Two Suns

Two Suns

Zweite Chance der Menschheit

Barbara Piebel


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 166
ISBN: 978-3-99048-639-9
Erscheinungsdatum: 01.08.2016
Noch weiß auf der Erde niemand, dass die Menschheit sich bald selbst zerstören wird - doch Joey, Linda und einige mehr werden von Außerirdischen für einen Neuanfang auf einen anderen Planeten gebracht. Dieser ist hart und entbehrungsreich …
1. Kapitel


Außerirdische! Dabei denken alle an kleine grüne Männchen oder an fliegende Untertassen! Was aber wäre, wenn sich Außerirdische äußerlich von uns Menschen nicht unterscheiden würden? Wäre es verwunderlich, wenn sie bereits unerkannt unter uns leben würden?

Endlich Urlaub am blauen Meer. Josefine Barkley freute sich schon sehr lange auf diesen Urlaub, da dieser der erste war, der ohne ihre Eltern stattfinden sollte. Die 22-Jährige fühlte sich beim Gedanken daran das erste Mal erwachsen. Als sie vor einigen Monaten auch noch einen schweren Reitunfall hatte, schien der Traum wie eine Seifenblasse zu platzen. Doch nun war sie wieder sprichwörtlich auf den Beinen. Im Moment sogar auf „vier“, denn sie musste noch auf Krücken laufen, doch davon ließ sie sich nicht abhalten, außerdem sollte das Meerwasser sich positiv auf ihre Verletzung auswirken. Endlich war der Tag der Abreise gekommen und Joe bestieg mit ihrer Freundin Linda den Bus. Ohne ihre Freundin wäre sie hilflos gewesen, denn sie half ihr bei allem, was nötig war. Die Reise sollte acht Stunden dauern, aber schon nach einer Stunde schien Joe die Zeit endlos, sie war aufgeregt wie ein kleines Kind. Irgendwie war es für Joe ja wie Weihnachten, nur dass sie sich selbst mit dieser Reise beschenkte und auch Linda war ein Geschenk, ein Geschenk des Himmels. Diese Reise sollte für Joe noch schicksalhaft werden, vielleicht ahnte sie das bereits unbewusst und freute sich deshalb besonders auf diese Reise, oder lag es einfach daran, dass sie fast nicht stattgefunden hätte? Nach endlosen sechs Stunden erblickte Joe das erste Mal vom Bus aus das Meer, während ihre Freundin neben ihr döste. Der Blick war atemberaubend; da schlechtes Wetter herrschte, war das Wasser sehr unruhig und die Wellen brachen sich an den steil ansteigenden Klippen. Joe weckte Linda, und als sie dieses Schauspiel zu Gesicht bekam, war sie auch der Meinung, dass dies wirklich ein Anblick war, den man nicht so schnell vergaß.
Joe wäre am liebsten aus dem Bus gestiegen und hätte gerne noch eine Weile die Wellen beobachtet. Doch der Bus blieb nicht stehen und zu ihrer Enttäuschung führte die Straße wieder ins Landesinnere zurück, sodass sie das Meer aus den Augen verlor. So wunderschön das aufgebrauste Meer auch war, trotz allem hofften sie auf besseres Wetter an ihrem Zielort. Denn wie alle Urlauber wollten auch sie die Sonne genießen und im warmen Meer baden. Doch leider wurden sie enttäuscht und das Wetter war auch am Ziel nicht gerade einladend. Aber der Urlaub hatte ja gerade erst angefangen. Es würde hoffentlich nicht die ganze Woche so bleiben. Im Hotel angekommen, gingen die beiden erst einmal auf ihr Zimmer, um ihre Kleidung auszupacken. Ein netter Hotelangestellter half den beiden mit ihren Koffern. Als sie alles ausgepackt hatten, entschlossen sie sich ein Ersatz-Programm zu starten. Da das Hotel alles, was das Herz begehrt, zu bieten hatte wie: eine Bar, ein Café, ein Hallenbad, ein Restaurant, einen Souvenir-Laden und sogar einen botanischen Garten, entschieden sie sich schließlich zu einem Cappuccino im Kaffeehaus. Denn schließlich sagt man, dass es die Italiener am besten verstehen einen guten Cappuccino zu „zaubern“. Kaum im Café angekommen fiel Joe ein hübscher junger Mann auf, der auch im Café saß. Joe hatte Mühe ihren Blick wieder von ihm abzuwenden, weil er in ihren Augen ein Traum von einem Mann war! Er war mittelgroß, hatte dunkelblonde Haare und wunderschöne Augen. Ihr Blick blieb nicht unbemerkt, der junge Mann schien ihren Blick gespürt zu haben, denn plötzlich sah er von seiner Zeitung, die er gerade las, auf und lächelte Joe an. Joe wurde ganz verlegen und beeilte sich aus seiner Nähe zu kommen. Die beiden Damen steuerten den nächstgelegenen freien Tisch an. Als Joe sich gerade bemühte sich auf ihren Stuhl zu setzen, stand plötzlich der junge Mann von vorhin hinter ihr und war ihr behilflich; das machte Joe noch verlegener, da sie das Gefühl hatte sich so blöd angestellt zu haben, dass er sich veranlasst sah ihr zu helfen. Außerdem ließ sie sich nicht gerne helfen, sie machte alles, was ging, selbst, auch Linda hätte ihr gern das eine oder andere Mal geholfen, aber Joe war in dieser Hinsicht stur, sie ließ sich nur dann unterstützen, wenn es nicht anders ging. Sie musste erst an ihre Grenzen stoßen. Doch durch ihre Krücken war sie ja zurzeit ziemlich eingeschränkt, aber das gestand sie sich nun mal nicht gerne ein. Dieses Mal aber ließ sie sich helfen und verkniff sich auch jeglichen Kommentar, lediglich ein „Dankeschön“ kam über ihre Lippen und zu ihrer Überraschung bekam sie sogar ein „Gern geschehen“ auf Deutsch zurück. Dann war der unbekannte Fremde wieder verschwunden, er saß auch nicht mehr auf seinem Platz wie vorhin, anscheinend hatte er das Café bereits verlassen. Linda wollte gerade einen Kommentar abgeben, aber Joe blickte sie nur an und gab ihr zu verstehen, dass sie das lieber lassen sollte, denn Joe war das Ganze peinlich, da sie immer noch glaubte, sie habe sich so ungeschickt angestellt. Als die beiden ausgetrunken hatten, bezahlten sie und verließen das Café. Es war schon später Nachmittag und die Sonne stand ziemlich tief. Und da sich das Wetter inzwischen schon gebessert hatte, entschlossen sich die beiden zu einem Strandspaziergang. Da es oberhalb des Strandes befestigte Gehwege gab, hatte auch Joe kein Problem mit ihren Krücken. Sie spazierten eine Weile den Strand entlang, und als die Sonne am tiefsten stand und sozusagen das Meer berührte, blieben die beiden eine Weile stehen, um das Naturschauspiel zu beobachten. Da der Regen erst kurz zuvor aufgehört hatte, waren noch viele Wolken zu sehen. Die untergehende Sonne tauchte sie in den unterschiedlichsten Rottönen und die beiden Freundinnen standen bewundernd da und waren so vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, dass sie nicht mehr alleine waren. Erst als sich jemand bemerkbar machte, merkten sie, dass sie nicht mehr alleine waren. „Zwei wunderschöne junge Damen und ein wunderschöner Sonnenuntergang, so sieht man sich wieder.“ Die beiden erschraken förmlich, da sie in ihren Gedanken so vertieft gewesen waren. Es war der junge Mann aus dem Kaffeehaus, der plötzlich hinter ihnen stand. Er entschuldigte sich bei den beiden, da es nicht seine Absicht gewesen war sie so zu erschrecken. Danach meinte er, dass es jetzt sehr schnell dunkel werden würde, und dass er ihnen empfehle wieder ins Hotel zurückzukehren, außerdem bot er seine Begleitung an. Die beiden waren einverstanden, denn die Sonne war bereits im Meer „versunken“ und es wurde wirklich sehr schnell dunkel. Gegen seinen Vorschlag sie zu begleiten hatten sie nichts einzuwenden. Auf dem Rückweg zum Hotel stellte sich der junge Mann vor: „Mein Name ist David und ich bin zurzeit geschäftlich hier. „Aber wenn es meine Zeit erlaubt, würde ich mir gerne die Gegend ansehen, es ist ein so wunderbares Fleckchen Erde. Ich hoffe, es gefällt euch auch hier so gut wie mir.“
Die beiden Freundinnen stimmten David zu. Die Natur bot die schönsten Bilder. Joe dachte, ein Mensch, der so über die Natur denkt, kann kein schlechter Mensch sein. Als die drei dann das Hotel erreichten, verabschiedeten sie sich, obwohl David die beiden noch gerne in die Hotelbar eingeladen hätte. Aber Joe musste leider dankend ablehnen. Ihr Knie machte wieder Probleme und deshalb wollte sie sich gleich nach dem Abendessen hinlegen. Linda hingegen wollte Joe nicht gleich am ersten Abend alleine lassen, obwohl Joe nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte. Aber sie meinten, wenn er wolle, könnten sie sich am nächsten Tag treffen. Leider hatte David erst am Abend Zeit. Als sich die drei getrennt hatten, und die beiden Freundinnen auf ihrem Zimmer waren, wurde noch so lange über das Thema David geredet, bis ihnen schließlich die Augen zufielen. Doch David begleitete Joe sogar noch in ihren Träumen. Sie träumte von einem weißen Pferd, auf einer wunderschönen utopisch wirkenden Lichtung, auf der sich auch ein kleiner See befand.
Außerdem träumte sie von einem Kuss von David und auch von zwei süßen kleinen Babys. Der Traum hatte aber keinen Zusammenhang wie die meisten Träume. Sie erwachte ziemlich verwirrt, ein zärtlicher Kuss von einem so wundervollen Mann, das konnte ja nur ein Traum sein, aber die beiden Babys? Auf das Pferd konnte sie sich ja einen Reim machen, denn sie hatte schon immer davon geträumt am Strand entlangzureiten. Aber die Babys? Ja gut, sie hatte schon immer den Wunsch verspürt eines Tages Mutter zu werden, aber warum träumte sie jetzt davon? Im Urlaub! Sie beschloss diesen Traum so schnell wie möglich zu vergessen und ihren Urlaub zu genießen, denn wenn sie Linda davon erzählen würde, so würde sie diese nur auslachen und sagen, sie habe sich ihn David verliebt.

Am kommenden Tag hatten sie herrliches Strandwetter. Also beschlossen die beiden, das auch auszunützen. Gegen Abend erst verließen sie den Strand, und als sie ihr Abendessen eingenommen hatten, gingen sie auf ihr Zimmer, um sich für den kommenden Abend herzurichten. Gegen 8 Uhr abends trafen sie sich dann mit David. Es wurde ein wunderschöner Abend und David verstand es die beiden Freundinnen zu unterhalten. Auch verstand er es geschickt Fragen über seine Herkunft auszuweichen. Es wurde sehr spät an diesem Abend und war bereits weit nach Mitternacht, als die beiden sich von David verabschiedeten.
Den nächsten Tag begannen die beiden erst gegen Mittag, aber es war ja schließlich ihr Urlaub und da musste man ja nicht auf die Uhr schauen. Den Nachmittag verbrachten sie am Strand und auch David fand Zeit den beiden Gesellschaft zu leisten. Es wurde ein sehr lustiger Abend, die drei verstanden sich so gut, als ob sie sich schon ewig kennen würden. Die beiden Freundinnen merkten gar nicht, dass David immer wieder Fragen über ihre Zukunftspläne und über ihre heimlichen Träume stellte. Auch, dass sie ihm bereitwillig Auskunft darüber gaben, war ihnen nicht bewusst. Irgendetwas Vertrauenswürdiges ging von David aus, etwas, das sich die beiden gar nicht erklären konnten, denn normalerweise wären sie einem Fremden gegenüber nicht so aufgeschlossen gewesen. Der Nachmittag verging schnell, viel zu schnell. Sie hätte gerne noch etwas Zeit mit ihm verbracht.
„Was soll das?“, sagte sich Joe. Sie träumte schon wieder von etwas, was sie nicht sollte, nämlich von David, sie war schon wieder auf dem besten Wege sich zu verlieben. Aber das durfte sie nicht, sie würde nur wieder enttäuscht werden. Sie wurde immer von Männern enttäuscht, selbst ihr letzter Freund, der ihr einen Antrag gemacht und sie sich daraufhin Bedenkzeit erbeten hatte, meldete er sich nicht mehr bei ihr. Und zwei Tage später, als sie sich zufällig begegneten, tat er so, als ob er sie gar nicht kannte. Ja, nicht einmal einen Gruß hatte er für sie übriggehabt. Das hatte Joe zutiefst verletzt, denn wenn Joe liebte, dann mit vollem Herzen. An dieser Zurückweisung hatte sie immer noch schwer zu kämpfen, obwohl inzwischen schon zwei Jahre vergangen waren. Deshalb verbot sie sich, sich wieder zu verlieben und schon gar nicht im Urlaub in jemanden, den sie danach nie wiedersehen würde. Neue Liebe ist nur neuer Schmerz, versuchte sie sich einzureden, außerdem hatte er noch gar nicht versucht ihr näher zu kommen, wahrscheinlich war er sowieso nur an Linda interessiert. Andererseits hatte er auch noch nicht versucht Linda näher zu kommen, was eigentlich nicht gerade der Typ Mann war, den sie kannte. Aber Schluss mit dem Philosophieren und den Tagträumen, sie war im Urlaub und sollte sich amüsieren und nicht über die Zukunft nachdenken oder sich den Kopf zu zerbrechen über warum und wieso und möglicherweise. Am nächsten Tag wollte David mit den beiden einen Ausflug machen und sie nahmen diesen Vorschlag dankend an. David entpuppte sich als perfekter Fremdenführer, er zeigte ihnen alte Ruinen, tolle Gebäude und auch eine alte Kirche mit einem alten Brunnen, der Wünsche erfüllen sollte. Jeder der drei nahm nun eine Münze in die Hand und warf sie in den Brunnen. Linda wünschte sich eine Karriere als Kriminalpolizistin, David hingegen wollte, dass seine Pläne in puncto seiner Mission, die mit den beiden Freundinnen zu tun hatte, zum Erfolg wurden und Joe wünschte sich irgendwann mal eine Familie zu haben mit einem liebenden Ehemann.
Als ob es ein Zeichen war, kam im selben Moment ein frisch vermähltes Brautpaar aus der Kirche. Als die Braut den Strauß warf, was anscheinend auch hier Tradition war, hätte sie sich am liebsten zur Hochzeitsgesellschaft gesellt und versucht ihn zu fangen. Aber das ging leider nicht. Aber wie durch ein Wunder flog der Strauß direkt vor ihre Füße, obwohl sie einige Meter von der Hochzeitsgesellschaft entfernt stand. Joe hob ihn auf und brachte ihn der Braut zurück, schließlich gehörte sie nicht zur Hochzeitsgesellschaft und deswegen stand ihr der gefangene Brautstrauß auch nicht zu. Doch als sie ihn der Braut zurückgeben wollte, lachte diese und deutete, sie solle ihn behalten. Joe bedankte sich und die Braut sagte noch etwas, was sie nicht verstand, da sie kein Italienisch sprach. Linda meinte, das müsse einfach Schicksal sein, denn wieso landete er gerade vor Joes Füßen, obwohl sie ein schönes Stück weit von der Hochzeitsgesellschaft entfernt stand? Joe hingegen sagte, dass die Braut einfach einen kräftigen Wurf hatte. David hingegen verstand das Ganze nicht, da er das Ritual nicht kannte. Also wurde er kurzerhand aufgeklärt, dass dies ein alter Brauch sei und es hieß, dass derjenige, der den Strauß fing, angeblich der Nächste sei, der heiraten werde. Da lächelte David und meinte, dass das ein schöner Brauch sei, und fragte, ob alle, die ihn fangen, danach heiraten? „Nein“, antwortete Linda, „das ist nur ein alter Aberglaube.“ Joe behielt den Strauß als Andenken und stellte ihn am Abend in ihrem Hotelzimmer in eine Vase auf dem Tisch.

Das Abendessen nahmen die drei noch gemeinsam ein, danach verabschiedete sich David von den beiden Freundinnen, doch bevor er ging, verabredete er sich mit den beiden zum morgigen Mittagessen. Doch Linda sagte dankend ab. Sie hatte längst gemerkt, dass Joe von David fasziniert war und wollte den beiden eine Chance geben. Denn sie selbst fand nicht so sehr Gefallen an David, außerdem hatte sie im Moment keine Lust auf eine Beziehung, da sie eine langjährige hinter sich hatte und das Leben erst einmal als Single genießen und sich ganz auf ihren Beruf konzentrieren wollte. Sie war nicht so wie Joe, die nicht gerne alleine war und immer wieder eine neue Beziehung suchte, für Joe gab es einfach nichts Schöneres, als verliebt zu sein. Sie hoffte, dass Joe und David sich näher kamen, denn David machte einen sehr netten Eindruck und würde sicher gut zu Joe passen. David meinte, dass er sich sehr gerne mit ihnen beiden verabredet hätte, aber Linda blieb dabei, dass sie nicht mitgehen wollte. Also verabschiedete sich David und die beiden verbrachten noch einen tollen Abend zu zweit. Natürlich konnte es Linda nicht lassen Joe wegen des Brautstraußes auf den Arm zu nehmen. Aber Joe entgegnete, zuerst brauche sie einmal eine längerfristige Beziehung, bevor sie überhaupt ans Heiraten denken könne. Außerdem sei im Moment kein Mann in ihren Leben, mit dem sie es sich überhaupt vorstellen könne.
„Na ja, wer weiß“, sagte Linda, „vielleicht ist er dir schon näher, als du denkst?“
„Und wer sollte das sein?“, antwortete Joe. Aber im Grunde wusste sie schon im Vorhinein, auf was Linda anspielte.
Da kam die Antwort auch schon: „Na, David“, sagte Linda.
„Wusste ich’s doch“, erwiderte Joe, „aber das glaube ich nicht, ich glaube, er ist viel eher an dir interessiert als an mir und unternimmt nur aus Höflichkeit etwas mit uns beiden.“
„Aber ich will ihn sowieso nicht“, antwortete Linda, „ich überlasse ihn gerne dir.“
„Ich glaube, dir ist der letzte Cocktail in den Kopf gestiegen, du überlässt ihn mir, wenn das nur so einfach ginge.“
Linda war wirklich ein wenig angeheitert, aber auch Joe war nicht mehr ganz nüchtern, aber noch nüchtern genug, um klein beizugeben, damit das Ganze nicht in einen Streit endete, da das das Letzte war, was sie wollte. Im Grunde hatte Linda ja recht, auch wenn Joe es nicht zugeben wollte, so war sie doch schon etwas verliebt in David. Aber sie glaubte nicht, dass David an ihr interessiert war. Außerdem fiel ihr ein, dass sie ja noch gar nicht wusste, woher David kam; sie wusste nur, dass er perfekt Deutsch sprach, aber er nie erwähnt hatte, woher er stammte. Er könnte in Deutschland ebenso gut zu Hause sein wie in Österreich, und selbst wenn er Österreicher sein sollte, so war die Chance verschwindend gering, dass er irgendwo in ihrer Nähe lebte. Nein, sie würde wohl wieder alleine in ihren Alltag zurückkehren und darauf warten, was das Schicksal noch für sie bereithielt.
Joe drängte Linda nun aufs Zimmer zu gehen, da es bereits kurz vor Mitternacht war und Joe war froh, wenn sie ins Bett kam. Denn umso länger sie wach war, umso mehr Gedanken machte sie sich über David oder über ihr Leben. Manchmal wünschte sie sich, sie hätte etwas von Linda, die konnte einfach alles auf sich zukommen lassen. Joe hingegen lebte häufig schon im morgen, sie machte sich viel zu viele Gedanken über alles. Endlich im Zimmer angekommen fiel ihr Blick wieder auf den Brautstrauß. Ach, wie schön wäre es, wenn sich dieser alte Brauch als wahr erweisen würde. Mit diesen Gedanken schlief sie ein. Als Joe am nächsten Morgen erwachte, war es noch sehr ruhig im Nebenzimmer, Linda schlief noch. Also beschloss Joe sich etwas auf den Balkon zu setzen und das Meer zu beobachten, denn von ihrem Zimmer aus hatte sie einen herrlichen Blick auf das Meer. In zwei Tagen, so dachte sie, war das Ganze vorbei, dann mussten sie den Heimweg wieder antreten. So im Gedanken versunken stand plötzlich Linda hinter ihr. „Guten Morgen“, sagte diese verschlafen. „Na, freust du dich schon auf deine Verabredung heute?“, fragte Linda. Bei den Gedanken daran begann Joes Herz schneller zu schlagen. Joe antwortete nur kurz vielleicht, denn sie hatte keine Lust mit Linda darüber zu reden. Als die beiden gefrühstückt hatten, entschlossen sie sich etwas in dem Souvenirladen zu stöbern. Damit waren sie dann den Rest des Vormittags beschäftigt.

Gegen Mittag trennten sich die beiden, Linda wollte den Nachmittag am Strand verbringen; Joe hingegen ging aufs Zimmer, um sich zurechtzumachen, denn sie würde ja mit David essen gehen. Sie war natürlich zu früh fertig und versuchte sich die Zeit mit Lesen zu vertreiben, bis David kam. Aber sie konnte sich einfach nicht konzentrieren, ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Endlich klopfte es an der Tür. Joes Herz pochte wie wild. Noch schnell ein Blick in den Spiegel, eine letzte Kontrolle, ob das Kleid richtig saß, dann öffnete sie die Tür. David sah wieder einmal atemberaubend aus, selbst im kurzen Hemd und in Jeans. Joe trat aus der Tür und wollte sie von außen zuschließen, aber vor lauter Nervosität fiel ihr der Schlüssel aus der Hand. David bückte sich sofort und hob ihn für Joe auf, für sie war das fürchterlich peinlich. Doch während er den Schlüssel aufhob, kam er ihr so nahe, dass Joe ins Träumen geriet. Nur einen Kuss weit entfernt in ihrer Fantasie kam er ihr immer näher und näher und schließlich berührte er ihre Lippen, das Verlangen nach ihm wurde immer stärker und aus dem anfänglichen zarten Kuss wurde ein leidenschaftlicher fordernder Kuss. Joe war so in ihrem Tagtraum vertieft, dass sie erst jetzt bemerkte, dass er ihr den Schlüssel längst wieder in die Hand gedrückt hatte. Erst als er sagte: „Bereit zu gehen?“, erwachte sie aus ihrem Tagtraum. „Oh, ja Verzeihung“, sagte Joe und bekam eine gesunde Röte im Gesicht, die selbst ihr aufgetragenes Make-up nicht verdeckte. David spürte, dass Joe in Gedanken bei ihm gewesen war und er würde viel darum geben, könnte er ihre Gedanken jetzt lesen, zumal sie auch noch rot und verlegen wurde. Als Joe abgeschlossen hatte, diesmal ohne dass ihr der Schlüssel aus der Hand fiel, gingen die beiden zum Lift und auch dort waren sie alleine. Wie gerne hätte es Joe gesehen, dass er die Situation ausgenutzt hätte? Aber nichts geschah.
Zuerst gingen die beiden ins Restaurant und aßen gemeinsam eine Meeresfrüchteplatte. Danach gingen sie noch in den botanischen Garten. Als die beiden ihn so entlangspazierten, fragte David Joe, ob sie sich vorstellen könne ihre Heimat zu verlassen. Die Antwort war für Joe ganz klar und lautete: nein. Doch David ließ nicht locker, „Was wäre, wenn du dir deinen Traum verwirklichen und eine eigene Pferdezucht aufbauen könntest?“
„Ich glaube selbst dann nicht, denn ich bin viel zu sehr zu meiner Heimat verbunden“, bekam er als Antwort.
„Was wäre, wenn du die Wahl hättest in deiner Heimat zu sterben oder anderswo weiterleben?“
„Ich glaube, ich würde lieber mit meiner Familie sterben, als anderswo ohne sie weiterzuleben.“
„Und wenn du deine Familie mitnehmen könntest?“
„Dann, glaube ich, würde ich es mir überlegen“, antwortete Joe darauf. Das war genau die Antwort, auf die David gewartet hatte. „Glaubst du eigentlich an Leben auf anderen Planeten?“, wollte David noch wissen.

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