Ernas Geheimnisse

Ernas Geheimnisse

Mord im "heiligen Land" Tirol

Reinhold Dullnig


EUR 16,90
EUR 10,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 252
ISBN: 978-3-99048-683-2
Erscheinungsdatum: 06.09.2016
Zwei Frauen werden erwürgt aufgefunden und eine Prostituierte entgeht diesem Schicksal nur knapp. Chefinspektor Roman Steinlechner muss herausfinden, wer hinter diesen Morden im normalerweise friedlichen Tirol steckt und was die Motive des Mörders sind …
Prolog

5. Dezember 2003

Der Tag begann so, wie er sich das wünschte. Strahlender Sonnenschein schon beim Frühstück, kaum Wind und ein fast leerer Pool, in dem er ungehindert seine Runden schwimmen konnte. Ein schöner Urlaubstag kündigte sich an, leider schon der letzte in diesem Jahr. Für morgen war der Rückflug gebucht.

Mit einem großzügigen Trinkgeld sorgte er dafür, dass ihm die freundlichen Kellner jeden Tag seinen bevorzugten Liegeplatz am Pool reservierten. Auch zwei Sonnenschirme stellten sie für ihn bereit, die ihm ausreichend Schatten spendeten, wenn er lange genug in der prallen Sonne von Thailand gelegen war. Eine möglichst intensive Bräunung war ihm sehr wichtig und er freute sich schon auf seinen ersten Saunabesuch nach dem Urlaub, wenn er Freunde und Bekannte mit seiner dunklen Hautfarbe und seinen Urlaubserinnerungen beeindrucken konnte. Er hatte diesen Platz auch deshalb ausgesucht, weil im Umkreis von mehreren Metern keine anderen Liegen aufgestellt waren. Das war ihm sehr wichtig. Er selbst suchte kaum Kontakt zu anderen Urlaubern und war recht einsilbig, wenn er doch einmal angesprochen wurde. Wenn einer von ihnen auf der Flucht vor der Sonne mit seiner Liege zu nahe an seinen bestens beschatteten Liegeplatz kam, konnte er sehr energisch werden. Erst vor wenigen Tagen hatte er eine ältere Frau deswegen lauthals beschimpft, was von anderen Urlaubern mit Kopfschütteln quittiert worden war.
Obwohl er den Kontakt zu den anderen Urlaubern mied, verfolgte er das Geschehen in seiner Umgebung doch genau. Auch dafür war sein Platz gut ausgesucht, weil er ihm einen Überblick über den größten Teil der Poollandschaft ermöglichte. Neuankömmlinge erkannte er an ihrer hellen Hautfarbe oder einfach daran, dass er sie zuvor noch nicht gesehen hatte. Auch die bevorstehende Abreise von Gästen entging ihm nicht, weil sie am letzten Tag meist kräftig ins Glas schauten und den Kellnern bei jeder Gelegenheit mit eindeutigen Handzeichen zu verstehen gaben, dass sie am nächsten Tag zurückfliegen wollten.

Die Pool-Bar war weit genug entfernt, dass die Musik trotz der zwei riesigen Lautsprecher erträglich blieb. Die Kellner kamen immer wieder bei ihm vorbei und fragten ihn nach seinen Wünschen. So konnte er seinen Durst auch dann stillen, wenn er keine Lust hatte, sein schattiges Plätzchen zu verlassen, und musste sich nicht, wie die weniger bevorzugten Gäste, an der Bar um ein Getränk anstellen.

Fast drei Wochen genoss er nun schon die Annehmlichkeiten eines Hotels der Fünf-Sterne-Kategorie in diesem beliebten und für seine Gastfreundschaft auf der ganzen Welt geschätzten Urlaubsland. Ein Bekannter hatte ihm vor vier Jahren von seinem Urlaub in diesem Hotel erzählt. Seither verbrachte er jedes Jahr zwei oder drei Wochen hier, immer von Mitte November bis Anfang Dezember. Das Hotel war unweit vom bekannten Patong-Strand in einer großen Parklandschaft gelegen und stand unter deutscher Führung.
Nach mehreren Jahrzehnten mit blühendem Massentourismus hatte die Wasserqualität stark nachgelassen. Trotzdem war der weit im Süden von Thailand auf der Halbinsel Phuket gelegene lange Strandabschnitt noch immer ein sehr beliebtes Urlaubsziel für sonnenhungrige Touristen aus allen Teilen der Welt.

Gegen sechzehn Uhr verließ er das Hotelgelände und erreichte in wenigen Minuten die belebte Uferstraße und dann den Strand. Die Sonne schien immer noch von einem beinahe wolkenlosen Himmel und hatte den Sand so aufgeheizt, dass er seine Badesandalen anbehalten musste, während er den Strand entlang in Richtung Osten wanderte. Anders als an den Tagen zuvor war es fast windstill und das Meer so ruhig wie selten. In einiger Entfernung war ein Kriegsschiff zu sehen, von dem gerade ein Boot ablegte. Er wusste, dass vor Phuket immer wieder amerikanische Kriegsschiffe vor Anker gingen, wenn der Besatzung Urlaub gewährt wurde. Bald würden wieder einige von diesen stiernackigen Typen mit ihren Kurzhaarschnitten am Strand zu sehen sein. Die Urlauber gingen ihnen aus dem Weg und die Einheimischen waren bemüht, ihnen möglichst viele von ihren Dollars abzunehmen und sich ihre Abneigung nicht anmerken zu lassen.

Nach einer halben Stunde sah er vor sich das Ziel seiner Wanderung: eine Strandbar, hinter zwei weithin sichtbaren, auffallend schräg stehenden Palmen gelegen, mit einem Gastgarten davor. Zwischen kleinen Palmen, Bananenstauden und anderen tropischen Gewächsen standen einige Bänke und Tische, auf einfachste Weise aus rohem Holz gezimmert und von Wind und Wetter schon ziemlich mitgenommen. Auch die Sonnenschirme mit den ehemals bunten Werbeaufschriften hatten schon einige Saisonen hinter sich.
Außer einem jungen Pärchen im hinteren Teil der Bar waren keine Gäste zu sehen. Einige Hunde, die sich im Schatten unter den Bänken in den Sand gelegt hatten, hoben kurz die Köpfe, als der neue Gast an ihnen vorbeiging, schenkten ihm dann aber keine weitere Aufmerksamkeit mehr und kehrten zu ihren Träumen zurück.
Der Wirt, ein ausgedörrter Aussteiger aus dem französischen Teil von Kanada, der sich mit einer Thailänderin zusammengetan hatte, wartete schon auf seinen Gast. Er kannte ihn seit mehreren Jahren, weil er täglich um die gleiche Zeit vorbeikam. Nach der freundlichen Begrüßung holte der Wirt unaufgefordert eine Flasche Bier, die er in eine Styroporhülle steckte, bevor er sie vor seinen Gast hinstellte. Dieser hatte sich in der Zwischenzeit auf seinem Stammplatz am Rand des Gastgartens niedergelassen. Von dort aus konnte er die beiden einheimischen Frauen beobachten, die einige Meter entfernt eine Art Zelt aufgebaut hatten. Unter diesem Sonnenschutz hatte jede ein großes Badetuch auf dem Boden aufgelegt. An einer Zeltstange war eine einfache Tafel mit der Aufschrift „Massage“ angebracht, die aber zumindest in der letzten Stunde keinen Kunden angelockt hatte, weil die beiden Frauen allein in ihrem Zelt saßen und plauderten. Als sie in seine Richtung blickten, winkte er ihnen kurz zu. Eine der beiden stand auf und kam zu ihm an den Tisch.
Die Frau war höchstens vierzig Jahre alt, hatte ein hübsches, rundes Gesicht und schwarze, halblange Haare und sie brachte mindestens achtzig Kilo auf die Waage, obwohl sie kaum mehr als 160 Zentimeter groß war. Eine stramm sitzende, kurze Hose umspannte ihr stattliches Hinterteil. Unter einem weiten, nicht mehr ganz sauberen T-Shirt wogten zwei mächtige Brüste, von keiner Haltevorrichtung gebändigt, mit zwei nicht minder mächtigen Brustwarzen, die sich unter dem dünnen Stoff mehr als deutlich abzeichneten. Sie begrüßte ihn mit einem Kuss auf den Mund und setzte sich dann neben ihn. Während er den Arm um ihre Schultern legte und sie zu sich hinzog, kam der Wirt mit einem Becher Cola für sie.
Obwohl er sie schon seit vier Jahren kannte, war die Unterhaltung zwischen ihnen immer noch sehr mühsam. Sie sprach ein wenig Englisch, allerdings mit vielen Fehlern und einer sehr eigenwilligen Aussprache. Dazu hatte sie sich in den Jahren, seit sie sich kannten, auch einige Sätze und Wörter in Deutsch angeeignet, die sie aber immer wieder verwechselte oder falsch verwendete. Deshalb saßen sie oft stundenlang nebeneinander, ohne viel zu reden.

An diesem Tag waren beide sehr schweigsam. Sein letzter Urlaubstag sollte auch ihr letzter gemeinsamer Tag für immer sein, wenn sie es sich nicht doch noch anders überlegte. Während er mit einer Hand ihre Brust streichelte, wanderten seine Gedanken zurück zu dem Tag vor vier Jahren, als er sie an seinem allerersten Urlaubstag kennengelernt hatte.
Nach einem Abendessen und einigen Drinks war sie ohne viele Worte mit ihm in sein Hotel gegangen und hatte die Nacht mit ihm verbracht. Obwohl sie kein Geld von ihm verlangt hatte, hatte er ihr am nächsten Morgen einige Baht-Scheine in die Hand gedrückt, die sie dann auch ohne Zögern angenommen hatte. Sie hatten dann bis zu seiner Abreise alle Nächte gemeinsam verbracht und er hatte ihr immer wieder einige größere Geldscheine zugesteckt. Schon damals hatten sie und ihre Freundin in ihrem Zelt Urlauber massiert und damit ihren Lebensunterhalt verdient und es hatte für ihn auch keinen Zweifel daran gegeben, dass sie ihre Arbeit auch in so manchem Hotelbett fortsetzte, wenn das gewünscht und entsprechend bezahlt wurde. Trotzdem hatte er eine starke Zuneigung zu ihr entwickelt, die vor allem auf die besondere sexuelle Erfüllung zurückzuführen war, die er in den Nächten mit ihr erfuhr und die er in dieser Intensität vorher nicht erlebt hatte.
Als sie ihm zu verstehen gab, dass sie nicht in Phuket bleiben würde, weil sie auf Dauer die Kosten für ihr bescheidenes Appartement nicht aufbringen konnte, hatte er sich bereiterklärt, die Miete für sie zu bezahlen, weil er schon damals das starke Bedürfnis hatte, sie im nächsten Urlaub wieder in seiner Nähe zu haben.
Er hatte dann Jahr für Jahr am Ende seines Urlaubs die Miete für ein Jahr im Voraus für sie bezahlt. Diesen Aufwand nahm er gerne auf sich. Die Miete für ein Jahr kostete ihn weniger als das, was er für seinen dreiwöchigen Aufenthalt im Hotel bezahlte.
Dafür hatte er im Urlaub eine Partnerin, die sich für ihn Zeit nahm, wenn er sie in seiner Nähe haben wollte, die aufregende Nächte mit bisher nicht gekannter sexueller Erfüllung mit ihm verbrachte und die ihn allein ließ, wenn er seine Ruhe haben wollte. Ihre gemeinsamen Nächte verbrachten sie aber nicht in ihrer Wohnung, sondern in seinem Hotelzimmer, was vom Hotelpersonal anstandslos geduldet wurde, weil er schon im ersten Urlaub durch eine Vereinbarung mit dem Hotel dafür gesorgt hatte, dass sie jederzeit zu ihm kommen und auch mit ihm frühstücken konnte, wenn sie bis zum Morgen blieb.

Eines Tages, im zweiten Jahr ihrer Urlaubsbeziehung, hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie gerne mit ihm nach Europa kommen würde. Sie beteuerte dabei immer wieder, dass er nur die Kosten für ihren Reisepass und den Flug übernehmen müsste und sie dann selbst für ihren Unterhalt sorgen würde. Obwohl er nicht gerade begeistert war, lehnte er ihren Vorschlag nicht einfach ab und vertröstete sie immer wieder auf das nächste Jahr.

Auch in diesem Jahr hatte sie an einem der ersten gemeinsamen Abende wieder damit angefangen und er hatte ihr gesagt, dass es wegen der strengen Gesetze in seinem Land nicht möglich sein werde, sie mitzunehmen. Einige Tage später erzählte sie ihm dann, dass sie vor einigen Monaten einen Mann kennengelernt hatte, der im Norden Thailands ein Stück Land besaß und zu dem sie nach Neujahr ziehen wollte. Zunächst hatte er das nicht ernstgenommen und geglaubt, dass sie ihn mit dieser erfundenen Geschichte umstimmen wollte.
Sie verbrachten seine Urlaubstage dann wie in den Jahren zuvor. Mit der Zeit erkannte er aber doch, dass sie ihm keine erfundene Geschichte aufgetischt hatte. Wenn er sie nicht mitnahm, würde er sie als Partnerin für seine Urlaubsaufenthalte verlieren. Einige Tage lang dachte er ernsthaft daran, ihren Wunsch zu erfüllen, weil er nicht auf die aufregenden Nächte mit ihr verzichten wollte.
Er wusste aber auch, welche Schwierigkeiten damit verbunden sein konnten und wie wenig er sich für eine dauerhafte Beziehung eignete. Am Ende fand er sich damit ab, dass die Zeit mit ihr zu Ende ging.

All das ging ihm durch den Kopf, während er neben ihr auf der schmalen Holzbank saß, ihre Brustwarzen streichelte und auf das Meer hinausblickte.
Als dann der kanadische Wirt an ihrem Tisch auftauchte und fragte, ob er noch ein Bier bringen sollte, wurden beide aus ihren Gedanken gerissen. Er bestellte noch ein Bier und eine Cola und versuchte dann, mit ihr den letzten gemeinsamen Abend zu planen. Sie blieb aber wortkarg und gab ihm zu verstehen, dass sie ihn im Hotel abholen wollte.
Auf dem Rückweg machte er noch seinen Abschiedsbesuch bei einer jungen Thailänderin, die an der Uferstraße, nicht weit von seinem Hotel entfernt, einen Stand hatte und mit einfachsten Mitteln köstliche Hühnerteile grillte. Jahr für Jahr hatte er fast täglich bei ihr Halt gemacht und sich trotz seiner sonst spröden Art mit ihr angefreundet.
Heute bestellte er nur ein Bier und setzte sich auf einen ihrer kleinen Campingsessel.
Wenige Meter entfernt boten zwei einheimische Frauen in ihrer Bude die üblichen Kleidungsstücke an. Sie hatten gerade ein älteres Ehepaar in ihren Fängen. Die Frau probierte ein kurzes Höschen mit der übergroßen Aufschrift einer europäischen Nobelmarke. Obwohl es ihr offensichtlich zu klein war und von ihren ausladenden Pobacken geradezu „gefressen“ wurde, wollte sie es anscheinend kaufen und versuchte, den Preis herunterzuhandeln. Mehrmals nannte sie einen Betrag, auf den die Verkäuferin jedes Mal mit schriller Stimme und den Worten: „Giff mi moooor“ reagierte. Sie einigten sich dann aber doch und die Frau ging mit ihrem kessen Höschen und dem gelangweilten Ehemann zum nächsten Stand weiter.
Inzwischen hatte er sein Bier ausgetrunken und verabschiedete sich von der Grillerin mit einem großzügigen Trinkgeld und der Ankündigung, dass er im nächsten Jahr wiederkommen werde. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie ihm zum Abschied eine Kette aus weißen Blüten um den Hals legte und ihn auf beide Wangen küsste.

Nach dem Abendessen in einem kleinen Restaurant, das für seinen ausgezeichneten Phuket-Lobster bekannt war, flanierte er dann mit seiner Gefährtin, die ihn wie vereinbart im Hotel abgeholt hatte, an den zahlreichen kleinen Geschäften neben der Uferstraße entlang.

Danach kehrten sie zu seinem Hotel zurück. Bei ihrem letzten Getränk an der Hotelbar wurde ihm bewusst, wie sehr er sie an diesem Abend begehrte, und er überlegte kurz, ob er sie nicht doch mitnehmen sollte.
Schon im Lift zog er sie an sich und ließ seine Hände zwischen ihre kräftigen Schenkel wandern. Im Zimmer zogen sie sich dann hastig aus.
Als er aus dem Bad kam, lag sie mit weit geöffneten Beinen nackt auf dem breiten Doppelbett und schenkte ihm ihr eigenartiges Lächeln, das vieles bedeuten konnte.
Er setzte sich seitlich neben sie, legte seinen Kopf auf ihren Bauch und kraulte ihr dichtes, schwarzes Schamhaar. Schon bald spürte er ihre zunehmende Erregung, als sie versuchte, ihn mit ihren kräftigen Armen über sich zu ziehen. Er entzog sich ihr, ehe sie ihn mit Armen und Beinen umschlingen konnte, stand auf und schaltete den kleinen CD-Player ein, den er auf seinen Reisen stets mitführte.
Als er in sie eindrang, ertönte die kraftvolle Stimme einer bekannten deutschsprachigen Sängerin. Sie sang von einer Frau, die sein wollte wie eine andere, es letzten Endes aber doch nicht schaffte.
Es dauerte dann nur wenige Minuten, bis sie zunächst leise und dann immer lauter zu stöhnen begann. Sie warf ihm mehrere Male ihren Unterleib kraftvoll entgegen, drückte ihn mit ihren starken Armen so fest an sich, dass er nicht mehr weiter in sie stoßen konnte, und kam zu einem Orgasmus, wie er ihn bei keiner Frau zuvor erlebt hatte. Dann gab sie ihn frei, blieb regungslos auf dem Rücken liegen und sah lächelnd gegen die Decke, während seine Stöße immer schneller und heftiger wurden. Sie lächelte auch noch, als er sich aufrichtete und, auf die Ellbogen gestützt, seine Hände seitlich um ihren Hals legte.

Als er das vor vier Jahren, am Beginn ihrer Beziehung, erstmals getan hatte, war sie erschrocken und hatte seine Hände von ihrem Hals gerissen. Er hatte ihr dann aber zu verstehen gegeben, dass dies nur ein Spiel sei und sie nichts zu befürchten habe.
Tatsächlich drückte er nie fest zu und sie ließ es als Teil seines Liebesspieles zu, wohl auch deshalb, weil sie erkannte, wie sehr es ihn erregte, wie schnell er so zu seinem Höhepunkt kam und wie großzügig er nach solchen Nächten immer war.
Diesmal war aber alles anders.
Als sie spürte, dass er mit ganzer Kraft zudrückte, umfasste sie ihn an den Handgelenken und versuchte, seine Hände von ihrem Hals zu bekommen. Er umklammerte sie aber wie ein Schraubstock, sie bekam keine Luft mehr und vor ihren Augen begannen rote Ringe zu tanzen. Mit letzter Kraft gelang es ihr, ihn mit einer ruckartigen Bewegung ihres Unterleibes von sich zu stoßen. Als sie ihm dann noch ihr Knie zwischen die Beine rammte, ließ er endlich ihren Hals los und rollte mit einem Aufschrei seitlich aus dem Bett.
Sie zitterte am ganzen Körper und rang nach Luft, während sie hastig ihre Kleidungsstücke zusammensuchte und sich ankleidete. Er schien immer noch starke Schmerzen zu haben, als er langsam aufstand, zu ihr hinging und sie umarmen wollte. Sie stieß ihn aber so heftig von sich, dass er beinahe wieder hingefallen wäre, und kleidete sich fertig an. Immer noch wütend stieß sie dabei einige Sätze in ihrer Muttersprache hervor, die er nicht verstand. Daraufhin nahm er aus seiner Hose ein Bündel mit Dollarscheinen und warf es auf das Bett, ehe er sich in das Bad zurückzog und die Tür hinter sich schloss.
Wenige Augenblicke später hörte er die Tür ins Schloss fallen und kehrte in das Zimmer zurück.
Das Geld hatte sie mitgenommen.
Die Stimme aus dem CD-Player war immer noch zu hören. Jetzt ging es um einsame Wölfe, die durch die Nacht schlichen.

Nach und nach wurde ihm bewusst, was geschehen war.
Wie hatte es dazu kommen können?
Was war in ihn gefahren?
Was wäre geschehen, wenn sie ihn nicht von sich gestoßen hätte?
Er überlegte, ob er am Vorabend zu viel getrunken hatte. Daran konnte es nicht liegen. Es war weniger gewesen als an manchen Tagen davor. Betrunken war er jedenfalls nicht.
Schweißgebadet lag er auf seinem Bett und dachte darüber nach, was er jetzt tun sollte. Wenn sie zur Polizei ging, würde er große Probleme bekommen und über die Zustände in thailändischen Gefängnissen war er nach einigen Medienberichten auch informiert. Aber würde sie das tun? Er wusste, dass thailändische Frauen in den Urlaubsgebieten meist einen großen Bogen um die Polizei machten, und beruhigte sich. Immerhin war inzwischen schon eine Stunde vergangen und niemand hatte an seine Tür geklopft. Am nächsten Tag sollte er um neun Uhr vom Hotel abgeholt werden. Drei Stunden später würde er im Flugzeug sitzen und in Richtung Heimat unterwegs sein.
Nach dem vierten und letzten Bier aus seiner Minibar ging er endlich zu Bett und fiel trotz der Schmerzen in seinen Hoden, die er immer noch spürte, in einen bleiernen Schlaf, aus dem er so spät erwachte, dass er in aller Eile seinen Koffer packen musste, damit er noch rechtzeitig zum Flughafen kam.
Noch einmal packte ihn die Angst, als einer der Polizisten bei der Passkontrolle vor der Ausreise seinen Reisepass genau studierte und ihn dabei einige Sekunden lang musterte. Auch als ihm der Beamte den Pass schließlich mit einem freundlichen Lächeln zurückgab, war ihm noch immer nicht ganz wohl in seiner Haut.
Auf dem Weg zum Flugzeug und beim Einsteigen drehte er sich immer wieder um und hielt Ausschau nach Polizisten, die ihn abholen und in ein thailändisches Gefängnis bringen könnten. Er sah aber nur Urlauber mit Handgepäck und Kameras und fühlte trotzdem den kalten Schweiß am ganzen Körper.
Erst als das Flugzeug eine halbe Stunde später abhob, wusste er, dass er nichts mehr zu befürchten hatte, und lehnte sich entspannt in seinem engen Sitz zurück.
Die zahlreichen kleinen Inseln der Andaman-See unter ihm wurden kleiner und kleiner, die Wellen auf dem Meer waren kaum noch zu erkennen und die Flugbegleiterin brachte ihm den ersten Drink.
Als das Flugzeug dann in die Wolkendecke eintauchte, schloss er die Augen und dachte an die Frau, mit der er die letzte Nacht verbracht hatte, und an das Lied von den „einsamen Wölfen“.
5 Sterne
Ernas Geheimnisse – Mord im „heiligen Land“ Tirol - 20.09.2017
KaEm

Tot wird die Titel gebende Erna Klingenschmied aufgefunden, nackt, erwürgt. Chefinspektor Roman Steinlechner wird mit seinem Team, der „Blutgruppe“, auf den Fall angesetzt. Der Kriminalroman erzählt von diesem sowie dem Mord an der Barfrau eines Söldner Hotelbetriebs und der Suche nach dem Täter. Schauplätze sind neben Innsbruck unter anderen die Tiroler Tourismus-Hochburgen Seefeld und Sölden. Keine hollywoodverdächtigen Verfolgungsjagden oder wilde Schießereien, Ernas Geheimnisse liest sich, als könnte diese Geschichte in der Realität genau so passiert sein wie im Roman beschrieben. Schritt für Schritt verfolgt man als Leser und Leserin die Ermittlungen, nimmt an Verhören teil, liest Polizeiprotokolle, verfolgt Indizienbeweise, als wäre man mittendrin, als würde man als Zaungast die Arbeit der Gendarmarie-Beamten begleiten. Die trockene und schnörkellose Sprache trägt wesentlich dazu bei, den Text als sehr realitätsnah zu erleben. An den knappen, direkten Stil muss man sich gewöhnen, aber hat man es geschafft, hat einen die Spannung der Handlung fest in der Hand. An Kritik am System wird nicht gespart, es werden interessante Einblicke in die Strukturen bei der, zur Handlungszeit des Romans noch Gendarmerie, heute Polizei, gegeben. So werden Stellen nicht nach Qualifikationen besetzt, sondern nach Parteizugehörigkeit. Durch Umstrukturierungs-Maßnahmen werden Abteilungen und Arbeitsbereiche immer wieder umbenannt, ohne dass sich das Tätigkeitsfeld der Beschäftigten ändert. Ob der Mörder gefasst wird, ob es sich um ein Verbrechen aus Berechnung oder Leidenschaft handelt, bleibt an der Stelle ein Geheimnis, das müssen Sie selbst heraus finden! Viel Spaß beim Lesen!

5 Sterne
Ein Leckerbissen für Leser - 07.01.2017
Antonia

Ein wirklich guter Krimi! Sehr spannend geschrieben und das bis zum Schluß. "Ernas Geheimnisse" ist ein richtiger Leckerbissen für Krimiliebhaber - dieses Buch verschlingt man am liebsten auf einen Sitz.Ich hoffe noch weitere Bücher von dem Autor Reinhold Dullnig zu lesen.

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