Alle Gefühle sind erlaubt

Alle Gefühle sind erlaubt

Fühle, was du lebst

Kirsten Anderstein


EUR 18,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 66
ISBN: 978-3-99146-641-3
Erscheinungsdatum: 20.02.2024
Jede Form von Gefühl ist für unseren Körper, aber auch für unsere Seele gesund, sie zu unterdrücken dagegen macht uns krank. Daher sind alle Gefühle erlaubt – nur wenn sie im Einklang sind, kann ein Mensch frei sein und die Hauptrolle in seinem Leben spielen.
Vorwort


„LIEBE lässt Liebe wachsen!“ Das ist bis heute in meinem Herzen verankert. Auch wenn man in seinem Leben positive Erfahrungen sammelt, so bleiben bei negativen Narben zurück.
Die Lektion: Wir lernen aus den Schmerzen ebenso viel wie aus der Liebe.
Doch das, was vor allem zählt: Sich einzugestehen, dass alle Gefühle erlaubt sind. Jede Form von Gefühl ist für unseren Körper, aber auch für unsere Seele gesund. Schweigen dagegen ist wie Gift, das sich langsam ausbreitet und ein Leben in Unbeschwertheit unmöglich macht.
Reden bewirkt Heilung.
Wer das begreift, überwindet die Angst und stellt sich der Herausforderung.
Ich habe genau das getan und aus alldem kleine Geschichten verfasst, die das Leben schrieb.
Vorbild hierfür war Virginia Satir, die unser Sein mit einer Theaterbühne vergleicht, in der wir die Hauptrolle spielen. Doch all unsere Gefühle sind Statisten, die ebenfalls ihre Rolle zugeteilt bekommen. Schulz von Thun bezeichnet dieses als „das innere Team“, mit dem Konversation betrieben wird. Erst dann, wenn jeder Anteil in uns seine Rolle versteht, beginnt das Bühnenwerk unseres Lebens.
Wer es daher lernt, die Hauptrolle in seinem Leben zu spielen, der hat begriffen, was es heißt: Fühle, was du lebst.



Über die Autorin


Kirsten Anderstein wurde 1971 in München geboren und arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten zunächst in der Computerbranche. Sie studierte Psychologie sowie Angst- und Stressmanagement und arbeitet inzwischen erfolgreich als Coach für systemische Beratung, Burn-out und Entspannung.
Mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie in der Oberpfalz. Dort gibt sie Kurse an der VHS sowie für Kinder bei der Schülerhilfe.
Über ihre Erlebnisse in der eigenen Kindheit, Jugend- und Erwachsenenzeit, verfasste sie Kurzgeschichten, um sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen. Um ihr Leben als Überlebende von Traumata und gesunde Erwachsene zu führen, ist der Autorin ihr innerer Dialog wichtig. Achtsamkeit spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle. Wenn sie daher nicht gerade malend oder schreibend Gefühle und Erlebtes zu Papier bringt, liest und fotografiert sie gerne.



Der Tunnel


Es war ein herrlicher Sommertag. Die Wiesen und Felder standen im herrlichsten Grün. Blumen wehten sanft im Wind. In der Luft lag der Duft von Freiheit. Die Sonne erfreute die Natur mit ihren Strahlen. – So auch mich. Dennoch war ich an diesem Tag nicht ich selbst. Vieles ging mir durch den Kopf. Daher versuchte ich in der Natur wieder einmal meine Ruhe und Kraft zu finden – wie so oft.
Mein Weg führte mich dieses Mal durch ein weites Tal, das ich noch nicht kannte. Es faszinierte mich, immer wieder Neues zu entdecken und zu erfahren. – Ich war rastlos, auf der Suche – doch ich fand nichts, das mich beruhigte. An einer Wegegabelung entschied ich mich schließlich den Weg zu gehen, der rechts abbog. Es drängte mich schier, diesen zu gehen. – Doch warum?
Nun, der linke sah nicht so einladend aus. Er war steinig, dunkel und auch übersät mit diversen Gegenständen, die Menschen einfach achtlos weggeworfen hatten. Solche Wege wollte ich nicht mehr gehen.
Hier, der rechte, schien freundlich, gar einladend zu sein. Er lächelte mich förmlich an. Es waren zwar auch Steine an den Seiten zu finden, doch alles schien sauber und rein. – So machte ich mich einfach mit festem Schritt auf diesen Weg.
Ich war schon eine Weile unterwegs, als ich vor einem Tunnel stand. – „Nicht sehr einladend“, dachte ich mir. Doch nichts zeigte mir an, dass ich an ihm vorbeikam. Ich musste hier auf diesem Weg bleiben. – Lang ist er nicht, ich kann ja das Ende schon sehen. – Also, hinein.
Als ich jedoch in der Mitte ankam, war das Ende plötzlich verschwunden. Ich stand plötzlich vor einer riesigen Steinmauer. „Das kann doch gar nicht sein!“ Ungläubig ging ich auf die Mauer zu und tastete sie ab. Doch, es war wahr. Ich stand hier vor einer riesigen Mauer, die bis zur Decke reichte.
Nur gut, dass die andere Seite offen war. Also machte ich auf dem Absatz kehrt und ging geradewegs auf den anderen Ausgang zu. Doch ehe ich mich versah, war dieser auch zugemauert. Wie konnte das denn sein? Das durfte doch nicht wahr sein – welcher Wahnsinnige macht denn einen Tunnel komplett dicht – ohne Notausgang? Vor allem, woher kamen denn plötzlich diese Mauern? In der völligen Dunkelheit umgab mich ein Schauer. Wie sollte ich hier wieder herauskommen? Wie war ich überhaupt in diesen Zustand gekommen?
Verzweifelt ließ ich mich dort, wo ich gerade stand, auf den Boden gleiten. Ich umschloss meine Knie und stützte meinen Kopf darauf. Tränen rannen mir leise über die Wangen und benetzten den Boden. Langsam stieg Angst in mir hoch. Wie sollte ich hier je wieder herauskommen?
Plötzlich vernahm ich ein leises Geräusch aus Richtung Tunneleingang. Was war das? Ein Kratzen? Ein Klopfen? Das war in dieser Einöde doch gar nicht möglich, oder doch? Da wieder … Nein, ich irrte mich nicht. Es war deutlich zu hören. Ich folgte dem Geräusch. – Langsam begab ich mich auf allen Vieren vorwärts und tastete mich vorsichtig an der Wand entlang, bis ich am Tunnelausgang angekommen war. Das Geräusch war nun deutlich vor mir.
Kratzen, klopfen, kratzen, klopfen … als ob irgendjemand von da draußen SOS-Zeichen geben würde. Es war deutlich: SOS.
Kurz, kurz, lang, lang, kurz, kurz … warum kam da ein SOS? Ich war doch hier gefangen!
Darüber sollte ich jetzt nicht nachdenken!!! Ich sollte froh sein, dass hier jemand war, der meine Situation sah und nun etwas unternahm. – Doch außer SOS kam nichts.
Es war wieder völlige Ruhe eingekehrt. – Wieder sank ich auf den Boden. – Und jetzt? Warum hatte mich hier jemand her gelotst, um mich nun einfach sitzen zu lassen? Das durfte doch nicht wahr sein. Ich hörte … NICHTS. Noch einmal … NICHTS. Nur absolute Stille. Da … da war es wieder. Ein deutliches Klopfen. Ich überlegte dieses Mal nicht lange. Sofort reagierte ich darauf. Ich gab SOS-Zeichen zurück. Kurz, kurz, lang, lang, kurz, kurz. – Eine Reaktion blieb aus. – Also versuchte ich es wieder und wieder. Langsam wurde ich mutlos und die Angst gewann wieder die Oberhand.
In diesem Augenblick vernahm ich ein Geräusch. Es war draußen – eindeutig: Vor dieser Mauer war jemand. Ich rief: „Hallo“ – keine Reaktion. Noch einmal, etwas lauter: „Hallo, ist da jemand? Antworten Sie mir bitte – ich bin hier gefangen. Ich will hier bitte heraus!!!!“
„Ganz ruhig“, tatsächlich eine klare, sanfte Stimme auf der anderen Seite der Mauer. „Ganz ruhig, alles wird gut.“ Noch einmal diese Worte. Ja, sie berührte mich. Sie ging mir tiefer als alles, was ich bisher wahrgenommen hatte. „Alles wird gut“, wiederholte die Stimme ihre Worte.
Ich war nicht mehr allein! Irgendwer war bereit, mir zu helfen. Wer war der Mensch hinter dieser Stimme??? Egal. Ich lauschte, was nun geschah. Und ich hörte sie wieder: „Ganz ruhig. Alles wird gut.“ „Das sagten sie schon … Bitte, helfen Sie mir.“
„Gut“ – „Taste dich vor. Gibt es bei dir irgendetwas, was du als Hilfe nehmen kannst, um zu graben oder zu kratzen?“ – „Es ist stockdunkel. Wie soll ich hier etwas finden?“ – „Noch einmal: Taste dich vor. Ist da irgendetwas zu spüren. Fühle es.“ „Fühlen? Ich sitze hier im Dunkeln. Mir laufen die Tränen herunter und sie sagen, ich soll etwas fühlen? Was soll ich noch mehr fühlen?“ „Ganz ruhig … am Boden tasten … fühlen, spüren … ist da ein Stein, etwas Spitzes?“
Ich wühlte am Boden im Schmutz, so ein Dreck. Doch die Stimme am anderen Ende animierte mich zum Weitermachen. So tat ich, was mir gesagt wurde: Ich wollte hier raus. Also grub ich und wühlte … da, ja, ich konnte es deutlich fühlen … etwas Spitzes. Ich grub weiter und ich konnte es herausholen: Es war nach dem Abtasten ein Löffel. Ja, tatsächlich: ein Löffel.
„Jaaaa“, rief ich erleichtert. „Ich habe hier tatsächlich einen Löffel ausgegraben.“ „Gut so. Jetzt fang an, an einem der Steine zu kratzen. Kratze an den Rändern. Klopfe, um mir zu zeigen, welchen der Steine du nimmst.“ Ich tat, was man mir sagte. Klopfen, kratzen. Auf der Gegenseite hörte ich es ebenso. „Ich glaub’ es ja nicht … was soll das alles hier???“
„Denk nicht so viel nach, mach einfach. – Du musst schon selbst etwas tun. Ich kann hier nur entgegenkommen. Die Arbeit musst du machen. Also bitte: Kratze weiter.“ „Ich habe doch keine Ahnung, was mich dann erwartet? Wer gibt mir denn die Gewähr, dass ich hier rauskomme, und vor allem, dass Sie es mit mir gut meinen?“
„Du musst mir vertrauen. – Wenn ich dir sage, es wird gut, komme mir entgegen und glaube daran, dass es so ist, wie es ist.“ „Ich will es ja glauben.“
„Dann hör bitte nicht auf, sondern kratze weiter – merkst du schon eine Lockerung?“ Tatsächlich, der Stein bewegte sich langsam. Da: ein kleines Loch, ja, das spornte mich an und so kratzte ich weiter. Plötzlich löste sich der Stein. Das konnte doch nicht wahr sein: Er löste sich.
Ich stieß ihn aus der Wand heraus. Ein leichter Sonnenstrahl fiel jetzt durch das entstandene Loch. Ich war kurz geblendet. Doch als ich mich wieder ein wenig an Licht gewöhnt hatte, sah ich eine Hand, die mir durch diese Öffnung gereicht wurde. Eine weibliche Hand. Eine sanfte, weiche Hand wurde mir gereicht. Ich fasste sie fester. „Bitte, lass mich nicht los“, bat ich eindringlich. „Du musst loslassen, damit du wieder neu fassen kannst. – Noch einmal: Bitte vertraue mir. Diese Wand musst du einreißen. Ich kann dir helfen, dich unterstützen, doch einreißen musst du sie.“
„Gut, dann zeige mir, was ich tun soll.“ „Vertraue mir. Lass es zu und ich helfe dir, Stein um Stein hier einzubrechen.“
Gesagt, getan. Es wurde ein Stein nach dem anderen in Angriff genommen. Hier tat sich eine Menge. Ich spürte, wie sich in mir etwas veränderte. Mit jedem Stein, den ich aus der Mauer nahm, kam auch Licht in mich. Ich nahm die Strahlen wahr, die Wärme und je mehr Steine ich entfernte, umso freier wurde ich. Ich wollte keine Mauer mehr, die mich umgab. Ich wollte frei sein, wollte spüren, fühlen, was ich alles hatte verbergen müssen – auch in mir.
Als ich den letzten Stein entfernt hatte, sank ich erschöpft auf den Boden.
Und da war sie – die liebevolle Stimme, die helfende Hand, die mir nun entgegengestreckt wurde:
Eine Frau meines Alters stand vor mir, lächelte mich sanft an und half mir vom Boden auf. – Ihr Blick ruhte auf dem meinen und wieder hörte ich sie sagen: „Vertraue mir, lass los und greife neu zu, dann kannst du es auch halten.“
Ja, jetzt verstand ich, was sie mir sagen und zeigen wollte: Nur wer loslassen kann, ist offen, Neues zu erfahren, auch wenn es Angst macht – doch Vertrauen lohnt sich immer.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Alle Gefühle sind erlaubt

Willibald Rothen

Pannonische Dorfgeschichten aus alter und neuer Zeit

Buchbewertung:
*Pflichtfelder