Gesang der ausgewanderten Eichenbäume

Gesang der ausgewanderten Eichenbäume

Ayman Al Nasser


EUR 14,90
EUR 8,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 96
ISBN: 978-3-99064-651-9
Erscheinungsdatum: 21.05.2019
Was wäre, wenn sich die Evolution der Menschen und Tiere einen ganz anderen Weg gesucht hätte und nun die Ratten regieren würden? Wäre die Welt ein besserer Ort? Der kleine Elefant Jimmy begibt sich auf Ahnensuche, da er zu diesen Fragen endlich Antworten finden will.
Wir waren einmal große Elefanten und schon seit einer Weile her nicht mehr. Das hat mir meine Großmutter erzählt. Wir sind jetzt ganz kleine Elefanten, ein bisschen kleiner als die Ameisen. Wir haben ein Elefantenreich begründet. Ja, wir haben dreiviertel der Welt regiert. Für uns haben alle anderen Tierarten gearbeitet aber auch die Menschen sind damals unsere Diener gewesen. Sie waren zwar nicht immer loyal und sie waren auch nicht immer gescheit, aber Sie haben doch super Leistung erbracht.
Wir waren Herrscher, ja, Herrscher, auch wenn wir jetzt zu klein dafür sind, ist es doch wahr. Meine Großmutter lügt mich ganz sicher nicht an. Kein Tier, aber auch kein Mensch hat sich getraut, den Mund vor uns aufzumachen. Das nannten meine großen Ahnen Respekt und das war für sie sehr wichtig, deswegen haben sie allen anderen das beigebracht und sie bezeichneten das respektvolle Verhalten in ihrem Reich als Rechtstadt. Ich weiß eigentlich selbst nicht ganz genau, warum die großen Elefanten damals Tiere von Menschen unterschieden haben. Warum haben meine Vorfahren sie Mensch genannt. Das hat meine Großmutter mir nicht verraten. Ich sehe selbst keinen Unterschied zwischen Tier und Mensch. Sie sind alle gleich … Sie hat ich alle als Dienstleister genannt bis auf ihre Kinder Sie hat ich als Zukunft Dienstleister genannt. Rücksichtlos auf die Geschlechtsrollen hätte ich das getan. Ja, ich hätte mich dafür eingesetzt, die Geschlechtsrollen abzuschaffen, die Idioten haben sich damit nur wehgetan. Das kann ich jetzt leider nicht mehr machen, weil ich ein kleiner Elefant bin.
Die Löwen haben in unserem Reich unter unserer Aufsicht als Putzkraft gearbeitet und wir waren mit denen nicht wirklich zufrieden. Deswegen haben unsere Löwen damals unter Angstverlust gelitten. Angst davor, die Arbeit zu verlieren. Wir haben ja die Wasserqualen kontrolliert und wer nicht für uns gehorsam und auch leise gearbeitet hat, bekam nichts zum Trinken. Ah ja, die Menschen, diese komische Rasse, die ein großes Talent hat, sich gegenseitig zu verletzten. Sie haben für uns drei verschiedene Jobs gemeistert. Sie waren für uns in der Politik tätig. Ja, wenn wir Elefanten was falsch machen wollten oder Drecksarbeit zum Erledigen hatten, haben wir sofort einen Menschen dafür gesucht. Sie sind laut meiner Oma die besten Politiker gewesen. Ihre Frauen haben für uns auch als Huren gearbeitet, ihre Männer waren ihre eigenen Zuhälter. Wir sollten echt von diesem Geschäft viel verdient haben und das Geld haben wir im Sozialbereich zum Wohl unserer Bürgerinnen investiert. Wir haben ja ein soziales Reich gehabt.
Einen Beruf betätigten die Menschen in unserem verlorenen Reich noch, sie waren unsere Taxifahrer. Die Voraussetzung für den Job als Taxifahrer war, Lügengeschichte erzählen zu können und auf den falschen Weg beabsichtig fahren zu wollen, um die Fahrt länger zu machen und mehr Geld zu kassieren bis auf dann, wenn sie uns Elefanten gefahren haben. Dann haben sie sich benehmen müssen, diese Arbeit sollten die Menschen super geleistet haben. Die Ameisen haben für uns als Stadtbeamte gearbeitet, sie haben ja das Reich für uns verwaltet. Wir mussten selbst überhaupt nichts tun, dafür waren wir so groß. Wir haben auch noch ein Militär und Polizei in unserem Reich gebraucht, dafür waren wir ja auch schon wieder so groß, dass keiner unserer Reichsbürgerinnen oder auch den Bürgerinnen unserer Nachbarstädte sich getraut hat, gegen das Elefanten-Gesetz zu verstoßen. Ansonsten wären sie unter unseren Elefantenfüßen zu sehen gewesen. Nun ist das alles vorbei. Wir haben unser Elefantenreich schon lange verloren und wir sind ja keine großen Elefanten mehr, sondern wir sind nun ganz kleine …
Jetzt ahnen wir kleinen Elefanten, wie schwer das ist, mit der Welt zu Recht zu kommen, wenn man nicht ein riesiges Lebewesen ist. Wir müssen aufstehen, wenn die Großen wach sind, entweder, weil sie laut sind oder weil sie es uns nicht mehr erlauben, weiterzuschlafen. Wir können auch erst schlafen gehen, wenn sie Ruhe geben, ansonsten geht das ja mit dem früh ins Bett gehen gar nicht. Wir dürfen eigentlich ersten schlafen gehen, wenn die Großen uns das erlauben, ja sie bestimmen sogar unsere Schlafenszeit, vielleicht auch unsere Träume, aber sie bestimmen für uns vor allem die Arbeitszeiten. Wir arbeiten ja jetzt für sie.
Ich bin eigentlich ein zweijähriger Elefant und ich heiße Jimmy, meine Großmutter hat mir erzählt, als wir große Elefanten waren, haben wir auch allen das angetan und keiner hat sich wehren können, bis auf die Menschen, die in unserem Reich auch lebten. Sie waren auf der einen Seite gehorsamer als alle anderen Tiergruppen, auf der anderen Seite haben sie ab und zu einen Widerstand gegen uns geleistet; aber es ist uns jedes Mal gelungen, sie wieder zu unterdrücken. Das Tier, das für sich selbst den Name Mensch ausgesucht hat, hat einmal daran glaubt, frei zu sein und frei zu leben und es sollte es auch für eine Weile geschafft haben. Die Menschen nannten den Zustand damals Liberalismus. Sie sollten auch mal ein Reich gehabt haben und es war kurz vor unserer Herrscherzeit.
Ihre Herrscherzeit war ja nicht unbedingt besser als unsere, aber auch nicht schlimmer. Sie gingen mit allen anderen um, genau wie wir mit denen umgegangen waren. Wenn meine Vorfahren von den Fehlern den Menschen was gelernt hätten und sie vermieden hätten, wären wir vielleicht immer noch groß und Herrscher der Welt, aber meine Ahnen haben leider nur ihre Interessen auf Kosten der anderen vertreten, was in der Tat ungerecht für alle anderen war. Die großen Elefanten haben damals auch nicht abgeschickt, dass manche Tierarten an sich sehr gut gearbeitet und sich massiv entwickelt haben, bis sie es irgendwann geschafft haben, groß zu werden und unser Reich abzubauen, aber auch ihr eigenes Reich zu gründen.
Die Herrscher unserer neuen Welt sind die Ratten, es gibt zwei Gruppen von denen, die weißen Ratten und die dunkeln Ratten. Sie mögen sich zwar nicht, aber Sie regieren ihr Rattenreich zusammen. In unserer Herrscherzeit haben die weißen Ratten als Wissenschaftler für uns gearbeitet, die dunkeln Raten hingegen waren als Postträger tätig. Jetzt müssen weder die weißen Ratten, noch die dunkeln selbst arbeiten gehen, sondern wir müssen für sie, aber auch statt ihnen arbeiten. Die weißen Ratten wohnen im Norden ihres Reiches, dagegen wohnen die dunkeln Raten im Süden ihres Reiches, dafür besteht ihr Reich aus zwei Bundesländern … eines heißt das Südländliche Rattenreich, das andere das Nordländliche Rattenreich. Als die Ratten die Macht von uns übernommen und uns klein gemacht haben, haben sie uns gefragt, ob wir im Süden oder im Norden leben wollen beziehungsweise, ob wir unter den dunkeln Ratten oder den weißen Ratten leben wollen. Wir haben uns sofort gespalten, ein Drittel von uns entschied sich für die nordländlichen Ratten und der Rest entschied sich für die Südländlichen Ratten. Im Prinzip macht das keinen Unterschied, ob manche Elefanten im Norden des Rattenreiches oder im Süden leben, weil wir alle nun so klein sind und für sie in den beiden Bundesländern arbeiten müssen. Ah, ja ich, Jimmy, ich bin ein kleiner Elefant, wohne im Norden ihres Reiches, weil meine Eltern gedacht haben, dass die Raten im Norden offener und respektvoller sind, ja, meine Eltern haben sich aber sehr geirrt.
Das Ratenreich unterscheidet sich von uns trotz den vielen Gemeinsamkeiten bei einer Sache, sie haben ein riesiges Militär aufgebaut und einen sehr modernen Online-Geheimdienstapparat, obwohl Sie ja auch ein demokratisches Reich haben. Sie wissen wohl alles über die Mitbewohner des Reiches, aber sie wissen auch so viel über unsere Zukunft, obwohl sie uns gar nicht überwachen. Wir sind alle in diesem Reich-Onlinesystem als Daten gespeichert. Wir müssen arbeiten, das ist ja klar, aber wir arbeiten alle online, wir treiben nur Online-Jobs. Die alten Jobs wurden lange abgeschafft. Alles was wir online tun, wird bei ihrem Geheimdienstapparat gespeichert. Diese Arbeit machen die Menschen für die Ratten, da sie so was in ihrem Reich getrieben haben, kennen sie sich bestens aus. Es geht ja dabei um die Sicherheit des ganzen Rattenreiches, dafür bekommen sie die besten Gehälter überhaupt, aber auch ihre Kinder werden von den Ratten bevorzugt, sie haben ja eine bessere Perspektive als wir, die Kinder von anderen Tierarten und natürlich eine Chance auf eine bessere Zukunft.
Die sind auch beim Planen, ein neues Arbeitssystem zu schaffen, die Maschinen übernehmen die Arbeit, die wir machen. Sie werden uns versetzen. In circa achtzig Jahren werden wir alle im Reich der Ratten nutzlos sein beziehungsweise nicht gebraucht. Die Fahrzeuge werden selbst gesteuert fahren, dafür bleiben die Fahrer logischerweise Zuhause, die großen Computer leisten die Verwaltungsarbeit, aber auch die wissenschaftliche Arbeit, somit verzichten die Ratten auf alle Beamten, Lehrer und alle Fachkräfte. Was mit uns Arbeiter passieren würde, weiß ja wohl keiner. Es gibt Gerüchte unter uns Elefanten, dass sie uns nicht mal für den Zirkus brauchen werden, sie werden uns im Museum ausstellen, und vielleicht als Fotos in ihre Geschichtsbücher hochladen. Es würde mich schon interessieren, was die Ratten in ihren digitalen Büchern über unser Elefantenreich schreiben würden.
Sie haben in dem ausgedruckten Forum, das wir heute in ihrer Schule lernen, sehr kurz und bündig über jedes Reich geschrieben, das es einmal vor ihrer Zeit gab. Ich denke aber diese alten Schulbücher werden auch abgeschafft. Ja, auch wenn ich, Jimmy, ein kleiner Elefant bin, der in Zeiten des Elefantenreiches immer noch nicht auf der Welt war und davon nur von der Großmutter erfuhr, würde ich mir von den Ratten wünschen, dass sie der großen Geschichte unserer Elefantenkultur treu bleiben, obwohl ja ich eher glaube, dass die Ratten unser Reich nicht unbedingt sehr gerne aufmerksam machen wollen, sondern sie würden uns klein machen … klein wie jetzt, wenn nicht kleiner und somit machen sie sich größer. Komplexe uns gegenüber haben die Ratten immer noch. Wir waren einmal die Größten von allen und sie waren die Kleinen, das haben sie uns nicht vergessen.
Wenn wir niemals groß wären und auch niemals das Elefantenreich hätten, aber auch niemals Führer der Welt wären, wäre das Leben für mich als kleiner Jimmy viel einfacher. Ich wäre ein kleiner Arbeiter-Elefant, der aus Mitarbeiter-Familien stammt, aber das ist leider nur zum Teil wahr. Ich bin nun schon nichts weiter als ein Lasttier, aber meine Vorfahren waren die Herrscher des Planeten. Das ist eine Tatsache, die mir das Leben schwer macht. Ich akzeptiere das heutige Schicksal nicht, trotz mehrerer Versuche meiner Eltern mich davon abzulenken, an die Vergangenheit zu denken und mich an die Gegenwart besser anzupassen. Sie geben meiner Oma die Schuld dafür, dass ich mit unserem Leben als kleiner Elefant unzufrieden bin. Sie hätten gerne, dass meine Oma mir von unserem Reich nie was erzählte. Ja, aber dafür ist es jetzt zu spät, meine Großmutter hat mir bereits viel von der Geschichte unseres Elefantenreiches mündlich überliefert.
Jedes Wochenende treffe ich mich mit vielen Elefanten in meinem Alter, aber auch mit vielen, die deutlich älter sind als ich. Es hat vor drei Monaten angefangen, als ich aus dem Fenster in der Nacht ohne die Erlaubnis meiner Eltern hinausgeklettert bin und ich habe die erste Bar ausgesucht, wo ich ein paar Elefanten gesehen habe. Sie waren alle ziemlich betrunken, deswegen habe ich mich getraut ihnen sehr laut von unserem verlorenen Reich zu erzählen. Es kam mir vor, dass einige der Bargäste bereits davon wussten, andere aber auch nicht … gar nicht. Am Ende der Nacht haben wir uns verabredet, weil sie die Geschichte des Elefantenreichs zum Schluss hören wollten, dafür war eine Nacht zu kurz, mehrere Nächte ebenso.
Weder die dunkeln noch die weißen Ratten haben uns verboten, von unserem Reich zu sprechen, trotzdem hat keiner ein einziges Wort darüber geredet. Wir schweigen alle wie ein leeres Grab, jetzt aber nicht mehr. Ich, Jimmy, habe mich entschieden, das Schweigen zu brechen und meine Freunde haben sich entschieden, mir zuzuhören. Meine Zuhörer sind Elefanten, die auf Baustellen arbeiten, die aber auch online nicht zu sehen sind, daher sind sie für die Menschen im Reich der Ratten unbekannt oder sie existieren für sie gar nicht, was eigentlich ein Vorteil für uns alle ist. Ich habe mich auch online fast überall abgemeldet, damit ich mich mit denen problemlos weitertreffen kann.
Wir sind immer mehr und mehr geworden, dass unsere Eltern sich Sorge um uns machten. Die Elefanteneltern sind der Meinung, dass wir bald Schwierigkeiten mit dem Gesetz haben würden. Das hat aber niemanden von uns aufgehalten, unsere Pläne weiter durchzusetzen. Manche Mitglieder der Treffgruppe haben ihre Eltern beschuldigt, denen alles verheimlicht zu haben, dass wir Elefanten nicht immer klein gewesen sind, sondern einmal so groß und auch Herren der Welt waren. In einer hellen Nacht war ein junger Elefant sehr besoffen und er schrie: „Die Ratten waren einmal unsere Diener!“ Wohl hätte er weiter geschrien, wenn zwei von seinen Kumpels ihn nicht mit kaltem Wasser abgespritzt hätten. Sie haben ihm auch deutlich gesagt, dass wir Elefanten jetzt ihre Diener sind, und dass die Ratten unsere Herren sind. Der junge Elefant hat zwar nicht mehr geredet, aber er hat nicht aufgehört zum Treffen zu kommen.
Die Elterngeneration hat sich gegen die Vorwürfe von Seiten ihrer Kinder zwar nicht geäußert, aber sie haben angefangen, regelmäßig zu uns zu kommen. Sie haben mir sogar bei der Erzählung manchmal Sachen korrigiert oder manche Teile der Geschichte ergänzt. Meine eigenen Eltern sind noch nie zu einem Treffen gekommen, obwohl ich mir es von dem ganzen Herzen gewünscht habe. Ich hatte das Gefühl, dass sie es sich auch wünschen. Sie haben unsere Nachbarn jedenfalls immer wieder darum gebeten, ihnen von unseren heimlichen Nächten zu erzählen.
Als wir unseren Elefanten-Halbtag hatten, haben meine Eltern sich zu mir gesetzt und haben mir verraten, dass es nicht alles sei, was meine Großmutter mir erzählte, sondern, dass es einen fernen Berg gibt, wo unsere Vorfahren kurz vor dem Zerfall unseres Reiches eine Geschichte-Box begraben haben.
Als meine kleine Konferenz mit Mama und Papa zu Ende war, habe ich es ganz klar begriffen. Ich habe jetzt einen Auftrag, der für mein Leben Sinn macht. Nun weiß ich, warum mir meine Oma gegen den Wünschen meiner Eltern mir das alles erzählt. Meine Eltern wollten wahrscheinlich, dass ich meinem Schicksal entkomme, hingegen war meine Großmutter dafür, dass ich dazu stehe. Ich kann eigentlich beide gute verstehen. Meine wunderschönen Elefanteneltern wollten nicht, dass ich von der Geschichten-Box erfahre, weil sie Angst um mich haben. Meine Oma wollte doch, dass ich davon Bescheid weiß, weil sie sich sicher war, dass sie sich auf mich verlassen kann. Ich bin so glücklich. Mein kleiner Elefantenkörper reicht nicht mehr für die Freunde, die ich in mir jetzt fühle. Ich würde am liebsten meine Haut abreißen und mich von diesem blöden, schwachen, kleinen Elefanten befreien.
Ich, Jimmy, der kleine Elefant, der normalerweise zum Dienen der Ratten geboren ist, und auch wenn ich die Wahl habe, mich zwischen den dunkeln oder den weißen Ratten zu entscheiden, ändert es für mich nicht so viel. Die Ratten sind mein Herr und ich bin ihr Diener, was wollte ich nun sagen? Ah ja. Mit drei Jahren trennen die Ratten uns Elefantenkinder von unseren Eltern. Sie bringen uns erst in ein großes Lager, was sie Verteilerquartier nennen. Dort müssen wir sechs Wochen lange bleiben. An unserem ersten Tag bekommen wir einen neuen Ausweis, vorne auf dem Ausweis steht das Rattenreich großgeschrieben, aber auch nur unsere Vornamen ohne die Nachnamen und unsere Funktion als Rattendiener. Auf der Rückseite des Ausweises ist ein Foto für die berühmte Rattenfalle.
In der letzten Woche unseres Aufenthalts im Lager werden wir kleinen Elefantenkinder für die Berufsschule eingeteilt und dort werden wir drei Jahre lang je nach unserem Beruf ausgebildet. Wenn wir unsere Ausbildung abschließen, bekommen wir eine Woche Urlaub bei unseren Eltern. Während der Ausbildungszeit dürfen unsere Eltern uns nicht besuchen, dürfen unsere Eltern uns zweimal im Jahr besuchen, was die Elefantenkinder nicht unbedingt wollen. Ich erinnere mich immer noch daran, dass mein großer Bruder in seiner Einschulungszeit die Besuche unserer Eltern abgelehnt hat, was unseren Eltern weh getan hat. Ich denke mir, dass mein großer Bruder unsere Eltern gerne sehen wollte, aber er wollte sich mit ihnen nicht im Lager treffen. Er hat sich für sich, aber auch für unsere Eltern ebenso wie für das Schicksal der Elefanten geschämt.
Mein Bruder arbeitet jetzt als Frauenarzt drei Tage im Süden des Reiches und drei weitere Tage im Norden des Rattenreiches und einen Tag hat er frei. Als er einmal bei uns Zuhause auf einen kleinen Besuch war, hat er unserer Mutter ganz leise erzählt, dass die Rattenmuschi sehr schmal, aber auch sehr behaart ist, damit hat er Schwierigkeit, wenn er sie untersucht. Er bevorzugt offensichtlich die Klientinnen von anderen Tierarten. Wenn er eine Klientin von den Menschen hat, hat er zum Beispiel keine Schwierigkeiten bei der Untersuchung, die Frauen kennen sich bei einem Frauenarzt bestens aus, trotzdem fühlt er sich unsicher. Mir hat er an diesem Abend gesagt, dass er sich nichts anderes wünscht bis auf eine Welt, wo er mich, den kleinen Jimmy, nicht in einem Lager sehen muss. Klar macht sich mein Bruder Sorgen um meine Ausbildungszeit. Er fragte mich auch, welchen Beruf ich mir für mich wünschen würde. Ich antwortete ihm: ein Indianer oder ein Cowboy. Er empfahl selbst mir ein Balletttänzer zu werden. Ich werde das kleine Gespräch zwischen mir und meinen großen Bruder nie vergessen. Jetzt kann ich den Wunsch meines Bruders, meiner Eltern, meiner Oma und unseres Elefantenvolks und vor allem meinen Wunsch erfüllen. Ich werde auf die Suche nach unserer Geschichten-Box gehen. Es ist mir egal, wie lange meine Reise dauern wird und wie weit mein Weg wäre oder wie groß die Gefahr ist, der ich unterwegs begegnen würde, ich würde es doch tun. Ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass ich unsere Geschichten-Box finde und sie zu meinem Elefantenvolk bringe. Erst wenn ich es schaffe, unsere Geschichten-Box zurückzubringen, würde ich in alle Lager wandern und meinem Elefantenvolk die Geschichte unseres Reiches endlich einmal vollständig erzählen.
Ich bin mir sicher unser Leben würde sich ändern. Wir würden uns von der Dienerrolle befreien und wir wären wieder die Herren unseres eigenen Schicksals. Ich würde damit unser Elefantenreich wiederaufbauen und ich würde eine Elefantenverfassung schreiben, in der völlig klar steht: „Alle Tierarten haben die gleichen Rechte und Pflichten.“ Das Militär beziehungsweise den Geheimdienstapparat würde ich genau wie in unserem Reich damals abschaffen. Sie jagen allen anderen nur Angst und Schrecken ein. Wie kann man so blöd sein, dass man unschuldige Lebewesen zu Mördern macht und man nennt sie später Soldaten. Ein Soldat unterscheidet sich von einem Terroristen für mich nicht bis auf den Namen vielleicht.
5 Sterne
Sehr gut - 22.05.2019
Al salloumi

Vielen Dank

4 Sterne
Gesang der ausgewanderten Eichenbäume - 22.05.2019
Nasser

Das Buch ist umwerfend! vielen herzlichen Dank.

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