Gib mich auf

Gib mich auf

Sabrina Borchers


EUR 20,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 288
ISBN: 978-3-99146-689-5
Erscheinungsdatum: 06.03.2024
Zielen, entsichern, schießen. Das Leben der Mafia ist alles, was Camila Bianchi kennt. Als Nero Castello, der spanische Rivale der Mafia, auftaucht, gerät sie zwischen die Fronten. Wem gehört ihr Herz? Und wen trifft die alles entscheidende Kugel?
Vorwort

Es handelt sich hierbei um eine rein fiktive Erzählung.
Alle Charaktere, Handlungsorte und Handlungen sind frei erfunden.
Eventuelle Bezüge zu realen Personen oder Handlungen sind nicht beabsichtigt.
Charaktere, Handlungsverläufe und die damit einhergehenden Emotionen entstammen allein meiner Fantasie.

Dieser Roman befasst sich mit sensiblen Themen.
Aus diesem Grund befindet sich am Ende des Buches eine explizite TRIGGERWARNUNG.
Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.



Prolog

Als du ein Kind warst, erzählten sie dir, du könntest alles werden, was auch immer du willst. Alles, wovon du träumst, könnte Realität werden. Die Möglichkeiten auf dieser Welt schienen grenzenlos. Und dann wurdest du älter. Und mit jedem Jahr, das verstrich, musstest du neue Grenzen kennenlernen. Deine persönlichen, deine beruflichen, deine emotionalen. Die Grenzen dieser Welt rückten immer näher und du musstest erkennen, dass Träume eben nur Träume bleiben. Die Realität könnte sich davon nicht deutlicher unterscheiden. Sie ist kalt. Sie ist grausam. Und sie ist einsam.
Und mit einem Mal warst du erwachsen. Du hattest ein Leben und doch hattest du nichts. Eine falsche Entscheidung kann bestimmen, wohin dich dein Weg führt. Viele falsche Entscheidungen beschleunigen nur den Weg bergab. Interessanterweise blieb immer die Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass du vielleicht doch das werden könntest, was auch immer du willst.
Doch was, wenn du nicht weißt, was du sein willst? Wenn du nicht weißt, ob du gut bist oder böse? Wenn du nicht weißt, ob deine Handlungen richtig oder falsch sind? Ob sie dir einen Weg bergauf oder einen Weg direkt in die Dunkelheit ebnen?
Eine Antwort auf diese Fragen erhältst du nie. Oder nur dann, wenn es längst zu spät ist. Wenn die Realität dich mit ihrer geballten Grausamkeit festhält. Gibt es dann noch einen Ausweg?

Ich blickte hinunter auf die Waffe in meiner Hand, auf das Blut an meiner Kleidung.

Gab es noch einen Ausweg oder war dieses Leben meine Realität?



Kapitel I

Camila

Die Sterne funkelten in dieser Nacht. Der Himmel war schwarz und doch leuchtete er. Die Sterne waren wie kleine Hoffnungsschimmer in einem Meer der Dunkelheit. Ich sog die kalte Nachtluft in mich auf. Versuchte, meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen und doch hatte ich das Gefühl, zu ersticken. Mein Blick richtete sich gen Himmel. Wie sich Freiheit wohl anfühlen musste?
Wenn ich eines gelernt hatte, dann, dass Freiheit ein Privileg war. Und dieses Privileg war nicht jedem gegönnt. Vielleicht hatte ich es mir selbst verwehrt, als ich in jener Nacht seine Hand genommen und diese bis heute nicht losgelassen hatte. Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich mich ihm nie zugewandt hätte, wenn ich diesem Leben den Rücken gekehrt hätte, bevor es mich in sein Netz gewoben hätte? Es wäre anders verlaufen, vielleicht besser. Doch das konnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Alles, was ich wusste, war, dass ich nun hier stand. Und mir blieb von der Freiheit nichts als ein Blick in den Himmel.
Meine Finger spielten mit einem Stück Papier. Es wog schwer. Ein so kleiner Zettel, der doch so viel größere Auswirkungen mit sich ziehen würde. Ich hörte die Menschen im Saal hinter mir. Sie tanzten und lachten, als gäbe es dazu einen Grund. Mein letztes Lachen war so lange her, dass ich mich schlichtweg nicht daran zu erinnern vermochte. Glück ist niemals von Dauer. Was bleibt, ist der Schmerz. Der Tod. Das ist für immer. Das Leben ist vergänglich.
Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als eine Gestalt neben mich trat.
„Bist du immer noch verstimmt?“
Ich drehte mich zur Seite und schaute in das Gesicht von Luca Moretti. Meine Hand mit dem Zettel hob sich: „Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“
„Und ob es das ist“, erwiderte er kühl. „Muss ich dich daran erinnern, wer hier die Befehle erteilt?“
„Soweit ich weiß, immer noch Giano.“ Ich nickte ins Innere des Saals, wo ein älterer Mann mit Freunden an einem Tisch saß, und auf seinen sechzigsten Geburtstag anstieß.
„Ach, bitte. Das ist nicht der erste Auftrag, den du für mich ausführst und es wird auch nicht der letzte bleiben. Daran hast du dich noch nie gestört.“
„Ich habe mich schon immer daran gestört“, entgegnete ich bissig. „Du lässt mir nur schier keine Wahl.“
„Ganz genau.“ Er nahm mir den Zettel ab und trat dicht vor mich. „Also ersparen wir uns jede weitere Diskussion, da wir beide ohnehin wissen, wie sie ausgeht. Du wirst tun, was ich will.“
Er schob den Zettel unter den Stoff meines Kleides am Dekolleté: „Verstanden?“
„Natürlich. Das ist schließlich die einzige Freude meines Lebens. Deinen Befehlen Folge zu leisten.“ Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, aber er hielt mich am Handgelenk fest.
„Hör auf, so zu tun, als hätte ich dich aus der Blüte deines Lebens gerissen. Du hast dich freiwillig dazu entschieden.“
„Unsere Definitionen von Freiwilligkeit weichen stark voneinander ab.“
„Ich habe dir nichts gestohlen oder vorenthalten. Du könntest all den Spaß haben, all die schönen Dinge, die das Leben zu bieten hat.“
„Die müssen mir eingesperrt im Keller wohl entgangen sein.“
„Provozier mich nicht, Mila“, warnte Luca leise und strich mir eine Strähne meines zartlilafarbenen Haares hinters Ohr. „Es ist ein schöner Abend. Du siehst atemberaubend aus und bevorzugst es, hier allein in der Ecke zu stehen und Trübsal zu blasen. Diesen Abend ruinierst du dir selbst. Damit habe ich nichts zu tun.“
„Den Abend hast du in dem Moment ruiniert, in dem du mir die Liste gegeben hast.“
„Ich will davon nichts mehr hören. Das ist meine letzte Warnung. Ansonsten kippt meine Laune und du weißt, wie das für dich ausgeht.“ Drohend verstärkte er den Griff um mein Handgelenk.
Ich schwieg.
„Gut.“ Er ließ mein Handgelenk los und winkte einen Kellner heran. Er nahm zwei Shotgläser von seinem Tablett und reichte mir eines: „Nur ein paar Stunden Waffenstillstand. Kriegst du das hin?“
„Die Frage müsste ich dir stellen.“
Luca seufzte, hob sein Glas und sah mir in die Augen: „Frieden.“
Ich wusste, dass ich klein beigeben musste, wenn ich nicht wollte, dass das hier eskalierte. Also hob ich ebenfalls mein Glas: „Frieden.“
Wir stießen an und kippten den Alkohol hinunter. Luca stellte unsere Gläser auf das Geländer des Balkons und hielt mir eine Hand hin: „Und jetzt tanzen wir.“
Ich lachte kalt auf: „Nicht mehr in diesem Leben.“
„Wir tanzen, Mila.“ Seine Augen glühten auf.
So viel zum Thema Freiheit. Widerwillig legte ich meine Hand in seine. Er zog mich nach drinnen auf die Tanzfläche des Saals und dort dicht an sich heran.
„Ich meine es ernst“, wisperte er in mein Haar. „Du siehst wunderschön aus.“
„Hör auf damit.“
„Womit?“
„Nett zu sein.“ Ich drehte mich unter seinem Arm hindurch, ehe er mich sanft zu sich schob.
„Hast du Angst, du könntest in mir doch mehr sehen als ein Monster?“
„Da besteht keinerlei Gefahr. Du erinnerst mich tagtäglich daran, was du bist.“
„Und dennoch habe ich Frieden vorgeschlagen.“
„Es wäre auch keine Überraschung gewesen, wenn dieser Abend mit einem blauen Auge geendet wäre. Wäre nicht das erste Mal.“
„Es wird nicht das letzte Mal sein, wenn du weiter so kratzbürstig bist und mich als deinen Feind siehst.“
„Was sollte ich sonst in dir sehen, wenn nicht meinen Feind?“
„Ich weiß es nicht.“ Seine Lippen hauchten einen Kuss auf meine Schläfe. „Sag du es mir.“
Ich bekam eine Gänsehaut und schloss die Augen: „Lass uns einfach tanzen. Das waren genug Worte für einen Abend.“
„Ganz wie du willst.“

Wir tanzten lange schweigend miteinander. So lange, dass sich der Saal immer mehr leerte. Es war weit nach Mitternacht und Gianos Gäste verließen alle nacheinander die Feier, bis am Ende nur noch die Morettis samt ihrer Männer übrigblieben. Als die Musik verstummte und Luca seine Hände sinken ließ, realisierte ich, dass wir die Einzigen auf der Tanzfläche waren.
„War das jetzt so schlimm?“ Er grinste und fuhr sich durch sein dunkelbraunes Haar.
„Ich habe es gerade so überlebt“, antwortete ich spitz.
Er verdrehte die Augen.
„Luca!“ Giano erhob sich von seinem Stuhl. „Zeit zu gehen.“
„Wartet im Foyer. Wir brauchen noch eine Minute“, rief Luca zurück.
Er wartete, bis alle den Saal verlassen hatten, bevor er sich erneut mir zu wandte: „Es könnte immer so sein.“
„Kann es nicht, Luca.“ Ich verschränkte die Arme. „Wir waren schon immer wie Feuer und Wasser. Wir werden uns niemals einig sein. Du bist mein Boss. Deshalb tue ich, was du befiehlst. Aber nicht aus Überzeugung oder Respekt für dich, sondern weil du mir schlicht keine Wahl lässt.“
„Denkst du wirklich, du wärst glücklicher, wenn ich dich gehen ließe?“
„Das spielt keine Rolle. Das würdest du niemals tun.“
„Du hast diesem Leben nie eine Chance gegeben.“
„Lass uns aufhören, darüber zu reden. Das führt zu nichts.“
„Weil du immer abblockst.“
„Du solltest in mir dasselbe sehen wie in Stefano, Vito, Caesare und all den anderen.“
„Und was?“
„Dein Mittel zum Zweck. Sie als Menschen interessieren dich nicht. Hör endlich auf, vorzuheucheln, dass es bei mir etwas anderes ist.“
„Du denkst, du bist mir egal?“
Ich entgegnete nichts.
„Wenn ich dich wie all die anderen behandeln würde, wärst du längst tot, Mila. Stefano, Vito und den anderen hätte ich nicht einmal die Hälfte von der Scheiße durchgehen lassen, die du abgezogen hast! Nur, um das mal klarzustellen. Also sei froh, dass du mir nicht egal bist!“
Er wollte an mir vorbei zum Ausgang gehen, als plötzlich von dort laute Rufe ertönten. Reflexartig schob ich Luca hinter mich und zog im selben Moment meine Waffe aus dem Holster am Oberschenkel. Keine Sekunde zu früh, denn im Foyer fielen die ersten Schüsse.
In dem Moment schaltete mein Gehirn um. Weniger Denken, mehr Handeln. Das war weiß Gott nicht das erste Mal, dass wir in einer solchen Situation waren.
„Los!“ Ich stieß Luca an. „Auf den Balkon!“
Wir rannten los, während ich meine Waffe entsicherte und Luca Deckung gab.
Zwei Männer tauchten im Durchgang zum Saal auf. Sie zielten direkt auf Luca. Ich schoss, ohne darüber nachzudenken. Binnen eines Wimpernschlages brachen die Männer getroffen von einem gezielten Kopfschuss leblos auf dem Boden zusammen.
Wir erreichten den Balkon und ich knallte die Türen hinter uns zu. Mein Blick untersuchte rasch die Umgebung.
„Hier – da hoch!“ Ich rannte zu einem Regenfallrohr, das vom Dach hinunterführte. „Sie werden nicht damit rechnen, dass wir auf das Dach flüchten! Los. Ich gebe dir Deckung.“
„Du solltest vorgehen und wir machen es umgekehrt.“ Luca hielt ebenfalls seine Waffe in der Hand.
„Es ist nicht deine Aufgabe, mich zu beschützen!“
„Mila …“
„Wir schaffen es vielleicht nicht beide und dich töten sie auf jeden Fall.“ Ich sah ihm in die Augen. „Geh!“
Er erwiderte meinen Blick für einen Moment und begann dann endlich, nach oben zu klettern.
Ich spähte durch die Balkontür ins Innere und sah ein halbes Dutzend Männer in den Saal stürmen. Es waren keine von Morettis Leuten.
Gerade, als ich abwog, ob ich sie alle erschießen sollte, ertönte ein Pfiff.
Luca war auf dem Dach verschwunden. So schnell ich konnte und ohne einen Blick hinunterzuwagen, kletterte ich das Rohr gut sieben Meter in die Höhe. Dabei verfluchte ich meinen Plan, ausgerechnet auf ein Dach zu klettern. Beschissene Idee für jemanden mit Höhenangst, aber solche Situationen ließen keinen Raum für Angst. Oder für sonst eine Empfindung, die dich schwach machte.
Oben angekommen packte mich eine Hand und zog mich über die Kante auf das Dach.
Es war ein flaches, mehrfach versetztes Pultdach. Luca drückte mich auf die Ziegel. Stimmen ertönten von unten.
„Wo ist er?!“
„Vermutlich vom Balkon gesprungen, so hoch ist das nicht.“
„Durchsucht die gesamte Umgebung!“
Wir verharrten reglos, bis die Geräusche unter uns verstummt waren.
Luca richtete sich etwas auf und kletterte weiter in die Mitte des Daches. Ich folgte ihm, auch, wenn ich nicht wusste, was er jetzt wieder vorhatte. Wir hielten an der Kante zweier Dächer. Hier gab es mehrere Fenster, die in das große offene Foyer zeigten. Sie standen auf Kipp.
Wir drückten uns neben ein offenes Fenster gegen das Mauerwerk. Ich erhaschte einen kurzen Blick nach unten. Dieser genügte jedoch, um die Lage einschätzen zu können.
Die fremden Männer hatten Giano und einige seiner Männer in die Knie gezwungen.
Ein Mann bedrohte Giano mit einer Waffe.
„Soll ich ihn von hier aus erschießen?“
Ich war bereit, meine Waffe zu entsichern, aber Luca schüttelte den Kopf.
„Sie werden ihn töten“, zischte ich.
Luca gab mir mit einem Blick zu verstehen, dass ich leise sein sollte.
Mit Mühe konnten wir verstehen, was im Foyer gesprochen wurde.
„Wie könnt ihr es wagen, uns zu überfallen?“, fauchte Giano.
„Schnauze, alter Mann!“
„Ich will mit deinem Boss sprechen. Ich finde es überaus beleidigend, mit einem Handlanger vorliebzunehmen!“
„Mehr wird nicht nötig sein, um dich unter die Erde zu bringen. Und deinen Sohn. Wo ist er?!“
„Ist er euch entwischt?“, Giano klang belustigt. „Scheint, als wärst du doch nicht dazu im Stande, du erbärmlicher Schwächling!“
„Vorsichtig!“ Das Klicken einer Waffe war zu hören. „Wo ist er?! Ich werde nicht erneut fragen.“
„Luca wird euch umbringen.“
Es folgte ein kaltes Lachen des Fremden. Dann ein Schuss.
5 Sterne
Super spannender Dark Roman - 09.04.2024
Lena

Ich bin völlig ohne Erwartungen an das Buch rangegangen, da ich zuvor noch nie so ein Dark Roman gelesen habe. Schon nach den ersten Seiten war ich gepackt und habe die ganze Zeit mit der Hauptfigur Camila mitgefiebert. Das Buch ist wirklich unfassbar gut und spannend geschrieben. Ich kann es auf jeden Fall nur weiter empfehlen!!

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