Kämpfer des Windes

Kämpfer des Windes

Isabella Schneider


EUR 20,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 514
ISBN: 978-3-99048-596-5
Erscheinungsdatum: 10.08.2016
Die Welt der Elemente ist aus den Fugen geraten und wird von Rebellen bedroht. Ein mächtiger Magier beraubt Menschen ihres Willens und macht sie zu seinen Instrumenten. Können die Magierin Zoe, Königin Liben und ihre Anhänger die Schlacht noch gewinnen?
Prolog


Im Osten erklomm die Sonne die ersten Handbreit ihres Weges und zauberte strahlendes Licht auf unendliche Schneefelder.
Sie schenkte dem Schnee glitzernde Kristalle. Sie ließ das Eis der Seen glänzen. Sie durchschien den Wind des Landes und gab ihm Reinheit.
Ganz im Norden, in den Bergen, suchte man sie zuallererst. Ein Zwerg, aus den Hallen der Herrscherin in seine Heimat zurückgekehrt, stieg an die felsige Oberfläche und wartete gespannt auf sie. Er sah über das Land hinweg in Richtung Süden.
In der Hafenstadt Markun saß eine besorgte Witwe am Tisch, sah auf das zart rote Fenster und dachte an ihre Zwillinge. Im Nebenzimmer wachte eine Mutter über ihren Sohn, dessen Vater der Königin verpflichtet war, während ein Sonnenstrahl ihre Wange erwärmte.
In Sweda stieg ein junger Stadthalter aus seinem Bett, küsste seine noch schlafende Frau, hüllte sich in eine Decke und betrat den Balkon. Er sah auf das rauschende Meer unter sich, den schneidenden Wind um sich und die Sonne vor ihm, die sein Haar feuerrot brennen ließ, und er dachte an seinen Bruder.
Zwischen Stein und rauschendem Wasser in der Tiefe, in der Nalareschlucht, schien die Sonne auf Soldatenhelme, die mit dem Felsen verschmolzen zu sein schienen, und auf Schwertklingen, die noch blutrot glänzten. Zwischen ihnen, von Eiskristallen bedeckt, kauerte ein Hirschgeweih, und dieser Hirsch sah hinauf in die Sonne und dachte einen Augenblick lang nicht an den nahen Feind.
Die Sonne schien auch im Zentrum des Landes, auf einer Lichtung, auf eine halb abgetragene Veranda einer vom Hang verschlungenen Hütte. Ein altes Gesicht lächelte angesichts ihrer Helligkeit und tausende Falten zierten die weiße Haut, so weiß wie die hunderten von Blüten, die um die Hütte ihre Köpfe aus dem Schnee der Sonne zuwandten.
Im Süden, weiter im Süden, als es sich jeder Mann des Windes zugetraut hätte, tobte ein Kampf zwischen Rebellen und Soldaten des Windes. Ein Adler, ein Tiger und die Königin des Windes waren der Kern der Schlacht. Sie kämpften, brüllten und schrien und ihre Waffen fingen die Sonne nicht mehr ein, so dreckig und blutig waren ihre Klingen und Klauen. Die ganze Nacht schon hatten sie alles gegeben und bald würde es vorbei sein. Bald hätten sie ihren Feind besiegt und sie könnten ihre Waffen senken und ihre Toten bergen. Bald. Noch nicht jetzt und noch nicht das letzte Mal, aber bald. Der Tiger richtete sich auf und brüllte donnernd und ein einziger reiner weißer Zahn fing einen Sonnenstrahl ein.
Auch in Soluray schien die Sonne am Morgen. Der Schnee der Nacht betäubte die Gassen und die Schenken. Es wurde geschrubbt und eingeheizt und gefüttert. Fuhrwerke fuhren aus dem nahen Wald mit frischen Nizabüschen durch die Straßen und hungrige Tiere schrien ihnen entgegen. Junge Geliebte schlichen sich nach Hause und alte Greise hockten sich vor die Tür, um Pfeife zu rauchen.
Ein schwarzer Mann, auch noch zu so später Stunde gerissen lächelnd, bedankte sich bei drei in Tücher gehüllten Männern in einem kleinen Hinterhof, reichte ihnen je einen Beutel Münzen und zog sich zurück, um nach dieser erfolgreichen Nacht zu ruhen. Er atmete einmal tief durch und lehnte sich an die Tür hinter ihm. Neben ihm schien die Sonne durch ein Fenster auf drei gefesselte und geknebelte Rebellen am Boden vor ihm. Er lächelte ihnen zu.
Das Festungsgelände lag still im Herzen der Stadt. Einzelne Bedienstete kehrten die steinernen Wege des Außenareals. Aus den zahlreichen Schornsteinen stieg beständig Rauch auf. Die breiten Gänge und das weitläufige Treppenhaus im Kern der Anlage waren ruhig. Hi und da huschte ein Diener hinter Wandteppichen oder Gemälden aus einem versteckten Gang in das Zimmer seines Herrn oder seiner Herrin, ab und an hörte man ein klapperndes Geräusch aus der Küche, wo man bereits das Essen aus den Zuchthallen des Adels in ein zauberhaftes Frühstück verwandelte. Der Tag würde beginnen.
Im südlichen Trakt der Festung in Soluray fand die Sonne ihren Weg durch zwei hohe Fenster in eine weite, fast leere Halle. Im Kamin prasselte leise ein Feuer, davor lag eine kleine Gestalt in Decken gehüllt. Graues Haar blitzte auf, als das Licht die müden Lider des Kindes zucken ließ. Doch eigentlich hatte die Sonne etwas anderes gesucht und natürlich gefunden. Unter den beiden Fenstern stand ein Sarg aus Glas. Sein Boden war hölzern, mit Mustern geziert und mit feinen, braungrünen Gräsern ausgelegt. Im ersten Sonnenstrahl schienen Eis und Schnee und Wind dort drinnen zu toben und zu singen und zu tanzen. Das Glas machte den Anschein zu bersten. Die Person dort drinnen schien sich jeden Moment zu regen und sich aus den Scherben zu erheben.
Nur tat sie es nicht. Nicht einmal die Sonne sollte die weiße Anmut dort drinnen zum Leben erwecken. Nicht einmal Licht auf Licht und strahlende Schönheit auf strahlender Schönheit schien sie zu wecken. Sie lag still. Tag um Tag, Sonnenaufgang um Sonnenaufgang, trotzdem suchten ihre Strahlen jeden wolkenfreien Morgen nach dem Wind in ihr.
Zuletzt erreichte die Sonne eine dunkle Gestalt. Sie stand in der unendlichen Weite der Germinebene, nur begrenzt durch den Fluss, weit entfernt, das Harurgebirge fern im Norden und südlich durch die Stadt Soluray. Die Gestalt war ein Moony und die Sonne schien in dieser weißen Unendlichkeit auf eine Haarpracht, so schwarz wie die finsterste Nacht ohne Mond und Sterne. Auf Haut, so dunkel wie das edle Holz der ältesten Bäume und Augen, so grundlos und rußfarben schimmernd wie Edelsteine aus den tiefsten Hallen der Zwerge im Norden.
Die Gestalt auf der Ebene stand starr. Der Wind wehte in ihrem langen Haar. Er verfing sich in ihren düsteren Tüchern. Er strich um ihren kräftigen Körper. Er war bei ihr, unwiderruflich. Tief in ihr.
Der Blick der Gestalt war gen Süden gerichtet. Sie sah auf das Schloss, das die Sonne vor dem Horizont glitzern ließ. Sie sah die Balkone und Türme. Sie sah die im Wind tanzenden Fahnen dieses Landes und den darauf dargestellten schwarzen, in Flammen stehenden Pferdekopf.
In ihrem Herzen jedoch sah die Gestalt Licht. In Schnee und Eis, so schien es, blitzte in ihrem Inneren ein Gesicht auf. Es war jung und schmal, die helle Haut rein. Weiße Haarsträhnen, aus einem langen Zopf gelöst, bewegten sich im Wind darum. Die blauen Augen strahlten unter weißen Augenbrauen und weißen Wimpern.
Dieses Gesicht, ging es der Gestalt durch den Kopf, dieses Gesicht.
Diese Frau würde sie suchen und finden.
Und sei es das Letzte, was sie tun würde.




Teil 1 – Flammen


1
Im Süden – Kuna


Blut.
Der Geschmack von Blut im Maul des Tigers stellte das Schaben der Waffen um ihn herum in den Schatten, während er mit langen Schritten durch das Lager ging. Er lenkte ihn vom stechenden Geruch der Männer ab. Brachte ihn davon ab, hinter jeder hell klingenden Schwertklinge einen Angriff zu erwarten.
Er ließ ihn an das denken, was er gerade getan und gesehen hatte. Half ihm, sich zu konzentrieren. Auf seine Pflicht, die Herrscherin zu beschützen, auf sein Ziel, die Rebellen zur Strecke zu bringen.
Aber vor allem erinnerte er Kuna nicht an sie.
Er hörte Libens müde Schritte hinter sich. Ihre vor Blut und Silber glänzende Rüstung klirrte leicht. Napo und Nail gingen hinter ihr, Hur und Sainor an ihren Seiten.
Er konzentrierte sich auf das Wesentliche.
Sie war noch hier. Bei ihm. In Sicherheit.
Die niedrigen Zelte der Männer um ihn herum strotzten dem Wind und dem Schnee. Hunderte kleine Feuer schickten Rauchsäulen in den unruhigen Himmel. Wolken schoben sich vor die Sonne und trotz des noch immer hellen Lichtes fing es an zu schneien.
Während Kuna als Erster in das höhere Zelt der Herrscherin huschte, verwandelte er sich. Geschmeidig richtete er sich auf, und das flammende, von verwirrenden schwarzen Streifen durchzogene Fell wich den Leinen der Laurusnixen, dem Wams und der Jacke aus Fell und Leder sowie dem ledernen Schutz an den Unterarmen und der Brust. Seine Schritte in den leichten Stiefeln glitten lautlos über den vereisten Schlamm und das Eis des Zeltinneren, seine stechenden, grüngelben Augen sahen in jeden Schatten. Das helle Leinen der Zeltwände bewegte sich ununterbrochen im Wind des Lagers. Der Wind folgte ihm durch den Zelteingang und strich ihm durch die kurzen schwarzen Haare, versuchte seine Fäuste sanft zu lösen.
Nach einem Moment folgten ihm die anderen. Die Königin kam herein, ein wenig gebeugt hier drinnen, wo sie niemand mehr beobachtete. Hur, noch immer seinen Streitkolben in der Hand. Nail, sich wortlos und mit zusammengebissenen Zähnen eine Wunde an seinem Oberschenkel mit einem Streifen seines zerrissenen Wamses zubindend. Sein schulterlanges Haar war blutverklebt. Sainor und Napo kamen zum Schluss. Einen Moment länger als nötig blieb Kunas Blick an Sainor hängen, an den Schatten unter seinen Augen und den angestrengt zusammengekniffenen Augenbrauen.
Liben ließ sich mit einem leisen Seufzen gegen die Truhe hinter sich sinken. Sie legte ihren silbrigen Helm neben sich und zog sich die Handschuhe aus. Ihre leisen Bewegungen waren das einzige Geräusch in dem lichten und doch ein wenig düsteren Zelt.
Einen Moment lang rang Kuna sich dazu durch den eisigen Geruch des fallenden Schnees draußen zu riechen. Er schluckte und atmete tief durch. Dann löste er langsam seine Fäuste.
Die Herrscherin legte auch ihre Handschuhe neben sich und sie strich sich das Haar zurück, während sie schweigend in die Runde sah. Es wurde wenig gesprochen in letzter Zeit. Seit sie Soluray verlassen hatten.
Einen tiefen Atemzug lang dachten sie alle daran: an das Blut, mit dem sie gerade zu hunderten den Schnee getränkt hatten. An die Leben, die dort für den Wind geendet hatten. Auf beiden Seiten.
Schließlich nickte Liben langsam. Ihre Stimme war leise, ihre Worte gingen im Wind und dem Schnee und den Geräuschen der Männer und Tiere außerhalb dieses hohen Baldachins beinahe unter. „Wir sehen uns später, im Zelt des Feldherrn.“
Schweigend verließen sie die Königin. Nail humpelte.
Kuna und Hur nahmen links und rechts des Eingangs ihre Stellung ein. Sie würden Liben nicht mehr allein lassen. Sie gaben alles und bekamen nur Libens Sicherheit. Ihre Macht. Ihr Sein. Das mussten sie beschützen.
Liben. Sie war die Erste. Es gab nichts anderes, was Kuna hätte tun müssen. Seine Pflicht war für sie zu sterben. Sie war das Wichtigste in seinem Leben. Durch seine Verpflichtung ihr gegenüber lebte er.
„Kuna …“, begann Hur, leise wie immer. „Du musst dir nichts vormachen.“
Kuna presste seinen Kiefer aufeinander und stoppte sein unbewusstes Murmeln. Das tat er zu oft in letzter Zeit. Wo war seine alte und sture Entschlossenheit geblieben? Wo war seine Kaltschnäuzigkeit, seine Abwehr, wenn er sie brauchte?
Er wusste die Antwort, würde sie sich aber nicht eingestehen. Kuna schwieg. Er ballte seine Hände hinter dem Rücken wieder zu Fäusten.
„Kuna, du hast dich verloren. Du solltest … solltest dich wiederfinden.“
Wieder gab Kuna keine Antwort und ließ sich auf alle viere sinken. Seine Tiergestalt bewahrte ihn davor, die Fassung zu verlieren. Er verdrängte Hur und seine vergeblichen Versuche ihn wiederzubeleben. Ihn wieder dorthin zurück zu holen, von wo er hinabgestürzt war.
„Du weißt, dass sie es nicht gewollt hätte, dich so zu sehen.“
Das war jetzt neu. So weit ging er nun nicht oft. Aber mehr würde er nicht wagen.
Sie war tabu.
„Auch Sarpen nicht. Sieh dir Sainor an: Er kämpft um die Ehre seines toten Bruders. Dank ihm wird niemand Sarpen vergessen. Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen.“
Ein Wagen ratterte laut an ihnen vorbei. Von drinnen hörte man die leise Stimme der Magd, die Liben half sich aus der Rüstung zu schälen. Ein Reiter galoppierte auf sie zu, bog aber im letzten Moment in die anschließende Zeltreihe ab. Kunas Herzschlag raste kurz, dann atmete er tief durch. Er hatte alles im Blick.
Würde sich nicht ablenken lassen. Liben.
Sein Schweigen aber sagte mehr als tausend Worte. Er würde nicht mit Hur darüber sprechen. Er würde es mit keinem tun. Es gab nichts zu besprechen. Er ging damit auf seine Weise um. Hur grub nur in Erinnerungen und Gefühlen herum, die er schon lange begraben hatte. Die er lernte zu vergessen und den Schmerz zu unterdrücken.
„Kuna, Zoe ist tot! Sieh es ein! Wie lange willst du noch um sie trauern?“
Auf diesen Satz hin schoss Kunas Blick herum und bohrte sich in Hurs dunkle Augen. Es folgte ein so wütendes Knurren seinerseits, dass Hur nun endlich abwehrend die Hände hob und schwieg.
Der Tiger saß da und legte eine unbewegte Miene auf. Seine Narbe schützte ihn vor langen Blicken und seine blitzenden Fänge vor Diskussionen.
Für die wenigen, die noch nicht wussten, was in Soluray geschehen war, wirkte der Tiger an der Seite der Königin unnahbar und pflichtbewusst. Für andere war er jedoch eiskalt, erbarmungslos und schweigsam. Er galt als aggressiv und tödlich.
Tief in seinem Innern aber wurde Kuna verletzt. Nicht verletzt, sondern zerfetzt. Nicht zerfetzt, sondern ausgehöhlt.
Allein. Er war allein.




2
In der Festung – Miranu


Der Saal war groß. Und hell. Mit glänzenden Fliesen und wunderbaren Mustern an den Wänden. Die hohe Decke und die Säulen in den Ecken waren mit Gestalten des Windes bemalt. Die Fenster waren groß. Der Raum war ein Geschenk an den Wind.
Strahlend.
Der richtige Ort für sie.
Draußen schneite es. Dicke Flocken, die sich friedlich auf den Fensterbänken sammelten und still Geborgenheit schenkten. Hin und wieder drückte sich eine gegen die Scheibe des größten Fensters. Der Schnee war wunderbar. Er ließ das Festungsgelände dort draußen ruhig werden.
Miranu wandte sich vom Fenster ab. Sie sah durch das Glas auf Zoe. Der richtige Ort für sie. Reglos lag sie da. Vollkommen bewegungslos. Und in Miranus Augen doch vollkommen, auf ihre eigene Art und Weise. Sie sah noch immer weich aus, noch immer stark. Ihre Hände waren über dem dunklen Kleid gefaltet, doch sie sahen noch immer zäh aus. Der Dolch in ihren Fingern schimmerte. Der Bogen mitsamt dem Köcher lag neben ihr, Seite an Seite mit ihrem so pedantisch gehüteten Jagdmesser. Ihre Augen waren geschlossen, doch umrahmt von ihren weiß schimmernden Wimpern und Augenbrauen. Ihr Körper eingehüllt in ihre langen weißen Haare.
Miranus Blick verschwamm und sie wandte sich auch von ihr ab. Sie ging die paar Schritte hinüber zum Feuer und schlang sich ihre Decke fest um die Schultern. Lina war heute schon hier gewesen und auch ihre neue Freundin, die Lady.
Jetzt erwartete Miranu niemanden mehr und das freute sie. Sie mochte es nicht zu sprechen, jetzt, da es alle von ihr erwarteten. Und sie mochte es nicht, wenn jemand sie aus ihren Gedanken riss, jetzt, da sie doch das Einzige waren, was sie noch hatte.
Liben mit ihrem Gefolge war schon lange im Süden, an der Front, um Krieg zu führen. Um das zu tun, worauf sie so lange gewartet hatte. Tagtäglich riskierten sie ihr Leben. Tagtäglich schlief Miranu in Unwissenheit ein. Doch es war nicht so schlimm, wie sie es sich vorgestellt hatte. Das Alleinsein hatte schon nach Zoes Tod begonnen. Niemand war nach Sarpens und Zoes Verschwinden mehr derselbe. Miranu dachte sich insgeheim, wie viel Glück sie gehabt hatten, dass sie fast vergessen hatten, wie glücklich sie doch in ihrer Gruppe waren. Dass sie fast vergessen hatten, wie viel Glück sie alle mit ihren Gefährten gehabt hatten.
Also war sie nun allein. Wie alle anderen auch.
Das Lager aus Pölstern, das sie sich vor dem Kamin eingerichtet hatte, diente Miranu gleichzeitig als Bett sowie als Versteck ihrer kleinen Habseligkeiten. An Zoes Sarg, der nahe am größten Fenster stand, hatte sie an dessen Fuß ein kleines Windspiel gehängt. Sobald jemand die weit entfernte Tür zum Saal öffnete, fand der Wind den Weg zu ihr und ließ es sanft klingen.
Unter ihrem Polster hatte sie eine kleine Figur, nicht größer als Hurs Handfläche, versteckt. Er hatte sie ihr gegeben, kurz bevor er Liben an die Front gefolgt war. Es war eine Mischung aus einem Pferd und einer Katze. Das Pferd bildete die linke Seite und die Katze die rechte. Es schien, als wären beide zwischen ihren Augen durchtrennt worden und nun nahtlos wieder miteinander verschmolzen. Eine aufrecht stehende Katze und ein aufrecht stehendes Pferd, elegant, mit großen, dunklen Augen, geschnitzt von jemandem, den sie nicht kannte. Hur gab sie ihr, denn er war der Meinung, sie war bei ihr besser aufgehoben. Miranu hatte seine scheue Geste erkannt und hütete sie nun mit Bedacht.
Ebenfalls mit Bedacht sah Miranu jeden Tag auf das Bild, das sie sich, nachdem man Zoe gewaschen und neu angezogen hatten, genommen hatte. Sie glaubte nicht, dass jemand davon wusste. Zoe hatte es in ihrer Reisejacke, in der Brusttasche aufgehoben. Ein Bild, das Arel und sie zeigte, auf einem Markt, lächelnd.
Jeden Tag holte sie es hervor und sah Zoe an. Jeden Tag hielt sie Zoe damit in ihrem Herzen lebendig.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Kämpfer des Windes

Ulrike von Stryk

The year 2525 – Zurück aus der Zukunft

Buchbewertung:
*Pflichtfelder