Ob-ser-va-ti-on

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EUR 22,90
EUR 13,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 258
ISBN: 978-3-99048-543-9
Erscheinungsdatum: 06.09.2016
Katharina gerät in die Fänge einer chinesischen Anti-Terror-Organisation. Wem kann sie jetzt noch vertrauen? Auch ihrer Tochter, die als Kind entführt wurde, wird ein Chip ins Gehirn implantiert. Somit stehen sie unter dauerhafter Beobachtung …
Abschied

Die Umrisse des alten Bauernhauses konnte man im Novembernebel kaum erkennen. Der Fahrer fuhr langsam in die enge Kurve und parkte das Auto unter dem Kastanienbaum gegenüber der Holzscheune. „Warten sie hier bitte“, sagte die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren und stieg aus. Sie ging zur großen geschnitzten Haustür und klopfte den Löwenkopf-Eisenring auf die darunterliegende angerostete Stahlplatte. „Wohnt hier eine Frau Berger?“ „Ja, guten Tag, ich bin Frau Berger, kommen Sie herein.“ „Guten Tag. Ulrike Müller. Sie wissen, warum ich hier bin?“ Der gebrochene englische Akzent der Frau war nicht zu überhören. „Ja.“ „Haben Sie mit ihrer Tochter gesprochen?“ „Ja.“ „Was hat sie gesagt?“ „Sie ist bereit.“ „Gut – unser Flug geht morgen früh. Wir müssen uns beeilen, bis Wien sind es noch gut vier Stunden. Ein kleiner Koffer reicht. Es wird ihr drüben alles zur Verfügung gestellt.“ „Möchten Sie einen Tee?“ „Gerne, danke.“ Mutter Berger ging in den ersten Stock. Ohne anzuklopfen betrat sie das Zimmer ihrer Tochter.
„Katharina, sie ist da, der Flug geht morgen früh ab Wien. Du musst schon heute mit ihr fahren.“ Sie blickte traurig auf den bereitgestellten Koffer in der Ecke des kleinen Zimmers und wusste, was in Amerika auf ihre Tochter zukam. Katharina stand auf, nahm ihren Mantel, den gestrickten beigen Wollschal, den kleinen Koffer und ging die alte knorrige Stiege hinunter in die Küche. „Guten Abend, ich bin Ulrike Müller. Katharina?“ „Ja, ich bin Katharina Berger.“ Frau Müller musterte sie kurz aus den Augenwinkeln. „Wir sollten uns beeilen.“ Innig umarmte sie ihre Mutter und stieg dann ins Auto. Der Mann mit Bart und hochgestelltem Kragen am Fahrersitz äußerte sich nur karg und fuhr los.
Das kurze, angeregte Gespräch der beiden wurde zusätzlich vom lauten Radio übertönt und Katharina verstand vom Rücksitz aus, eigentlich gar nichts. Sie sah aus dem Fenster und verfolgte die hohen Häuser mit ihren vielen Lichtern. In diesem Moment fühlte sie sich sehr einsam, lehnte ihren Kopf an die kalte Fensterscheibe und spürte die Erschütterungen der schlechten Straße. Das Radio spielte den Country-Song „Free“ und Katharina versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken …


United States of America

Die Gesellschaft unterhielt sich angeregt, bis plötzlich eine ältere Frau in den Raum kam und eine der jüngeren hinaus bat. Sie gingen in den Herrensalon und schlossen die hohen weißen Türen hinter sich. „Helen, morgen kommt die Frau, die dein Kind auf die Welt bringen wird.“ Sie lachte. „Ja, es wir ja langsam Zeit. Wir sollten die Ehe mit Frank nun endgültig festigen.“ „Ist sie hübsch? Mein Kind soll ja nicht hässlich werden.“ „Ja – sie sieht sehr gut aus. Der Termin für die Künstliche Befruchtung im Krankenhaus ist bereits reserviert.“
„Das ist gut, dass du so schnell jemanden gefunden hast. Sonst müsste ich mir noch um meine gute Figur Sorgen machen!“ Helen ging zurück zu ihren Freundinnen und genoss den lauen Abend auf der großen Veranda …
Sobald sie mit Frank alleine war, flüsterte sie ihm die Neuigkeit ins Ohr. „Ich freue mich auch schon sehr auf das Kind.“ Er legte seinen Arm um ihre schlanke Taille und sie schlenderten gemeinsam durch den Park.
Die Abendsonne ließ ihr langes Haar wie fließendes Kupfer schimmern. Er drehte sich um, streichelte ihr über die Wange und fuhr mit der Hand in Helens großzügigen Ausschnitt, umklammerte ihre festen Brüste, seine Zunge suchte ihr Ohr und sie stöhnte leise. Er hob sie auf und trug sie in den Pavillon …
Das Hausmädchen Massa beobachtete die Szene durch das Küchenfenster und war eigentlich irgendwie froh, dass der Junior nun endlich eine Frau gefunden hatte. So musste sie sich nicht mehr ständig an die neuen Namen und Gesichter der vielen wechselnden Bekanntschaften gewöhnen. Sie beachtete die beiden nicht weiter und ging ihrer Arbeit nach. Am Abend gab es ja das gemeinsame Dinner für zwölf Personen. „Harry!“, rief sie laut nach dem Butler, der dann und wann auch als Chauffeur für die Familie tätig war – „geh in den Garten und hol mir einen Bund Petersilie! – Und stell mir bitte die Stühle der Tafel im Blauen Salon wieder gerade.“ Harry sah sie nur mit großen Augen an, gab sich aber dann, den sofort darauffolgenden, strengen Blick von Massa geschlagen, da er sehr wohl wusste, wie sie reagieren konnte, wenn sie in Zeitdruck geriet. Und dies wollte er auf keinen Fall herausfordern …
Schon im Vorraum roch es nach gerösteten Zwiebeln. Man hörte die Flügeltüre in der Küche quietschen. Sally, das Serviermädchen, beeilte sich, denn es war schon spät. Das aufwendige Decken des großen Tisches mit all den Blumen, Kerzen, dem Silberbesteck und den handgeschliffenen Gläsern nahm einige Zeit in Anspruch. Doch sie schaffte es wie immer in der letzten Sekunde …
Als die Essensglocke läutete, legte sie noch schnell das Dessertbesteck an die richtige Stelle und ging dann in die Küche, um frisches Zitronenwasser und Eiswürfel zu holen. Inzwischen trafen alle Familienmitglieder ein und setzten sich an den großen Tisch. Sally ging herum und schenkte zuerst jedem etwas Wasser ein. Den Rotwein hatte sie vorschriftsmäßig ein paar Stunden vorher geöffnet und dekantiert. Sein Aroma erfüllte den ganzen Raum mit einem satten Beerenduft. Es war der Lieblingswein der Familie, der immer parat stehen musste. Sie unterhielten sich angeregt über geschäftliche und private Dinge. Auch über Politik, und das ziemlich ausführlich. Als Dienstmädchen in gewissen Herrenhäusern hatte sie natürlich gelernt, Ohren und Mund zu schließen. Keines dieser Gespräche durfte nach außen dringen. Absolute Diskretion war oberstes Gebot. Harry predigte ihr das immer wieder …


Vienna

Katharina stieß mit ihrem Kopf unsanft gegen die vordere Nackenstütze und war sofort hellwach. Der Fahrer schimpfte laut aus dem Fenster. Ehe sie überlegen konnte, was eigentlich los war, sah sie Frau Müller auf die Tür zukommen. „So, meine Dame, aussteigen bitte!“ Der Fahrer stellte die Koffer auf den Gehsteig, hob kurz die Hand und fuhr ohne Blinker, aber mit Vollgas wieder zurück auf die Straße. Die Frau packte sie am Ellbogen und schob sie etwas unsanft in die Flughafenhalle. „Bis zum Abflug haben wir noch etwas Zeit.“ Sie sah auf die große Wanduhr, die über der Theke hing. „Setzen wir uns.“ Frau Müller winkte nach dem Kellner, bestellte Pfefferminztee und zwei Scheiben Buttertoast. „Kaffee ist nicht gut für deine Nerven. – Die werden wir bei dem langen Flug dringend brauchen.“ Sie legte den Mantel über die Stuhllehne, überkreuzte ihre Beine und fing an, Katharina auszufragen.
„Was hast du zu Hause eigentlich gemacht? Hast du überhaupt einen Beruf? Ich weiß, ihr braucht das Geld dringend. Dein Vater ist Alkoholiker. Ihr habt schwer zu kämpfen. Weißt du eigentlich, dass ich deine Cousine dritten Grades bin? Nun erzähl …“
Katharina beschrieb kurz ihren bisherigen Lebenslauf. Frau Müller war erstaunt, dass sie eine abgeschlossene und mit Auszeichnung bestandene Kochlehre vorweisen konnte. Sie hatte sogar eine Kopie in ihrer Handtasche.
„Na ja, vielleicht gefällt es dir da drüben. Ich könnte dir nächstes Jahr zu einem Job verhelfen. Ein Bekannter besitzt in New York ein gut gehendes Restaurant in der Main Street. Nun – zuerst musst du ja diese eine Sache durchstehen. Danach kommst du für ein paar Wochen zu mir ins Haus. Dann sehen wir weiter. Einen Teil vom Geld habe ich deiner Mutter bereits vor der Abreise übergeben. Es gibt also kein Zurück! Untersteh dich irgendwohin abzuhauen. Sie würden dich überall finden.“ Katharina sah auf die Uhr. Ulrike rief die Bedienung zum Tisch und zahlte.
„Komm“, sagte sie, „gehen wir weiter.“ Katharina drehte sich noch einmal langsam um, so, als wollte sie nun endgültig Abschied von der Heimat nehmen. Schweren Schrittes folgte sie Ulrike zur nächsten Halle. Sie setzte sich dort auf einen der kahlen, Plastik-Sessel und sah durch die teilweise stark zerkratzten Scheiben die Flugzeuge starten und landen. Ulrike beobachtete ihre staunenden Blicke.
„Warte nur, bis wir in New York sind!“
Der Start erfolgte pünktlich. Katharina stemmte sich so fest wie möglich in den Sitz und schloss die Augen. Der Jumbo gewann an Höhe und die Gespräche um sie herum wurden leiser. In ihren Ohren rauschte es. Die Stewardess kam und fragte, was sie denn gerne trinken wolle. Sie bestellte sich einen Orangensaft, obwohl sie eigentlich locker einen Cognac vertragen hätte. Ulrike klappte ihr Tischchen nach unten und lächelte. Sie drehte sich zum Fenster, rollte sich ein und schlief. Katharina hingegen war viel zu aufgeregt … Sie nahm eine Illustrierte und fing an zu lesen. Ihr Blick glitt dabei immer wieder über den Rand hinaus. Schräg gegenüber saß ein gut aussehender Mann, der sich mit einer älteren Chinesin unterhielt. Insgeheim hoffte Katharina, dass es seine Mutter wäre, legte ihren Kopf zurück und sah auf den Bildschirm, der von der Decke hing. Nach einiger Zeit kam wieder die Stewardess und stellte das Essen auf die Tischchen. Katharina weckte Ulrike, die darüber nicht besonders erfreut war. Sie starrte auf ihre Hauptspeise und lästerte sofort über das Essen.
„Schon wieder Saftbraten mit Kartoffel!“ Katharina hingegen war froh: Sie hatte schon länger keine warme Mahlzeit mehr gegessen. Sie schnitt relativ große Stücke herunter und war im Nu fertig. Ulrike sah ihr zu und schüttelte nur den Kopf. In Berlin mussten sie kurz zwischenlanden, durften aber im Flugzeug bleiben. Katharina nutzte die Gelegenheit und ging auf die Toilette. Als sie die Tür öffnen wollte, klemmte diese, und nur durch einen größeren Kraftaufwand sprang sie wieder auf. Sie knallte die Tür geradewegs in den Kopf des gut aussehenden Herrn.
„Können Sie nicht aufpassen?“
„Oh, Verzeihung! Wie ungeschickt von mir.“
Beide blickten sich für Sekunden in die Augen und es war, als hätte sie diese Farbe schon einmal gesehen. Besonders dieses helle, funkelnde Türkisblau, wobei die dunkle Pupille von einem gelbgoldenen Stern umrandet war. Als Katharina wieder zum Platz zurückging, sah ihr der Mann wohlwollend nach. Ihre Figur kam im selbst genähten bunten Kleid ihrer Tante hervorragend zur Geltung. Eigentlich war ihr gar nicht richtig bewusst, wie gut sie aussah …
Der restliche Flug verlief ohne größere Turbulenzen. Nach ein paar Stunden konnte auch Katharina ein wenig schlafen. Als sie wieder erwachte, lag sie mit ihrem Kopf auf Ulrikes Schulter. Diese zog ihren Arm recht unsanft heraus. Das Flugzeug kippte in diesem Moment steil nach links unten und die Stewardess gab die letzten Anweisungen zum Landen. Katharina schloss wieder die Augen und betete in Gedanken ein „Vater Unser, der du bist im Himmel …“ Das Flugzeug verlor an Höhe und setzte mit einem harten Ruck auf die Landebahn. Gleichzeitig klatschten alle Passagiere. Der Co-Pilot verabschiedete sich und wünschte allen einen schönen Aufenthalt in New York und den Vereinigten Staaten … „Soll ich schon aufstehen?“, fragte Katharina, deren Magen schon leicht rebellierte. „Nein. Warte noch einen Moment. Bis die Ersten draußen sind.“
„So, jetzt!“ Katharina stand auf, trat in den Mittelgang, nahm ihren Mantel aus der Kofferbox und ging Richtung Ausgang. Plötzlich drehte sich alles um sie … Als sie wieder zu sich kam, saß sie neben zwei Piloten im Cockpit und blickte in diese blauen Augen. „Sie hatten einen Kreislaufkollaps. Keine Sorge, ich bin Arzt. Noch eine Spritze, und Sie können in ein paar Minuten wieder aufstehen. Es ist alles in Ordnung.“ Ulrike fasste sie am Oberarm und zog sie die Gangway hinunter. Ab sofort trug Katharina einen winzigen Microchip.
Der starke, frische Wind, der ihr draußen um die Ohren wehte, tat ihr gut. Sie atmete ein paarmal tief durch und konzentrierte sich auf die Stufen. Der Flughafenbus brachte sie zur riesigen Halle. Als sie ihre Koffer vom Band geholt hatten, gingen sie Richtung Ausgang. Neben der Gangabsperrung warteten über hundert Leute verschiedenster Nationalitäten mit allen möglichen Schildern in der Hand. Ziemlich am Ende der Reihe stand ein dicker, verschwitzter Mann, auf den Ulrike sofort zuging. Er nahm ihnen beide Koffer ab und sie folgten ihm auf den Parkstreifen vor dem Ausgang. Der weiße Wagen roch innen stark nach Pfefferminzöl und laute Gospelmusik dröhnte aus den Boxen …
Von der sechsspurigen Autobahn konnte sie direkt auf die Reifen der Trucks sehen. Ulrike unterhielt sich ziemlich laut auf englisch mit dem korpulenten dunklen Fahrer. Katharina kam sich in diesem Moment ziemlich überflüssig vor. Im Auto war es plötzlich brütend heiß. Anscheinend war die Klimaanlage kaputt. Sie wollte das Fenster öffnen, doch der Fahrer erlaubte es nicht. Nach einiger Zeit klebte das Kleid so an ihrem Körper, dass man es mit einer Schere hätte runterschneiden müssen.
Nach weiteren drei Stunden Fahrtzeit bogen sie in eine Allee ein. Der große weiße Wagen erreichte die Auffahrt zum Haus, die mit grauem Kies geschottert war. Die Reifen knirschten laut, als der Fahrer auf die Bremse stieg. Katharina sah durch die getönten Fensterscheiben nur die Umrisse eines herrschaftlichen Gebäudes.
Als sie ausgestiegen waren, ging die Haustüre auf und eine ältere Dame lief die lange Treppe herunter. An der Seite standen einige Ligusterbäume. Mit ihrer weißen Rüschenschürze blieb die Dame fast an einer der Pflanzen hängen und fluchte leise. „Diese schlampigen Gärtner …“
„Hallo, Mrs.! Kommen Sie, ich bringe Sie auf ihr Zimmer.“
Katharina verabschiedete sich kurz mit einer Umarmung von Ulrike und folgte der Bedienung in ein Nebenhaus.
Als sie vor Ihrer Zimmertür standen, fragte sie: „Dein Name ist Katharina?“ „Ja.“
„Mein Name ist Massa. Wenn du was brauchst – ich bin immer für dich da. Außer in der Nacht“, lächelte sie, „da will ich meine Ruhe haben. Um achtzehn Uhr gibt es Abendessen. Ich schicke dann Sally um dich abzuholen. Mach dich frisch und leg dich ein bisschen aufs Ohr. Du hast morgen einen anstrengenden Tag vor dir.“
Katharina zog ihr Kleid aus und stellte sich unter die Dusche. Sie genoss das kühle Wasser, das ihren Rücken hinunterlief. Plötzlich klopfte es an ihrer Tür und eine junge Stimme rief: „Miss, ich lege Ihnen noch ein paar Handtücher her!“, und war dann gleich wieder verschwunden. Katharina trocknete sich ab und legte sich quer auf das große Bett. Später versuchte Sally vergeblich, sie fürs Abendessen aufzuwecken …
Die starken Sonnenstrahlen, vermischt mit lautem Geschrei, rissen Katharina aus dem Schlaf. Sie sprang auf und rannte zuerst zum Fenster. Unten im Garten standen zwei Gärtner, die sich heftig stritten. Als sie sich beobachtet fühlten, hörten sie sofort auf und gingen wieder ihrer Arbeit nach. Katharina hielt ihr Gesicht unter das kalte Wasser und zog sich an. Es dauerte nicht lange und Sally stand hinter ihr.
„Guten Morgen, Miss! Haben Sie ausgeschlafen? Kommen Sie, Sie müssen ja schon hungrig sein!“
Katharina folgte ihr in den unteren Stock, wo sich die Küche der Angestellten befand. Sie setzte sich an den Holztisch und Sally brachte starken Tee, weißes Gebäck mit Butter, Marmelade und eine Portion Ham and Eggs. In der Küche herrschte schon reger Betrieb. Haustelefone schellten, Fahrer gingen zum Schlüsselbrett, nahmen ihre Autoschlüssel, die beiden Gärtner kamen und baten um eine Tasse Kaffee. Eigentlich waren sie wohl nur neugierig, wer die neue Dame war. Massa klärte sie auf und sagte: „Darf ich vorstellen, das ist Mrs. Katharina. Sie bleibt einige Zeit bei uns.“
„Sally!“, rief Massa, „beeil dich und bring das Frühstück auf die Veranda, die Herrschaften warten schon!“
Katharina beobachtete noch eine Weile die hektisch durcheinanderlaufenden Bediensteten und ging dann wieder in ihr Zimmer, um sich für den Termin im Krankenhaus vorzubereiten.
Sie wartete im Garten und sah in den Teich, wo sich ein paar kleine Rotfedern und Goldfische tummelten. Es war ein herrlicher warmer Morgen und die Farben der prächtigen Blumen spiegelten sich im Wasser. Oben am Haus stand Butler Harry, der noch mit einem Herrn redete. Der Mann gab ihm ein paar Geldscheine. Harry stieg ins Auto und kam ihr entgegengefahren. Er öffnete ihr die Autotür von innen und sagte:
„Hallo, Mrs. Kath! Kath. Darf ich doch sagen, dass kann ich mir leichter merken. Ich fahre Sie nun zum Krankenhaus, wo Sie von den Herrschaften und den Ärzten empfangen werden.“ Sein Blick wurde nachdenklich, ja, fast traurig. „Ach ja, ich sollte Ihnen noch etwas Taschengeld geben.“ Katharina nahm die zusammengerollten Geldscheine, bedankte sich und steckte sie in ihre Handtasche. Die Fahrt zum Krankenhaus verlief ziemlich hektisch, aber Harry erkämpfte sich tapfer die Position in der vierten Fahrspur …


Queens Hospital Center

Harry parkte in der Nähe des Hintereingangs. Katharina stieg aus und sah sich kurz um. Vor dem Eingang stand Ulrike Müller und winkte ihr zu. Katharina war sichtlich erleichtert, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ulrike begrüßte sie kurz und fragte die vorbeigehende Schwester nach einer Station S3 im zweiten Stock. Im Gang warteten bereits einige Ärzte. Sie begrüßten Katharina mit einem kurzen „Hello! Nice to meet you!“ und baten sie in ein Besprechungszimmer. Ulrike wartete solange draußen und setzte sich auf einen der verchromten Stühle …
Katharinas Blick ging in die Runde der sitzenden Personen und blieb dann ruckartig an dem Mann hängen, der sich im Flugzeug über sie gebeugt hatte. Die momentane Unsicherheit wurde von einem jungen Arzt falsch interpretiert, indem er fürsorglich seine Hand um ihre Schultern legte und ihr gut zusprach: „Sie sind hier wirklich in den allerbesten Händen.“
Die junge Frau musterte sie mit einem durchdringenden Röntgenblick, während die ältere Dame ihr die Hand hinstreckte und sich mit „Guten Tag, Peterson“ vorstellte.
„Das sind mein Sohn Frank und meine Schwiegertochter Helen. Bitte setzen Sie sich.“ Nach den ausführlichen Formalitäten mit zahlreichen Unterschriften wurde Katharina in einen gynäkologischen Behandlungsraum geführt …
Der Eingriff verlief ohne Komplikationen. Sie schoben Katharina in ein Einbettzimmer und kontrollierten noch einmal ihren Blutdruck und die angeschlossene Infusion. Als die Schwestern den Raum verließen, drehte sich Katharina in ihr Kopfkissen und weinte. Fest umklammerten ihre zarten Finger die Bettlaken. Sie hörte noch, wie sich die Schwestern verabschiedeten, und schlief dann ein. Bei der abendlichen Visite besuchte sie der fürsorgliche Arzt Dr. Frazer. Er klärte sie über die weiteren monatlichen Untersuchungen und möglicherweise eintretende Schwierigkeiten auf. In seiner Anwesenheit fühlte sich Katharina gut aufgehoben. Sie verbrachte noch eine Woche zur Beobachtung im Hospital und wurde am Samstagnachmittag wieder von Ulrike und Harry abgeholt.
Im Auto informierte sie Ulrike über das weitere Vorgehen:
„Mrs. Peterson hat für dich ein kleines Haus etwas außerhalb der Stadt gemietet. Es sollte dir in dieser Zeit an nichts fehlen. Harry bringt dich in regelmäßigen Abständen zu den Untersuchungen ins Krankenhaus. Die restliche Zeit steht dir frei zur Verfügung. Ich komme alle paar Tage vorbei und sorge dafür, dass dein Kühlschrank voll ist. Mit dem Kochen solltest du ja kein Problem haben. Einmal die Woche kommt eine Putzfrau. Für Reparaturen oder technische Fragen: Am Haupt-Telefon steht eine Nummer, die du jederzeit anrufen kannst.“ Ulrike brachte sie noch ins Haus und erklärte ihr kurz die Alarmanlage.
Katharina konnte von der Terrasse aus über die anderen Hausdächer auf den nahegelegenen Golfplatz blicken. Der kleine Garten war sauber und sehr gepflegt. Hauptsächlich wuchsen hier Koniferen. Dann und wann sah man auch Schilf und verschiedene Gräser aus den Beeten ragen. Auf der linken Seite der Terrasse stand an der Wand eine Hollywoodschaukel mit zwei Kopfkissen, die mit Muscheln bestickt waren, gegenüber ein runder, brauner Gartentisch mit vier hochlehnigen Stühlen.
5 Sterne
Spannend bis zum Schluß - 27.09.2016
Konrad

packende, tolle Geschichte mit topaktuellem Thema, spannend bis zu den letzten Seiten des Buches, Top für das erste Buch der Autorin, freue mich auf das nächste Buch....

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