die Demokratie ist nicht so bequem wie eine Diktatur.“

Das bekamen die Menschen in den neuen Bundesländern – denen früher vieles abgenommen wurde und die nicht gelernt hatten, selbstständig über alles Mögliche zu wachen und zu handeln - voll zu spüren.
Am schlimmsten waren die „Gentlemen“-Betrüger,

die die Rathäuser besetzten und über langjährige Knebelverträge zulasten der jeweiligen Stadt ihre Verwandtschaft versorgten und solche
die mit hehren Ideen zur Umsetzung ihrer Pläne um Menschen und Geld warben, sich maßlos bereicherten und den gutgläubigen Bürger betrogen.

Vor allem die Werbungen für die Baulanderschließung, um die Wohnungsnot rasch zu beseitigen, und für „Saubere Energie“

1
Im Blickfeld der „Firma“

1.1 Der beharrliche Türsteher und seine unerfreulichen Parteigenossen

Kaum hatte Ludwig das 18. Lebensjahr vollendet, stand Hugo Hummel vor der Wohnungstür seiner Eltern. Immer wieder. Für besondere Aufgaben im Staatsdienst wollte er ihn werben: „Zunächst eine kurze militärische Grundausbildung, danach Einsatz mit großartigen Entwicklungsmöglichkeiten.“
Er war der Onkel eines Schulfreundes, den Ludwig oft mit nach Hause nahm, als dessen Mutter gestorben war und der Vater kriegsdienstverpflichtet Militärtransporte im Osten zu leiten hatte. Der Schulfreund wurde von Verwandten notdürftig „über Wasser“ gehalten. „Bring ihn mit. Wo vier Kinder sind, hat auch ein fünftes Platz“, sagte Ludwigs Mutter.

„Warum ich?“, überlegte er.
War es die Anteilnahme für den Neffen dieses Herrn in den letzten Kriegsmonaten weshalb man mich wollte?“
„War es die aktive Tätigkeit in der Antifa-Jugend und in der neu gegründeten FDJ, die die im Aufbau befindliche Staatssicherheit auf mich aufmerksam machte?“
„Oder waren es die Zeitungsartikel, in denen wiederholt über meine Achtungserfolge als junges Schachtalent berichtet wurde?“

Das Schachspiel hatte Ludwig mit 13 Jahren in der Zeit der ständigen Fliegeralarme kennengelernt. Der Unterricht fiel oft aus und die Schüler hatten Langeweile. Die Jungs vertrieben sich die Zeit meist mit dem Skatspiel. Der Klassenlehrer, der als Objektverantwortlicher in dieser Zeit andere Aufgaben zu erfüllen hatte, war damit nicht einverstanden. Er zog alle Skatkarten ein und übergab sie dem Heizer der Schule. Dieser hatte in den nächsten Wochen viele fleißige Helfer beim Einschaufeln des angelieferten Kokses - und die Klasse ihre Skatkarten zurück.
Das hatte sich offensichtlich in der Schule herumgesprochen, denn die Englischlehrerin fragte eines Tages die Klasse: „Warum nutzt ihr die Zeit nicht für ein vernünftiges Spiel? Spielt doch Schach. Wer von euch kann denn Schach spielen?“
Ziemlich begeistert meldete sich nur ein Schüler. Nach weiterem Nachfragen hoben dann noch vier Schüler die Hand.
„Dann lernt es. Wer kann helfen?“
Der Schachbegeisterte meldete sich wieder. Er besaß ein kleines Heftchen. Zehn Reichspfennige hatte es gekostet. Dieses Heftchen machte bald die Runde. Nach drei Wochen meldeten sich elf Schüler zu einem Klassenturnier. Es sollte jeder gegen jeden spielen.
Doch schon nach fünf Runden wurde das Turnier abgebrochen. Der Schachbegeisterte weigerte sich weiter am Turnier teilzunehmen, nachdem er gegen Ludwig verloren und dieser bisher jedes Spiel gewonnen hatte.

Ludwigs Vater erkannte bald, dass dem 18-Jährigen die Gespräche an der Wohnungstür zu schaffen machten. Er war erst vor einigen Monaten, nach fünfjähriger Gefangenschaft, aus Sibirien zurückgekehrt. Körperlich und mental schwer angeschlagen kämpfte er ums Überleben.
„Leg dich mit denen nicht an. Sag, dass du erst deine Lehre beenden möchtest“, riet ihm der Vater.

Doch der Staatsdiener warb: „Das ist nicht notwendig. Einen Lehrabschluss brauchst du nicht. Eine sechsmonatige militärische Grundausbildung genügt.“
„Und wenn ich krank werde? Den Anforderungen nicht mehr genüge?“
„Dann wird anderweitig für dich gesorgt. Es gibt noch andere interessante Einsatzmöglichkeiten.“
„Welche?“
„Z. B. als Landrat.“
Ludwig, der nach dem Besuch der höheren Handelsschule eine kaufmännische Lehre aufgenommen hatte, ließ sich nicht beschwatzen. Die angepriesenen großartigen Entwicklungsmöglichkeiten konnten ihn nicht betören.

Nach einem Jahr Lehrzeit stellte er einen Antrag auf vorzeitige Ablegung der Kaufmannsgehilfenprüfung, die er mit guten Ergebnissen bestand. Danach bot sich ihm überraschend eine völlig neue berufliche Entwicklung, durch die er glaubte, dem Blickfeld dieses Werbers entschwinden zu können. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Bald sollte er den Griff der „Firma“, zu der der Herr an der Tür offensichtlich gehörte, wieder spüren.

Sein Lehrbetrieb, eine Möbelstoffweberei in Hohenstein/Er., delegierte ihn zur Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF). Das wurde abgelehnt. Wie schon vier Jahre zuvor, als er nach einem Jahr als Berglehrling vom Steinkohlenbergbaubetrieb seiner Heimatstadt in Oelsnitz/Erzgeb. an die ABF nach Freiberg delegiert worden war.
Inzwischen arbeitete er als kaufmännischer Angestellter in seinem Lehrbetrieb, einem der ersten volkseigenen Betriebe in der Region.
Wohl deshalb hatte man den Betrieb dazu auserkoren, für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im August 1951 in (Ost-)Berlin, einen Vortrupp zu stellen. Dieser sollte Aufgaben zur organisatorischen Vorbereitung übernehmen. Ludwig war dabei.
Der Vortrupp bestand aus 30 FDJlern, die von vier Mitgliedern der Parteileitung des Betriebes betreut und angeleitet wurden. Leiter des Vortrupps war der Werkdirektor und als Leiter der drei Zehnergruppen fungierten der Parteisekretär, der BGL-Vorsitzende und der Leiter der Technischen Kontroll-Organisation (TKO-Leiter).

Die auszuführenden Arbeiten waren bald erledigt und den Zehnergruppenleitern wurde es offensichtlich langweilig. Sie luden die Jugendlichen zu einem Ausflug an eine Badestelle der Spree ein.
Was sich dort abspielte, sollte zu einer bleibenden Erinnerung an ein abschreckendes Erlebnis führen.
Es veranlasste zu ernsthaftem Nachdenken über das Verhalten der verantwortlichen Parteigenossen und beeinflusste lange Zeit die Einstellung zu ihrer Partei der Arbeiterklasse.

An der Spree entdeckten die drei Gruppenleiter plötzlich ihr Herz für die vier mitgekommenen Lehrlinge und jugendlichen Angestellten aus dem kaufmännischen Bereich. Sie verleiteten sie zum Trinken von hartem Alkohol, den sie spendeten. Wer nicht wollte, dem wurde nachgeholfen. Es dauerte nicht lange, bis drei von ihnen sturzbetrunken in der Spree herumtobten und sich gegenseitig attackierten.
Dann war Ludwig an der Reihe. Er hatte den Alkohol strikt abgelehnt und wurde nun gewaltsam dazu gezwungen. Zwei dieser „Betreuer“ drückten seine Arme nach hinten und der dritte flößte ihm unter Zwang den Fusel ein.
Anschließend lotsten sie ihn volltrunken zum Badestrand.

Als Ludwig seine Umwelt wieder wahrnahm, befand er sich völlig durchnässt auf dem Heimweg zum Quartier, das sich auf dem Oberboden eines Hauses an der Treptower Allee befand. Was vorher war, wie er zu der völlig durchnässten Bekleidung kam, wusste er nicht. Er hatte einen „Filmriss“. Auf dem Stroh seines Schlafplatzes liegend, schwankte vor seinen Augen das Haus kräftig hin und her. Bald beugte sich ein lächelnder Kopf über ihn und verspottete ihn wegen seines Zustandes: „Ach der kleine Wegener …“ Es war der Werkdirektor, der vierte der Parteigrößen.

Ca. drei Wochen später fragte ihn im städtischen Freibad seines Heimatortes ein ihm unbekannter etwa drei Jahre älterer Jugendlicher: „Wie geht es dir denn?“
„Was soll das?“, gab Ludwig zurück, „wir kennen uns doch gar nicht.“
„Kann schon sein, dass du mich nicht wiedererkennst, doch ohne mich würdest du heute nicht mehr leben. Du warst total betrunken und völlig hilflos, als ich dich aus der Spree holte“, erhielt er zur Antwort.
Als er ihn fragend und schulterzuckend anschaute, erklärte dieser Unbekannte:
„Ich hatte schon längere Zeit die Szene beobachtet und gesehen, dass eure Betreuer ihre Freude daran hatten, euch mit Alkohol aufleben zu lassen. Drei tobten ja bald in der Spree. Nur du hast dich hartnäckig dagegen gesträubt. Nachdem sie dir den Alkohol eingetrichtert hatten, meinten sie, du sollst dich im Wasser erfrischen. Dort ließen sie dich hilflos zurück. Ich griff zu, als ich sah, dass du in der Spree versinkst.“
Ludwig brauchte einige Zeit des Nachdenkens, um seine Schlussfolgerungen aus der Vorbildwirkung dieser Parteigenossen zu ziehen.
Seine Gedanken flogen zurück zum Beginn seiner beruflichen Entwicklung als Berglehrling im Steinkohlenbergbau. Der Leiter der Lehrwerkstatt war für ihn als Ausbilder und in seinem Auftreten als politisch orientierter Mensch so etwas wie ein Vorbild gewesen.



1.2 Erinnerungen an ein Vorbild

Als der Krieg beendet war, das Alltagsleben nach und nach wieder einsetzte und die Schulen öffneten, stand Ludwig vor einem Problem.
Er hatte drei jüngere, noch schulpflichtige Geschwister und eine kranke Mutter, die ihre Kinder tapfer über die Kriegsjahre betreute. Vom Vater gab es schon seit drei Jahren kein Lebenszeichen. Ein weiterer Schulbesuch in Richtung Abitur war damit ausgeschlossen, aber Verantwortung gefragt; zumindest so lange, bis die Geschwister ihre Schulausbildung abgeschlossen hatten.
„Was tun?“
Für die Geschwister stand der weitere Schulbesuch an und Ludwig musste sich um einen Arbeitsplatz kümmern. Industrie und Handwerk lagen am Boden. Arbeiten im Steinkohlenbergbau war der Ausweg und im Hinblick auf Geld und Verpflegung auch das Vernünftigste.
Im Herbst 1945 begann er als Berglehrling im Steinkohlenbergwerk „Deutschland“ seines Heimatortes Oelsnitz/Erzgeb.
Der Lehrausbilder, Kurt Zierold, hatte das KZ überstanden. Er brachte viel Verständnis für die Jugend auf und konnte sie begeistern. Einige Monate später wurde er zum Werkdirektor des Steinkohlenwerkes berufen.

Die von den Lehrlingen auszuführenden Arbeiten waren hart und mitunter auch stupide. Oft leisteten diese jungen Menschen die gleichen Arbeiten wie die Erwachsenen, welche dafür die Schwerstarbeiter-Lebensmittelkarte erhielten. Die Jugendlichen mussten solche Arbeiten mit übernehmen, weil nach dem Krieg nicht genug erwachsene Männer zur Verfügung standen. Besonders stressig war die Arbeit am kontinuierlich vorbeilaufenden Ausleseband. Auch das Abladen von Baumstämmen für den Grubenausbau, die mit ihrer Länge zwei Eisenbahnwaggons überdeckten und das bei –20 Grad Celsius, belasteten ungewöhnlich den jugendlichen Körper.
Ludwig, der in seiner Schulzeit das Lernen nur sehr lässig wahrgenommen hatte, schwor sich: „Wenn du noch einmal eine Gelegenheit hast zu lernen, dann bemühst du dich ernsthaft.“

Offiziell war für Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nur Schwerarbeit erlaubt. Deshalb erhielten sie nur die Schwerarbeiter-Lebensmittelkarte. Doch der Lehrausbilder und nunmehrige Werkdirektor sorgte für einen angemessenen Ausgleich. Wenn das Mittagessen für die Belegschaft beendet war, ließ er seine Lehrlinge von den verschiedensten Arbeitsstellen reihum in die Werkskantine rufen. Sie durften den reichlich verbliebenen „Rest“ verspeisen.
Auch sonst setzte er sich bei auftretenden Fragen und Problemen engagiert für seine „Jungs“ ein.
Auf diese Weise begeisterte er sie für die Antifa-Jugend, besonders für deren Arbeitseinsätze im Stadtgebiet und zur Hilfe für bedürftige Menschen.


II
Die Ernüchterung im demokratischen Rechtsstaat


„Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“
Bärbel Bohley


In der ersten Zeit nach der Wende begriff Ludwig diesen Spruch nicht. Ja, er fand ihn ziemlich banal. Erst später erkannte er den tieferen Sinn dieser Aussage, als er zusehen musste, wie die nach der Wende verbliebenen materiellen und moralischen Werte auf die unterschiedlichste Weise verloren gingen, und er erleben musste, wie der demokratische Rechtsstaat mit den Menschen umging, die 40 Jahre zu leiden hatten.
Nach und nach verschwanden viele Industriebetriebe, die international anerkannte Erzeugnisse herstellten, ja teilweise Spitzenleistungen vollbrachten, materiell abgesicherte Rentenanwartschaften wurden mit fadenscheinigen Begründungen nicht anerkannt, Bewährtes wurde beseitigt und anderes mehr; doch die Menschen, die den Bürgern in der DDR das Leben verbitterten, wurden belohnt.



1
Die Situation nach der Wende in den neuen Bundesländern

Was hat sich nach der Wende in den neuen Bundesländen abgespielt?


1.1 Freudiges Erwachen und „Wild-West“-Zustände

Die Bevölkerung beherrschte eine Art Aufbruchsstimmung.
Die Welt war plötzlich offen. Man konnte fahren, wohin man wollte. Es war möglich, Städte und Landschaften zu erleben, die man nur vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen kannte.
Man konnte Dinge kaufen, von denen man nur aus der Fernsehwerbung wusste und auch solche, von denen viele meinten, dass sie besser wären als die eigenen Produkte. Es gab keine Warteschlangen mehr und der „Luxus“ kam in Hülle und Fülle. Man brauchte nur zu kaufen.
Mit dem anfangs relativ leicht zu erhaltenden Kredit - falls man Arbeit hatte - entwickelte sich Leichtsinn und es entstanden die ersten Überschuldungen. Es kamen Werber- und Treiberkolonnen, die viele nützliche Dinge zu Preisen anboten, welche man noch nicht beurteilen konnte und die sich später als äußerst unseriös herausstellten.
Bald trat Ernüchterung ein. Die Stimmung veränderte sich. Die Reaktionen auf die Realität waren sehr unterschiedlich: von Aufbruchs- und Hochstimmung bis hin zur Enttäuschung und Resignation, ja bis zur Verbitterung.

In den ersten Jahren nach der Wende spielten sich in den neuen Bundesländern Dinge ab, die man glatt unter Wild-West-Manieren und Raubrittertum einordnen konnte - und das auf allen Etagen des ach so demokratisch geordneten Lebens: staatliche Machtzentren, Wirtschaft und Privatsphäre.
Neben den Abzockern aus dem Westen entwickelten sich die Wendegewinner aus dem Osten. Es waren meist Menschen, die durch die „Art ihrer Tätigkeit“ in der DDR einen guten Einblick in die Verhaltensweisen politischer Schaltzentralen und in die wirtschaftlichen Verhältnisse besaßen.

Ludwig sah das Ganze aus dem Blickwinkel, den er durch seine langjährige Tätigkeit in der und für die Industrie sowie als Mitglied zentraler Arbeitsgruppen und beruflicher Vereinigungen gewonnen hatte.
Durch vielfältige Einsätze in markanten Betrieben und Kombinaten der metallverarbeitenden Industrie, bei der Vorbereitung von zentralen Lehrschauen und Konferenzen und sein Wirken in zentralen wissenschaftlichen Gremien erhielt er einen guten Einblick über die Leistungsfähigkeit und die Schwächen der Industrie, aber auch darin, wie man in übergeordneten Organen „tickte“.
In dem an den Volkswirtschaftsrat angebundenen RGW-Institut ZIF war so manche heikle Information von „oben“ durchgesickert.

Jeder wird die Situation nach der Wende verständlicherweise aus der Sicht seiner Welt sehen. Doch Ludwig hatte nicht nur gesehen oder gelesen, sondern selbst erlebt, wie hier die Weltverbesserer - in Wirklichkeit Glücksritter - ihre Außenstellen installierten und die naiv-gutgläubigen DDR-Bürger serienweise betrogen, welche ahnungslos dem demokratischen Rechtsstaat vertrauten.
Es sind viele Fragen und Zweifel offengeblieben.

Als Erste kamen vorwiegend „Helfer“ in den Osten, die nur das sogenannte „Buschgeld“ kassieren wollten. Sie besetzten Kommandoposten, leisteten nichts für ihren Verantwortungsbereich, bauten für längere Zeit rechtlich bindende Versorgungssysteme für ihren Verwandten- und Bekanntenkreis auf und nutzten jede Möglichkeit, um abzuzocken.
Natürlich kamen auch viele Bundesbürger, die echt mit anpackten, mit Rat und Tat zur Seite standen und wertvolle Hilfen leisteten. Sie bemühten sich ehrlich Neues aufzubauen, ohne sich dabei persönlich zu bereichern - doch das war damals eine Minderheit. Zuverlässige Hilfe kam vorwiegend erst durch die zweite Welle der Bundesbürger, die sich in den Osten begaben und meist auch blieben.

Besonders im Blickfeld standen die importierten Landesfürsten von Thüringen und Sachsen.
Bernhard Vogel hatte zwar für Thüringen viel, jedoch nicht so viel wie Biedenkopf für Sachsen geleistet. Trotzdem steht er in einem besseren Ruf als Biedenkopf, dessen Heldentaten jahrelang die Gerichte beschäftigten. Im Blickpunkt steht vor allem die „Paunsdorf-Affäre“, ein überdimensioniertes, überteuertes und völlig deplatziert gelegenes Verwaltungszentrum in Leipzig-Paunsdorf.

Eine Feststellung von Vogel hatte Ludwig sofort fasziniert:

„Ich glaube, wir müssen begreifen, die Demokratie ist nicht so bequem wie eine Diktatur.“

Das bekamen die Menschen in den neuen Bundesländern – denen früher vieles abgenommen wurde und die nicht gelernt hatten, selbstständig über alles Mögliche zu wachen und zu handeln - voll zu spüren.
Am schlimmsten waren die „Gentlemen“-Betrüger,

die die Rathäuser besetzten und über langjährige Knebelverträge zulasten der jeweiligen Stadt ihre Verwandtschaft versorgten und solche
die mit hehren Ideen zur Umsetzung ihrer Pläne um Menschen und Geld warben, sich maßlos bereicherten und den gutgläubigen Bürger betrogen.

Vor allem die Werbungen für die Baulanderschließung, um die Wohnungsnot rasch zu beseitigen, und für „Saubere Energie“

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