Zu Gast in einer anderen Welt

Zu Gast in einer anderen Welt

Luzzi B.


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 208
ISBN: 978-3-99026-942-8
Erscheinungsdatum: 24.07.2013
Die 15-jährige Maggy entdeckt in einem See eine Luke zu einer fremden Welt. Von einem geheimnisvollen Wesen wird sie in diese unglaubliche Welt geführt und lernt eine völlig neue Sicht auf das Leben kennen.
Es waren graue, regnerische Wintertage, als die 15jährige Maggy
in ihrem Zimmer saß und ihre Geschichte begann …

Wie die meisten anderen Kinder in ihrem Alter ging sie auf die weiterführende Schule der Kleinstadt, in der sie mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder in einem Vorort wohnte. Maggy war ein aufgeschlossenes, verspieltes Mädchen und ging gern mit ihren Freunden hinaus in den Wald oder zum See. Sie konnte aber auch sehr verschlossen und verträumt sein, und es gab Tage, an denen sie lieber allein auf ihrem Zimmer blieb und ihren Gedanken nachhing, die sie niemandem verriet. Dann fühlte sie sich wohl und geborgen, schrieb Gedichte, die auf einmal aus ihrem Stift flossen, malte Bilder, las oder lag einfach nur auf ihrem Bett. An solchen Tagen konnte sein, was wollte – Maggy zog die Ruhe und das Alleinsein allem anderen vor.
An einem dieser düsteren Tage saß Maggy an ihrem kleinen Holzschreibtisch und war erstaunt über das schöne Gedicht, das sie gerade zu Papier gebracht hatte, als es an der Zimmertür klopfte.
„Maggy, komm – wir gehen an den See!“ sagte ihr Vater, nachdem er eingetreten war.
„Wie, jetzt sofort? – Geht ohne mich“, antwortete Maggy erst. Doch irgendwie drängte sie ein inneres Gefühl, das sie zum Mitgehen veranlaßte. Schnell zog sie sich an und eilte wenig später die Holztreppe hinunter.
„Kommen Mom und Francis nicht mit?“ wandte sie sich an ihren Dad.
„Genüge ich Dir denn nicht?“ fragte dieser zurück. Beide lachten daraufhin und gingen aus dem Haus.
Es war ungewöhnlich für Maggy, daß sie allein mit ihrem Vater unterwegs war. Doch sie begann, Gefallen daran zu finden. Beide sprachen sie wenig miteinander – nicht nur jetzt, sondern generell.
Sie liefen einen Weg entlang, der direkt zum Wald führte und noch gefroren von den vergangen eiskalten Tagen war. Kurz vor dem Wald bogen sie nach links ab und nahmen den Pfad hinunter an den See, der nach nur wenigen Metern weiter unten vor ihnen gut zu erkennen war. Noch bevor sie das Ufer erreicht hatten, stolperte Maggy plötzlich über einen Stein und stürzte.
„Hast Du Dir weh getan?“ wollte ihr Vater sofort besorgt wissen und half ihr, sich aufzurichten.
„Nee, keine Sorge“, antwortete sie ihrem Dad. Neben Maggy lag ein Baumstamm – auf diesem ließ sich ihr Vater nieder und klopfte neben sich – als Aufforderung an seine Tochter, sich doch zu ihm zu setzen.

Als beide dort einige Minuten still gesessen hatten, fing ihr Vater an zu erzählen:
„Als ich klein war, hat mir mein Großvater erzählt, daß die Menschen früher immer wieder von einer Legende sprachen. Sie berichteten, daß es tief unten im Wasser des Sees eine Stadt geben würde, mit richtigen Häusern und Straßen – eine Welt wie hier oben, nur eben unter Wasser. Zu dieser Stadt würde man durch eine Luke am Seegrund gelangen – man müsse dreimal klopfen und je nachdem, welche Absicht man verfolgte, würde die Luke dann aufgehen oder nicht.“ Er lachte plötzlich. „Glaub’ den Schwachsinn bloß nicht! Wie ich dich kenne, würdest du glatt nachschauen gehen.“
„Hat denn schon mal jemand nachgesehen, ob es die Luke gibt?“ fragte Maggy und runzelte die Stirn.
„Nun, Onkel Sam und ich sind früher mal hinabgetaucht – zwar nicht den ganzen Seegrund entlang, aber doch ein ziemlich großes Stück – aber weit und breit war da keine Luke zu sehen!“
Maggy ließ sich nichts anmerken, doch sie ließ den Blick über den See streifen, als würde sie bereits die Stelle suchen, an der man wohl hinuntertauchen müßte, um die Luke zu finden.
Beide saßen noch eine ganze Weile auf dem Baumstamm und unterhielten sich. Sie sprachen über die Schule und über Maggys Pläne für die Zukunft. Bis auf ein paar Wunschgedanken hatte Maggy noch keine Ahnung. Sie wollte auf jeden Fall das College besuchen und einen guten Schulabschluß schaffen. Aber bis dahin war ja noch etwas Zeit, da sie momentan ja gerade erst die neunte Klasse besuchte. Dennoch … sie war sehr ehrgeizig, und das nicht nur in der Schule …
„So, nicht, daß uns noch die Füße einfrieren, junge Dame“, unterbrach ihr Vater ihre Gedanken. „Es wird Zeit, den Heimweg anzutreten.“ Sie standen auf. Als sie auf die Uhr schaute, traute Maggy ihren Augen nicht – eine geschlagene Stunde war sie bereits mit ihrem Vater unterwegs gewesen! Langsam schlenderten sie nach Hause und freuten sich beide auf die wohlige Wärme im Haus und auf einen schönen heißen Tee.

Als Maggy an diesem Abend in ihrem Bett lag, dachte sie noch lange über die Legende nach, die ihr Vater ihr erzählt hatte. Sie fragte sich, was da unten in dieser Welt wohl für Wesen leben mochten, wenn es denn wahr war. Menschen wie sie konnten das ihrer Ansicht nach ja nun nicht sein – oder etwa doch? Aber wie sollten sie atmen? Oder hatten sie so etwas wie Kiemen, wie die Fische? Seltsam – wer oder was konnte schon die ganze Zeit unter Wasser leben? Fische lebten doch auch nicht in einer Stadt! Maggy war erstaunt über diese Vorstellung und fasziniert zugleich. Sie war nicht sicher, ob sie diese Geschichte nun glauben sollte oder nicht. Aber irgend etwas an der Vorstellung, daß tief unten im See Wesen lebten, die vielleicht menschenähnlich waren, zog sie in ihren Bann.

In den nächsten Wochen und Monaten ging Maggy wie gewohnt zur Schule, traf sich in ihrer Freizeit mit Freunden, verbrachte Zeit allein und mit ihrer Familie. Ihre Gedanken an die Legende verblaßten immer mehr, bis sie sich gar nicht mehr damit befaßte. So verging der Winter und es kamen wärmere, sonnigere Tage … Der Frühling brach herein und Maggy hielt sich wieder häufiger draußen in der freien Natur auf. Da der See ihr in dieser Zeit zu langweilig war, blieb sie lieber mit Freunden im Wald oder fuhr mit ihren Eltern in die nahegelegene größere Stadt ins Hallenbad oder all die Dinge einkaufen, die sie bei sich in der Wohngegend nicht bekamen.
Maggy war eine gute Schwimmerin; sie konnte über lange Strecken tauchen und sprang mit einem Heidenspaß kopfüber ins Wasser. Schon früh hatten ihre Eltern ihr das Schwimmen beigebracht. Sie verstand nicht, warum ihr jüngerer Bruder sich so schwer damit tat. Er konnte zwar auch schwimmen, war aber immer wieder froh, wenn er aus dem Wasser hinaus konnte.

Es wurde Mai und wärmende Sonnenstrahlen durchfluteten das ganze Land. Maggy liebte es, ihrem Vater draußen im Garten zur Hand zu gehen. Da jetzt die Zeit war, wo er viel draußen arbeitete, verbrachte sie recht wenig Zeit mit ihren Freunden. Stattdessen zog sie es vor, daheimzubleiben und ihrem Vater zu helfen. An einem Samstag jedoch ging er nicht in den Garten, sondern wollte in die Stadt fahren, um neue Pflanzen, Dünger und andere Dinge zu besorgen, die er für die Gartenarbeit brauchte. Maggy war unentschlossen, einerseits wollte sie mitfahren, andererseits lieber etwas spazierengehen, ganz für sich alleine.
„Maggy, was ist jetzt?“ drängelte ihr Vater. „Ich muß los …“ Maggy traf eine Entscheidung.
„Nö, fahr heute mal alleine, ich geh lieber ein bißchen raus.“
„Wie Du meinst“, erwiderte er und machte sich auf den Weg. Maggy trank noch einen großen Schluck Wasser, sagte ihrer Mutter Bescheid, daß sie kurz in Richtung Wald gehen wollte, und ging los.
Als sie an die Biegung zum See kam, hielt sie plötzlich inne und erinnerte sich an die Legende, die ihr Vater ihr im Winter vom See erzählt hatte. „Warum eigentlich nicht?“ sagte sie zu sich selbst und bog kurzerhand ab zum See. Nach wenigen Minuten hatte sie ihn erreicht. Die Sonnenstrahlen glitzerten auf dem Wasser. Der See besaß heute für Maggy eine eigentümliche Schönheit, die sie so noch nie gesehen hatte. Irgend etwas faszinierte sie, doch sie konnte sich nicht erklären, was es war. Anders als im Winter setzte sie sich heute nicht auf den Baumstamm. Sie bog nach rechts ab und schlenderte den Weg rund um den See entlang. Immer wieder ging ihr durch den Sinn, was wohl wäre, wenn an der Legende doch etwas Wahres dran war. Sie spürte ein großes Verlangen, einfach hinabzutauchen und eine unbestimmte Zuversicht, die Luke finden zu können, wuchs von Minute zu Minute.
Maggy hatte den See um mehr als die Hälfte umlaufen, als ihr auf einmal eine besondere Stelle im Wasser auffiel. Wenn man an dieser vorbei gelaufen war und zurückblickte dann schimmerte sie farblich ganz anders und war nicht braunblau, wie das Wasser rundherum, sondern smaragdgrün. Wie gebannt blieb sie minutenlang dort stehen und erschrak plötzlich, als eine riesige Luftblase an der Wasseroberfläche mit einem lauten „Blub!“ zerplatzte. Sie zuckte förmlich zurück und ging weiter, immer schneller, bis sie fast rannte.
„Was war denn das bitte?“ keuchte sie. Sie war sich sicher, daß diese Luftblase ganz bestimmt etwas mit der verborgenen Luke zu tun hatte, die ihr Vater meinte, und faßte den Entschluß, an einem warmen Tag im See schwimmen zu gehen und an genau dieser Stelle hinabzutauchen. Schließlich drosselte sie ihre Geschwindigkeit und ging wieder in normalem Schrittempo. Nach einer Weile drehte sie sich nochmals um, in der Hoffnung, erneut einen Blick auf die Wasserstelle werfen zu können, doch war diese bereits zu weit weg. Noch bevor sie ihren Blick wieder zurückwandte, donnerte sie fast mit ihrem Bruder zusammen …
„Mensch, wo bleibst Du denn? Mom macht sich schon Sorgen und hat mich geschickt, um Dich zu suchen!“ fuhr er sie an.
Maggy erwiderte total erschrocken: „Ich hab ihr doch Bescheid gesagt, daß ich spazierengehe, was soll das denn?“
„Ja schon“, murmelte Francis, „aber hast Du mal auf die Uhr gesehen?“
Maggy tat das und erschrak, als sie sah, daß schon zweieinhalb Stunden vergangen waren. „Ups … wie kann das denn sein?“, nuschelte sie verlegen.
„Wer weiß, wo Du wieder mit Deinen Gedanken warst?“ seufzte Francis genervt. Schweigend gingen beide den Weg weiter um den See herum und bogen dann wieder rechts ab in Richtung ihres Hauses. Als sie zu Hause ankamen, war ihr Vater bereits eingetroffen.
„Na, Du warst ja lange unterwegs, Deine Mutter hat sich schon Sorgen gemacht. Nichts wie rein jetzt, gleich gibt’s Abendbrot!“
Maggy erzählte ihrer Familie nichts von ihrem Spaziergang und davon, was sie am See gesehen hatte. Sie befürchtete, daß sie sie sonst nur auslachen würden. Und ganz bestimmt würden sie ihr Vorhaben, dort hinabzutauchen, niemals erlauben oder auch nur dulden! Sie mußte es heimlich machen, wenn sie je erfahren wollte, was sich am Seegrund an dieser Stelle befand und ob an der Legende etwas Wahres dran war.

Im Laufe der nächsten Wochen verbrachte Maggy ihre Zeit wie eh und je, diesmal nur mit dem Unterschied, daß ihre Gedanken an den See und diese merkwürdige Stelle nicht verblaßten. Im Gegenteil, ihr Vorhaben hinabzutauchen, wurde von Woche zu Woche stärker. Es fiel ihr wahnsinnig schwer, niemandem außer einem guten Schulfreund davon zu erzählen. Je wärmer es wurde, desto mehr stieg ihre Aufregung. Hinzu kam, daß der See an dieser Stelle besonders tief sein sollte. Eigentlich hätte sie auch gern einen ihrer Freunde mitgenommen, doch ihr Gefühl sagte ihr, daß sie ganz allein hinabtauchen sollte, um der Sache im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund zu gehen. Fünf schier endlose Wochen vergingen, in denen Maggy auf eine gute Gelegenheit wartete.

Maggy sah unter sich etwas leuchten. Es war nicht klar zu erkennen, nur ein paar wenige Lichtstrahlen waren zusehen. Als sie noch etwas tiefer tauchte und den Grund unter sich abtastete, fand sie schließlich eine mit Algen bewachsene Luke, die aus Eisen zu sein schien. An der Verbindung zwischen Deckel und Grund schimmerten ein paar Lichtstrahlen hindurch.

Aufgeregt pochte sie mit der Faust gegen die Luke. Das Klopfen erzeugte zwar ein dumpfes Geräusch, war aber sehr leise.
„Wer soll das schon hören?“ fragte sie sich nach einem kurzen Moment des Wartens. Da sie kaum noch Luft hatte, entschloß sie sich, wieder an die Wasseroberfläche zu schwimmen.
Oben angekommen, holte sie erst einmal tief Luft. Schnaufend schaute sich um und entdeckte, daß sie noch ein ganzes Stück vom Ufer weg war. Entmutigt schwamm sie in diese Richtung, um sich gleich an Land ein wenig auszuruhen. Ihr Mut und der Eifer, die in den letzten Wochen immer mehr zugenommen hatten, waren von einem Schlag auf den anderen verblaßt und sie überlegte zweifelnd, wieder aus dem Wasser herauszuklettern und nach Hause zu gehen. Wie sollte sie diese Luke denn jemals öffnen können?

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