Jule im Glockenapfelbaum

Jule im Glockenapfelbaum

Gabija Diavara


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 80
ISBN: 978-3-99048-055-7
Erscheinungsdatum: 03.09.2015
Für Jule, die keine Veränderungen mag, bedeutet der bevorstehende Umzug eine Katastrophe. Außerdem ist sie besorgt, dass der Nikolaus sie dann nicht mehr findet. Jule hat ja keine Ahnung, was der Nikolaus so alles auf sich nimmt, um jemanden, der auf ihn wartet, aufzuspüren...
Jule im Glockenapfelbaum

Jule hat keine Angst vor nichts und niemand. Tom mit dem wilden Bart ist gar nicht so wild. Carla kann alles und das ist anstrengend. Veränderungen können auch lästig sein. Mit den Zehen wackeln hilft beim Grübeln. Jule macht sich Sorgen. Greta zieht um und das ist ziemlich weit weg.

Jule ist ein tolles Kind. Gerade versteckt sie sich. Ich sehe ein Stück von ihrer orangefarbenen Latzhose oben im Glockenapfelbaum. Ziemlich weit oben sogar, aber Jule hat keine Angst. Nicht mal vor Tom. Und Tom ist ein Riesenkerl mit einem wilden Bart. Sogar große Leute haben Angst vor Tom. Nur Jule nicht. Jule ist gleich auf seine Knie geklettert und hat an seinem wilden Bart gezogen. Und dann haben beide so gelacht, dass sie nicht mehr aufhören konnten.
Tom fährt Taxi, aber nie tagsüber. Da muss er schlafen. Sonst hört er Musik. Seine ganze Wohnung ist voll von Musik. Ständig muss man aufpassen, dass man nicht darüber stolpert. Früher kam er oft vorbei und lieh sich Kaffee. Oder Milch. Denn ohne Kaffee hat Tom den ganzen Tag schlechte Laune. Und ohne Milch im Kaffee ist der Tag eh gelaufen. Aber jetzt ist Carla da.
Carla hat so viele Locken, dass sie im Winter keine Mütze braucht. Carla studiert Gesang. Tom hört sich alles Mögliche an. Carla sagt, das sei doch keine Musik. Carla hört nur Opern. Dazu sagt Tom gar nichts. Deswegen streiten sie auch nie. Irgendwann möchte Carla wieder nach Hause und dort an der Oper singen. Tom sieht das lässig. Taxi fahren und Musik hören kann man überall. Und seit Carla bei uns im Haus wohnt, gibt es nun immer Kaffee und Milch. Tom sagt, es ist ihm ein Rätsel, wie sie das macht. Jule sagt, Carla ist wie ihr kleiner Bruder Luis. Aufregend am Anfang, aber auf Dauer etwas anstrengend.
Jule hat einen tollen Wortschatz. Das liegt vermutlich an ihren Eltern. Jules Mama studiert Psychologie und muss nicht nur den ganzen Tag, sondern auch abends und sogar am Wochenende ganz viel lernen. Jules Papa muss genauso viel lernen und jetzt sogar noch mehr, denn er wird bald Lehrer. Und Jule lernt mit.
Jule hat ihre Socken ausgezogen. Sie sind orange und leuchten verräterisch im grünen Gras. Jule mag Orange. Aber vor allem mag Jule ihre Latzhose. Jule trägt ihre Latzhose grundsätzlich von Montag bis Sonntag. Jules Mama wäscht sie heimlich, wenn Jule endlich mal eingeschlafen ist, denn Jule findet, dass sie eigentlich viel zu früh ins Bett muss. Manchmal ist die Latzhose aber am nächsten Morgen noch nicht wieder trocken und Jule muss etwas anderes anziehen. Und dann ist Jule ganz unglücklich. Jule mag keine Veränderungen. Sie sagt, Luis ist Veränderung genug für ein ganzes Leben.

Jule sitzt im Glockenapfelbaum und wackelt mit den Zehen. „Was machst du da?“, frage ich. „Mit den Zehen wackeln“, sagt Jule. „Das hilft beim Grübeln.“ „Und worüber grübelst du?“, frage ich. „Über den Nikolaus“, sagt Jule. Es ist Sommer und das Eis, das wir uns oft bei Carlas Papa um die Ecke holen, schmilzt schneller als wir schlecken können. Was jammerschade ist, findet Jule, denn Carlas Papa macht das beste Eis in der ganzen Stadt.
„Über den Nikolaus?“, staune ich. „Aber wir haben doch noch den ganzen Sommer vor uns.“ Jule wackelt jetzt so heftig mit den Zehen, dass mir schon allein vom Zugucken schwindlig wird. Das bedeutet wohl, dass sie gerade über etwas wahrhaftig Wichtiges nachdenkt. „Was ist, wenn der Nikolaus mich nicht mehr findet, weil wir doch jetzt hier weggehen?“, sagt sie. Jule bekommt noch einen Bruder. Die kleine Wohnung wird langsam zu eng. Bald ziehen sie um.
„Ich möchte dir eine Geschichte erzählen“, sage ich. „Von Greta, die ganz weit wegzog. Aber sogar da hat der Nikolaus sie gefunden. Und so weit ziehst du doch gar nicht weg.“ „Wirklich?“, sagt Jule. „So weit?“ „So weit!“, sage ich und strecke ihr meine Arme entgegen. Und Jule springt. Jule hat keine Angst. Sie springt, ohne zu zögern, in meine Arme. „Manchmal sind Veränderungen nötig“, sage ich. Eine ganze Weile sagt Jule nichts. Nur ihre Zehen wackeln abwägend. Sogar der Glockenapfelbaum lauscht. „Schon möglich“, sagt sie dann. „Aber manchmal sind sie auch lästig.“ Ich werde Jule vermissen. Und wie sie vom Glockenapfelbaum in meine Arme springt. „Wie weit ist denn weit wegziehen?“, fragt Jule. „Weit weg kann schon das Ende der Straße sein, wenn man wegmuss. Und das ist nicht wirklich weit weg, aber es fühlt sich so an.“ Jule ist einfach ein tolles Kind. Sie ist eben Jule.


So viel los auf einem Fleck!

Nikolaus auf Reisen. Der Großmarkt und das Leben. Was so alles in eine Hosentasche passt! Wozu sind Wünsche da? Ole hat eine Idee. Ein Jahr ist manchmal eine Ewigkeit. Zuhause, überall und nirgends.

Eines Morgens stand der Nikolaus auf einem Großmarkt und war ganz schön verwirrt. „Ist das so ein Markt wie der, zu dem wir jeden Samstag gehen, um bei Josef Äpfel zu kaufen?“, fragt Jule. „Vielleicht ein bisschen größer“, sage ich. „Und wo es ganz viel Käse gibt, wie bei Emilie, und man sich nie entscheiden kann?“ „Vielleicht noch ein wenig größer.“ „Und wo ich von Gaspard immer eine Blume aus seinem Garten bekomme?“ „Nun, er ist vielleicht doch etwas größer.“ „Wirklich?“, fragt Jule und wackelt neugierig mit den Zehen. „Wie groß ist er denn?“ „Er ist sehr viel größer“, sage ich und plötzlich erinnere ich mich, als wäre es erst gestern gewesen.
Der Großmarkt dort ist voller Leben, Farben und Gerüche. Er ist so riesig wie eine Kleinstadt, mit Straßen so breit, dass ein Güterzug gemütlich hindurchdampfen, und Gassen so schmal, dass nicht mal ein Esel hindurchtrotten könnte. Die Straßen und Gassen sind so ineinander verwoben, dass jeder, der zum ersten Mal dorthin kommt, sich unweigerlich darin verläuft.
Überall sind Stände mit ausgebreiteten Waren, die stumm die Vorbeischlendernden locken. Und Verkäufer, die turmhohe Töpfe auf dem Kopf balancieren und den übereinandergestapelten Inhalt lauthals anbieten. Hier gibt es Stoffe, die schon von Weitem mit ihren märchenhaften Farben betören. Streitlustig flatternde Hühner und stolz blökende Schafe, die ihre Verkäufer mühelos übertönen. Gewürze, die jeden Atemzug in ihren unsichtbaren, nach Abenteuer duftenden Schleier einhüllen. Körbe, die, einmal fertig geflochten, im kunterbunten Tumult gelassen ausharren. Und Musik. An jeder Ecke. Mal traurig und mal wie ein wiedergefundenes Lachen, wundersam fremde Geschichten erzählend und doch so unerwartet nah zugleich.
„Das muss ich sofort Tom erzählen“, sagt Jule. „Bestimmt will er dann gar nicht mehr mit Carla an die Oper, sondern zu der Musik an jeder Ecke.“ „Aber Carla wäre dann sicher traurig“, sage ich. „Ich werde es bei Gelegenheit überdenken“, sagt Jule. Und Jule nimmt Versprechen sehr ernst. „Aber was ist denn nun mit dem Nikolaus?“
Der Nikolaus stand mitten auf dem Großmarkt und war schlichtweg überwältigt. Zum ersten Mal war er in dieser Gegend und dann auch noch gleich auf dem Großmarkt. Das konnte sogar einen Nikolaus, der sonst ziemlich viel herumgekommen war, zum Staunen bringen. Und auch etwas aus der Fassung, wenn man eine Wintermütze und gefütterte Stiefel trägt und sich plötzlich wie in einem Topf mit heißer Fischsuppe fühlt. Denn er war unmittelbar zwischen die Fischstände geraten. Die Fische lagen still ergeben auf schlichten Holztischen oder ruhten auf tropfendem Eis in Kübeln, und der Nikolaus dachte sehnsüchtig an die leckere Fischsuppe, die er mal in einem kleinen Fischerdorf gekostet hatte.
Allerdings war es dort nie so laut gewesen. Die Menschen hier sprachen ununterbrochen und offenbar kannten sie sich alle. Sie grüßten, erzählten, lachten, stritten und verabschiedeten sich, gingen ein paar Schritte und begrüßten sogleich den Nächsten. Und dabei schien es ihnen nicht das Geringste auszumachen, dass über ihnen die Sonne wie überschäumende Honigmilch vor sich hin kochte. Und trugen sie eine Kopfbedeckung, so war diese wohl weniger zum Schutz gedacht, sondern vielmehr als unentbehrlicher Bestandteil ihrer Kleidung.
Und die Kleider waren atemraubend. Wie stolze, unnahbare Vögel, jeder einzigartig in seinem fließenden Gefieder, schwebten sie über die Straßen. Hier ein Rot wie aufflammende Glut. Dort ein Blau, so geheimnisvoll wie die Nacht und mit Perlen wie ungezähmte Sterne verziert. Und zwischendrin ein leuchtendes Grün wie ein vom Regenguss getränktes, sattes Feld. Da musterte der Nikolaus stirnrunzelnd seinen Anzug und fand, dass es doch Zeit wäre, sich neu einzukleiden. Aber erst musste er noch Greta finden.
„Und Orange?“, fragt Jule. „Gibt es dort kein Orange?“ „Es gibt dort so viel Orange, dass du nicht mal drei Schritte gehen kannst, ohne mit der Nase draufzustoßen. Richtig gefährlich ist das!“, sage ich. „Dann ist es genau das Land, in dem ich mal leben möchte“, sagt Jule und schließt fest die Augen, als könnte sie es ganz genau sehen.
Auch Greta mochte Orange. Orange war sogar ihre Lieblingsfarbe. Sie hatte eine orangefarbene Hose mit so tiefen Taschen, dass man einen ganzen Großmarkt darin hätte verstauen können, und dort sammelte sie alles Mögliche. Glückssteine, Herbstblätter und leere Schneckenhäuser. Unglaublich, was man da so fand, wenn man darin herumwühlte. In Gretas Hosentaschen waren mehr Schätze verborgen als in jeder versunkenen Truhe auf dem tiefsten Meeresboden. „Wir wären bestimmt prima Freunde geworden, Greta und ich“, sagt Jule. „Da bin ich mir sogar ziemlich sicher“, sage ich.
„Und der Nikolaus ist den ganzen weiten Weg gereist, nur um Greta zu finden?“, fragt Jule. „Aber das war doch ihr größter Wunsch“, sage ich. „Und wenn man sich etwas wirklich so sehr wünscht, dass man nachts nicht mehr schlafen kann …“ „Oder kein Eis mehr essen möchte“, sagt Jule. „Genau“, sage ich. „Wenn man nicht mal mehr ein Eis haben mag, weil man sich so sehr etwas wünscht, dann …“ „Dann?“, fragt Jule und wackelt aufgeregt mit den Zehen. „Dann könnte es geschehen, dass der Wunsch in Erfüllung geht.“ Jule grübelt. „Aber sicher ist das nicht?“, fragt sie dann. „Wozu sind Wünsche denn sonst da?“ „Damit wir immer wieder träumen können und nie damit aufhören“, sage ich. „Wenn wir keine Wünsche mehr hätten, hätten wir auch keine Träume mehr.“
„Und Gretas größter Wunsch war …“ „Dass der Nikolaus sie findet. Denn als Greta gerade mal so alt war wie du, reiste sie mit ihrer Mutter weit fort. In ein anderes Land. Um genau zu sein, war es sogar ein anderer Kontinent. Dort arbeitete ihre Mutter in dem Haus mit den bunten Fensterläden, dessen Tür immer offen stand. Für alle Kinder, die auf der Straße leben.“ „Sind sie denn von Zuhause weggelaufen?“ „Also, oftmals streunen sie nur herum.“ „Und machen sich ihre Eltern denn keine Sorgen?“ „Sorgen sind nicht überall gleich. Viele Familien sind so arm, dass sie nicht genug für alle zu essen haben. Und einige Kinder haben gar keine Eltern mehr. Dann können sie zu dem Haus mit den bunten Fensterläden gehen. Dort bekommen sie Essen und Kleidung. Und Medizin, wenn sie krank sind.“ „Und dann bleiben sie für immer dort?“ „Eher selten. Viele von ihnen sind auf der Straße groß geworden. Sie kommen nicht, wenn es Abendbrot gibt, sondern wenn sie hungrig sind.“ „Und wo schlafen sie?“ „Auf der Straße. Auf alten Zeitungen.“ „Und wenn es regnet?“ „Dann kriechen sie irgendwo unter.“ „Haben sie denn niemand, zu dem sie gehen können?“ „Nicht immer“, sage ich.
„Aber ich kann doch immer zu dir kommen, oder?“ „Immer.“ „Und dann machst du mir auch ein Butterbrot?“ „Ohne nichts drauf, genau wie du es magst.“ „Kann ich jetzt eins haben?“, fragt Jule. Die Küche ist unser beider Lieblingsort. Und weil wir beide es hier so gemütlich finden, essen wir auch hier am liebsten unser Butterbrot. Ohne nichts drauf. Und das ist unser beider Lieblingsessen. Manche Sachen ändern sich nie, auch wenn man älter wird. „Und wie geht es nun weiter mit dem Nikolaus?“, fragt Jule. „Das war so …“, erzähle ich weiter.
Als Greta wusste, dass sie bald weggehen sollte, packte sie in ihren kleinen Rucksack ihr Schlafschaf, die Muschel, die Geschichten vom Meer erzählte, und ihr Springseil. Und neben ihr Lieblingsbuch, das sie bereits auswendig kennt, ihre gefütterten Winterschuhe. „Die brauchst du nicht“, sagt Gretas Mama. „Warum nicht?“, fragt Greta. „Weil es dort keinen Winter gibt.“ „Und was gibt es dort?“, fragt Greta. „Es gibt die Regenzeit. Pack also alles ein, was du dafür brauchst, aber die Winterschuhe bleiben hier.“ „Und wie soll dann der Nikolaus etwas in meinen Winterschuh tun, wenn ich gar keinen dabeihabe?“, fragt Greta. Aber Ole hat eine Idee. Ole und Greta machen alles zusammen. Seit dem ersten Schultag. Sie laufen zusammen zur Schule. In der Schule sitzen sie nebeneinander. Und in der großen Pause stecken sie die Köpfe zusammen und reden. Oder eigentlich redet Greta. Ole hört zu. Auch wenn Zoe und Teo das nicht so toll finden. Denn früher hat Greta immer mit ihnen gespielt. Lange vor Ole.
Es ist Frühstückspause. Teo und Zoe ziehen Greta am Ärmel, aber sie bleibt vor Ole stehen. Ole sitzt ganz allein da. Greta setzt sich neben ihn und packt ihre Brotdose aus. Ole rührt seine nicht an. „Tauschen wir?“, fragt Greta. Ole bekommt zwei Scheiben Vollkorn mit viel Grünzeug dazwischen. Und Greta sein Butterbrot. Ohne nichts drauf. „Lecker!“, sagt Greta und schleckt sich die Finger ab. Denn zu Hause darf sie das nicht. Dafür sind schließlich die Stoffservietten da, sagt Gretas Mama. Die Apfelschnitten teilen sie sich. „Und was möchtest du morgen haben?“ Dann schreibt sie gewissenhaft auf einen Zettel: „Morgen zum Frühstück bitte Gurke und Würstchen.“ Gretas Mama wundert sich zwar etwas, aber sie ist froh, dass Gretas Brotdose nun immer leer ist.
Ole und Greta haben beide nur eine Mama. Oles Papa lebt irgendwo im Ausland. Ole hat ihn noch nie gesehen. Nicht einmal auf einem Foto. Gretas Papa lebt nur ein paar Straßen weiter, aber er muss arbeiten. Denn Greta besucht eine Privatschule, die viel Geld kostet. Und ihre Schuluniform kostet auch Geld. Und weil Greta immer und überall irgendwo hinaufklettert und auch mindestens genau so oft runterfällt und ihre Schuluniform zerreißt, muss ihr Papa noch mehr arbeiten. Und dann sind da noch ihre Füße, aber dafür kann Greta nun wirklich nichts. Sie wachsen einfach zu schnell und sie braucht ständig neue Schuhe. Und weil ihr Papa auch noch dafür arbeiten muss, hat er nie Zeit, um mit Greta ihr Lieblingsbuch zu lesen, auch wenn sie es schon längst auswendig kennt.
„Wie ist es da so?“, fragt Ole, als Greta ihm erzählt, dass sie bald wegzieht. „Keine Ahnung“, sagt Greta. „Aber es gibt dort keinen Winter, nur die Regenzeit. Und wie soll mich dort dann überhaupt der Nikolaus finden, ohne Winterschuhe?“ „Du musst ihm einen Brief schreiben“, sagt Ole. Ole hört meistens nur zu. Aber wenn er was sagt, hat er immer eine Idee.
„Schreibst du mir?“, fragt Greta. Ole nickt. „Aber einen richtigen Brief“, sagt Greta. „Mit Postanschrift und Absender. Und Briefmarke. Und selbst geschrieben. Keine blöde E-Mail.“ Ole nickt. „Wie lange bleibst du dort?“, fragt er. „Vielleicht ein Jahr“, sagt Greta. „Aber vielleicht auch länger.“ „Ein Jahr ist lang“, sagt Ole. „Eine Ewigkeit“, seufzt Greta. Sie wird mal Schauspielerin, hat sie eines Tages beschlossen. Aber sie wird nur am Theater spielen und nur die wirklich anspruchsvollen Rollen. Und dafür übt sie jetzt schon. Aber diesmal sind die Tränen echt. Auch Ole blinzelt. „Du musst jetzt tapfer sein“, sagt oft seine Mama. Und Ole will jetzt tapfer sein. Auch wenn er Greta sehr vermissen wird. Und Greta ihn.
Sobald Greta ausgepackt hat, schreibt sie drei Briefe. Einen ganz langen an Ole. Und einen nicht ganz so langen an den Nikolaus. Und natürlich auch einen an ihren Papa. Mit Zeina, die jetzt bei ihnen lebt, denn Gretas Mama ist den ganzen Tag im Haus mit den bunten Fensterläden und oft bleibt sie dort auch über Nacht, geht sie zur Post. Dort bekommt sie Briefmarken. Noch nie hat Greta vorher solche gesehen. Der Schmetterling darauf sieht aus, als würde er gleich davonfliegen. Sie klebt die Briefmarken ganz vorsichtig auf. Es gibt zwei Briefkästen. „Ins Inland“ steht auf dem einen und „Ins Ausland“ auf dem anderen. Und da wirft Greta ihre Post ein.
„Arme Greta“, sagt Jule. „Bestimmt hat sie Ole und ihr Zuhause ganz schrecklich vermisst.“ „Sehr sogar“, sage ich. „Aber Zuhause kann überall und nirgends sein.“
5 Sterne
Wunderschöne Bilder- nicht nur in der Illustration - 08.12.2015
M.G.

Was eine bildgewaltige, metaphorische Sprache! Der Autorin ist es gelungen in einem eigentlich viel zu kurzen Buch nicht nur verschiedene Kulturen und Welten miteinander zu verknüpfen sondern auch den Leser Mehrdeutiges entdecken zu lassen. Ein kurzweiliges aber auch tiefsinniges Debüt. Auch die hervorragend passenden Illustrationen sind den Kauf des Buches wert.

5 Sterne
In diesem Buch lässt sich einiges entdecken! - 22.11.2015
Nicole S.

Schon beim ersten Lesen kann man viel schmunzeln und lachen, staunen und nachdenklich werden…Liest man es mehrmals, wird man allerdings noch mehr von diesem Buch haben, denn es ist mit viel Liebe zum Detail geschrieben und einem feinen Sinn für Humor, der sich manchmal erst durch genaueres Hinschauen zeigt.Sehr schön illustriert!

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