Der Fettnäpfchenweg

Der Fettnäpfchenweg

Hartmut Kuhles


EUR 20,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 118
ISBN: 978-3-95840-118-1
Erscheinungsdatum: 27.04.2016
Das Leben ist voller Fettnäpfchen: Ob nun auf einem Segeltörn, auf einer Urlaubsreise, während einer Kur oder bei einem Klassentreffen, sie lauern überall. Kurzweilige, amüsante Geschichten mitten aus dem Leben - denn Humor ist, wenn man trotzdem lacht!
Kommamartyrium

Ich schreibe sehr gern. Schreibe alles in Sätzen.
Jedoch nur in ganz kurzen, kann’s Komma nicht setzen.
Wird mal ein Satz länger, packt mich das Entsetzen.
Ich breche ihn ab, ohne ihn zu zerfetzen.

Meist schreib ich in Prosa. Manchmal auch Gedichte.
Doch die beste Idee macht der Satzbau zunichte.
Meine lieben Lehrer mögen es mir verzeih’n,
doch für so große Regeln ist mein Kopf viel zu klein.

Ich hab aber auch Hilfe, so ist es ja nicht.
Da gibt’s nämlich eine, die gutes Deutsch spricht.
Ist sie aber fertig, ist’s nicht mehr mein Gedicht.
’S klingt wie Jahresbilanz und Finanzamtbericht.

Wenn ihr dieses Buch lest und habt Spaß auch dabei,
gefällt euch der Stil, ist die Form einerlei.
Vermisst ihr ein Komma beim Lesen, ihr Lieben,
dann setzt es dazu, als hättet ihr es geschrieben.

***

Der unvorsichtige Gang durch eine gut gefüllte Räucherkammer

Habe ich Sie jetzt neugierig gemacht?

Das war meine Absicht.

In alten Bauernhäusern findet man sie noch. Die Räucherkammer. Als die Bauern noch selbst geschlachtet haben, war sie eine unverzichtbare Arbeitsstätte zum Haltbarmachen von Wurst und Schinken. Diese wurden an Stangen aufgehängt und dem Rauch ausgesetzt.
Beim Räuchern verloren vor allem die Würste an Fett, das von ihnen abtropfte. Um die Schweinerei auf dem Fußboden der Räucherkammer so gering wie möglich zu halten, stellte man unter die tropfende Räucherware kleine Gefäße, in denen man das Fett aufzufangen versuchte.

Nun war es auch früher schon ein Privileg vieler Männer, vor allem nachts lebensbedrohlichen Hunger zu verspüren. Und so schlich sich der Hausherr in Ermangelung eines Kühlschranks in die Räucherkammer, um diesen Überlebenskampf zu gewinnen. Wer dann aber kein Licht zur Hand hatte, dem konnte es leicht passieren, dass er bei unvorsichtiger Vorgehensweise in eines der am Boden aufgestellten „Fettnäpfchen“ trat.
Die Spuren waren am nächsten Morgen unübersehbar und bis an das Bett des nächtlichen Sünders zu verfolgen.
Ich weiß nicht, ob es dem vor dem Hungertod Geretteten damals peinlich war, ertappt worden zu sein. Jedenfalls hat sich daraus das geflügelte Wort vom „Treten ins Fettnäpfchen“ entwickelt und mit einer ungewollten peinlichen Handlung verknüpft.

Ich hätte meine Geschichte also auch anders überschreiben können.

***

Der Fettnäpfchenweg

Wann immer ein Kind seine Großeltern besucht, kommt es irgendwann unweigerlich zu der Aufforderung: „Opa oder Oma, erzähl mir von früher!“
Auch meine Kinder haben ihre Großmutter damit gelöchert. Meist erzählte sie dann eine lustige Begebenheit aus ihrer Kindheit. Diese Geschichten müssen für meine Kinder so spannend gewesen sein, dass sie diese immer und immer wieder hören wollten.

Ich weiß nicht mehr, ob ich an meine Großeltern diese Bitte herangetragen habe. Obwohl ich mit meinem Opa als Kind viel zusammen war, ist das, was ich von seinem Leben vor unserer Bekanntschaft weiß, verschwindend gering. Das ist eigentlich schade.
Vielleicht lag es daran, dass die glücklichen Zeiten in seinem Leben, verglichen mit der durch zwei Kriege bestimmten Zeit, zu kurz waren. Oder ich habe wirklich zu wenig gefragt.
Trotzdem hat mich die Zeit mit meinem Großvater sehr geprägt.
Er war nie ungeduldig, hatte immer Zeit für mich. Ich erinnere mich an lange Spaziergänge, auf denen er mein Interesse an der Natur geweckt hat. Ich habe ihm zugesehen, wenn er stundenlang seine Zither gestimmt hat, um sie dann zufrieden, aber ohne wirklich darauf gespielt zu haben, wieder in den Schrank zu stellen. Er hat mir gezeigt, wie man ein Klavier stimmt und ich traue mir heute noch zu, das auch zu können.
Ich habe ihm beim Malen zugesehen und es hat mich damals schon beeindruckt, mit welcher Genauigkeit und Ausdauer er gearbeitet hat.

Wie hat es ihn geärgert, zusehen zu müssen, als ich mit einem gekauften Drachen im Schlepptau über den Hof gerannt bin, ohne dass sich das Teil auch nur für eine kurze Zeit zum Fliegen entschlossen hätte. Der Drachen, den er für mich daraufhin gebaut hatte, startete an der stramm gezogenen Schnur aus meinen Händen senkrecht nach oben und stand ohne hin und her zu schaukeln hoch über unseren Köpfen.

Ich hatte in der Tat einen Großvater, wie ihn sich jedes Kind wünschen würde.

Zu mir hat bis jetzt noch keiner gesagt: „Opa, erzähl mir von früher!“
Wenn das aber einmal so weit ist, muss ich vorbereitet sein.

Sofern ich nach Erinnerungen suche, stolpere ich allerdings immer wieder über Peinlichkeiten. Situationen, die mir noch heute einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen und die Haare auf den Armen in Habachtstellung bringen. Ich weiß nicht, warum das so ist und warum die Reaktionen nach so langer Zeit noch so heftig sind.
Die meisten Geschichten sind bestenfalls dazu geeignet, Kinder zu erschrecken oder wenigstens vor den grausamen Wirklichkeiten des Lebens zu warnen.
Aber auch scheinbar harmlose Situationen treiben mir in der Nachbetrachtung die Schamröte ins Gesicht.

***

Das Thema Nr. 1

Ich kann mir Ihr verschmitztes Lächeln gut vorstellen.
Ich kann Ihre Gedanken erraten, die Sie beim Lesen der Überschrift bewegen.
Doch ich muss Sie enttäuschen.
Sicherlich spielt bei uns die Liebe auch eine sehr große Rolle, aber gesprochen wird an erster Stelle über das Essen.

Für mich ist Essen der notwendige Vorgang der Nahrungsaufnahme, wichtiges Mittel zur Zellerneuerung und Energieversorgung des Körpers.
Nur, wer beschäftigt sich laufend mit den energetischen Aufgaben seines Stoffwechsels?
Natürlich muss das, was ich da zu mir nehme, gut sein. Es muss mir schmecken und es muss mich satt machen.
Diese beiden Kriterien sind für mich leicht zu erreichen.
Ich liebe die traditionelle deutsche Küche.
Zu den warmen Mahlzeiten gehören da in erster Linie Kartoffeln: gekocht, gebraten, gestampft.
Dazu ist Soße notwendig, um alles schön zu zerquetschen und zu einem schluckfreundlichen Brei zu verwandeln.
Alternativ geht es auch mit Nudeln oder Reis.
Als Beilage nehme ich dann gerne Fleisch oder auch Fisch. Zuweilen kann es auch etwas Gemüse sein. Am liebsten allerdings mit der Soße zusammen zum Überfüllen der Kartoffeln.
Eine zweite Form der warmen Mahlzeit ist der Eintopf. Darin ist all das, was ich schon aufgezählt habe. Es erspart mir aber das Mischen auf dem Teller.
Die kalte Küche basiert vor allem auf Brot, das mit allem belegt sein kann, was der Kühlschrank so hergibt. Zur kalten Küche gehören aber auch warme Speisen, wie Gegrilltes vom Rost.
Wie Sie sehen, ist das wirklich einfach.

Anders bei meiner Frau.
Für sie ist es erstrangig wichtig, dass man von dem, was man isst, wenn schon nicht ab-, dann wenigstens nicht zunimmt.
Natürlich muss es auch schmecken und satt machen und vor allem gesund sein. Darüber hinaus muss es aber auch noch interessant und gut aussehen.
Die meisten Gedanken bei ihrer Ernährung macht sie sich nicht über die Nahrungsmittel, die sie isst, sondern über die, die sie nicht isst.

Diese Gedanken formuliert sie in logischen Zusammenhängen, sogar für mich verständlich, vom ersten Öffnen der Augen am Morgen bis zu ihrer letzten kleinen Grußformel: „Gute Nacht!“

Ein Vorteil, den diese Art der Kommunikation für mich bringt, ist die Tatsache, dass ich mich in Fragen der Ernährung und deren Umstellung bestens auskenne.

***

Ich weiß alles über Diäten

Die Überschrift ist irreführend, denn ich meine nicht die Aufwandsentschädigungen unserer Politiker. Diese und die Notwendigkeit der ständigen Erhöhungen wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Was ich meine, ist die Mehrzahl des Begriffes Diät, der die zur Ausheilung eines bestimmten Zustandes oder Krankheitsbildes zusammengestellte Ernährungsweise darstellt.
Insbesondere geht es um die Diät bei Fettleibigkeit. Aber auch dieser Begriff verwirrt und schockiert, denn wer ist schon fett?

Unsere umfangreiche Küchenbibliothek besteht neben Kochbüchern aus einer umfassenden Sammlung von Publikationen über verschiedenste Diäten.
Das beginnt mit der Diät des Dr. Markert, geht über die wertvollen Hinweise des Karl Lagerfeld, dieser Hungerlatte, und endet bei den resignierenden Betrachtungen der Susanne Fröhlich in „MoppelICH“.
Man kann sich über die Ursachen von Übergewicht informieren lassen. Sei es die Blutgruppe oder der Insulinspiegel oder auch Stress oder vielleicht auch zu viel essen?
Und es gibt Lösungen, die von „nichts essen“ bis zu „alles essen und im Schlaf abnehmen“ reichen.
Und jede Erklärung scheint plausibel.
Jeder dieser klugen Schreiber von Diätbüchern weiß auch ganz genau, welches Nahrungsmittel für das Erreichen des Abnehmzieles das Richtige ist.
Kohlsuppe im Winter. Spargel in der Spargelzeit. Die leckere Erdbeerdiät im Frühsommer. Die im Schlaf-Abnehm-Vertreter schwören vielleicht auf zuckerfreie Schokolade.

Nun glauben Sie nur nicht, dass ich das alles gelesen hätte.

Nein!

So wie meine Frau mich in ihre wissenschaftlichen Studien und Selbstversuche mit einbezieht, das heißt für mich nur theoretisch, brauche ich zum Thema Diät keine weiteren Informationen.

Ich weiß schon alles

Das heißt nicht ganz.

Seit Kurzem gibt es ein neues Thema: „Die Trennkost“.
Nun gut, das Thema ist nicht neu, sondern nur das Interesse meiner Frau an diesem.
Die Trennkost ist auch keine Diät, sondern eine Ernährungsmethode.
Diese Art der Ernährung gibt es wahrscheinlich so lange, wie es die Menschheit selbst und deren Bedürfnis nach Ernährung gibt.
Unsere Vorfahren mussten essen, was es gerade gab. Kohl zur Kohlzeit. Spargel zur Spargelzeit. Erdbeeren zur Erdbeerzeit. Oder wenn sie mal eine tote Ratte gefunden, nein, mal ein Mammut erlegt hatten, dann gab es Mammutfleisch bis zum Abwinken.
Oder können Sie sich vorstellen, dass mal eine unserer Vorfahrinnen, nachdem sie einige essbare Pilze gefunden hatte, beschloss, sich eine Scheibe Ananas dazu mit Käse zu überbacken und ihrer Familie zu den leckeren Mammutstakes zu servieren, weil es ja so interessant aussieht?
Beziehungsweise es einem Urzeitmenschen in den Sinn gekommen wäre, sein Mammut als Gulasch mit Kartoffeln und viel Soße zusammenzuquetschen?
Sicher nicht!

Für meine Frau allerdings ist es eine neue Erkenntnis und die Lösung aller Probleme.
Zu dieser Diät, Verzeihung: Ernährungsumstellung gibt es nun auch eine Reihe wertvoller Bücher mit plausiblen Erklärungen, Rezeptbücher, CDs und Zeitschriften und es gibt eine Adresse von einem Seminarhaus im Hessischen, in dem man sein Wissen über alles, was mit der menschlichen Ernährung zu tun hat, erweitern und vertiefen kann.

***

Da muss meine Frau hin und ich muss mit

Nun weiß ich über die Trennkost auch schon allerhand.
Da gibt es Berge von Futter. Den Kohlenhydratberg und den Eiweißberg. Aber das ist auch schon wieder Schwindel, denn wenn man die Kalorienmenge berücksichtigt, können das ja nur kleine Häufchen sein.
Aber dann gibt es ja noch den „Neutralen Berg“. Wenn man den als Berg ernst nimmt und um einige Nahrungsmittel, z. B. Bier, ergänzt, dann wird er zu einem echten „Trostberg“.
Was ich im Vorfeld noch erfahren habe ist, dass die eigentliche Ursache für Übergewicht eine Sucht ist. Die „Esssucht“!
Nun kenne ich mich ja auch mit diversen Süchten aus und diese Kenntnisse werden mir sicherlich nützlich sein. Die Esssucht gehört allerdings nicht dazu. Vielleicht werde ich aber in dem von uns geplanten Urlaub damit konfrontiert.

Richtige Vorstellungen habe ich allerdings nicht, wie unser Urlaub auf dieser Trennkostfarm ablaufen wird. Ich habe mir allerdings wieder vorgenommen alles ernst zu nehmen, alles mitzumachen und viele neue Erkenntnisse zu sammeln.

Vielleicht gelingt es mir, ein paar Kilo meines Bauchspecks zu verlieren?
Vielleicht überzeugt mich die Art der Ernährung?
Vielleicht kann man auch mit dem Problem der Sucht besser umgehen?

Ich bin aber davon überzeugt, dass es meiner Frau gut tun wird, da sie daran glaubt.

Wenn alle Stricke reißen und mich die „Sehnsucht“ nach einer Thüringer Bratwurst, frisch vom Holzkohlegrill, übermannt, dann tröste ich mich damit, dass das Thüringische nur eine gute Autostunde weit entfernt liegt.

Schau’n wir mal.

***

Jetzt geht es los

Ich hatte die restlichen Sachen in Koffer und Taschen gepackt und im Auto verstaut. Da ich ein paar Tage vor meiner Frau Urlaub hatte, hat sie mich mit dieser verantwortungsvollen Arbeit betraut. Darüber hinaus gehört es diesmal zu meinem Aufgabenbereich, die Wohnung so herzurichten, dass die Feuerwehr in einer Notfallsituation nicht über Müllbeutel, Dreckhaufen und Kisten leerer Schnapsflaschen stolpert.
Das ist natürlich ein Scherz. Meine Frau ist in dieser Frage aber sehr eigen. Wenn wir das Haus verlassen, will sie es nicht riskieren, dass der Staub auf dem Fernseher zu einer Klimakatastrophe führt.

Wie immer war ich vor der Fahrt furchtbar aufgeregt. Ob ich das noch einmal in den Griff bekomme?
Mein Schatz kam von der Arbeit, wir stiegen ins Auto und fuhren los. Wegen der Länge der Strecke und weil wir uns vorgenommen hatten, auf keinen Fall das erste Mittagessen zu verpassen, fuhren wir einen Tag früher und unterbrachen unsere Fahrt auf halber Strecke, um auf unserer Reise meine Schwester, die in Thüringen wohnt, zu besuchen.
Sie ist ein Hundenarr und im Besitz mehrerer zugelaufener Tiere. Der Liebling der Familie, ein stattlicher Rottweiler, der mir immer sehr viel Respekt abverlangte, hat inzwischen das Zeitliche gesegnet, sodass der Aufenthalt für mich diesmal sicherlich stressfreier verläuft.
Nach uns kam meine Nichte auch zu Besuch. Sie hatte wie immer einen Teil ihrer Kinder dabei und mir wurde klar, dass ich den Rottweiler mochte.

Wir erzählten von unseren Urlaubsplänen und stießen auf interessierte Ohren. Meine Schwester, schlank wie eine Spargelstange, kann unser Vorhaben, unseren Urlaub auf einer Schlankheitsfarm zu verbringen, zwar nicht nachvollziehen, zeigt sich aber ehrlich interessiert.
Das Essen bei ihr war für mich immer schon eine Herausforderung, der ich mich diesmal, wegen der zu erwartenden Ernährungsform, gerne stellte. Sie war auf unseren Besuch vorbereitet, und so bog sich der Abendbrottisch unter thüringischen Spezialitäten, von denen meine Schwester der Meinung ist, dass ich wegen meiner thüringischen Wurzeln nicht darauf verzichten könne.

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