Auf der Suche nach verlorenen Schätzen

Auf der Suche nach verlorenen Schätzen

Rückblicke auf mein Leben

Emma Turk


EUR 17,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 112
ISBN: 978-3-99146-256-9
Erscheinungsdatum: 21.03.2024
Vier Hochzeiten und eine Affäre – was klingt wie eine Hollywood-Romanze, beschreibt nur einen Bruchteil der Lebensgeschichte einer klugen und weltoffenen Frau. Ihre Biografie ist zugleich ein spannender Liebesroman und exzellenter Ratgeber zur Selbstfindung.
PROLOG

Während eines Aufenthaltes im Libanon fragte mich unser Reiseleiter Ahmet an einem der freien Nachmittage, ob ich Lust und Zeit hätte, ihn zu einer jüngst erfolgten Ausgrabung am Fuß des Chouf zu begleiten. Er sei sich unsicher, ob er das Mosaik, das dort vor Kurzem vom Kulturverein des Ortes freigelegt worden sei, in Zukunft in sein Besichtigungsprogramm aufnehmen solle oder nicht. Gerne würde er meine Meinung dazu hören.
Natürlich hatte ich Lust, Ahmets Bitte nachzukommen und stapfte alsobald hinter ihm durch eine Wiese mit mannshohen Gräsern. An diesem Nachmittag warf die Sonne ihren vollen Glanz in das versteckte Tal zwischen den Bergen des Chouf und übergoss den Bach, an dem wir entlangliefen, immer wieder mit glitzerndem Silber und Gold. Hochbeinige Heuschrecken hüpften vor uns her und erzeugten dabei betörende Laute, einen nicht enden wollenden Singsang über Himmel und Erde, Sonne, Wolken und duftendes Gras. Aus der Ferne hörten wir lautes Lachen und Rufe von Menschen, die sich wie wir an der zauberhaften Stimmung erfreuten.
Und dann lag plötzlich vor unseren Füßen im Gras eine Marmorplatte, in die ein Mosaik eingelassen war. In fremder Schönheit lag sie da, die Lady aus Keramik und Glas.
Sofort trat auch die Versehrtheit der Dame in Erscheinung, denn viele Mosaikteile fehlten, im Gesicht, am Hals, im elegant geschürzten Gewand, an den anmutig gesetzten Füßen, mutwillig herausgerissen oder über Jahrhunderte hinweg von Wind und Wetter angegriffen und vom Regen ausgespült, wer weiß.
Von ihrer Anmut hatte die Gestalt dennoch nichts eingebüßt. Vielmehr lag sie in ehemaliger Eleganz und Herrlichkeit zwischen den groben Gesteinsbrocken verborgen, die man wohl bei ihrer Entdeckung um sie herum aufgehäuft hatte, um sie vor weiteren Verwüstungen zu schützen.
So viel Schönheit verschlug mir die Sprache.
„Natürlich musst du diese Pracht all deinen Touristen zeigen, sobald dies von eurem Kulturverein erlaubt wird. Das hier ist für mich das Wunderbarste, was ich bisher in deinem Land gesehen habe, das darf man niemandem vorenthalten“ meinte ich schließlich und strich dabei über die Gräser, die an einigen Stellen aus dem Mosaikgefüge wucherten.
Für ein Foto bedeckte ich danach mit einer Hand das verlorene rechte Auge der Lady, bevor Ahmet und ich beglückt über den wunderbaren Fund zwischen Gras und Stein den Rückweg durch das Tal zwischen den Bergen des Chouf antraten.

An der Kulturreise durch den Libanon hatte ich teilgenommen, weil ich auch nach vielen Jahren noch immer unter der Trennung von meinem einstigen Geliebten Hassan litt. Dieser hatte als ehemaliger palästinensischer Flüchtling seine Wurzeln im Libanon, und ich wollte ihn dort mit meiner Seele suchen.
Hassan hatte ich während eines Kurzurlaubs in Berlin kennengelernt und mich sofort in ihn verliebt. Nicht zuletzt hatte er mich mit seinen melancholischen Gesängen betört, die er hören ließ, wenn es um Gefühle ging. Darüber hinaus war es seine warme Ausstrahlung, die mir überaus guttat. Und natürlich hatte sein exotisches Flair meine Neugier geweckt.
Von dem Augenblick an, an dem ich zum ersten Mal in seinen Armen gelegen und seinen Herzschlag gespürt hatte, konnte ich nicht mehr von ihm lassen.
Und so wagte ich das Unmögliche:
Während der Zeit unserer Begegnungen durfte Hassan als Asylsuchender die Grenzen von Westberlin nicht verlassen. Daher musste ich, wenn wir uns sehen wollten, zu ihm nach Westberlin reisen.
Wohl lebte ich bereits von meinem Ehemann getrennt, mit dem ich zwei Kinder hatte, war aber innerlich noch fest in dem christlich-konservativen Milieu meines Elternhauses verhaftet. Daher musste ich mir jede dieser Reisen erkämpfen. Doch trotz meines permanent schlechten Gewissens wegen meines vermeintlich ungehörigen Verhaltens zog es mich immer wieder in die ungestümen und zugleich so zärtlichen Umarmungen meines überaus attraktiven Geliebten.
Zwischen unseren Begegnungen telefonierten wir miteinander und schrieben Briefe, in denen wir uns die Sehnsucht mitteilten, die damals in uns beiden wütete und uns immer wieder ewige Treue schwören ließ.
Früh war uns beiden bewusst, dass wir uns in eine „Amour Fou“ verstrickt hatten, ich, die brave kleine Lehrerin aus der süddeutschen Provinz und er, der ehemalige Freiheitskämpfer, der im Libanon in einem palästinensischen Flüchtlingslager aufgewachsen war.
Ja, wir waren zwei Königskinder, die nicht zueinanderkommen konnten, weil das Wasser zwischen uns viel zu tief war.
Zunächst versuchten wir, die Aussichtslosigkeit unserer Liebe zu ignorieren. Dann setzten wir wütend dagegen, indem wir aus leidenschaftlichem Trotz in voller Absicht ein Kind zeugten. Es war von uns beiden als Garant für ein „Für immer“ gemeint, das uns doch nicht beschieden war.
Nein, unbarmherzig riss das Leben uns bereits wenige Monate nach der Geburt unseres Sohnes Amal auseinander.
Die Wunden, die dabei entstanden, schmerzten tief und werden wohl bei keinem von uns beiden jemals ganz verheilen.



TEIL I


In Kolumbien

Dem Abschied von Hassan war bereits ein anderes sehr schmerzliches Verlusterlebnis vorausgegangen:
Zwei Jahre zuvor waren mein Mann Gregor und ich im Rahmen eines Entwicklungsdienstes mit unseren beiden Kindern nach Kolumbien gereist und hatten uns dabei auf einen Aufenthalt von fünf Jahren eingestellt. Doch bereits nach nur fünfzehn Monaten mussten wir zu meinem großen Bedauern Kolumbien wieder verlassen. Der Grund war ein berufliches Angebot für Gregor aus einer Universitätsstadt in Deutschland, das er sich nicht entgehen lassen wollte. Also ging es mit Sack und Pack vorzeitig wieder nach Deutschland zurück.
Obwohl unsere familiäre Situation während des gesamten Auslandsaufenthaltes einem sehr fragilen Gebilde glich, war ich in dem fremden Land glücklich gewesen:
Zum ersten Mal hatte ich mich frei gefühlt und überaus motiviert, diese Freiheit auf ihre Dehnbarkeit hin auszuprobieren. So war mir die Tatsache, dass wir unseren früheren Wohnort in der süddeutschen Provinz mit einer riesengroßen Stadt getauscht hatten, die unendlich viel Neues zum Entdecken und zum Erleben bot, zu einem spannenden Abenteuer geworden.

In den ersten sechs Monaten war ich täglich mit meinem zweijährigen Söhnchen Jonathan irgendwo in der Stadt unterwegs. Da ich Spanisch sprach, war es mir ein Leichtes, mich mit den Einheimischen zu verständigen.
Diesen begegneten wir auf unseren Entdeckungstouren vor allem in den Taxis, die uns für ein paar Pesetas zuverlässig in jeden angegebenen Winkel der Stadt fuhren, aber auch in den Straßen, die wir mit viel Lust und Laune durchstreiften.
Die Kolumbianer liebten sowohl mich als auch meinen kleinen Sohn, so schien es, denn überall, wo wir auftauchten, blieben Leute stehen und sprachen uns freundlich an. Oft wurde ich mit Fragen geradezu bestürmt, wie der Kleine heiße, wie alt er sei, aus welchem Land wir kämen, wie es uns in Kolumbien gefalle, in welchem Stadtteil wir lebten. Manchmal wurde es schwierig, uns loszureißen, aber zu keinem Zeitpunkt spürte ich auch nur den Hauch einer Gefahr, weder für mich noch für meinen Kleinen, den die Vorübergehenden wegen seiner blonden Haare „que lindo!“ (wie hübsch) fanden.
Jonathan selbst schien die Aufmerksamkeit der Passanten zu gefallen, denn stets freute er sich, wenn ich ihm eine neue Unternehmung ankündigte.
Waren wir dann an irgendeinem der Ziele angekommen, die von dem Reiseführer als sehenswert gepriesen wurden, hüpfte er fröhlich an meiner Hand neben mir her, Lärm und Gedränge schienen ihn nie zu stören. Wenn wir müde, hungrig oder durstig waren, kauften wir eine der süßen und überaus saftigen Orangen, die an allen Ecken und Enden in kleinen Verkaufsbuden, Bauchläden oder auch Dreiradkarren angeboten wurden. Oder wir tranken einen jener köstlichen Säfte, die stets vor unseren Augen frisch gepresst wurden, je nach Verlangen und Angebot aus einer Ananas, einer Maracuja, aus Zitrusfrüchten oder Mangos. Allen Warnungen zum Trotz, auf der Straße keine ungekochten Lebensmittel zu verzehren, wurde uns niemals übel, im Gegenteil, immer konnten wir uns nach unseren Erfrischungen gestärkt auf den Heimweg machen.
Dabei fand ich es überaus praktisch, dass man von jedem Punkt der Stadt ein vorüberfahrendes Taxi anhalten konnte, das einen von wo aus auch immer bis vor die eigene Haustür brachte. Dort bat ich den Taxifahrer zu warten, brachte dann zuerst den Jungen ins Haus und übergab ihn unserer Muchacha (Hausmädchen), dann holte ich aus meinem Zimmer das Geld, mit dem ich den Taxifahrer bezahlte. Auf diese Weise musste ich auf unseren Streifzügen stets nur den geringen Geldbetrag für die Hinfahrt im Taxi und die spätere Erfrischung mit mir führen, was wesentlich zu meinem Gefühl der Sicherheit beitrug.
Außerdem hielt ich mich an die allgemeine Empfehlung, in den Straßen der Stadt weder Schmuck zu tragen noch eine Uhr noch aufwendige Kleidung. Auch führte ich keine Handtasche und keinen Fotoapparat mit mir, sondern hielt nur meinen Kleinen fest an meiner Hand.
Schön waren sie, unsere Unternehmungen, schön, spannend und unvergesslich.

Als ich mich mit der neuen Umgebung einigermaßen vertraut gemacht hatte, unsere Tochter Rebecca in der Schule war, Jonathan in einer Kita betreut wurde und Gregor sich von früh bis spät außer Haus aufhielt, bewarb ich mich als sogenannte „Ortskraft“ an der Deutschen Schule.
Umgehend bekam ich eine halbe Stelle als Fachlehrerin für Deutsch, Musik und Bildende Kunst.
Da ich auf meinen Job nicht wirklich angewiesen war konnte ich mich auf eine neue Weise ausprobieren und mir Verhaltensweisen leisten, die ich mir an der kleinen Dorfschule, an welcher ich zuvor unterrichtet hatte, nie erlaubt hätte.
Das Bewusstsein, dass ich auch nach einem eventuellen „Rausschmiss“ zurechtkäme, und zwar sowohl in emotionaler als auch in finanzieller Hinsicht, eröffnete mir einen großen Handlungsspielraum. Vor diesem Hintergrund meldete ich mich bereits an meinem dritten Schultag, an dem spontan eine Gesamtlehrerkonferenz anberaumt worden war, vor meinen einhundertachtundsiebzig neuen Kolleginnen und Kollegen zu Wort, um einen soeben gefällten Schul-Beschluss zu kritisieren.
Dieser betraf einen Schüler, der in der Vorwoche aus dem Musikraum ein Tonbandgerät entwendet hatte, um an seiner Geburtstagsfeier bei sich zu Hause Musik abspielen zu können.
Einem Redebeitrag nach wuchs der sechzehnjährige Junge unter schwierigen Umständen auf und war zuvor schon wegen kleinerer Delikte bestraft worden. Sein neuester Verstoß wurde jetzt von der gesamten Lehrerschaft scharf gerügt, anschließend wurde der Junge der Schule verwiesen.
Erstaunt und zugleich schockiert meldete ich meine Bedenken gegen das in meinen Augen viel zu harte Urteil an. Dabei verwies ich auf die Gepflogenheiten im damaligen West-Deutschland, Jugendlichen bei leichteren Vergehen während der Pubertät eher Hilfe anzubieten, als sie rigoros zu bestrafen und damit ihre Zukunft schwer zu belasten. Die Antwort war ein allseitiges Geraune, bis der Direktor das Wort ergriff und die Erklärung abgab, man würde hier und jetzt nach den Regeln vorgehen müssen, die hier und jetzt gültig seien.
Anschließend wurde über das Urteil abgestimmt.
Einhundertsechsundsiebzig Lehrkräfte waren für die Durchführung der Bestrafung, eine Lehrerin enthielt sich der Stimme und einzig und allein ich stimmte dagegen.
Als ich die Versammlung verließ, war mir dann doch ziemlich mulmig zumute.

Zufällig war für den Abend dieses Tages in der Schule eine Begrüßung der neuen Lehrkräfte vorgesehen.
Wegen meines Alleingangs am Vormittag hätte ich mich am liebsten vor dieser Veranstaltung gedrückt, war ich mir doch nicht sicher, welche Reaktionen ich vonseiten der Kollegen und Kolleginnen zu erwarten hatte.
Doch dann war ich sehr überrascht, als mich sofort nach meinem Erscheinen ein ganzer Pulk von Leuten umringte, die mir zuprosteten und gratulierten, für meinen Mut, für meine Jugend und für meinen Idealismus, den sie, wie sie eifrig versicherten, auch alle einmal besessen, während der langen Jahre ihrer Berufstätigkeit aber leider verloren hätten.
Das so positiv verlaufene Ereignis bestärkte mich in meinem Drang, in meinem alltäglichen Unterricht neue Wege einzuschlagen. So führte ich beispielsweise in meiner Deutschklasse, die von Fünfzehn- bis Sechzehnjährigen besucht wurde, folgende Sitzordnung ein:
Während meiner Unterrichtsstunden saßen wir alle im Kreis, und auch ich saß mitten unter den Jugendlichen statt an meinem vorgesehenen Platz am Pult. Den jeweils zu behandelnden Stoff dozierte ich nicht, vielmehr führte ich meine Schülerinnen und Schüler über gemeinsame Gespräche an die Themen heran, die laut Lehrplan zu bearbeiten waren. Geäußerte Zweifel und Widersprüche waren dabei ausdrücklich erwünscht, provozierten sie doch meistens spannende Diskussionen.
Diese Methode führte sehr bald zu einem lebendigen Unterricht.
Dass ich überdies vom üblichen Verfahren, täglich eine Hausaufgabe zu erteilen abwich und stattdessen jedem Schüler und jeder Schülerin pro Quartal ein Thema zuwies, über welches ein Referat gehalten werden musste, kam ebenfalls gut an, zumindest bei den Jugendlichen.
Diese lieferten in der Folge derart interessante Beiträge zur allgemeinen Textanalyse, zu Gedichtinterpretationen, aber auch zu den in Kolumbien vorherrschenden gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen, dass alle Arbeiten mit guten Noten zu bewerten waren.
Der Frieden währte indes nicht sehr lange, denn in meiner Klasse saß ein Mädchen, dessen Mutter als Kollegin ebenfalls Deutsch unterrichtete. Diese Lehrerin war nun mit dem, was sie von ihrer Tochter über meine Unterrichtsmethode erfuhr, ganz und gar nicht einverstanden. Von der Besorgnis getrieben, Elisa könne nach der geplanten Rückkehr nach Deutschland wegen mangelnder Deutschkenntnisse den Anschluss an ihre Klassenstufe versäumen, schlug die Mutter Alarm und sorgte dafür, dass ich vor den Direktor zitiert wurde. Diesem erklärte ich mein Konzept und er akzeptierte es nicht nur, sondern fand meine Versuchsanordnungen sogar spannend.
Da er nach seinen Worten dennoch der Beschwerde der Kollegin etwas entgegensetzen musste, schlug er mir ein zweifaches Verfahren vor, mit dem ich meine Kompetenz als Deutschlehrerin öffentlich beweisen könne.
Erstens sollte ich eine Unterrichtsstunde zu einem Thema meiner Wahl in Anwesenheit des schuleigenen „Fachleiters Deutsch“ halten, dem das Recht und die Aufgabe zustehe, meine Unterrichtsstunde hinsichtlich ihrer Qualität zu bewerten.
Zweitens sollte ich zeitnah meine Schülerinnen und Schüler einen Aufsatz schreiben lassen, die Arbeiten zunächst selbst korrigieren und danach einem neutralen Zweitkorrektor vorlegen, der seinerseits meine Fähigkeit zu einer angemessenen Aufsatzkorrektur bewerten sollte.
Natürlich war ich von diesen Zumutungen nicht begeistert, aber ich nahm die Herausforderung an. Für die mir verordnete Lehrprobe wählte ich als Thema die Interpretation der „Todesfuge“ von Paul Celan. Wie erwartet beteiligten sich die Schüler sehr eifrig am von mir moderierten Gespräch und fanden dabei zu den im Text zahlreich enthaltenen Sprachbildern die erhellenden Assoziationen, die für die Erschließung des bedeutungsschweren Gedichts von zentraler Wichtigkeit sind.
Die Unterrichtsstunde hätte daher nicht besser verlaufen können.
Auch der angeordnete Beweis dafür, dass ich in der Lage bin, einen Schüler-Aufsatz angemessen zu korrigieren, verlief zu meinen Gunsten. Doch damit nicht genug:
Nach einigen Wochen wurden meinem Deutschunterricht einige Schülerinnen und Schüler aus einer Parallelklasse zugeteilt, da deren bisherige Deutschlehrerin in Mutterschaftsurlaub ging.
Sofort zeigten die Neuen Interesse an meinem speziellen Unterrichtsstil und reihten sich nahtlos in die bei mir praktizierte Unterrichtsform ein.
Nachdem die drei Mutterschaftsmonate der Kollegin vorbei waren, sollten meine Gastschülerinnen und -schüler wieder in ihre vorherige Deutschklasse zurück. Etwa die Hälfte von ihnen bat daraufhin den Direktor, in meinem Unterricht verbleiben zu dürfen, „weil dieser so interessant und spannend sei“.
Auch wenn diesem Ersuchen nicht stattgegeben wurde, freute es mich doch, dass mir vom Direktor persönlich von besagten Petitionen berichtet wurde.
Von da an legte mir niemand mehr Steine in den Weg, zumindest nicht dort, wo es um meine Unterrichtstätigkeit ging.

Bereits vor meinen schulischen Experimenten in Kolumbien hatte ich in Deutschland versucht, neue Wege zu betreten, allerdings eher in privater Hinsicht. Dazu wurde ich nicht zuletzt von den gesellschaftlichen Bewegungen der späten Sechziger- und Siebzigerjahre angetrieben, die alles Überkommene infrage stellten und neue Verhaltensweisen propagierten.
Vor diesem Hintergrund hatte ich mich nach einer schwerwiegenden Auseinandersetzung mit meinem Mann Gregor bereit erklärt, diesem zusammen mit unseren beiden Kindern nach Kolumbien zu folgen, statt umgehend die Scheidung zu beantragen.
Für diese Entscheidung sah ich folgende Gründe:
Einerseits wollte ich wegen Gregors Fehlverhalten nicht die Chance auf ganz neue Erfahrungen verlieren. Andererseits hegte ich die Hoffnung, ein endgültiges Zerbrechen unserer Familie vermeiden zu können, falls uns die zu erwartenden Erlebnisse vielleicht so weit von unseren privaten Problemen ablenken würden, dass wir diese überwinden könnten.
Zunächst funktionierte mein Plan, denn von dem Moment an, an dem wir kolumbianischen Boden betraten, war unserer aller Aufmerksamkeit unablässig von neuen Eindrücken in Beschlag genommen.
Auf Schritt und Tritt waren wir von fremden Menschen umgeben. Sie holten uns vom Flughafen ab, zeigten uns Einkaufsmöglichkeiten, machten uns mit der Agentur bekannt, die vertrauenswürdiges Personal vermittelte und halfen uns bei der Wohnungssuche. In Gegenwart all dieser Leute war es Gregor und mir tatsächlich möglich, einander zumindest neutral zu begegnen, statt uns ständig anzufeinden.
Natürlich gaukelten wir in diesen Tagen unseren Kindern einen familiären Frieden vor, den es nicht gab, wollten wir doch mit diesem „Theater“ unseren Kindern in der unbekannten Umgebung Halt und ein zumutbares Zuhause bieten.
Schwierig wurde es, als Gregor sich in eine seiner Studentinnen verliebte und keinen Hehl daraus machte. Mit meinem Einverständnis lud er seine Freundin zu uns nach Hause ein.
Die zierliche junge Frau war mit ihren dunklen Augen und hüftlangen schwarzen Haaren sehr hübsch.
Mir gegenüber verhielt sie sich höflich und zurückhaltend, sodass nichts an ihr auszusetzen war.
Was jetzt?

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